Aus der Mitte entspringt der Stuss

Freitag, 2. November 2012

oder Sich im Alltag nicht ins Rechtsextreme zu verstricken: eine Kulturleistung.

Der hessische Systemfunk berichtete vor einigen Wochen von der Universität in Kassel, wie sie über Rechtsextremismus lese und über "erfolgreiche Initiativen" gegen Rechts informiere. Denn Rechtsextremismus, so sonorte es aus dem Radio, fange nicht mit Gewalt an, sondern bei Sprüchen und Schmierereien. Dem kann man nur beipflichten. Genau dort fängt es an. Im Anfang war das Wort. Mit rassistischen Sprüchen meint die Uni allerdings nur solche, die man auf dem Pausenhof vernehmen kann - und mit Schmierereien sind Graffiti gemeint. Sie meint explizit nicht jene Sprüche, die man bei Jauch oder Maischberger reißen kann, als ehrenwertes Mitglied einer etablierten Partei; und sie meint auch nicht das Geschmiere, das man unter reißerischen Titel in Buchläden feilbietet. Kurz gesagt, sie geht mit ihrer Ringvorlesung zu Strategien gegen Rechtsextremismus am Kern vorbei, sie arbeitet sich an Erscheinungen ab, nicht an den Ursprüngen.

Es ist nämlich keineswegs so, dass das, was man als das Faschistische oder Totalitäre oder eben Rechtsextremistische bezeichnet, nur eine Spielart menschlicher Niedertracht ist, an der eine kleinere, vielleicht sich derzeit mal wieder etwas vergrößernde Gruppe chronisch erkrankt ist. Diese Erscheinungen für sich und gemeinsam sind nicht Auswurf einer genetischen Mutation, nicht mal Resultat einer mangelhaften Bildung und Moralerziehung. Gerade gebildete Leute liebäugeln ja in vielen kleinen Facetten damit, rechtsextreme Positionen ins Alltagsleben zu befördern. Das Denken in faschistischen und totalitären Niederungen ist nicht nur der Sport einer Handvoll Radikalisierter am so genannten rechten Rand des politischen Spektrums. Es ist auch nicht nur der provokante Wettbewerb biederer Bürgersgestalten, die aus der politischen Mitte heraus, in zurückhaltender Lammfrömmigkeit natürlich, in den faschistischen Gedankenkadaver pieksen. Nein, betroffen sind wir alle davon.

Jeder leidet darunter. Hier und dort und überall. Der Faschismus und die totalitäre Verfahrensweise schlummern in uns, werden beizeiten geweckt und sind dann schwer an die Kette zu legen. Auch in aufgeklärten Kreisen grassiert das plumpe Unterbewusstein, jede noch so souveräne Denkweise kann unerwartet davon angefallen und zerfleischt werden. Ein kurzer Exkurs hierzu nur, denn darum geht es uns heute gar nicht: Aufgeklärte Kreise meint hier nämlich nicht die bürgerliche Mitte, denn die steht mit dem Machterhalt und der Pfründebewahrung auf Du und Du, ist profund bourgeois, ganz sicher nicht citoyen. Generell ist das, was wir heute aus Mangel an Begrifflichkeit Faschismus nennen, keine pervertierte Erscheinungsform des rechten Spektrums - der Faschismus, so angelegt von seinen italienischen Wurzeln, später von den anderen bestiefelten Reiterhosen Europas übernommen, war eine Lehre der Mitte, ein Vermittler zwischen linkem Populismus und rechter Überspanntheit, um letztlich weder links noch rechts zu sein.

