Allgemeine Befindlichkeit

Donnerstag, 18. Februar 2010

Zotige Predigten, anzügliche Bemerkungen, flegelhaftes Gezeter zwischen Bier und Qualm. Trunkenes Jubelpersonal, parolenschwenkend, heiligenverehrend. Feiste Visagen, die verschwitzt ins Mikrofon brüllen, andere speckige Visagen verspotten. Fäuste die auf Biertische knallen, die die Richtigkeit des Gepredigten unterstreichen sollen. Lachen, spotten, Heiterkeit! Ein Hoch soll er leben! auf den selbstgefälligen Prediger, dem Seelenhirten seiner Gemeinde. Noch mehr Bier, noch mehr Qualm - dazu der Dunst erhitzter Gemüter. Schweißnoten, Körperbukett, seifenfremdes Odeur. Auf der Kanzel unausstehliche Fratzen, erniedrigende Worte, Rundumschläge, starrer Blick und fanatisch-rasputinhaft funkelnde Augen. Auch oben, am Hochsitz, schmetternde Fäuste - bäuerliche Rhetorik und rüde Sätze, verziert mit Fausthieben auf Sperrholz.

Recht hat er!, schallt es durch die Hallen. Prost, Gemeinde!, dankt es der Redner. Ohrfeigen für die einen, Backpfeifen für die anderen - nur die heimische Gemeinde, die Jünger des eben lärmenden Apostels, sind reinen Herzens. Jubelarien, Parteisingsang, Hemmungslosigkeit und feuchte Höschen. Philippika als politischer Inhalt; Beleidigung als politisches Programm; Spöttelei als politisches Manifest! Die eigene Leere, den eigenen Irrwitz hinter dem Wahnwitz, der Ödnis der anderen vermummt. Zwischen Bier und Brotzeit, Predigt und dinglich gewordener Satire, tosender und ungezügelter Beifall. Politisch gewandete Geilheit allerorten, erigierte Schwellkörper geistesschwacher Parteisoldateska, flammende Fleischeslust ob aufgeheizter Brauhausatmosphäre.

Rundumschläge für die politische Konkurrenz und ein Stöhnen geht durch die Menge. Nackenschläge für Frieden und Sozialstaat und es quietscht und wiehert und kocht orgiastisch im Saal. Tiefschläge für die Besitzlosen und der Haufen ejakuliert, engverschlungen und einträchtig, zur himmlischen Glückseligkeit. Lüsterne Devisen auf Plakate gekritzelt. Im Sinnenrausch gejohlte Losungen. Bier zur Kühlung, Bier zum Aufheizen. Hie kühlt es aufgepeitschte Gemüter, kühlt den Arbeitslosenhasser; dort facht es das noch beherrschte Gemüt, den Hass an. Politik auf Bierbänken. Demokratie für Stammtische. Staatskunst für schlichte Gemüter. Volksherrschaft der süffigen Seelen, der loyalen Verehrer, der lichtlosen Parteibuchträger. Politik als Bierzeltspektakel, zwischen Hau den Lukas und Achterbahn. Dumpf, inhaltslos, schlichte Gemüter anheizend. Politik zwischen Klamauk und Radau, als Rummel und Trubel.

Politischer Aschermittwoch? - Nein! Die alltägliche Befindlichkeit, die stinknormale Verfassung der politischen Inszenierung hierzulande. Und nur am Aschermittwoch spielt diese Normalität der Politik im stilsicheren Rahmen.

9 Kommentare:

Anonym 18. Februar 2010 um 07:46  

genau so ist es! klasse!

Ralf-zwei.null 18. Februar 2010 um 08:03  

Schöne Beschreibung, sehr plastisch. Man kann diese Melange aus Bier, Qualm, Schweiß und Urin förmlich riechen...

Ich habe diese Veranstaltungen bisher nie ernst genommen. Für mich sind sie eher ein Kasperletheater zur Bauchmiezelung geschundener Parteiseelen, als die Normalität. Aber vielleicht hast Du ja recht, lieber Roberto, und ich bin einfach nur eine Minderheit... ;-)

Anonym 18. Februar 2010 um 13:34  

War es nicht eine Show der Angst ?
Vielleicht weiß er es, dass es aus ist mit ihm.
" Mene Tekel ovarsin" steht in der Bibel. Gewogen und zu leicht befunden...
Klasse Text.
Danke Roberto

Anonym 18. Februar 2010 um 14:02  

Die postkarnevalistischen Veranstaltungen waren vielleicht früher qualitativ besser. Ansonsten kriege ich nicht Angst weil die Posse diesmal vor dem Aschermittwoch begonnen hat und danach vermutlich weiter gehen wird. Es macht mir nicht einmal Angst, dass es Akteure gibt wie sie derzeit auftreten, obwohl auf einer solchen Ebene deren Agieren auf mich befremdlich wirkt.
Angst kriege ich, wenn ich sehe wie mit den "Rednern" umgegangen wird und welche Konsequenzen sie fürchten müssen...

