Eine Bande von Steuerbetrügern

Montag, 7. Oktober 2013

Jetzt da sich die einschlägigen Ökonomen und Experten auf den Steuererhöhungsplan der "linken Opposition" stürzen, offenbaren sie mal wieder das beschränkte Weltbild des Neoliberalismus. Nach neoliberaler Exegese ist nämlich gesellschaftliche Zufriedenheit nur durch geringe Steuerbelastung realisierbar. Als wären Menschen nur anhand der Steuer- und Abgabenspalte ihrer Lohnabrechnung in der Lage, ihre Zufriedenheit einzustufen oder in Relation zu setzen. Die Steuererhebung ist für diese "neoliberalen Soziologen" weniger das Modell zur Finanzierung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, als ein Indikator für Glück.

Erstmal eine kurze Anmerkung, um korrekt zu bleiben: Die Wirtschaftsexperten, die man nun befragt, bauschen natürlich dieses Vorhaben schrecklich auf. Sie tun so, als gäbe es die Absicht, jede Einkommensklasse höher zu besteuern. Dabei geht es bei den Vorschlägen aber gezielt um Besserverdienende und Vermögende. Das heute aber nur nebenher.

Wie sehr man der Formel verhaftet ist, dass Zufriedenheit nur durch niedrige Steuersätze zu erzielen sei, bewies der CDU-Wirtschaftsrat, der den Niedergang des Koalitionspartners als Folge falscher Steuerversprechungen bezeichnete. Diese sonderbaren Liberalen gingen aber weniger deshalb unter, weil sie die Steuern nicht gesenkt hätten, sondern weil sie sich in ihrer Amtszeit immer deutlicher als nepotistische, klientelistische und korrupte Partei zeigten. So gesehen trifft eher das Gegenteil zu. Denn man nahm ihr gezielte Steuersenkungen sogar übel: Siehe Mehrwertsteuersenkung für die Hotelbranche oder das Beharren auf eine konziliante Unternehmensbesteuerung und niedrige Spitzensteuersätze.

Diese Happiness Economics hat keine Ahnung davon, dass für die Menschen durchaus mehr als nur das Schielen auf den Steuersatz von Interesse ist. Die Steuer ist ja nicht weniger als ein Deal und keine Erpressung. Sie verspricht - und mir ist bewusst, dass sie es nicht immer hält -, dass es Sicherheiten und Arrangements gibt, die das gesellschaftliche Zusammenleben qualitativ aufwerten. Sozialsysteme zum Beispiel - oder annehmbare Infrastruktur. Verödet aber die Bereitschaft, diese Programme zu finanzieren und fair zu belassen, dann fragt sich der Bürger natürlich, für was er Steuern und Abgaben leistet. Das hat aber nichts mit allgemeiner Steuerabneigung zu tun, wie man sie aus dem Fahrwasser der amerikanischen Tea Party kennt.

Wir haben es hier mit einer Bande von Steuerbetrügern zu tun. Sie betrügen die öffentliche Wahrnehmung von Zufriedenheit, indem sie sie versteuern. Indem sie behaupten, die Steuern seien das Taxameter zur Harmonie. Kriminell wie der wirkliche, wie der materielle Steuerbetrug ist diese Variante der Betrügerei nicht - aber sie ist ein Einstieg und die geistige Grundlage hierzu.

Das Theorem von der Zufriedenheit durch Steuermäßigung ist das Produkt eines egoistischen Lebensgefühls. Einer Warum-bezahlen?-Mentalität. Diese Auffassung macht deutlich, wie sehr die neoliberale Ökonomie Gesellschaft als gebändigtes Gegeneinanderspiel von Egoisten begreift. Wichtig scheint da zu sein, selbst mehr im Geldbeutel zu haben, während das Gemeinwesen ausblutet. Dass das ein weitaus höherer Preis ist, blenden diese Prediger der Egomanie höflich aus.


5 Kommentare:

Anonym 7. Oktober 2013 um 09:53  

Ich gebe mein "Ehrenwort":

http://youtu.be/YMFfdaeTsgI

maguscarolus 7. Oktober 2013 um 10:25  

Danke für diese wahren und klaren Worte.

Leider habe ich allerdings mittlerweile die Gewissheit gewonnen, dass in diesem Lande nichts, aber auch nicht das Geringste, passieren wird, was den Interessen der Besser-und Best-Verdienenden und der Eigentümer der ganz großen Vermögen zuwider läuft. SPD und Grüne sind ja – wie nicht anders zu erwarten – inzwischen mit ihren Steuererhöhungsplänen schon am Zurückrudern.

Langsam gewinne ich sogar den Eindruck, dass unsere "Eliten" zur Wahrung der Interessen der Geld-Eliten auch "Blood on the Streets" in Kauf zu nehmen bereit sind – sich allenfalls sicherheitspolitisch für diesen Fall wappnen.

stefanbecker 7. Oktober 2013 um 12:49  

Roberto, du bringst es immer wieder auf den Punkt. Dem Staat um seine Steuerungsfähigkeit zu betrügen,ist eine ganz subtile Art von Steuerbetrug, mit noch größeren Auswirkungen als der kriminalisierte und kriminelle Steuerbetrug.
Diese Egomanie zu Ende gedacht führt unweigerlich in einen neuen Feudalismus, wenn nicht gar in einen neuen Faschismus

Art Vanderley 7. Oktober 2013 um 15:39  

Richtig , die FDP ist nicht an Steuern gescheitert , das hindert viele grenzdebile Journalisten aber nicht daran , das als Grund rauf-und runter zu beten .
Der Niedergang in Umfragen begann für die Partei mit der Sozialstaats-Debatte Westerwelles , davon hat sie sich nie wieder erholt.

Sowas darf aber nicht gesagt werden , schließlich kann man mit dem Geschafel über Steuersätze prima ablenken von den eigentlichen Steuer-Sauereien.

JimKnopf13 8. Oktober 2013 um 10:32  

Sehr gut getroffen! Es geht um solche Kurzschlüsse: Steuern hoch = unzufriedene Bevölkerung (und da gehöre ich ja auch dazu, soll der Bürger denken und sich unzufrieden zeigen). Die allereinfachsten Zusammenhänge zwischen der maroden Schule (z.B.), auf die meine Kinder sollen und den niedrigen Steuern, werden in der ersten Wahrnehmung zerstört. Jeder kennt die Zusammenhänge, aber das ändert nichts. Der Bürger ist trotzdem unzufrieden, wenn die Steuern erhöht werden sollen, und er schimpft, vollkommen unabhängig davon, auf die schlechte Substanz der Schule. So ähnlich funktioniert sie wohl, die neoliberale Logik.

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