Schützt Westerwelle!

Montag, 15. Februar 2010

Beendet euer Defilee! Stellt umgehend die Entrüstung ein! Man kann das Oberhaupt der wirtschaftsliberalen Kirche Deutschlands, diesen Führer der gelb-blauen Terrorzelle, man kann Westerwelle feurig verabscheuen, sich dessenungeachtet jedoch vor ihn stellen. Selbst vor dem Geringschätzigen, dem Verpönten und Verachtenswerten sollte man sich zuzeiten behütend auftürmen, um es von allzu stürmischen Aufmärschen und Prozessionen abzuschotten. Respektieren muß man deshalb ein solcherlei abstoßendes Fabrikat, einen Westerwelle etwa, nicht, um ihn beschützen zu wollen.

Was dieser Kopf fundamentalistischer Standesordnung unlängst aus seinem Denkorgan erbrach, kann natürlich nicht entzücken, ist ein Knäuel, bestehend aus vielerlei Eindrücken und Motiven - aus egomanischer Unterwerfung des Allgemeinwohls zugunsten von Eigeninteressen, aus zwanghaften Beißreflexen aufgrund finanzieller Verlustängste, aus anal-charakteristischer Sparmanie, aus bürgerlichen Manierismen und einer althergebrachten Senatorenarroganz. Ein unappetitlicher Eintopf, für den man, bevor man sich empört, allerdings dankbar sein sollte, an dem man dieser Tage nie übersatt werden kann. Westerwelles Auswürfe sind geschmacklos, aber sie sind ehrlich, kennen keine heuchlerischen Eskapaden, sind authentisch, legen sein degoutantes Weltbild bloß, maskieren seine kleinkarierten Absichten nicht mit Scheinheiligkeit. Es ist der biedere Elan des Grundehrlichen, der beeindruckt; Elan, gespickt mit der aufrichtigen Blindheit des Einfältigen, von Grund auf offenherzig und jedem Pharisäertum fremd, vollgestopft mit einer selbstinszenierten und selbstgefälligen Wahrheit, die zwar keine Anwartschaft auf Wirklichkeit erwarten darf, die aber bar von Heuchelei und Scheinbarkeiten randvoll schäbigen Bekenntnisses ist.

Laßt also von eurer Entrüstung ab! Entwöhnt euch für einen Moment von ihr! Laßt diesen Ehrlichen nicht den Dummen sein, auch wenn es mitunter besonders Dumme sind, die uns mit ihrer widerborstigen Ehrlichkeit anekeln. Wie unerträglich sind doch diese geschminkten, glanzlos getupften Politikersekundanten, die heute so und morgen anders predigen - so wie es ihren jeweiligen aktuellen Herrn gerade einfällt. Die heute Sozialfälle erzeugen und lächerlich machen, um sie forthin zu betreuen, sich zu deren moralischen Rechtsvertretern zu erheben. Steinmeiers, Rüttgers, Kuhns, die ihren öligen Brei aus Egoismus, Selbstüberschätzung, Ignoranz und Geltungssucht hinter erlauchten Festreden und wohlfeilen Versöhnlichkeiten absetzen, die bisweilen nur deshalb zum Seelsorger der Schwachen und Entrechteten werden, um heuchlerisch den Mann für alle Fälle, die klassenübergreifende Alternative simulieren zu können - solche tückischen Kaliber gibt es viel zu viele. Wie erhaben sich doch ein Westerwelle, dieser tollgewordene Liberalengeneralissimus, abseits solcher Gestalten ausnimmt. Der zeigt Profil - das muß man anerkennen; er ist ein glaubwürdiger (Handels-)Vertreter seines Glaubenssatzes, überzeugender Feldherr innerhalb seiner Miniatur- und Spielzeugwelt, die freilich mit der wirklichen Erde nur gering zu tun hat.