Als seinerzeit die Mitte nicht im Fluss war, ihre Mitte nicht fand, da gebar sie einen Gesellschaftsentwurf, der einfache Lösungen suggerierte, der Sündenböcke erfand, der brachial und archaisch so tat, als wolle er zurück in eine Ära, in der alles viel besser lief. Aus der Mitte entsprang (und entspringt) der Stuss - so ähnlich hieß mal ein Hollywood-Streifen mit Brad Pitt, wenn ich nicht irre. Diese bürgerliche Mitte war es, ihr Gewinsel darum, dass eine Partei alle Volksschichten befrieden sollte, war letztlich die sozialistisch angepinselte Version der niedersten Bräunung. In der Mitte reifte der Faschismus; aus der Mitte keimte er; sie war das Obdach des Totalitären. Alles was da heute am rechten Rand herumblödelt, ist damit die Erweiterung der bürgerlichen Mitte, eine kleinbürgerliche Variante, die den Stammtisch völkisch bevölkert. Es ist der Rand der rechten Mitte, Tummelplatz des Stehkragen- und Springerstiefelproletariats. Aber wie schon erklärt, darum soll es heute gar nicht gehen. Das hatten wir hier schon mehrmals.

Niemand, auch niemand jenseits solcher Mitten ist davor gefeit, sich ins Faschistische zu verirren. Dazu muss man nicht Anhänger der Mittigkeit sein, auch nicht deren Fechser im zugeknöpftem Polohemd mitsamt Hosenträger im schwarzweißroten Look der Flagge des Norddeutschen Bundes und wohlpolierter Volltonsur. Jeden kann es treffen, selbst den, der in bester Absicht durchs Leben stolpert.Schnell wird aus dem Gestolpere Stechschritt und aus dem aufrechten Gang Marschtritt. Das geht schon los, wenn wir dazu übergehen, dem faschistoiden Bürgertum die Pest, eine Terrorbande oder eine Wand zur letzten Ansicht an den Kragen wünschen. Blitzartig springt der Faschist hinter den Windungen unserer Gedankenwelt hervor. Das Faschistische ist kein Fremdling, kein Parasit im Körper des Gerechten, es ist die braune Seite des Menschlichen, des Allzumenschlichen, das nicht selten äffisch genug ist, um unsere Herkunft in unseren doch so zivilisiert rasierten und geschminkten Gesichtern blankzulegen. Wir finden es in jedem Menschen - der Faschismus in uns ist das weitergesponnene Vorurteil, die unausgereifte Ausreifung des Ressentiments. Sollte man ein Buch über diese Niederungen im Menschen schreiben wollen, wäre Der Faschismus in mir ein vortrefflicher Titel. Wer ertappt sich nicht dabei, im Anderen, wenn er so ganz anders scheint, erstmal einen Sonderling, Idioten, einen Feind zu sehen?

Exkurs, schon wieder. Diesmal ein kurzes praktisches Beispiel nachbarschaftlicher Natur. Irgendwann spielte ich hier schon mal auf meine Nachbarn quer gegenüber an. Die trinken gerne und auch in geselliger Runde. Und die Leute sind polnischer Abkunft. Der deutsche Nachbar aus dem Haus spricht von einem "komischen Volk", verteufelt gleich mal alle Polen mit den in Alkohol konservierten Feierlaunigen von drüben. Und ich, ich erwischte mich dabei, auch schon gedacht zu haben, dass ich dachte, es sei wohl üblich unter diesen Polen, sich lauthals zu betrinken. So eine Dummheit! So ein unqualifizierter Stuss! Was hat denn die Herkunft mit dem Trinkverhalten zu tun? Manche geographische und soziologische Betrachtung kann nahelegen, dass zwar unter bestimmten Gruppen häufiger Alkohol konsumiert wird, aber generalisierend geht das mitnichten. Ausgerechnet diese schon gottlos saufenden Idioten von drüben, die sollen nur deshalb saufen, weil sie Polen sind? Sind sie exemplarisch für alle Polen? Wie erklärt sich dann mancher polnische Katholik, der eher frugal, vielleicht kontemplativ lebt? Kurzum, mit einem Bein stand ich auf brüchigem Eis, bewegte mich auf etwas zu, was ich ablehne.

