Ein und dieselbe Sprache

Samstag, 9. April 2011

"Ich bin der Geist, der stets verneint! / Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, / Ist wert, daß es zugrunde geht; / Drum besser wär's, daß nichts entstünde. / So ist denn alles, was ihr Sünde, / Zerstörung, kurz, das Böse nennt, / Mein eigentliches Ele..."

Zwei Lederbemäntelte unterbrachen unseres Großvaters Lesebemühungen. Zwei Vertreter dieser großen Kulturnation, gewandet in schwarzer Kluft aus Schweinshaut, die vor die Schulklasse traten, der feistere von beiden "Mandelbaum" brüllend, worauf sich ein schmales Bürschlein ängstlich, zögerlich, schier um Unsichtbarkeit flehend erhob. "Mitkommen!" hieß man dieses.

"So ist denn alles, was ihr Sünde / Zerstörung, kurz, das Böse nennt / Mein eigentliches Element", las unser Großvater aus dem Werk Goethes - "Mitkommen!", herrschte der Kulturträger:
Wie schön die Sprache von Goethe und Goebbels, von Heine und Himmler, Rilke und Rippentrop doch ist!

"Im Gepränge der Feiern wird genau das übertönt, auf das wir lauschen sollten: das Schweigen der Toten... Der Heldentod, der ihnen so großzügig bescheinigt wird, ist politische Münze, ist als solches Falschgeld... Die fürchterliche Apparatur der Meinungsmaschinen wird auf die Feiern gerichtet: Presse, Funk, Film; Musik erklingt, die amtliche Träne, das bewegte Gesicht, die zuckende Hand, sie werden dem Zeitgenossen gezeigt, der im Klubsessel sitzt, am Bildschirm dem Trauerakt folgt; er fühlt sich zur Rührung verpflichtet und legt für einen Augenblick die Zigarre aus der Hand, nur für einen Augenblick, er, der mit größerer Schuld beladen ist als mit politischem Irrtum: mit Gleichgültigk..."

Die Berieselung aus Funk und Fernsehen unterbricht uns beim Lesen. Die stete und ungebetene Wiederholung von Phrasen und Merksätzen, sie schneidet uns das Wort ab, läßt uns Bölls Zeilen kaum beenden. Sie treten mit Parolen in unser Leben, wiehern "arbeitsscheues Pack", bellen "Überfremdung", grunzen "Ausweisung!" oder "Arbeitszwang!", sondern eiskalte Floskeln von sich.

"... mit größerer Schuld beladen ist als mit politischem Irrtum: mit Gleichgültigkeit..." lasen wir - sie parolieren aber gegen Minderheiten, Randgruppen, machen Parias wirklich:
Wie schön die Sprache von Böll und Bertelsmann, von Simmel und Sarrazin, Walser und Westerwelle doch ist!


4 Kommentare:

Anonym 9. April 2011 um 11:04  

Genial ist Jazz und Lyrik mit Gedichten von Heine:

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Klaus Baum 9. April 2011 um 11:05  

Genial ist Lyrik und Jazz mit Gedichten von Heine, Sprecher: Gert Westphal

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Klaus Baum 9. April 2011 um 14:33  

ich hatte vor einiger zeit auf meinem block darauf hingewiesen, dass die bedeutung von Diabolo im durcheinanderbringen, im verwirren besteht, genauer, im verwirren der begriffsbedeutungen.
nach dieser definition lebten wir bereits unentwegt im reich des teufels, und zwar nach dem motto:

teufelswerk und merkls beitrag.

antiferengi 9. April 2011 um 22:16  

Da ist jedes Wort zu viel. Aber ich wollte nur zeigen, dass ich es gelesen habe. Einfach nur so. Aus Respekt.

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