Welcher Luxus! Und ihr moniert, nörgelt, entrüstet euch! In Zeiten, in denen Wölfe wie Schafe blöken, in denen Feinde meist in freundschaftlicher Umarmung, als verständige Organisation vielleicht oder als liebevolle Partei, die Lebensbühne betreten, da sind solche, die offen zur Schau stellen, die freimütig bekennen, Feinde zu sein, fast schon wieder Freunde. Wo der Feind so freundlich ist, seine Feindschaft mit Silberbesteck zu servieren, da sollte Lob erfolgen. Westerwelle ist ein ausgesprochener Luxus.
Ein Luxus, an dem es der US-amerikanischen Politik derzeit mangelt. Passé die luxuriösen Tage, in denen ein Bush die Missgeschicke steuerte. Damals glichen sich Fassade und Aura der präsidialen Werbefigur mit den Gelüsten und Trieben der US-Konzerne. Dieses rüpelhafte und ungehobelte, verrunzelte, ausgekocht dreinglotzende Gesicht eines grobschlächtigen Naturburschen und Menschenschlächters - es war das Werbeschild, die Litfaßsäule einer kriegerischen, imperialistischen, geostrategisch ausbeutenden Politik, die mit Sachzwängen rechtfertigend, spielend in der Lage war, Bombenterror und Minenfelder schönzureden. Der Luxus ist dahin! Heute lächelt ein puttenhaftes, gutaussehendes, glatthäutiges Antlitz aus dem Oval Office, das es maßlos erschwert, der US-Politik, die seither - wenn überhaupt! - nur an Marginalien modifiziert wurde, mit der gleichen inbrünstigen Vehemenz entgegenzutreten wie damals, als dieser texanische Hauruck und passionierte Brezelgourmet Herr der Welt war. Bush konnte man herzlichst verachten; verachten, wie man jenes Gebräu aus Politik und Wirtschaft, diesen Filz zur Weltkontrolle, verachten konnte. Ja, man konnte ihn verachten und hassen, konnte ihm reinen Herzens die Syphilis an den Hals, einen harten Schanker an den Schwanz wünschen. Bush und Krieg, Bush und Arroganz, Bush und Freihandel auf Teufel komm' raus - wie aus einem Guss! Obama hat diese Maskottchenqualitäten kaum, ihm wünscht keiner Geschwüre ans Gemächt - und dennoch ist er derselbe Herr über Krieg und Rüstung, Besatzungs- und Ausbeutungspolitik, wie der rauhe Klotz von einst.

Westerwelles machen uns das Leben einfacher, erträglicher, weniger zeitaufwändig. Sie erlauben es, dass wir nicht mehr nach dem Kannibalen forschen, ihn aus Festtagsreden mit versöhnlichem Kolorit herausfiltern müssen, weil sie ihre Menschenfresserei gar nicht erst verkappen. Wie herrlich leicht das Leben doch sein kann! Solche Gemüter schwatzen ohne falsche Scheu von Menschenverachtung, starten nicht einmal den Versuch, ihrem Wolfsgeheul einen Schnipsel Schafsfell überzuwerfen. Erkennt soviel Freimut doch an! Lobt diesen ehrlichen Makler! Und seid dankbar! Es gibt ja genug Typen, die ihren Hass ungeniert zu Markte tragen, Randexistenzen wie Voigt oder Apfel oder Schlierer - aber die fungieren lediglich als Feigenblatt für die Rotte Braungebrannter aus den anderen Parteien der würgerlichen Mitte - die sich würgend an der Unterschicht gütlich tun -; aus Parteien, die ihr spießbürgerliches Klöppeldeckchen zur Sicherheit immer mit sich tragen, um ihre ausgebreiteten Pläne, wie etwa die Renaissance des Reichsarbeitsdienstes oder die erzwungene freiwillige Ausreise für Ausländer, um also diese rostbraunen Vorhaben mittels eilig übergeworfener Klöppelei zu vertuschen. Westerwelle trägt diesen Menschenhass, den man üblicherweise nur den Randexistenzen nachsagt, in die Mitte, in die etablierte Mittelmäßigkeit, macht sichtbar, wie durchbräunt diese Mitte schon ist, wie verseucht mit Gedankengängen von Henkern und Folterknechten, Kapos und Rottenführern. Pionierarbeit ist das! Dankbarkeit wäre angebracht! Schimpft Westerwelle nicht - schützt ihn! Dankt ihm!

