Verzweifelt links

Dienstag, 18. Dezember 2012

oder Hier können Familien Kaffee kochen.

Oh Du lieber Augstein, weit hast Du es mittlerweile gebracht! Las ich doch letztens einen Deiner Texte, die Du bei Spiegel Online in den Server pflanzen läßt und den Du aus Gründen, die nur Du zu kennen vermagst, mit Im Zweifel links überschreibst. Mensch, war das mal wieder unausgegorener Quatsch! Ich habe mich über Dich sehr geärgert, wie ich das generell dieses Jahr oft tat. So verteiltest Du dereinst Lob für die Kanzlerin, dann neulich erst dieser Käse, man könne als Linker quasi nur Sozialdemokratie oder nichts wählen und noch was ist mir in Erinnerung. Letzteres habe ich jedoch vergessen, man kann sich den Mist, den Du zuweilen fabrizierst, nicht immer merken.

Warum ich mich daran machte, einen etwas zurückliegenden Eintrag von Dir zu lesen, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. Eventuell Hoffnung, dass Du doch noch was von Dir wirfst, was so halbwegs versöhnlich wäre. Was ich dann las, stülpte mir nahezu die Schlappen über die Knöchel.

Über deutsche Waffenlieferungen hast Du Dich ausgelassen. Sind die wirklich so verwerflich? Waffen sind böse, war Dein Einleitungssatz. Und dann folgte: Panzer sind ganz böse. Was für ein infantiler Bullshit! Quintessenz dieses in Sätze gefassten Unsinns: Waffenlieferungen sind nicht nur im globalen Wettbewerb unerlässlich, sondern auch ein Beitrag zur Befriedung der Welt. Als ich dann von Dir las, dass du den Pazifismus, der solche Lieferungen verurteilt, als Käsmann-Doktrin bezeichnest, die nichts anderes sei als eine zu höherer Gesinnung verkehrte Feigheit, da sagte ich bei mir, jetzt hat er die Latte mal wieder noch ein Stückchen tiefer gelegt. Ein neuer Tiefpunkt, aber gut, dachte ich weiter, so ist er halt, der Augstein. Aber recht durchdacht schon grob, was sich dieser linke Herr da leistet. Doch bei allem Ärger, gewundert hat es mich nicht.

Ich klickte weiter und bekam bald darauf eine e-Mail, jemand empfahl mir Deinen Artikel zur Waffenpolitik der Regierung. Ich bekomme oft so sonderbare Hinweise wie Dich. Das ist nicht außergewöhnlich. Dein Artikel hatte nun auch einen anderen Namen und Du warst plötzlich nicht mehr so nihilistisch und von Käßmann keine Rede mehr. Da erst fiel mir auf, dass ich vorher einen Text Deines stockkonservativen und linkenhassenden Kollegen Fleischhauer für den Deinen angesehen habe.

Was soll uns diese Geschichte lehren? Sie mag eine der entbehrlichen Erzählungen in den Weiten des Internets sein, die vor der Entdeckung des Netzes nicht öffentlich gemacht, sondern höchstens vielleicht seinem Nachbarn erzählt wurde, sofern der politisch interessiert war. Gleichwohl die Geschichte hat schon Gehalt. Du, mein lieber Augstein, hast es nämlich so weit gebracht, dass man den inhaltlichen Quark etwaiger Konservativer durchaus auch als aus Deiner Feder erachten könnte, ohne sich dabei überhaupt zu wundern. Dass Du den Wahnwitz der Konservativen mit Deinen Worten repetierst, ist mittlerweile so verfestigt im Denken von Menschen, die sich als links definieren, dass man so hirnrissige Argumentationen wie die Deines Kollegen, auch partout als Dein Elaborat durchgehen lassen würde.

Ich meine, das will schon was heißen. Fleischhauer ist ja nicht irgendein unideologischer Typ, der mal nach Rechts, mal nach Links tendiert, wie es ihm gerade gefällt. Der Mann schwadronierte ja eine Weile über die rote Übernahme der Republik durch Lafontaine. Er schiss sich geradezu in die Hose aufgrund der anstehenden Sowjetisierung. Dass Spiegel Online den weiterhin erträgt, ist ein Kennzeichen des Niedergangs des Magazins. Und mit so einem bist Du verwechselbar! Ist das ein Zeichen für meine Unfähigkeit? Oder eher eines dafür, dass Du als Linker beliebig geworden bist? Wohl beides, nehme ich an.

