... sie ziehen die Strippen und wir tanzen
Donnerstag, 8. November 2012
Als Wulff das Unglaubliche tat ... das für die Öffentlichkeit Unglaubliche tat, dem Journalismus in die Quere zu funken, ihn anleiten, verbieten und ausrichten zu wollen, da ging ein Aufschrei durch alle Gazetten und über jeglichen Sender, unter Stammtische und durch die Sitzgelegenheiten morgendlicher Busfahrten zur Arbeitsplatz oder zur Behörde hindurch. Wulff hatte sich da ein ganz besonderes Delikt gegen die Pressefreiheit geleistet. Doch die Debatte damals war verlogen, nicht weil Wulff schuldlos war, sondern weil der politische Eingriff in journalistische Arbeit nichts war und ist, was besonders selten vorkommt. Man lese bitte nur die unkritischen Regionalseiten der örtlichen Zeitung, in denen manches kommunalpolitische Klüngelstück umgeschrieben oder wenigstens affirmativ umschrieben wird.
Dass Wulff kein Frevelstück per se abgeliefert hat, nicht der Erfinder der Einflussnahme ist, konnte man in den letzten Wochen gut erkennen. Ein relativer Unbekanntling wie Strepp tat es - der Karrierist Söder sowieso. Die Verlogenheit, mit der man Wulff seinerzeit als untragbar für ein politisches Amt kennzeichnete, weil er in Versuchung geriet, die Arbeit eines Teiles der Publikative zu dominieren, wird just in dem Augenblick offenbar, da man nun mehrfache Berichte über politische Beeinflussung von Medien vernimmt. Wir verschweigen an dieser Stelle tunlichst, dass a) die von Wulff beeinflusste Sparte des Journalismus nichts weiter war, als das Einreden auf Boulevardgeschmiere (während Schrepp und Söder auf politisch inhaltliche Berichte einwirken wollten) und b), dass die Beeinflussung meist nur persönliche und cliqueske Gründe hat, denn ökonomisch sind die amtierenden Qualitätsmedien fast schon tiefenpsychologisch beeinflusst genug, um keine Anleitung mehr zu benötigen.
Die Heuchelei, der sich die Medien damals bei Wulff, dann bei Strepp und sonderbarerweise nun weniger bei Söder, bedienen, ist es, dass man so tut, als hätten Politik und Medien niemals aufeinander aufgebaut, sich instruiert, sich anempfohlen. Das haben sie immer, je tiefer auf der politischen Leiter, desto näher und inniger die Beziehung; es soll auch Standleitungen von Bürgermeistern in Lokalredaktionen geben. Und die geistig-moralische Wende, der Rechtsschwenk der Medien hin zum new conservatism, wäre ohne politische Infiltration, ohne die Kopulation von auf Linie einschwörenden Medien und Linienrichtern aus der Politik, gar nicht denkbar.
Natürlich ist es richtig, Wulff, Strepp und Söder an den Pranger zu stellen, die Strukturen dahinter zu eröffnen, wonach bei den beiden letzteren beispielsweise ein Parteivorsitzender steht, der im Aufsichtsrat jenes Senders sitzt, den sie beeinflussen wollten. Natürlich muss schonungslos gesagt werden, welches dreiste Stück sich diese Musterdemokraten da leisteten. Aber dieser Kampf für die Pressefreiheit, den sich die Presse da selbst ersinnt, hätte doch wesentlich weiter zu gehen.
"Ich werde jede Woche dafür bezahlt, meine ehrliche Meinung aus der Zeitung herauszuhalten, bei der ich angestellt bin. [...] Es ist das Geschäft des Journalisten, die Wahrheit zu zerstören, unumwunden zu lügen, zu pervertieren, zu verleumden, die Füße des Mammon zu lecken und das Land zu verkaufen für ihr tägliches Brot. [...] Wir sind die Werkzeuge und Vasallen der reichen Männer hinter der Szene. Wir sind die Hampelmänner, sie ziehen die Strippen und wir tanzen" sagte John Swinton um das Jahr 1880 herum.