Er spielt uns keine falsche Bescheidenheit vor, legt offen Bekenntnis ab, läßt seinen Speichel, dieses Produkt seiner Tollheit und seiner Gier, öffentlich aus Mundwinkeln triefen - er läßt seine Hetzer- und Herrenmenschenseele für die ganze Welt sichtbar erblühen. Sein Weltbild ist kein Geheimnis - man bekommt es jederzeit als Memo zugestellt. Weil es Westerwelle, weil es überhaupt wieder vermehrt aufrichtige Damen und Herren aus der bürgerlichen Mittelmäßigkeit mit brünettem Weltbild gibt, ist es uns erst erlaubt zu erahnen, wie weit das deutsche Kleinbürgertum, diesmal ohne Bärtchen im Fliegenschissformat und gescheitelter Tolle, ohne Reiterhosen und khaki herausgeputzter Hühnerbrust, bereits wieder zu gehen bereit ist. Nur weil es ehrliche Häute wie Westerwelle gibt, die sich für ihre unausgereifte Weltanschauung, ihre niveaulose Ideologie nicht schämen, ahnt man, dass diese Gesellschaft bereits knöcheltief in der Scheiße watet. Weil er wütet und schnaubt, fallen die Feigenblätter vom nationaldemokratischen oder republikanischen Laienverein wie vom herbstlichen Ast herab. Bewahrt Westerwelle vor denen, die nun aus der Mitte herauswettern, er habe verfehlt, gefrevelt, gesündigt - bewahrt ihn vor diesen Halbseidenen, die mit Selbstbräuner eingeschmiert, ihr goldbraunes, schwarz-rot-goldbraunes Weltbild, mit ausgewogener Heuchlerei bedecken! Schützt den Grundehrlichen vor den Grundverlogenen!

Bevor ihr Westerwelle ohrfeigt, dankt ihm - ihm und seiner parteiübergreifenden Kamarilla. Dankt ihm und den Clements und Sarrazins und Sloterdijks. Dankt ihm und den Führern und Bonzen der kleinbürgerlichen Mitte dafür, dass sie mit offenen Visier ins Gefecht ziehen, ihre geistige Herkunft nicht verleugnen, nicht vorheucheln unbescholtene Schäfchen zu sein. Lieber drei Westerwelles als ein Steinmeier, lieber drei Clements als eine von der Leyen. Denn mit denen weiß man, was man hat - und man weiß, was es braucht: Umsturz!

22 Kommentare:

Die Katze aus dem Sack 15. Februar 2010 um 01:14  

Umsturz!? Hauptsache es fällt auch in die richtige Richtung und bleibt dort eine weile liegen, ehedem erneut damit begonnen werden kann, dem Minder-Übel auf die Spur zu kommen.

Jede Zeit schafft sich ihre eigenen Helden.

Aufruf! An die Beschäftigten der Atomkraftwerke: Bitte bleiben sie während der Uunruhen an ihrem Arbeitsplatz und überwachen weiterhin die Brennstäbe und Kühlmittel sowie den Stromfluss. - An die Beschäftigten der Institute und Laboratorien: Bitte bleiben sie während der Unruhen an ihrem Arbeitsplatz und sorgen auch bei Stromausfall für eine ausreichende Kühlung der Viren- und Bakterienstämme.

Vielen Dank, für die Beachtung aller Sicherheitsmassnahmen.

Anonym 15. Februar 2010 um 02:49  

@Roberto,

den Gedanken mit der Aufrichtigkeit von Westerwelle hatte ich ebenfalls. Ich halte ihn für einen Altlibertären, die bekanntlich sowohl staatliche Sozialfürsorge, als auch den Staat ansich als 'sozialistisch' ablehnen.

Zusammen mit dem rechtspositivistischen Schäuble und den anderen neoliberalen Karrieristen (zB Bundeshorschti) und IM Erika und Konsorten eine gefährliche Suppe, die man wegschütten sollte.

