Nur der Streuselkuchen ist Privatsache

Samstag, 26. Oktober 2013

oder Nicht alles was über Merkels Handy geht hat absoluten Anspruch auf Privatheit.

Der NSA-Skandal erreicht also eine neue Dimension. Und ein Reporter des SWR verstieg sich letztens gar zu der Äußerung, dass für das "politische Berlin nun der Spaß seine Grenzen habe". Soso, die fast flächendeckende Observierung der Bürger war also nur ein Spaß und jetzt, da das Telefon dieser Frau angezapft wurde, wird es erstmals ernst. Ich nehme das äußerst persönlich. Mit solchen taktvollen Umschreibungen der Szenerie sagt man mir nämlich auch: Meine Privatsphäre ist nichts wert. Und deine, lieber Leser, auch nicht.

Doch die Causa Merkel handelt gar nicht von Verletzung der Privatsphäre. Jedenfalls nicht nur. Diese Frau ist ja ein Geschäft. Fast alles was sie sagt, schreibt und telefoniert ist ja nicht privat. Anders: Sie mag als Privatperson im Büro von Jürgen Fitschen anrufen können. Aber ist das dann auch wirklich privat?

Was hat sie eigentlich zu verbergen? Sagte die Frau nicht oft und gerne, dass niemand etwas befürchten muss, wenn er nichts zu verbergen hat? Jetzt wurde auch sie auf Neuland gestossen. Das ist bei aller Sauerei erfreulich. Noch erfreulicher wäre es, wenn sich nun WikiLeaks daranmachte, ihre Kontakte und Gesprächsprotokolle, vielleicht sogar den jeweiligen Inhalt der Telefonate, der Öffentlichkeit zu überreichen. Wäre schon nicht unspannend zu erfahren, ob sie die direkte Durchwahl zur Finanzmafia hat und ob sie neulich entweder mit BMW, Audi oder Mercedes zwecks Abgasnormen telefoniert hat. Oder riefen die drei Konzerne sie zum Rapport an?

Und das soll uns alle nichts angehen? Die Streuselkuchenrezeptur, die sie ihrem Joachim gesimst hat, die interessiert mich wahrlich nicht. Die muss privat bleiben, sollen nur ihre Liebsten genießen dürfen. Es sei denn, das Rezept dient als Tarnung für einen Bombenbau. Solcherlei chiffrierte Terrorpläne hat man ja schon manchem unterstellt. So gesehen wäre also auch der vermeintliche Streuselkuchen substanziell für unsere Sicherheit. Aber der ganze Rest, die Kontakte zu bestimmten Damen und Herren, Absprachen und Dienstleistungen, der Plausch mit Chefredakteuren und so weiter, der wäre eigentlich gar nicht so sehr die Privatsphäre dieser Frau. Insofern hat die NSA mal was Vernünftiges getan. Da muss man doch mal loben, auch wenn nun alle Parteien geschlossen für die Privatgespräche der Kanzlerin eintreten. Klar, müssen sie auch. Das wird verlangt, das wollen die Bürger hören. Jetzt sind wir schließlich alle Opfer. Deutschland, einig Opferland! Aber Leute, Merkel sitzt nicht mit uns allen im gleichen Boot. Das sollte man nicht vergessen. Diese Denkweise ist dumm und gefährlich, sie verschleiert und raubt die gebotene Distanz.

Als die NSA dich und mich aushorchte, da war das doch etwas völlig anderes. Keiner von uns trug sich zu Markte, strebte ein öffentliches Leben an oder hatte eines. Wir wollten nur unser Privatleben kommunizieren. Ungestört. Wir sind keine Personen der Öffentlichkeit, wurden aber für diese Clique von Agenten zu welchen gemacht. Bei Merkel ist das was anderes. Insofern hat eine Kanzlerin nur bedingt Anspruch auf Privatsphäre. Und auch wenn das Anzapfen eines Mobiltelefons mehr als kriminell ist, ich tue mich schwer damit, diesen Fall jetzt als Präzedenzfall für die kriminelle Energie der NSA anzuführen. Präzendenzfälle gab es schon vorher genug. Schlimmere Dinge, wenn man mich fragt. Mancher Journalist wurde zum potenziellen Terroristen bewertet, Privatleute standen plötzlich auf den schwarzen Listen der Luftfahrtunternehmen und so weiter. Ob Merkel jemals in den Ruch einer Terroristin geraten wäre?

Die Frage, die sich eigentlich stellt und die in den Qualitätsmedien so gut wie nicht gestellt wird, hat nichts mit dem Handy der Kanzlerin an sich zu tun. Sie lautet: Was sind WIR eigentlich wert? Oder konkreter, damit dieses Wir sich klärt: Was sind ordinäre Bürger, kleine Männer und Frauen, Normalos, Allerweltsmenschen oder Otto Normalbespitzelte wert? Das was die Masse betrifft, degradiert man rhetorisch zu einem Spaß, etwas was man ertragen muss, wenn man die Freiheit in Sicherheit garantiert haben möchte. Für einen Teil der Medien, den politischen Betrieb, ihre Partei insbesondere und natürlich für sie selbst steht hingegen fest: Sie ist (sich) wichtiger als 80 Millionen Menschen dieses Landes.