Der hiesige Anschlag politischer Personen auf die Pressefreiheit wird zum Kampf gegen die Beeinflussung, zum Kampf für eine freie Presse stilisiert. Es ist aber nicht mehr, als der Streit zwischen politischen Eliten und den Funktions- und Wissenseliten eines Systems, das für den Superreichtum geschaffen ist. Es ist der Popanz, der aufgebaut wird, um die beeinflussten und instruierten Systemkonzepte, die die Medien ausmachen, gerade auf ökonomischen Pflaster, zu erhalten. Wulff, Strepp und Söder sind dankbare Feindbilder, weil sie den Anschein wecken, es ginge um journalistische Freiheit, während eben dieser freie Journalismus fast hundertprozentig in Abhängigkeit zu denen steht, die als Milliardäre ein System aufrechterhalten wollen, in dem sie als anonyme Giganten hinter den Kulissen wirken können.
Die politischen Beeinflusser zu pflücken und zu rupfen ist nicht falsch. Aber man tue doch bitte nicht so, als geschähe das im Namen einer freien Presse. Denn sie ist nicht mal frei genug, die herrschende Ökonomie als das zu bezeichnen, was sie ist. Als ein Verbrechen an vielen Menschen, als einen Bereicherungsmechanismus für den Reichtum, als einen Atomisierer sozialer Strukturen und Institutionen. Die Chuzpe solcher Gestalten wie Söder, die verärgert - ihr Pech ist jedoch, dass sie nicht anonym einflüsterten, wie es jene Beeinflusser können, die über den Umweg ihrer Konzern- und Finanzeliten auf die Presse einzuwirken verstehen.
Die Presse muss Strepp und Söder dankbar sein. Denn sie halten mit ihrer Intervention die Mär aufrecht, wonach die westliche Presse standhaft ist gegen solche, die sie quasi planwirtschaftlich leiten möchten. Sie muss auch denen dankbar sein, die geifern, wenn ihr Prophet verspottet wird, denn sie nähren das Märchen, demnach absolute Pressefreiheit auch im Westen möglich wäre. Und die Profiteure eines Weltsystems, in dem das Geld immer wieder vermehrt zum Geld zurückkehrt, müssten den Wulffs, Söders und Strepps sowieso dankbar sein - sie lenken so schön ab.
Dass Wulff kein Frevelstück per se abgeliefert hat, nicht der Erfinder der Einflussnahme ist, konnte man in den letzten Wochen gut erkennen. Ein relativer Unbekanntling wie Strepp tat es - der Karrierist Söder sowieso. Die Verlogenheit, mit der man Wulff seinerzeit als untragbar für ein politisches Amt kennzeichnete, weil er in Versuchung geriet, die Arbeit eines Teiles der Publikative zu dominieren, wird just in dem Augenblick offenbar, da man nun mehrfache Berichte über politische Beeinflussung von Medien vernimmt. Wir verschweigen an dieser Stelle tunlichst, dass a) die von Wulff beeinflusste Sparte des Journalismus nichts weiter war, als das Einreden auf Boulevardgeschmiere (während Schrepp und Söder auf politisch inhaltliche Berichte einwirken wollten) und b), dass die Beeinflussung meist nur persönliche und cliqueske Gründe hat, denn ökonomisch sind die amtierenden Qualitätsmedien fast schon tiefenpsychologisch beeinflusst genug, um keine Anleitung mehr zu benötigen.
Die Heuchelei, der sich die Medien damals bei Wulff, dann bei Strepp und sonderbarerweise nun weniger bei Söder, bedienen, ist es, dass man so tut, als hätten Politik und Medien niemals aufeinander aufgebaut, sich instruiert, sich anempfohlen. Das haben sie immer, je tiefer auf der politischen Leiter, desto näher und inniger die Beziehung; es soll auch Standleitungen von Bürgermeistern in Lokalredaktionen geben. Und die geistig-moralische Wende, der Rechtsschwenk der Medien hin zum new conservatism, wäre ohne politische Infiltration, ohne die Kopulation von auf Linie einschwörenden Medien und Linienrichtern aus der Politik, gar nicht denkbar.
Natürlich ist es richtig, Wulff, Strepp und Söder an den Pranger zu stellen, die Strukturen dahinter zu eröffnen, wonach bei den beiden letzteren beispielsweise ein Parteivorsitzender steht, der im Aufsichtsrat jenes Senders sitzt, den sie beeinflussen wollten. Natürlich muss schonungslos gesagt werden, welches dreiste Stück sich diese Musterdemokraten da leisteten. Aber dieser Kampf für die Pressefreiheit, den sich die Presse da selbst ersinnt, hätte doch wesentlich weiter zu gehen.