Gruß
Bernd

River Tam 15. Februar 2010 um 07:29  

Organisationen wie diese geben aber Hoffnung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Front_Deutscher_%C3%84pfel

Margitta 15. Februar 2010 um 09:14  

Ja, Du hast vollkommen Recht lieber Roberto. Westerwelle, Sarrazin, Clement und Co. sind Geschenke des Himmels. Sie sind nicht aalglatt und flutschen einem durch die Finger. Sie sind greifbar, sie zwingen uns ihnen Paroli zu bieten, denn sie zeigen uns was die Uhr schlägt.

Sie formieren sich, preschen vor, wähnen sich in Sicherheit und rechnen allenfalls mit geringer Gegenwehr. Die glitschigen Heuchler Steinmeier, von der Leyen und und und, warten nur darauf, aus ihrer Deckung kommen zu können.

Jetzt liegt es an uns ihnen zu zeigen, dass sie sich verrechnent haben. Wir müssen unsere Kraft bündeln und nicht wie hypnotisiert abwarten, was als nächstes kommt.

Solidarisch kämpfende Grüße
Margitta

Anonym 15. Februar 2010 um 09:31  

Aus einem Kommentar zu Westerwelle:
"Im Zorn der Gut-Verdiener auf die Hartz IV-Empfänger spiegelt sich deren Unzufriedenheit mit ihrem eigenen Berufsleben. Weil sie selbst nicht glücklich in ihrem Beruf sind, gönnen sie es anderen nicht, nicht zu arbeiten. Denn es muss befürchtet werden, dass die "Sozialschmarotzer" am Ende noch glücklicher sind als sie selbst. Letztendlich wird ein vermutetes Glück beneidet und nicht der Geldbetrag.
Dass man jedoch denkt, man wäre als Hartz IV-Empfänger glücklich, zeigt deutlich die eigene verzweifelte Lage!"

Anonym 15. Februar 2010 um 10:35  

einige lesen zu viel bildzeitung.dieser "Liberale"versucht die einzelnen gruppen gegeneinander auszuspielen,und keiner merkt es,oder will es nicht merken.

maguscarolus 15. Februar 2010 um 10:44  

Alle wollen kämpfen!

Keiner weiß, wo genau man angreifen könnte.

Da sehe ich das Problem.

Ajax 15. Februar 2010 um 11:28  

Ob man Obama mit Westerwelle vergleichen kann weiß ich nicht. Ich kann es mit nicht denken.
Aber ich weiß es nicht.

Wie man die Innenpolitk Obamas (falls sie existiert) beurteilen kann, weiß ich auch nicht. Da ich kein US-Bürger bin habe ich kein "Gefühl" dafür. Ich hoffe es ist zumindest an irgendeiner Stelle besser als in der BRD. Die USA haben sicher auch Nachteile, aber ich bin kein US-Bürger und kann kein Urteil fällen. Ich würde zu differenzieren versuchen.

Außenpolitisch muß Obama sich an Realitäten halten. Aber lassen wir das!

Zu Westerwelle: Das ist ein Zeichen dafür, das unsere Demokratie, wie zu Zeiten Clements noch lebendig ist. Es braucht diese mutigen Anregungen.

Aber nicht satirisch weiter: Westerwelle will auf diese Weise NRW retten. Wenn er das schafft wirds gefährlicher!

reneè 15. Februar 2010 um 11:34  

Lieber Roberto,

ist es nicht eigentlich ziemlich schnurzpiepegal, ob man dem Vizekanzler die Medaillen Authentizität und Ehrlichkeit ans Revers heftet oder irgend ein anderes Lametta? Entscheidenter als seine Motive sind sein Reden und Handeln und die Stimmung im Lande, die er miterzeugt. Und - in der Tat - ein Umsturz könnte die Lösung sein. Ich habe zwar noch keine Idee, wie der aussehen kann, aber aus Einsicht in die Notwendigkeit bin ich dabei.