Im Zweifel bedeutet nicht zweifelhaft. Das hätte man schon mal überdenken müssen, als man sich einen Titel für seine Kolumne ausdachte. Im Zweifel links ist nicht Zweifelhaft links. Es gibt ja auch Leute, die dasselbe und das Gleiche als dasselbe erachten. So ist im Zweifel und zweifelhaft auch nicht dasselbe. Deine Kolumne ist ein Abbild dessen, wie man sich heute einen Linken unter Konservativen vorstellt. Er darf ein wenig andere Ansichten vertreten, aber nicht zu sehr. Und er tut so, als sei alles irgendwie verhandelbar, damit man auch für alle Optionen offen bleibt. Es ist kurz gesagt das grüne Befindlichkeitslinke, das Du publizistisch aufbereitest. Agendalinks wie die Sozialdemokratie oder links nach Art von New Labour. Links als Label ohne Inhalt, als Kennzeichnung für eine Kundschaft, die ein Bedürfnis danach hat, sich mit linken Lametta zu schmücken.

Verzweifelt links sind die, die auch erkennen, dass Du das Linke nur als Gag gebrauchst, um Deinem Schaffen eine exquisite Note, einen chicen Anstrich zu verpassen. So macht das die Sozialdemokratie seit Schröder, so gestaltet sich New Labour seit langen Jahren schon. Was da vertreten wird ist politischer Konservatismus mit linkem Kolorit. Das erinnert an manchen Spinner, der sich einen Buddha ins Wohnzimmer stellt und dann meint, er habe die buddhistische Weisheit nun für sich gepachtet. Andere dekorieren ihre Wohnung mit Lichtern, Tannenzweigen und Kerzen und haben keinen Schimmer davon, was Weihnachten eigentlich mal war. Du bist so ein buddhistisch-weihnachtlicher Linker, Augstein. Das meine ich gar nicht vorwurfsvoll. Es ist halt so. Gib Deiner Kolumne doch nur einen anderen Namen.

"Es ist ein Unglück, daß die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie seit dem August 1914 Reformistische Partei oder Partei des kleineren Übels oder „Hier können Familien Kaffee kochen“ oder so etwas, vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet, und sie wären dahin gegangen, wohin sie gehören: zu einer Arbeiterpartei. So aber macht der Laden seine schlechten Geschäfte unter einem ehemals guten Namen." Das hat Tucholsky mal geschrieben. Hier können Familien Kaffee kochen - Mensch, das wäre doch ein schöner Name und er wäre viel passender als Im Zweifel links.

Was soll das jetzt, würdest Du fragen, wenn Du das lesen würdest. Liest beim Fleischhauer und pisst mir ans Bein, würdest Du den Kopf schütteln. Eigentlich ein berechtigter Einwand. Manchmal braucht man aber Missgeschicke, um einen Stein des Anstoßes zu erhalten. Mein Maleur war so ein Augenblick, in dem ich dachte, jetzt hat er es zu weit getrieben, auch wenn es eigentlich der Fleischhauer war. Ihr beiden seid gewissermaßen dasselbe - oder heißt es das Gleiche?



15 Kommentare:

Anonym 18. Dezember 2012 um 08:21  

Es sind immer wieder dieselben Prototypen, die sich zuerst mit gesellschafts- und herrschaftkritischer Attitüde in den Aufmerksamkeitsfocus der Bourgeoisie schreiben um sich danach umso heftiger mit dem zerknitterten linken Ettikett als integrationswillige Schleimschreiber
und exotische Aushängeschilder dem Establishment zu unterwerfen.



Anonym 18. Dezember 2012 um 09:25  

Ach der Augstein! Er hätte so gerne das Format seines Stiefvaters, aber die Schuhe sind viel zu groß. Sein Spielzeug Freitag wird er fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, wenn es zu teuer wird, neun Leute aus der kleinen Redaktion sollen jetzt schon gehen. Warum widmet er sich nicht einfach ganz seinem Hobby, der Gärtnerei? Es wäre ein Gewinn für ihn und die publizistische Restgemeinde...

stefanbecker 18. Dezember 2012 um 13:12  

Lieber Roberto, du hast wie immer fast vollkommen recht, was deine kritik angeht.
Aber was du kritisierst
spaltet und spaltet und spaltet.
Die linke im Allegemeinen. Das ist gefährlich und kontraproduktiv, denn DIE LINKE, wie du sie dir herbeiwünscht gibt es leider nicht.
Deshalb ist die Nummer mit dem kleineren Übel wohl das kleinere Übel.
So zerfleischhauern sich die "Linken" und übrig bleiben die Fleischhauer und lachen sich ins Fäustchen. Die Arbeiter aber haben nichts davon.

ulli 18. Dezember 2012 um 14:39  

Es kann auch von deiner Wahrnehmung kommen, wenn du Fleischhauer und Augstein verwechselst. Man kann von Augsteins Texten halten, was man will (manchmal gefallen sie mir, manchmal nicht), aber Überlegungen, ob er nun links, halblinks, pesudolinks, grünlinks oder sonstwas ist, erinnern mich an den Dogmatismus der 70er Jahre. Siebenstein hat ganz recht. Man sollte alles vermeiden, was irgendwie darauf rauslaufen könnte, dass die einen die Wahrheit haben und die anderen verblendet, gekauft oder ähnliches sind. Die Wahrheit ist intersubjektiv.