Sich dabei zu ertappen, erschüttert zuzeiten, darf aber nicht entmutigen. Der Mensch ist ein Vorurteil auf Sohlen. Was er letztlich aus diesem Aspekt der conditio humana macht, wie er mit ihr umgeht, mit welchen Erkenntnissen er dieser faschistischen und totalitären Keimzelle begegnet, das ist Teil dessen, was der Existentialismus als Möglichkeit des Menschen bezeichnete, das sein zu können, was er sein will - über das Äffische in ihm hinfortzugehen: das ist Menschsein.

Die Kunst ist es, sich davon nicht leiten, verführen, reizen zu lassen. Den Protagonisten der bürgerlichen Mitte sieht man die Zerrissenheit an, ihre Gratwanderung, einerseits dem Faschistischen nicht erliegen zu wollen, während sie andererseits das runzelige Fleisch der niedersten Triebe beatmen. Um am Rande, dort wo der kleinbürgerliche Steckling am Stammtisch prostet, wo Kahlköpfe aneinandergereiht stehen wie eine endlose Kette von gewienerten Hoden, unterdrückt man das triste Allzumenschliche gar nicht erst, versteckt es nicht hinter seriöser Rede und höflichen Umgangsformen. Dort ist man ganz ungestüm Mensch, so sehr, dass man wiehert, grunzt, kläfft. Dort ist man der Mensch wie er als Affe so ist. Doch das Vorurteil, der skeptische Blick auf den Anderen, dieses Metafaschistische, es ruht in allen.

Die Kunst des Aufgeklärten liegt darin, sein eigener Dompteur zu sein, sich und seine törichten Impulse im Griff zu behalten, sie zu überdenken und nur als Vorstufe zur Erkenntnisgewinnung zu bewerten. Seinen Faschismen Herr zu sein, seinen Totalitarismen Einhalt zu gebieten, noch bevor sie stofflich werden, und sei es nur stofflich in Form eines gefallenen Wortes; wenn Aufklärung überhaupt etwas bedeutet, dann das Ideal, seine kleinkarierten Ressentiments, seinen Hass, seine Vergeltungssucht, seine Rachegelüste nicht über sich siegen zu lassen. Kurz gesagt, sich dagegenzustemmen, den Faschismus in sich zu kennen und zu dressieren zu verstehen, kann als hohe Kulturleistung anerkannt werden. Wo Kultur wegbricht, wird Platz frei für Gewalt, sagte August Everding mal. Es ist notwendig, sich an die Kulturalität zu binden, um sich nicht als unbehaarter Affe lächerlich zu machen.

Der Mensch als jenes Wesen, das sich selbst sein kann, was es will: Das wird immer dann geleugnet, wenn der in uns aufbrechende Dschungel politisch opportun, gesellschaftlich gewollt ist. Dann heißt es, man könne für diese Triebe nichts, Xenophobie zum Beispiel, die sei evolutionär erklärbar. Als habe der Mensch die Pfade der Evolution nicht schon lange selbstbestimmt verlassen; als habe er sie nicht verlassen, als jenes Wesen, das sein konnte, was es will; als habe es die Natur, aus dem es stammt, nicht schon vor langer Zeit überwunden. Das Faschistische ist ein Einblick in eine menschliche Natur, die manchmal noch durchschlägt. Es ist insofern ein allzumenschlich-allzuäffisches Sammelsurium aus Affekten und voreiligen Schlüssen, unfreier Wille, Auswurf elektronischer Impulse und Reflexe. Dem, was der Mensch sein kann, weil er sein will, was er sich vorstellt, kommen sie niemals nahe. Faschisten und Rechtsextreme, auch die aus der Mitte, sind im Grunde noch immer dieselben alten Affen.



10 Kommentare:

Inglorious Basterd 2. November 2012 um 08:22  


Was ist „brauner Terror“ und wie kommt es dazu?

