Nomen non est omen

Donnerstag, 15. Juli 2010

Heute: "Management"

Projekt-Management, Content-Management, Sozial-Management, Qualitäts-Management, Zeit-Management, Finanz-Management, Personal-Management, Konflikt-Management, Team-Management usw. usf. Viele Bereiche im öffentlichen oder privaten Leben bekommen heute den Zusatz "management" (an der Hand führen). Ursprünglich ein Begriff aus der Welt der Wirtschaft, der vor allem Führungspersonen (Manager) in Großunternehmen meinte, ist er heute ein Synonym für alle möglichen Tätigkeiten und Prozesse die geleitet, geführt und kontrolliert werden sollen. Das dieser Begriff längst die Ebene der Wirtschaft verlassen hat, ist ein Zeichen für die Ökonomisierung vieler Lebensbereiche.

Die Begriffsinflation von "management" zeigt zudem ein großes Paradoxon von Gesellschaft und Ökonomie auf. Auf der einen Seite werden der freie Markt mit Wettbewerb, Eigeninitiative und individueller Lebensgestaltung beschworen; auf der anderen Seite wird jeder noch so kleine Prozess, jede noch so kleine Tätigkeit einem Management unterworfen. Sie sollen geprüft, kontrolliert, geführt, geleitet und evaluiert werden. Liberale und Unternehmensberater würden den Widerspruch wahrscheinlich so aufzulösen versuchen:
"Management bedeutet frei an der Hand führen, zur Freiheit erziehen."
Ganz so, als wäre alles was nicht einem Management unterliegen würde, chaotisch, unfrei und unorganisiert. Der Management-Wahn ist aus einem wild um sich greifenden Kontrollzwang geboren. Er ist nicht die Erziehung zur Freiheit, sondern ein Indiz für die Angst vor der Freiheit. Die Angst, etwas nicht kontrollieren und leiten zu können. Die Angst, Prozesse und Tätigkeiten der eigenen in ihr wohnenden Dynamik zu überlassen. Stattdessen wird versucht, diese Dynamiken zu steuern und in die Richtung zu lenken, die gewünscht wird.

Das Management vieler Bereiche des Lebens zeigt zudem den Trend auf, Effizienz und Effektivität der kreativen Idee vorzuziehen. Häufig sind Management-Vorgänge davon geprägt, Zeit zu gewinnen und möglichst viel Effizienz zu erreichen - was an sich ja nichts Schlechtes sein muss. Problematisch ist nur, dass ein Effizienz-Denken im Sinne eines Selbst-Managements den Zweckrationalismus in Lebensbereiche vordringen lässt, wo Normen und Werte besser aufgehoben wären.

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

8 Kommentare:

lupe 15. Juli 2010 um 12:04  

Und wenn die Nachäffer aus dem bekannten Grund (Missbrauch durch die Nazis) nur einfach nicht Führer schreiben oder sagen wollen und dafür Manager gewählt haben?

ekelfranz 15. Juli 2010 um 13:58  

Seit über drei Jahrzehnten haben wir es permanent mit Krisen aller Art zu tun. Die Antwort auf alles lautet : Managen!!! In genau diesem Zeitraum hat sich die Zahl derjenigen, die sich als MANAGER bezeichnen, mehrfach potenziert. Diese Technokrateneliten entwickelte ein Dogma, von dem unsere Gesellschaft heute beherrscht wird: »Managen« ist gleichbedeutend mit »Tun«, und »Tun« ist gleichbedeutend mit »Machen«. Das Fundament dieses Dogmas ist eine neue Wirtschaftsmythologie. Und die wiederum hat zur Voraussetzung solche ökonomischen Erscheinungen wie die blinde Verehrung des Dienstleistungssektors, die Legitimation finanzieller Spekulationen und die Heiligsprechung der neuen Kommunikationstechniken. Aber ganz klar: »Managen« heißt weder »tun« noch »machen«. Lassen wir doch den Gottvater der neoliberalen Heilsbringer und ihrer omnipräsenten Scharlatane selbst zu Wort kommen: Adam Smith sagte es so: »Es gibt eine Art Arbeit, die den Wert des Gegenstandes, auf den sie verwandt wird, erhöht; und es gibt eine andere, die diese Wirkung nicht hat.« Die erste ist »produktive«, die zweite »unproduktive« Arbeit. Smith verweist das Management deutlich in den unproduktiven Bereich. »Auch die Arbeit einiger angesehener Berufsstände in einer Gesellschaft ist, wie die der Dienstboten (und er nennt noch einige andere heute hoch angesehene Berufsgruppen als Beispiele ef), unproduktiv.« Er stellt auch noch fest, dass »durch die Beschäftigung einer Menge von Fabrikarbeitern man reich wird; durch das Halten einer Menge Dienstboten (also auch Managern ef) aber wird man arm.« Unsere Elite besteht vorrangig und zunehmend aus Managern. Eine Manager-Elite managt. Eine Krise verlangt Denken. Denken ist aber keine Managementaufgabe. Da unsere Manager-Eliten so umfangreich geworden sind und ihren Einfluss auch im Erziehungssystem ausüben, bringen wir genau genommen den meisten Menschen das Nicht-Denken bei. Nicht nur verweigern wir dem Denken jede Belohnung, wir bestrafen es auch noch als unprofessionell. Dieses Verfahren soll Nutzen steigernd wirken und hat sich bereits im heutigen Schulbetrieb breit gemacht. Der Unterricht in nur kurzzeitig gültigen Management- und Technikfertigkeiten drängt die Fundamente des Lernens an den Rand.
Aber, sorry, ich muss Schluss machen. Die Familienmanagerin hat gerufen. Die Nahrungsaufnahme ist gemanagt.
PS: Quelle: Smith, Adam, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen 2. Buch, Kap. 3