Grüße aus der Nachbarschaft
reneè
http://rxrenee.wordpress.com/

Dr. Schniedl 15. Februar 2010 um 12:12  

Guido Westerwelle war seit 1983 Juli-Chef, seit 88 im FDP-Bundesvorstand und schloss sein Jurastudium erst 1991 ab: Parteiamtssalär, Diäten, Ministergehalt: Der Mann hat nie ernsthaft von etwas anderem als Staatsknete gelebt. Dass nun ausgerechnet er wirklich Bedürftige als überfressene Orgiasten schmäht - im vorrevolutionären Frankreich wäre das als der mannhafte Wunsch verstanden worden, sich immerhin die eigene Laterne auszusuchen.
das sagt küppersbuch in der taz

Anonym 15. Februar 2010 um 13:12  

Klasse Text, lieber Roberto! Einige Deiner Texte als Reden im Bundestag...das würde was hermachen,denke ich.(Dann fallen fast alle von ihren Stühlen)
Wir brauchen andere Widerstandsformen, die bisherigen wie Demos, etc.funktionieren nicht mehr so richtig.Der Aufbau von Gegenöffentlichkeit ist im Gange aber noch zu schwach.Wir sollten uns Gedanken machen, wie Widerstand im Jahre 2010 aussehen könnte.

antiferengi 15. Februar 2010 um 13:38  

dass sie mit offenen Visier ins Gefecht ziehen ....

Tja, das hat was.

Aber nööööh, ich bin ja auch gegen rechts, aber die Linken sind mir zu links, und überhaupt, sollte man parteiübergreifend vorgehen. Politik macht doch keinen Sinn mehr heutzutage. Außerdem brauchen wir doch eine Mitte. Und ja, ... ich sehe auch das Westerwelle und Sarrazin nicht gerade helle sind. Das muss man diplomatisch sehen. Ich will ja auch nicht zu den Gutmenschen gehören, obwohl ich ein guter Mensch bin. Da find ich die Piraten interessanter. Schluss mit dem Schwarz-Weiß-Denken. Friede Freude Eierkuchen für alle. Und "free content". Vielfalt in der Mitte.

Wie bei den Grünen. Vielfalt in der Mitte. Ökonomisierte Ökologie bei sonnenkollektiviertem Wohlstand. Kommt aber auf den Koalitionspartner drauf an. Wie bei der SPD. Vielfalt in der Mitte, aber gut Ding will Weile haben, wenn man eine Zukunft planen will, die man selber vergeigt hat. CDU? Spannend. Vornehme katholisierte Zurückhaltung mit abwartendem Blick.

Wie bei der FDP? Vielfalt in der Mitte? Nee, aber die sind wenigstens ehrlich, und stehen dazu was die anderen machen. Die guten Mittelständler, die wie Atlas den Himmel auf den Schultern tragen, und deshalb genauso rationalisieren müssen, wie die, wohin man selber will, - können sich political-correctness schießlich nicht leisten.

Wo trifft man die besten Verkäufer? Richtig. In der Mitte. Und die bewegt sich mit. Vielfältige rechte Verkäufer eben. Und das Dingens wird schließlich immer kleiner. Ich meine, - die Mitte. Da kriegt man ja richtig Platzangst. Da tut's doch richtig gut, wenn mal einer Tacheles redet, und wenigstens die Seele der Volksmitte repräsentiert. So wie seinerzeits Lafontaine. Aber der war ja populistisch.

dass sie mit offenen Visier ins Gefecht ziehen ....

Ja Roberto, das hat was.

Anonym 15. Februar 2010 um 15:38  

mit solchen, die keinen Hehl daraus machen, was sie im Schilde führen, hat es schon mal angefangen.
Jetzt werden die Hardliner wieder salonfähig gemacht, ich sehe darin nur einen weiteren Schritt in Richtung eines neuen Faschismus.
Und hier applaudiert man?

Sei's drum, solange Tagesschau & Co mit ihren verglotzten Castingpuppen weiter Propaganda machen, wird die Masse Kurs halten...