Aber was ist links? Nehmen wir Augsteins ziemlich schräge Behauptung, ein Linker könne eigentlich nur die SPD wählen. Aber was soll er sonst wählen? Die Grünen? Die sind wirklich nicht das geworden, was in den 80ern mal intendiert war. Die Linken? Also die Partei von Egon Grenz oder alten Stasi-Leuten? Oh Gott! Die SPD? Also die Partei von Schröder und Münte? Hilfe. Schon diese kurzen Überlegungen zeigen doch, dass die großen Unklarheiten, was eigentlich links ist, ihre Verwurzelung in der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit haben.

ad sinistram 18. Dezember 2012 um 14:44  

Klarklar, alles nicht so wichtig. Und wenn er auch agendalinks ist, dann ist er immer noch links. Und das nur ist wichtig...

ad sinistram 18. Dezember 2012 um 14:45  

PS: Wer die Linke mit Krenz gleichsetzt, der leidet an Realitätsverzerrung. SPD wählen, die Partei von Noske?

ulli 18. Dezember 2012 um 14:55  

Wenn man sich mit der Frage beschäftigen will, welche Art des Denkens eigentlich links ist, so rate ich zu Max Horkheimers grandiosem Aufsatz aus den 30er Jahren: "Traditionelle und kritische Theorie".

ulli 18. Dezember 2012 um 15:10  

Ich will die Linke keineswegs mit Grenz gleichsetzen. Ich wollte darauf hinweisen, dass viele Unklarheiten, was eigentlich links bedeutet, ihren Hintergrund in der objektiven Realität haben.

ad sinistram 18. Dezember 2012 um 15:42  

Ich meine, dass Du nicht verstanden hast, was ich ausdrücken will. Augstein pappt sich das Label links auf, so wie es die grünen Realos seit Jahren tun und die Agenda-SPD und New Labour usw. auch. Es ist ein Etikett, ein modisches Accessoire. Augstein ist so links wie Schröder. Das sind allesamt Vertreter des Klein- und Mittelgroßbürgertums.

Anonym 18. Dezember 2012 um 16:19  

D.Rudelt
Mein Vater sagte immer: "Links ist da, wo der Daumen rechts ist." Das war Lernhilfe zur Unterscheidung. Ich sage heute: Links ist, "links blinken und rechts überholen." Ehrlich gesagt, kann ich mit der Zuordnung nach der Gesässbackenordnung nicht mehr viel anfangen, weil dass,
was medial immer als Links eingeordnet wird, doch schon längst über das Postulat der Konstruktiven Kritik dem Bürgerliche Lager eher nützt, als es ihm Schaden zufügt. Mit der Zuordnung Links, wird der Etikettenschwindel einer angeblich bestehenden Alternative medial aufrecherhalten.

Was noch bleibt ist die Waffe der Kritik! Und die wird medial durch Personen wie Augstein entschärft, indem er Leimspuren auslegt, in die wir treten sollen.

Habe nie etwas von ihm gelesen und gehört. Muss ich das bedauern?









Anonym 18. Dezember 2012 um 16:44  

Textprobe:

"Kann Steinbrück Kanzler, Augstein? – „Steinbrück war gut in Deregulierung. Vielleicht ist er darum auch gut in Regulierung.“ – Das ist nicht zwingend, Augstein. – „Im Prinzip ist er wie Helmut Schmidt. Der weiß wirklich, wovon er redet, der Mann.“ – Aber Schmidt ist nicht links! – Ach Blome, „wann einer Sozialist ist, wann Sozialdemokrat, Liberaler oder Neoliberaler, das ist ein Spektrum der fließenden Übergänge.“ – Ein großer Gedanke, Augstein! Dann ist wohl jeder alles? – Wissen Sie, Blome, „mehr Sozialstaat, weniger Nationalstaat, das sind die Ziele linker Politik. Der Fiskalpakt ist eine Etappe dorthin.“ - Aber dem Fiskalpakt zufolge müssen Staaten eisern sparen, sich kontrollieren lassen, bei Zuwiderhandlung Strafgeld zahlen; der Fiskalpakt beseitigt die staatliche Souveränität und beschneidet sozialstaatliche Leistungen. - Okay, Blome, ich hätte statt Fiskalpakt auch Viktualienmarkt sagen können, Hauptsache, ich heiße Augstein und bin im Fernsehen. Sie wissen doch, was ich meine!"