Anonym 15. Juli 2010 um 14:04  

Die Inflation der Manager ist innerhalb der Wirtschaft auch Ausdruck der (in selbstbetrügerischer Klassensolidarität von ganz oben geförderten) individuellen Eitelkeit und des Egoismus der Arbeitnehmer, die für das Unternehmen summa summarum kontraproduktiv sein kann. An meinem früheren Arbeitsplatz waren über die Hälfte der Angestellten Produkt-Managerin, Projekt-Manager, PR-Managerin etc., anders gesagt: mehr Führungskräfte als (gerade für Software-Entwickler besonders altmodisch ausgedrückt) *ArbeiterInnen* wie ich – ständiges Chaos bis an die Grenze zu soziologischer Anomie (http://de.wikipedia.org/wiki/Anomie ) war der Effekt. Das war einer meiner vielen Kündigungsgründe dort.

Bisweilen wird auch in der Wirtschaft selbst der Management-Wahn als Problem erkannt mit Begriffen wie Mikromanagement ( http://en.wikipedia.org/wiki/Micromanagement ), der „pointy haired boss“ aus dilbert.com ist Legende und daher – nebst ad-sinistram.blogspot.com – eine meiner ersten morgendlichen Anlaufstellen am Arbeitsplatz-PC.

maanaan 15. Juli 2010 um 14:48  

Ursprünglich bedeutete "to manage", dafür zu sorgen, dass beim Pferderennen alles so läuft,wie gewünscht. Den Rest kann mensch sich denken.

Anonym 15. Juli 2010 um 17:27  

So etwa vor 35 Jahren wurde im damaligen (West-) Deutschland MANAGEMENT so definiert:

"Die Leute behandeln als ob sie Menschen wären..."

Gruß

v.A.

Anonym 16. Juli 2010 um 10:50  

Schöner Beitrag. Wenn ich kurz darüber nachdenke, gibt es etwas in der englischen Sprache, das durchaus einer gewissen Mentalität hierzulande widerspiegelt. Wenn ich sage, 'I managed to do that' oder 'She has managed to find a job' (und etliche tausend weitere solche Beispiele), bedeutet diese Wendung lediglich, dass der Betroffene es gerade so geschafft hat, irgend etwas zustande zu bringen. Er oder sie hat keine glänzende Leistung hingelegt, ganz im Gegenteil. Kein Wunder, dass man von Management und Manager spricht!

simpel 17. Juli 2010 um 01:06  

Medien-Management fehlt in deiner Auflistung, Roberto!

Der "Wissenschaft", der ich nachgehe. Der Wissenschaft ohne jegliche Rückstände von Moral. Die es sowohl in den betriebs-wirtschaftlichen als auch publizistischen Lehr-Veranstaltungen an jeglicher moralischer Verpflichtung missen lässt - bestenfalls geheuchelte, aber keineswegs ein Verständnis für subjektive Positionen abseits größenwahnsinniger Unternehmens-Philosophien oder des mainstreams der Leit-Medien..

Anonym 17. Juli 2010 um 19:37  

Facility Manager = Hausmeister
Rest-Room-Manager = Kloputzfrau
Premier Staff Support Manager = Bürobursche
Master Assembly Engineer = Schichtschrauber am Montageband
Premier Phone Services Coordinator = Anrufbeantworter

Alle wollen hoch hinaus, selbst Doktortitel zählen nicht mehr viel, seitdem bekannt wurde, das man, bzw. Frau... sie auch einfach mittels Befragung von netten CDU-Parteikollegen erwerben kann.
Hauptsache blenden, Eindruck schinden, angeben und großkotzig tun...

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