Anonym 15. Februar 2010 um 18:43  

Am schlimmsten ist nicht Herr Westerwelle, sondern die vielen scheinheiligen Kritiker. Sie haben Hartz IV genauso zu verantworten wie Herr Westerwelle, haben sogar im Laufe der Zeit weiteren Verschärfungen des Gesetzes zugestimmt. Und jetzt kritisieren sie ihn, aber zumeist nur in der Form und Wortwahl. "Politrowdy", "Zynismus", "Hohn" und "Beileidigung der Arbeitslosen" kann doch keine ernsthafte inhaltliche Kritik ersetzen.

Im Gegenteil: seine Meinung soll Westerwelle durchaus klar äußern dürfen. Doch Radikalität jedweder Art, sei sie links oder recht, können die herrschenden Kreise in Deutschland nicht mehr zulassen, seitdem die Linkspartei zur nennenswerten politischen Kraft aufstieg. Da haben sie sich selbst ein Bein gestellt: Westerwelle mutiert zum neuen Lafontaine, seitdem der abgetreten ist.

Doch Radikalität ist stets erfolgreich, schon wird gemunkelt, dass Westerwelle "ein richtiges Anliegen" vorbringt. Lafontaine hat die Republik durch seine Radikalität nach links bewegt, Westerwelle will sie wohl wieder zurück nach rechts schieben. Jeder, der sich dagegen wehren will, muss selbst einen radikalen Gegenentwurf zu Herrn Westerwelle vorlegen.

Ajax 15. Februar 2010 um 19:05  

Entschuldigung, da war mir die Korrektur in den falschen Post verrutscht. Hier gehörte das hin:

"Kleine Korrektur: Obama wird ja nicht mit Westerwelle, sondern wohl mit den scheinheiligen (bewußt) nützlichen Idioten des Westerwelle verglichen.

Kleiner Flop der mit da unterlaufen ist."

Jan Perlak 15. Februar 2010 um 19:18  

Herr Westerwelle hat vollkommen unrecht. Warum ist denn der Anteil der Sozialausgaben an den Staatsausgaben so groß? Weil die Arbeitslosigkeit seit dreißig Jahren auf einem viel zu hohen Niveau liegt. Wenn der Staat Anstrengungen unternehmen würde, wieder zur Vollbeschäftigung zurückzukehren, bräuchte er auch nicht soviel Sozialleistungen zu zahlen.

Und dass die Arbeitslosigkeit so hoch liegt, liegt daran, dass der wirtschaftspolitische Glaube von Herrn Westerwelle hierzulande immer noch vorherrscht. In anderen Worten: mit seiner gescheiterten Ideologie trägt Westerwelle selbst zu den angeblich zu hohen Ausgaben für Hartz IV bei.

Bei einer Verdopplung des Hartz IV-Regelsatzes und einer gleichzeitigen Verminderung der Arbeitslosigkeit um zwei Drittel würden wir immer noch weniger Sozialausgaben zahlen als zuvor. Aber diese einfache Tatsache verschweigt uns Herr Westerwelle ebenso wie die neoliberalen Grünen und Sozialdemokraten.

Robert Reich 15. Februar 2010 um 20:38  

Man sollte einfach nicht soviele Schad- und Problempolitiker rumlaufen lassen. In letzter Zeit ist es irgendwie auffällig, das etliche Problem- und Schadpolitiker versuchen, an der Demokratie und am Grundgesetz herumzufummeln oder gar zu zündeln, denen muss man einfach mal kräftig auf die Pfoten hauen, oder die Zäune ihrer Freilaufgehege etwas enger stellen.
Da brauchen die doch tatsächlich die NPD ganz dringend als Vorzeige- oder Alibi-Braune. Die Wachsamkeit kann nicht groß genug sein. Und immer wieder Adorno: "Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr des Faschisten in der Maske des Faschisten..."