Von FREERK HUISKEN, 14. November 2011 -

„Brauner Terror“, heißt es, liegt dann vor, wenn deutsche Rechtsextremisten aus dem Untergrund heraus über mehr als ein Jahrzehnt lang in ihrem fanatischen Ausländerhass türkische Dönerbuden- oder Kioskbesitzer gezielt töten und wieder abtauchen, ohne in Bekennerschreiben extra darauf hinzuweisen, dass für sie jeder in Deutschland lebende Türke oder Grieche einer zu viel ist. Von Terror, zumal von „braunem Terror“ kann deshalb da nicht die Rede sein, wo im Zuge demokratisch legalisierter Ausländerpolitik um Europa eine „Mauer“ gezogen wird, die den Zuzug von unerwünschten Ausländern verhindern soll und an der jährlich Hunderte von Ausländern jämmerlich verrecken – zu Lande, aber vor allem im Wasser des Mittelmeers. Auch dort kann von „braunem Terror“ nicht die Rede sein, wo Menschen mit fremder Staatszugehörigkeit auf der Grundlage des Ausländergesetzes hierzulande das Leben so schwer gemacht wird, dass sie entweder freiwillig wieder in jene Regionen zurückkehren, in denen sie um ihr Leben fürchten mussten, oder sich hier umbringen. Schließlich fällt es nicht unter „braunen Terror“, wenn Menschen, die sich hier illegal aufhalten, erst in Ausländerbaracken konzentriert, dann in Abschiebegefängnisse überführt und schließlich gefesselt per Flieger wieder dorthin zurück verfrachtet werden, wo sie ihres Lebens nicht sicher waren. Es handelt sich in diesen Fällen deswegen nicht um „braunen Terror“, weil all diese, rücksichtslos gegenüber Leib und Leben von Ausländern durchgeführten Maßnahmen erstens nicht von fanatischem Ausländerhass, sondern von politisch kalkulierter Ausländerfeindschaft zeugen, weil sie zweitens nach Recht und Gesetz verfügt werden, weil sie drittens nicht aus dem Untergrund, sondern in aller Öffentlichkeit im polizeilichen Obergrund passieren und weil sie viertens regelmäßig mit „Bekennerschreiben“ versehen sind, die sich in allen deutschen Tageszeitungen als Informationen der Innenminister über neue Maßnahmen zum Schutz der Heimat vor illegalen Ausländern und als Statistiken über deren erfolgreiche Durchsetzung lesen lassen.

maguscarolus 2. November 2012 um 09:42  

Bei allem Kummer über die grausame Inhumanität beim Schutz der "EU-Außengrenzen" komme ich dennoch ins Grübeln, wenn ich mir vorzustellen versuche, wie sich unsere Lebensverhältnisse ändern würden bzw. schon geändert hätten, wenn jeder, der in seiner Heimat keine wirtschaftliche oder soziale Zukunft mehr sieht, vollkommen ungehindert in jedes Land der EU einwandern und hier bleiben könnte.

Abhilfe ist doch nur möglich, indem dauerhaft die Lebenschancen der Menschen in jenen Ländern verbessert werden, aus denen die Menschen ständig fliehen. Hierbei kann man wirklich alle Hoffnung verlieren, denn es gibt nicht mal ansatzweise Zeichen dafür, dass die reichen Industrieländer diese Aufgabe auch nur erkennen.

Und ist nicht die "Finanzkrise®" wieder die beste Ausrede dafür, alles so zu lassen wie es ist?

Anonym 2. November 2012 um 09:55  

Kann man das wirklich so sagen?
"wenn Aufklärung überhaupt etwas bedeutet, dann das Ideal, seine kleinkarierten Ressentiments, seinen Hass ...nicht über sich siegen zu lassen."

Man wird ja wohl noch Menschen ausschließen dürfen, die man als Antidemokraten ausgemacht hat?
Den ganz offenbar unverbesserlichen Konservativen, den wird man ja wohl als das verachten dürfen, was er total und absolut nach eigenem Gespür ist?