"Ich werde jede Woche dafür bezahlt, meine ehrliche Meinung aus der Zeitung herauszuhalten, bei der ich angestellt bin. [...] Es ist das Geschäft des Journalisten, die Wahrheit zu zerstören, unumwunden zu lügen, zu pervertieren, zu verleumden, die Füße des Mammon zu lecken und das Land zu verkaufen für ihr tägliches Brot. [...] Wir sind die Werkzeuge und Vasallen der reichen Männer hinter der Szene. Wir sind die Hampelmänner, sie ziehen die Strippen und wir tanzen" sagte John Swinton um das Jahr 1880 herum.
Der hiesige Anschlag politischer Personen auf die Pressefreiheit wird zum Kampf gegen die Beeinflussung, zum Kampf für eine freie Presse stilisiert. Es ist aber nicht mehr, als der Streit zwischen politischen Eliten und den Funktions- und Wissenseliten eines Systems, das für den Superreichtum geschaffen ist. Es ist der Popanz, der aufgebaut wird, um die beeinflussten und instruierten Systemkonzepte, die die Medien ausmachen, gerade auf ökonomischen Pflaster, zu erhalten. Wulff, Strepp und Söder sind dankbare Feindbilder, weil sie den Anschein wecken, es ginge um journalistische Freiheit, während eben dieser freie Journalismus fast hundertprozentig in Abhängigkeit zu denen steht, die als Milliardäre ein System aufrechterhalten wollen, in dem sie als anonyme Giganten hinter den Kulissen wirken können.
Die politischen Beeinflusser zu pflücken und zu rupfen ist nicht falsch. Aber man tue doch bitte nicht so, als geschähe das im Namen einer freien Presse. Denn sie ist nicht mal frei genug, die herrschende Ökonomie als das zu bezeichnen, was sie ist. Als ein Verbrechen an vielen Menschen, als einen Bereicherungsmechanismus für den Reichtum, als einen Atomisierer sozialer Strukturen und Institutionen. Die Chuzpe solcher Gestalten wie Söder, die verärgert - ihr Pech ist jedoch, dass sie nicht anonym einflüsterten, wie es jene Beeinflusser können, die über den Umweg ihrer Konzern- und Finanzeliten auf die Presse einzuwirken verstehen.
Die Presse muss Strepp und Söder dankbar sein. Denn sie halten mit ihrer Intervention die Mär aufrecht, wonach die westliche Presse standhaft ist gegen solche, die sie quasi planwirtschaftlich leiten möchten. Sie muss auch denen dankbar sein, die geifern, wenn ihr Prophet verspottet wird, denn sie nähren das Märchen, demnach absolute Pressefreiheit auch im Westen möglich wäre. Und die Profiteure eines Weltsystems, in dem das Geld immer wieder vermehrt zum Geld zurückkehrt, müssten den Wulffs, Söders und Strepps sowieso dankbar sein - sie lenken so schön ab.
10 Kommentare:
sehr schöner und entlarvender Artikel. Wie es um unsere GEZ bezahlte Pressefreiheit steht, bedarf nur eines Blickes in den Rundfunkrat des jeweiligen Senders. Eigentlich ist der Auftrag "Der Rundfunkrat soll einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden" (Wikipedia), aber die Beeinflussung auf die Sender ist wohl doch enorm. Bei mir kam der vorher wahrgenommene, aber wirkliche "Klick" mit Nikolaus Brender. Das private Medien (RTL, Bild, Welt usw usf) bestimmte Ziele verfolgen, ist für mich noch nachvollziehbar, aber von der Bevölkerung finanziertes Fernsehn sollte meiner Meinung nach unabhängig von gesteuerten Interessen sein. Aber das scheint mittlerweile, überhaupt keine Rolle mehr zu spielen. Da werden riesen Beträge an irgendwelche Pseudo Promis gezahlt (nein ich bin nicht neidisch, sondern empört) und Themen die uns kleine Leute wirklich interessieren könnten/sollten, werden vergessen oder gar nicht erwähnt.
Deshalb bin ich froh und dankbar, über solche Bloggs und unterstütze diese trotz meines sehr begrenzten Budgets.