Anonym 15. Februar 2010 um 20:45  

1. Und wovon soll damit nun wieder abgelenkt werden? (Mehrere Kreuzchen möglich:)

a.) von fehlenden Erwerbsarbeitsplätzen

b.) von den Sozialschmarotzern auf der Steuer-CD, die lange Jahre Steuern hinterzogen haben und wesentlich zum Klientel des Herrn W. gehören

c.) vom Nichtmehrweiterwissen und dem Schubladendenken auch dieser Bundesregierung

d.) von der Schwarzarbeit, deren Dienste auch sein Klientel rege in Anspruch nimmt, obwohl es zumeist reguläre Honorare/ Löhne zahlen können müsste

d.) von etwas, das in der Öffentlichkeit noch gar nicht bekannt ist

d.) eigene Antwort


2. Spielen die 'Böser Bulle - Guter Bulle'?

3. Schon wieder die Armen gegen die Ärmsten ausspielen, ohne etwas an dem Grundübel zu ändern(zu wenig ordentliche und nicht unanständig bezahlte Erwerbsarbeit!)

4. Hat Herr W. nicht selber erfahren (müssen), was es heißt diskriminiert zu werden? Hat er nicht aus Angst vor Stigmatisierung und Status- und ggf. Tätigkeitsverlust (in der Politik) sein Privatleben längere Zeit in Deckung gehalten ... verständlicherweise.

Wieso muss er nun ins gleiche Rohr schießen? Nur, um dazugehören zu können ... wozu oder zu wem auch immer?

@ Dr. Schniedl:
Herr W. freut(e) sich im TV deutlich sichtbar grinsend, dass er seit Amtsantritt nun endlich einer ordentlichen Erwerbsarbeit nachgehen kann und dafür monatlich einen richtigen echten Gehaltsstreifen bekommt ... mit Ende Vierzig.
Davor lt. Wikipedia nur Politik und Beiratstätigkeiten u.ä.. Und als Jurist wird er ja kaum tätig gewesen sein (können).

Kann es sein, dass so manche Aufsteiger in Gefahr stehen, größenwahnsinnig zu werden und um's Verrecken nicht mehr an ihre Herkunft erinnert werden möchten, zumal nach all der Warterei nun ein "Herr von und zu" als der Jüngere ihm das Wasser abzutragen droht, obwohl auch dieser nicht wesentlich mehr ge-erwerbs-arbeitet, dafür aber mehr Geld im Rücken hat als er.

Gott, muss Herr W. wütend und neidisch sein!

Was für Vorbilder für unsere Kinder!

pillo 15. Februar 2010 um 21:52  

Leute wie Westerwelle, Sarrazin, Buschkowsky, Mißfelder oder Sloterdijk sind gewissermaßen die Bluthunde der Bewegung. Sie testen in ihrer direkten Art aus, wie weit die Masse der Wirtschaftsfaschisten in ihrer Hetze und Demagogie gehen kann. Sie schlagen die verbalen Breschen für all die Mietmäuler, Parvenüs und Profiteure der neoliberalen Bewegung. Ihnen dafür dankbar sein?

Nein, nein und nochmals nein! Sie sind sicher ganz gut als "Wasserstandsmelder" zu gebrauchen, einfach um zu sehen, wie tief wir schon wieder im braunen Sumpf stecken. Gleichzeitig sind sie es aber auch, die maßgeblich mit dazu beitragen, daß dieser Sumpf immer tiefer und brauner wird.

Sicher sind all die v.d. Leyens, Steinmeiers, Künasts, Seehofers und Gabriels dieses Landes in ihrer Einstellung keinen Deut besser als Westerwelle. Die entscheidende Frage ist doch, würden sie auch ohne Rampensäue wie Sarrazin, Buschkowsky und Co. so weit gehen, wie sie es mittlerweile tun. Ich meine, nein. Erst die vorgenannten Rampensäue machen die faschistoiden Vorstellungen wieder salonfähig und fungieren somit als Bindeglied zwischen Voigt/Apfel/Schlierer und v.d. Leyen/Schäuble/Kuhn/Steinmeier, usw.

Es gibt nur einen einzigen vernünftigen Grund, warum man Widerlingen wie Westerwelle, Sarrazin, H.O. Henkel, O. Metzger, und vielen anderen keine Kugel in den Schädel jagen sollte. Man würde sie zu Märtyrern der Marktradikalen machen, die im Nachhinein zu unschuldigen Opfern sowie ehrenwerten Kämpfern für Freiheit und Demokratie umdeklariert würden, wie einst die Herren Schleyer und Buback.