Anonym 18. Februar 2010 um 14:07  

"Vielleicht weiß er es, dass es aus ist mit ihm."

Als wäre das so sicher...
Als würde das 'was bringen...
Das dauernde Gewicher
Zersetzt und will durchdringen...

Anonym 18. Februar 2010 um 15:31  

Staatskörper

Bleistiftsteif penetriert der rot-grüne (sch)mächtige Penis den Volkskörper. Nach durchstoßen des Jungfernhäutchens, daß 60-jährig die Bruthöhle vor Schmutz bewahrte, befruchtet das braune Ejakulat das schwarz-gelbe Ei. Gremlingleich springen braune Zwerglein aus dem Ei hervor, wo viel zu lang sie schon eingepfercht. Sich an der Plazenta der ewig wahlkämpfenden Parteiendemokratie fett nährend, führen sie sogleich ein Freudentänzchen der Unflat auf. Das Westerwelli tuschelt teuflisch kichernd mit dem Henkeli. Verschämt am Rand, von unten schielend, steht das FDJ-Blaue Zwergenweibchen und wispert schüchtern: Lasst mit mich tun an eurer Untat, ich hab abgeschworen dem falschen Glauben. Ganz vorn plappert das unSinnchen den ewigen Sermon sinnloser Wissenschaft. Ein Stück im Hintergrund weist unglücklich das Sarrazini auf ein braunes Kötelhäufchen: Viel zu jung verstorben, sei es, das Hitleri, unglücklich sich selbst erdrosselnd mit dem mächtigen Geschlinge der eigenen Nabelschnur. Führend hätt es die Schar der braunen Zwerglein in tausendjährige Freuden leiten können.
Freudig blökend stehen die Wahlschafe bei der Geburt dabei, kopfschüttelnd die Unentschlossenen tadelnd ob deren Jammer, nicht zu wissen, was die Rechte Wahl.
Doch still, ich muß enden nun mein Tagewerk. Die nubische Sklavin hat die Halle betreten, mit Trauben, so süß und zart, die ich sie bat mir nach den Mühen meines Werkes zu servieren. Und auch hoff ich auf noch Süßeres zu genießen, und zur Sicherung meines Erwerbsmodells bin guter Hoffnung ich, das Nachwuchs aus unseren zahlreichen Verbindungen entspringt. Ein Knabe, lieber noch ein Mägdelein, den Enkel wünsch ich mir so bald als möglich, damit ich mein Geschäftsmodell vererben kann und, wenn alt und gebrechlich, gut versorgt bin. Den das ist jedes Leistungsträgers Pflicht, der Staat es mit guten Gaben vergilt.
So, Sie hat den Weg geschafft durch die kleine Halle meiner römischen Villa, gehabt euch Wohl und genießt das Sein!

In Respekt für diese schöne Seite
Kali Gula

Ajax 18. Februar 2010 um 16:47  

Nicht schlecht geschrieben, aber hier wird zum ersten mal deutlich, das Sprache nicht alles einfangen kann. Es fehlen die Fotos, die Geräuschkulisse. Aber was hier abgeht war schon immer so.

Früher unter FJS allerdings mehr gegen den politischen Gegner und nicht wie jetzt gegen einen Teil der Bevölkerung. Ich weiß damals berichtete auch der Spiegel noch über die Bierzeltathmosphäre (mit Fotos, was halt ein Vorteil war) und schrieb auch davon, das man in den Saal pisste, besonders im Eingangsbereich meine ich. Aber gut der Bayer ist nun mal Lederhosenbodenständig und a bissel Gaudi muß imma sein. Ansonsten ist Bayern schon ein schönes Bundesland und privat kann man da auch gut auskommen. Jenseits von CSU sind die privat nicht so schlimm.

Die Katze aus dem Sack 18. Februar 2010 um 20:18  

Ja! Es hat den Anschein, dass einige Wenige den Versuch unternehmen, Anderen die Hölle auf Erden zu bereiten. Da wundert es doch nicht, wenn alle nun versuchen, den Teufel zu überzuckern. Alaaf! Helau! Miau!

Anonym 18. Februar 2010 um 20:44  

Diese verstaubten abgeleierten Aschermittwoch-Rituale sind nur noch lächerlich, eigentlich bloß noch Stoff zum Gähnen.
Die Zeit, in der sie erfunden und auch ein wenig Bedeutung hatten ging 1990 unwiderruflich zu Ende.
Seither sind auch alle diese Parteien so sehr in der vielzitierten "Mitte" eng zusammengerückt, inhaltlich und mental fast schon verschmolzen, so dass bei diesen "Büttenreden" außer aufgesetzter schein-wilder Rhet
orik kein substanzielles Wort mehr zu vernehmen ist.
Einfach nur noch abgestandener kalter Kaffee!

Gähnende Grüße á tous von Bakunin

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