Der Kern der Posse

Donnerstag, 11. März 2010

Nun ist die Posse um sich gegenseitig begattende Schiedsrichter wahrlich keine Materie, mit der sich auseinanderzusetzen lohnte. Gekränkte Hahnreie, die ihre Ränke um Eros und Fleischeslust in die Tagespresse tragen, ebenso wie die gewöhnlichen homophoben Allüren des Fußballbundes, sind wohlwollend formuliert, beschämend und in etwa so faszinierend, wie ein muffiger Pappbecher. Packender wurde die ganze Komödie auch dann nicht, als eine der gehörnten Mimosen mit einer delikate Aussage ans Tageslicht des Boulevards kroch. Jener Aussage nämlich, wonach er gehofft hätte, dass der Millionenklub aus München schnellstens verlieren und aus dem internationalen Wettbewerb ausscheiden würde. Spannungsreicher wurde die Burleske damit zwar auch nicht, aber das Drumherum, die Reaktionen, sie waren und sind doch aufschlussreich.

An die Öffentlichkeit geriet jene Aussage beim sich anständig darbietenden Kerner, dem seriösen Makler seiner Branche, der mit flirtender Bonhomie und kriechendem Geschwafel, sich jedes noch so belanglosen und anrüchigen Stoffes annimmt, selbst jenes nuttigen, höchst blamablen Refereegeschmuses. Muß ein Schiedsrichter, so fragte er einen der erschienenen Hauptdarsteller, muß ein Schiedsrichter nicht neutral sein? Berechtigte, wenn auch heuchlerische Frage! Unparteiisch hat ein Spielleiter nur auf dem Platz zu sein, kein Kodex verpflichtet ihn im Privatleben dazu, ohne Vorlieben oder Abneigungen sein zu müssen. Ein Zahnmediziner, der bis vor einigen Jahren in der Bundesliga pfiff, war stets und jedem bekannt Mitglied eines famosen Fußballklubs aus der Pfalz. An seinem Berufsethos gezweifelt hat allerdings niemand.

Einerlei, denn jene Frage stand im Raum, und der Fußballbund hatte pflichtgemäß - was soviel heißt wie: der Öffentlichkeit und dem damit verketteten Image treu ergeben - zu handeln. Der parteiische Unparteiische wurde zunächst aus dem Verkehr gezogen. Kerners Frage traf die sportliche Öffentlichkeit - und diese reagierte wie sie es in hysterischen Zeiten immer tut, sie gab sich entrüstet, wenig kritisch oder hinterfragend, scherte sich einen Dreck darum, dass jene angefeindete Äußerung rein privater Natur war - ja, das unerhebliche Geplänkel zwischen Intimpartnern, falls man es noch genauer definieren möchte. Und der Verband in seiner grenzenlosen Güte... der Verband der von grenzenlos schwulenfeindlicher Güte berauscht ist, ließ sich da nicht lumpen. Natürlich mögen auch die Allmächtigen aus Bayern, die sich ob solcher Aussagen ihres Reichtums bedroht fühlten, ein wenig nachgeholfen haben, damit gedroht haben, zukünftig keine Zwanziger an Zwanziger anzureihen, um der Sache das nötige Berufsverbot abzuringen.

Doch das ist nur eine Auffälligkeit. Wir waren bei Kerner, dem unterwürfigsten aller Nachtwächter des deutschen Fernsehens; waren bei ihm, als er danach fragte, ob ein Schiedsrichter nicht neutral sein sollte, was im Eifer des Wortgeplänkels zwar eine berechtigte Frage sein könnte, bei dialektischer Betrachtung aber nur als unwesentlicher, belangloser Auswuchs abendlichen Smalltalks anzusehen ist. Und just entkräftete Kerner seine Frage selbst, als er kurz darauf fragte, ob es denn keinen besonderen Beigeschmack habe, wenn ein deutscher Schiedsrichter aufgrund der Niederlage eines deutschen Vereins, jubelt und anstoßen möchte. Da war sie dahin, die abverlangte Neutralität! Soll ein Spielleiter nun neutral sein oder soll er sich die Daumen wund drücken, um deutsche Klubs zu unterstützen? Oder, und das drängt sich beim plaudernden Leichtgewicht Kerner auf, bedeutet Neutralität in diesen Tagen, für das Deutsche zu sein?

Womöglich ist die öffentliche Entrüstung weniger davon beseelt, dass da ein Jungspund von Schiedsrichter privat so wenig neutral ist, wie wohl jeder halbwegs begabte Mensch im Privatleben kaum Neutralitäten kennt. Partei zu ergreifen: das ist menschlich - in Tagen, in denen die Parteinahme beruflich schaden kann, siedelt sie verstärkt, ganz biedermeierisch-traditionell, im heimischen Wohnzimmern. Nein, das wird es wohl nicht sein, was schäumen läßt. Was verbittert aufstößt, es wird die Frechheit sein, mit der ein Deutscher gegen Deutsches ist; ein deutsches Mitglied der deutschen Fußballwelt gegen das Aushängeschild des deutschen Vereinsfußballs auftritt. Neutral zu sein, es bedeutet dieser Tage eben nicht, keine Seite zu kennen - es bedeutet für die richtige Seite zu sein! Kerner gibt sich mit seinen augenscheinlich zunächst paradoxen Fragen, ganz dem dumpfen Gefühl der Masse, des Publikums hin. Neutral zu sein in Deutschland, das heißt, für unsere Jungs in Durban und Johannesburg geradeso zu sein, wie für jene in Kabul. Wenn schon nicht lautstark, so doch mit wohlwollender Neutralität - kritisch zu sein, einen Dolch im Ärmel zu tragen, das erträgt die Öffentlichkeit nicht.