Anonym 16. Februar 2010 um 01:33  

@jörg

'altlibertär' =! liberal.

Das 'liberal' bei der FDP ist ein Etikettenschwindel. Altlibertäre sehen den Sozialstaat als überwindenswertes Übel und dazu ist ihnen jedes Mittel recht. Das Urteil des BVerfG zu Hartz IV, indem den Arbeitslosen ein unveräußerliches Grundrecht auf das soziokulturelle Existenzminimum zugesprochen wurde, ist eine für Altlibertäre eine Kampfansage. Und entsprechend reagiert Westerschwesterchen und jault wie ein getroffener Hund.

Westerwelle und der FDP geht es sicher um mehr als nur NRW; ihnen geht es um die Abschaffung des Sozialstaats, den sie hassen mit allen Mitteln.

Gruß
Bernd

Anonym 16. Februar 2010 um 03:22  

Noch ein kurzer Nachtrag:

Der Unterschied zwischen Altlibertären und Faschisten ist nur graduell. Marcuse hat bereits 1965 auf die innere Nähe der Altlibertären zum Faschismus aufmerksam gemacht.

Ferner dürfte es einem Staatswesen und insbersondere einer Zentralregierung ansich nicht gerade fremd sein, nach immer mehr Kontrolle über die Gesellschaft zu streben und dadurch ihre Macht zu festigen (siehe auch Robertos Artikel zum FAU Verbot).

Gruß
Bernd

Charlie 18. Februar 2010 um 04:11  

@ Anonym 15. Februar 2010 18:43

Du sitzt demselben Medienmythos auf, wie so viele andere. Es ist schlicht Unsinn zu behaupten, die Linke, speziell Lafontaine, seien "radikal".

Nur zur Erinnerung: Die SPD unter Willi Brandt hat in den 70er Jahren weitaus mehr Sozialstaat, Gerechtigkeit und Sicherheit für alle geschaffen, als es die Linke heute fordert. Mit Helmut Schmidt begann der langsame Rechtsdrift - 16 Jahre Kohl (an die die Älteren unter uns sich noch wohlig erinnern dürften, denn er wagte nur vergleichsweise kleine Schritte des neoliberalen Umbaus) haben ihr Übriges getan - und mit Schröder begann dann die radikale (!) Zerstörung des gesamten Landes nach den Richtlinien der neoliberalen Ideologie, der von der großen Koalition und nun Schwarz-Gelb konsequent fortgesetzt wird.

Es ist mitnichten "radikal", wenn die Linke heute beispielsweise eine Totalrevision von Hartz IV fordert - es ist lediglich eine Forderung nach der Wiederherstellung eines in der jungen Vergangenheit bereits erreichten Zustands der sozialen und gesellschaftlichen Gerechtigkeit (auch wenn der keinswegs perfekt war).

Radikal sind und waren einzig die neoliberalen Verfechter des Großkapitals, die seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts unseren Staat und unsere Gesellschaft zerstören - und munter damit weitermachen.

Und Westerwelle ist ein solcher Radikaler. Nur zum Vergleich: Hätte dieser Mensch dieselben Sprüche vor 30 oder 40 Jahren vom Stapel gelassen, wäre er von der versammelten Medienlandschaft (mit Ausnahme der Blöd-Zeitung), großen Teilen der Politik und gesellschaftlichen Öffentlichkeit in den braunen Boden gestampft worden, dem er offenbar entstammt. Solche Ausfälle hätte er damals politisch nicht überlebt. Und das zeigt nur allzu deutlich, wie radikal rechts die politische und mediale Landschaft in diesem gebeutelten Land heute ist.

Wie titelte der "Freitag" (ich glaube, es war im Jahr 2004) noch anlässlich der damals aktuellen Hartz-Debatte und Schröders Agenda 2010: "Dagegen war Kohl modern".

Wie kann man angesichts der vergleichsweise moderaten (und so immens wichtigen) Forderungen der Linken von "Radikalität" sprechen? Sind wir ein Volk des kollektiven Vergessens?

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