konkret 11/2012

AllesMitOhne 18. Dezember 2012 um 17:44  

Erst wenn ihr euch alle voneinander abgegrenzt habt, werdet ihr merken, dass man nicht alleine Politik machen kann.
Das ist es, was ich jedem einzelnen hier und der Linken insgesamt zurufen kann.
Am Abgrenzungsdilemma wird weiterhin alles scheitern.
OHNE Abgrenzung braucht man gar nicht erst anfangen - das ist schon wahr. Aber MIT Abgrenzung erstickt Gemeinsamkeit in babylonischem Sprach- und Gedankengewirr, so die leidige Erfahrung.

Anonym 19. Dezember 2012 um 18:49  

@ ulli
Auf das propagandistische Gesabbel von politischen Primaten wie Söder oder Dobrindt reinzufallen und deren Dreck nachzuplappern ist nicht gerade eine intelligente Meisterleistung.
Die "Partei von Egon Grenz" mit der Partei DIE LINKE gleichzusetzen ist so ein Hirnfurz, und sowas sondern üblicherweise nur hirnpotenzgestörte Generalsekretäre von CDU, CSU oder FDP ab.
Der letzte Parteivorsitzende der SED hieß tatsächlich Krenz, und nur die Tatsache, dass ehemalige SED-Mitglieder heute ein Parteibuch der Linkspartei besitzen, soll also rechtfertigen, dass es sich eigentlich ja immer noch um die Sozialistische Einheitspartei Deutschland handelt ? OK, dann aber quid pro quo: Dann, Ulli, sag auch ganz deutlich und das jedes Mal wenn Du die CDU erwähnst, dass Du eigentlich die Nachfolgeorganisation der NSDAP meinst.
Die CDU rekrutierte sich nach dem Krieg in der Bundesrepublik Deutschland aus einem Großteil von Volksgenossen, die einmal das braune Parteibuch der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei besaßen. Dann, und nur dann kannst Du so einen Blödsinn wie die "Partei von Egon Grenz" weiterverbreiten !
Die Linken in dieser Republik sind rar gesät, In der aSPD gibt es linkes Gedankengut nur noch in Spurenelementen, bei den Grünen weiß man auch nicht mehr was "links" bedeutet, als man sich widerstandslos seine Hauptthemenfelder von der Kanzlermarionette wegnehmen ließ wie einem Dreijährigen das Spielzeug. Als Rache dafür spielen die Grünen jetzt erfolgreich CDU-light und die Schwarzen kacken sich in die Buxe, weil sie die Stimmenverluste spüren.
Selbstdarstellern wie Augstein geht es gar nicht um eine vernünftige Positionierung, sondern darum, im Gespräch zu bleiben, Aufmerksamkeit zu erregen mit seltsamsten Räuberpistolen. Der will gar keine klare Linie zeigen, das einzig Bestimmte bei Augstein ist seine diffuse Haltung zur Lage. Man SOLL immer darauf gespannt sein, was für einen Quark er demnächst absondert. Denn so bleibt man im Gespräch...
Nicht lang wird´s dauern, dann kommt von ihm sicher ein "aufklärerisches" Buch - Sarrazin lässt grüßen !
Anton Chigurh

Madner Kami 20. Dezember 2012 um 09:36  

@AllesMitOhne 18. Dezember 2012 17:44

"Erst wenn ihr euch alle voneinander abgegrenzt habt, werdet ihr merken, dass man nicht alleine Politik machen kann.
Das ist es, was ich jedem einzelnen hier und der Linken insgesamt zurufen kann.
Am Abgrenzungsdilemma wird weiterhin alles scheitern."

Das ist völliger Quatsch. Tatsächlich ist es hochnnotwendig sich von jenen Elementen abzugrenzen, die nur vorgeben Links zu sein. Was will man mit Leuten anfangen, die nur im Zweifel links sind und daher, laut eigener Aussage, weder links sind noch sich freiwillig links entscheiden und positionieren? Was soll man mit solchen Nasen anfangen, die von sich behaupten links zu sein weils irgendwie schick ist und dann im nächsten Moment die Agenda2010politik bejubeln?
Red doch kein Blech über fehlgeleitete Abgrenzung, wenn es um solche Abgrenzungen geht, sowas ist bitter nötig, damit Links auch Links bleibt und keine linksbraunschwarze Einheitssauce, wie sie SPD und Grün präsentieren!

Caana 21. Dezember 2012 um 11:52  

Ach SPD heisst sozialdemokratische...ich dachte sozialdarwinistische....

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