Anonym 2. November 2012 um 13:21  

Viel Glück ... weitere Kritik ... so ohne Kategorisierung der Begrifflichkeiten, aus der Mitte, in die Mitte, ins Normale ...

PeWi 2. November 2012 um 14:14  

Schöner Artikel. Ja, jeder muss an sich selbst arbeiten. Und das ist beileibe nicht leicht. Auch ich ertappe mich manches Mal bei unschönen Gedanken und klopfe mir dann selbst auf den Mund bzw. ins Hirn. Geht das ins Hirn klopfen ;)

Hartmut 2. November 2012 um 17:34  

Ein wunderbarer Artikel, durchwoben mit tiefenpsychologischen Erkenntnissen, die unsere Unvollkommenheiten beispielhaft zum Ausdruck bringen.

"So ein kleiner Adolf steckt doch in jedem von uns" ein Satz, der mir mal in einem Gespräch über diese Thematik herausrutschte, sorgte für Aufsehen und Unverständnis. - Hier ist nun auch an Beispielen geschildert, daß ich wohl nicht ganz falsch lag.

Mit dieser Thematik hat sich der Psychologe, Arno Gruen, in seinen Büchern auseinandergesetzt und eindrucksvoll beschrieben; ganz besonders in seinem Buch "Der Fremde in uns".

Hartmut 2. November 2012 um 17:41  

Nachtrag:

"Ein Bericht für eine Akademie" auf Klaus Baums Blog ist eine excellente Ergänzung zu diesem Artikel !

Peinhart 2. November 2012 um 19:00  

Hierbei kann man wirklich alle Hoffnung verlieren, denn es gibt nicht mal ansatzweise Zeichen dafür, dass die reichen Industrieländer diese Aufgabe auch nur erkennen.

Selbst wenn sie sie 'erkennen' würden - sie sind doch längst vollauf damit beschäftigt, den Auschluß im Inneren zu organisieren und zu zementieren. Die 'Schmarotzer, die uns auf der Tasche liegen' sind doch zum größten Teil gar keine Flüchtlinge mehr, sondern 'eingeborenes Personal'. Wie sollen sie denn, wenn sie nicht mal 'Beschäftigung' in den reichen Kernländern mehr organisieren können, noch für 'Aufschwung' in strukturell zurückliegenden Ländern sorgen? Es geht nicht mehr um Inklusion, um Integration, es geht längst im Kern um Ausschluß und seine Rechtfertigung. Und da kommen diese Denkmuster nicht von ungefähr 'wie gerufen'...

Eric 2. November 2012 um 22:58  

Sprachlich wie thematisch wieder mal sehr treffend, lieber Roberto, und ja... den (hoffentlich nur selten) in mir aufmuckenden kleinen Adolf kann auch ich nicht verleugnen.

Ein fürwahr trauriges Thema, aber:


"...wo Kahlköpfe aneinandergereiht stehen wie eine endlose Kette von gewienerten Hoden"


bei dieser Stelle wäre ich beinahe geplatzt vor Lachen.


Schöne Grüße aus Kreuzberg

Eric

Anonym 3. November 2012 um 12:36  

@Hartmut 2. November 2012 17:34

""So ein kleiner Adolf steckt doch in jedem von uns"

ein Satz, über dessen Sinn man vll. noch einmal nachdenken sollte; davon abgesehen, dass mir hier der Mensch doch sehr vereinfacht dargestellt dünkt.

In Wahrheit ist Mensch wesentlich komplexer, die Natur auch, in Interaktion untereinander sowieso.

Wenn das jemand ausdrückt, möchte er mitnichten sich einreihen in die diversen psychischen Pathologien und Perversitäten, die Hitler zu eigen waren. Oder doch? Ansonsten sollte man sich hüten, von sich selbst auf alle anderen zu schließen.