Und sei es drum, dass die Parteinahme eine private Aussage war - man will Konsequenzen wissen! Und was für ein Glück, dass der, der nicht Partei für jenen deutschen Verein ergreifen wollte, nebenher die Rolle des Knaben spielte, der sich päderastisch seinem Mentor hingibt - damit ist sein perverser Trieb, seine asoziale Gesinnung unterstrichen! Und großartig, dass selbst in naiven Possen, ganz dezent, ganz behutsam, der Zeitgeist, die befremdliche Weltsicht einer hysterischen und sich selbst überhöhenden Nation zur Schau gestellt wird. Dass selbst so eine Posse im Kern die ganze Wahrheit, oder besser: Verlogenheit, einer Gesellschaft trägt.

7 Kommentare:

Anonym 11. März 2010 um 03:27  

"Dass selbst so eine Posse im Kern die ganze Wahrheit, oder besser: Verlogenheit, einer Gesellschaft trägt."
Dieses an zwei schwulen und zickigen Schiedrichtern fest zu machen, ist das einfachste der Welt. Wie wäre es mal mit solch einem Text zu Schuhmacher, dem Patrioten der nun Mercedes fährt und wild-überschwänglich die deutsche Fahne schwenkt? Das würde die deusche Spießerseele hochkochen lassen.

Christian Klotz 11. März 2010 um 09:09  

@Anonym
Halte ich eher für unwahrscheinlich. Patrioten merken gar nicht, daß sie Nationalisten sind.

Margitta 11. März 2010 um 11:23  

@ Anonym,

schließe mich Christian Klotz an. Der Schuss könnte nach hinten losgehen, da der Fan sich angegriffen fühlen könnte. Schließlich geht es bei Schumacher und Co. um "seine Helden".

Schönen Tag noch
Margitta

Anonym 11. März 2010 um 12:57  

Unbequemer:

Mist, wurde ich belauscht? Ach nein, ich habe ja auch öffentlich gejubelt, und werde es auch weiter so halten, wenn Bayern verliert.

Was für ein Pech, das sie trotzdem eine Runde weiter gekommen sind.

Ach, beim Autorennne (Sport ist das nicht) halte ich es mit Lauda - "Ich habe genug davon, immer im Kreis herumzufahren"

Wer es trotzdem macht, warum sollte man dem Beachtung schenken?

Ich habe nie etwas dabei empfunden, Autos im Kreis fahren zu sehen.

Und wenn Steuerflüchtlinge ... nein Danke, kein Interesse.

Lutz Hausstein 11. März 2010 um 14:21  

Frage. Schreiben wir, um Beifall zu heischen? Oder schreiben wir, um anderen Menschen die Augen zu öffnen?

Und was Schumacher anbelangt ... Ich frage mich sowieso schon seit langem, wie man ihm so völlig gedankenlos zujubeln kann. Was habe ich, was haben wir davon, wenn er sich nun wieder in ein Auto setzt und Runden fährt? Was habe ich davon, wenn er Millionen dafür kassiert (zusätzlich zu seinen Werbevertrags-Millionen), die er dann in Deutschland nicht versteuert? Wer muss diese dadurch verursachten Steuerausfälle ausgleichen?

Nein, ich habe/hätte damit nicht die geringsten Berührungsängste. Fakten sind Fakten. Da können andere noch so sehr herumschwurbeln.

Genauso wenig habe ich als aktiver Fußballer und Fußballfan auch Probleme damit, die Verwerfungen in diesem Sport zu kritisieren. Die Sache an sich zu mögen, bedeutet doch nicht gleichzeitig, alle Begleiterscheinungen ohne Nachdenken abzunicken.

Christian 11. März 2010 um 22:26  

Über das gedankenlose Zujubeln in Richtung Michael Schuhmacher sagt Urban Priol ein paar schöne Worte in der jüngsten Folge von "Neues aus der Anstalt". Wer's verpasst hat, kann es sich hier
nochmal ansehen.

Aber die Leute sind scheinbar schizophren. Es sind teilweise dieselben, die Urban Priol zustimmen und dann doch wieder die Schuhmacher-Fähnchen schwenken.

Das ist so verlogen, da können sich sogar die intriganten DFB-Schiedsrichter noch was abschauen.

carlo 12. März 2010 um 23:49  

Hallo Roberto!
Zu Ridendo dicere verum.....

Warum soll man im Kleinen nicht bestrafen, worauf im Großen der ganze Schwindel angelegt ist?
(serner, letze lockerung...)

nur mal so nebenbei.......

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