Bevor wir uns über die gleichmacherische NSA aufregen, die tatsächlich Bundeskanzlerin wie Arbeitslosen gleichermaßen observiert, sollten wir kurz innehalten und uns dann über diese Überheblichkeit ärgern, mit der man uns Merkels belauschtes Handy als Angriff auf unser aller Würde verkaufen will. Und wir sollten uns bei aller Chuzpe dieser orwellianischen Einrichtung auch nicht mit Empörungen wie jener abspeisen lassen, dass die NSA da deutsche Interessen verletzt habe. Unter Umständen würde mancher geoutete direkte Draht ins Big Business nicht das Interesse der meisten Menschen dieses Landes verletzten, sondern eher wecken.

Sollten wir bald in der Zeitung lesen dürfen, dass Barbara Bush ihren Clan auf einer Feier im heimischen Texas mit uckermärkischem Streuselkuchen versorgt hat, dann sollten wir das weitaus kritischer sehen, als mögliche publizierte WikiLeaks-Veröffentlichungen über Telefonate der Kanzlerin mit Fitschen und Kollegen.


6 Kommentare:

/dev/null 26. Oktober 2013 um 13:46  

Juchee!!

Laut Ausnahmenkatalog des §23 KuG ist die Veröffentlichung von Bildnissen ist zum Beispiel bei Personen der Zeitgeschichte grundsätzlich zulässig, wenn ein Bild veröffentlicht wird, das zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beitragen kann.

Auch sind alle Menschen, die kraft ihres Amtes oder ihres Berufs regelmäßig der öffentlichen Wahrnehmung ausgesetzt sind, Personen der Zeitgeschichte. (Politiker usw.)

Bilder sind heutzutage digitale Daten - genau so wie Verbindungsdaten oder Telekommunikationsdaten.

Somit sollte sie auch so behandelt werden bzw reziprok.

Sollte das nicht ausreichen, Muttis Telekommunikation zu veröffentlichen, bleibt immer noch der Ansatz der Frauenbewegung der Mitt-Siebziger: Die Politik der ersten Person

Ansonsten bleibt noch Hans-Peter Uhl (-enbusch): ''Deshalb muss man wissen: Wenn ich meine Daten dem Internet anvertraut habe, ist die Sache gelaufen. Dann kann jeder diese Daten einsammeln. Ich als Regierung kann nicht dafür sorgen, dass deine Kommunikation auf dem Weg durch die Glasfaserkabel um die Erde geschützt ist, es geht technisch nicht.'' (FAZ 17.07.2013)

Anonym 26. Oktober 2013 um 23:04  

In der Zeit gibt es einen Artikel "Die USA dürfen Merkel überwachen"

Dort vertritt der Historiker Foschepoth die Meinung, dass die Überwachung durch Verträge seit den 1950er geregelt ist.

Leider sind die geheim...

Sprich die Regierung und die Kanzlerin waren darüber informiert!

Wie sagte E. Kästner:

"Nie soll man so tief sinken, den Kakao, durch den man gezogen wird, auch noch zu trinken."

Mfg Bile

Hartmut B. 27. Oktober 2013 um 09:10  

nbRoberto, meine Einstellung zu dieser Frau ist Dir ja nicht unbekannt......

Als sie 2005 kanzlerin wurde, äußerte ich gegenüber Freunden in ein anderes Land zu ziehen. Leider konnte ich dieses Vorhaben aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Tat umsetzen......

Diese Frau ist durch und durch verlogen, egoistisch in höchster Potenz, machtgeil... etc...

leider muß ich aufhören zu schreiben.... wenn ich mich weiter über diese Frau auslasse, könnte das mit einem Infarkt enden.....

Sledgehammer 27. Oktober 2013 um 20:42  

@ Hartmut B.

Zur Ihrer Erheiterung/Aufmunterung - eine Äußerung des Schriftstellers und Satirikers Eckard Henscheid über Ihr "Feindbild":

"Der bestürzende Dummsinn, die behämmerte und zugleich behämmernde, die uns am Ende richtig zuschüttende Impertinenz, die der einstmals mitteldeutsche Seelenknödel im Husenanzug täglich, ja wer weiß (und wäre nicht gern nah dabei) stündlich produziert und ausschüttet: Er überträgt inzwischen längst die oftmals ja sogar kunstvolle Nichtigkeit der Rede ihres Lehrmeisters Helmut Kohl oder auch die Komik eines komischen Selbstläufers, dessen Banausität bis hin zur Debilität aber ja ohnehin mehr eine sich selbst fortzeugende Legende war".

Hartmut B. 28. Oktober 2013 um 05:03  

@sledghammer

danke für Deinen Kommentar !

Was mir richtig weh tut, ist Dein Name, bzw. den du Dir gibst - warum nur ?

Ich lese regelmäßig Deine Kommentare -
sie sind interessant und auch halte ich sie für intelligent.

Freuen würde ich mich, wenn Du Dir mal einen anderen Namen geben würdest.... inhaltlich würde ich Dich sofort erkennen und noch mehr schätzen... ist nur eine Frage...

Roberto, es sei Dir anheimgestellt diesen Kommentar zu veröffentlichen... falls doch, so lösche doch bitte die letzten Zeilen... (weil doch sehr persönlich)

Sledgehammer 28. Oktober 2013 um 09:59  

@ Hartmut B.

Die Namensgebung geht auf den gleichnamigen Song von Peter Gabriel zurück.
Er ist nicht der Kunstfigur "Slegde Hammer" entlehnt ("Trust me. I know what I`m doing"!).

Gruß

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