Es bleiben auch immer noch die 35 % Versuchsabbrecher aus dem Milgram-Experimenten. Das sind vermutlich dann echte Humanisten, die die persönliche Verantwortung für ihr Verhalten hoch einsortieren und sogar reflektieren (Letzteres ist Voraussetzung für Verantwortung). Nicht ein jeder ist zum grausamen Folterknecht geboren ... nicht einmal bei den extra dafür gezüchteten Kampfhunden.

Blieben also noch 65 % Mitläufer und Überzeugungstäter für Sie übrig, die sich sicherlich mit dem Aggressor leichter identifizieren können.

Wenn Sie Arno Gruen gelesen haben, einen solchen Satz nennt er: „Verrat an sich selbst“, nämlich „die Identifikation mit dem Aggressor“.

Doch eigentlich sollte dieser doch oft gesprochene Satz vermutlich eher ausdrücken, dass auch Hitler ein Mensch gewesen sei, vor allen Dingen als Kind (kleiner Adolf). Und demzufolge Menschliches in ihm gewesen sein muss (soweit auch Arno Gruens Thesen). Derart, wie in jedem Menschen menschliches vorhanden ist (selbst diagnostizierte und lebenslang weggesperrte Voll-Psychopathen tragen noch menschliche Züge).

Korrekter wäre also m.E.:

"Im kleinen Adolf steckte doch eine Menge von jedem Menschen"
(wurde nur weniger, je größer er wurde).

"sorgte für Aufsehen und Unverständnis."
Das kann ich gut nachvollziehen. Ausgerechnet Hitler war als Erwachsener eine ziemlich kaputte Gestalt und sozial völlig entartet. So entartet, dass er alleine schon dadurch entrückt, hoch spannend, anziehend, und verlockend wirkte (das Andersartige übt eine gewaltige Faszination aus, die entweder in Verehrung oder Ablehnung münden kann).

So bleibt die Frage zu stellen, da wir alle der Subjektivität der Wahrnehmung auf der Basis des eigenen Seins unterliegen, was Sie dazu bewogen haben mag, dies zu äußern und wie sie diesen Satz selbst interpretieren, auch auf sich reflektiert.

Möglicherweise schließen Sie von sich auf andere, resp. sie identifizieren sich mit den Voraussetzungen der Gewalt bzw. eben weil das lieber dann doch nicht über sich selbst, so doch mehr übertragen auf andere, die Masse, die Mitte?

"Mit dieser Thematik hat sich der Psychologe, Arno Gruen, in seinen Büchern auseinandergesetzt und eindrucksvoll beschrieben; ganz besonders in seinem Buch "Der Fremde in uns"."

Stimmt, mit den Ursachen der vielen Krankheiten - auch den Gesellschaftlichen (inkl. extrem ausgearteten Faschismus) - hat sich Arno Gruen in nahezu lebenslangen Studien intensivst beschäftigt.

Die Theorie von Arno Gruen passen nun aber so gar nicht, zu den Ausführungen von Herrn De Lapuente. Intensiv geht Arno Gruen den Ursachen des Bösen, Dissozialen, Soziopathie, Psychopathie auf den Grund und mitnichten hält er das für gesund oder normal.

Neben sozialen Ungerechtigkeiten und Doktrin, stehen seinen Theorien nach an erster Stelle Erziehungsproblematiken, die wiederum aus dem gesellschaftlichen Kontext resultieren, sprich: Kulturwerdegang. Oder kurz: er beschäftigte sich mit den psychischen Krankheiten und dabei legt er den Schwerpunkt auf die Ursachen.

Würde man jetzt Herrn De Lapuentes Ausführungen als echte und gültige Gesetzmäßigkeiten an die Theorien von Arno Gruen legen, können Sie sie gleich gar alle in die Tonne werfen. (Würde fast wetten, Herr De Lapuente sieht das ähnlich, soweit ich mich erinnere, hält er nicht viel davon).

Erstaunlich, dass Ihnen das als Folge seiner Logik gar nicht aufgefallen ist.

Gruss
Rosi

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