Vielen Dank Roberto
Anmerker meint:
Wie wär´s mal mit Kabarett dazu
http://www.wdr.de/radio/home/podcasts/channelausspielung.phtml?channel=wdr2kabarett
Sendung vom 29.10.2012
Entlarvend!!
Viel Spaß beim Hören!!
Die eigentliche Heuchelei ist doch, die Leute glauben zu machen, dass staatliche Medienanstalten, die von Parteibuchfunktionären durchsetzt sind, überhaupt neutral sein KÖNNEN!
An dieser Legende strickt leider auch dieser Artikel mit.
schade ist doch, daß seehofer nicht auch bei google im aufsichtsrat sitzt. dann wäre ein blog wie dieser endlich gesperrt.
Niedlich. Säße ich im Aufsichtsrates Ihrer Anstalt, hätte ich Ihnen heute statt Freigang Gummiwände erteilt.
@ anonym von 10:04 Uhr:
Ich gebe zu bedenken, dass die Öffentlich-Rechtlichen Magazine wie Zapp hervorgebracht haben. Auch Monitor könnte genannt werden. Eine Dokumentation, die letzte Woche im ZDF ausgestrahlt wurde, übte Kritik an Merkels Sparpolitik für Europa. Dass die Neutralität oft nicht gegeben ist, keine Frage - aber dass erstaunlicherweise dieses System doch auch andere Seiten ermöglicht, sollten wir nicht ganz vergessen.
PS: Die Frage wäre ja auch, wie Neutralität gegeben sein soll. Durch Privatfinanzierung, so sieht man heute doch deutlich, ist sie mitnichten gegeben, noch weniger, als bei den Öffentlichen.
Das Zitat von Swinton sagt doch schon so einiges...
Die Elitären und Einflussreichen werden sich seit dem Jahre 1880 wohl kaum zum Guten geändert haben...=)
Die Aufregung über Wulff hatte was von der Dopingbekämpfung im Sport.
Wurde halt der an den Pranger gestellt , der blöd genug war , sich erwischen zu lassen.
Einmal mehr herzlichen Dank, Roberto.
Stichwort Swinton, nachstehend das Zitat in Gänze. Noch Fragen ?
Eines Abends etwa um das Jahr 1880 war John Swinton, ehemaliger Chefredakteur der New York Times und damals der bedeutendste New Yorker Journalist, Gast eines ihm zu Ehren von seinen früheren Branchenkollegen gegebenen Banketts. Irgendjemand, der weder die Presse noch Swinton kannte, brachte einen Trinkspruch aus, auf die unabhängige Presse.
Swinton schockierte seine Kollegen mit der Antwort:
“Es gibt hier und heute in Amerika nichts, was man als unabhängige Presse bezeichnen könnte. Sie wissen das und ich weiß das. Es gibt keinen unter Ihnen, der es wagt seine ehrliche Meinung zu schreiben, und wenn Sie sie schrieben, wüssten Sie im voraus, dass sie niemals gedruckt würde.
Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, meine ehrliche Überzeugung aus der Zeitung, der ich verbunden bin, herauszuhalten. Anderen von Ihnen werden ähnliche Gehälter für ähnliches gezahlt, und jeder von Ihnen, der so dumm wäre, seine ehrliche Meinung zu schreiben, stünde auf der Straße und müsste sich nach einer anderen Arbeit umsehen. Würde ich mir erlauben, meine ehrliche Meinung in einer Ausgabe meiner Zeitung erscheinen zu lassen, wäre meine Anstellung in weniger als 24 Stunden beendet. Oder ich wäre tot.
Das Geschäft von uns Journalisten ist es, die Wahrheit zu zerstören, freiheraus zu lügen, zu verfälschen, zu Füßen Mammons zu schleimen und unser Land und seine Menschen fürs tägliche Brot zu verkaufen.
Sie wissen es, ich weiß es, wozu der törichte Trinkspruch auf die unabhängige Presse.
Wir sind die Werkzeuge und Vasallen reicher Menschen hinter der Bühne. Wir sind die Marionetten, sie ziehen die Schnüre und wir tanzen. Unsere Talente, unsere Fähigkeiten und unsere Leben sind alle das Eigentum anderer. Wir sind intellektuelle Prostituierte.”
- John Swinton (1829_1901)
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