Die Kommunikation des Terrors

Donnerstag, 28. April 2011

Mit Terroristen kann man nicht verhandeln, nicht reden - das steht gemeinhin fest. Und das stimmt auch. Sie sind nicht besonders beredt. Ein diplomatischer Plausch ist daher eigentlich generell ausgeschlossen. Mit Terroristen kann man nicht reden, gleichwohl der Terrorismus, frei von emotionaler Begutachtung, sehr wohl eine Kommunikationsstrategie darstellt.

Unterdrückte Gespräche auf gleicher Augenhöhe

Die westlichen Botschafter in der muslimischen Welt, überwiegend Kaufleute und Militärs, sind der Überzeugung, dass der Westen, der dort zu Gast ist, keinen Respekt vor den Anschauungen und Erwartungen der dortigen Menschen zu haben braucht - es ist das Autochthone, der Islam lax gesagt, der am Westen Orientierung finden solle. Tut er dies nicht, so ist er entweder altertümlich oder aber gar fundamentalistisch und demnach der fruchtbare Boden für Terrorismus. Aber es ist nicht das Beharren auf eigenen Standpunkten, die wir als westliche Bürger tatsächlich nicht immer verstehen, auch gar nicht verstehen müssen, was den Terrorismus beflügelt: es ist die westliche Arroganz, sich an Kompromissen und Gesprächen erst gar nicht aufhalten zu wollen.

Unterdrückte Gespräche auf gleicher Augenhöhe, die fehlende westliche Demut, die man noch nicht einmal schamvoll verbergen möchte: das ist der wirkliche Boden des Terrors, das Terroir auf dem die Rebe des Terrors gedeiht. Wir drücken diesen Weltgegenden den Stempel auf: westliche Tugenden, westliche Handelsverträge, westliche Kultur, westlicher Kleidungsstil, westliche Leichtlebigkeit, schicken obendrein auch noch westliche Truppen dorthin - und nebenher erklären wir alles, was nicht diesem westlichen Lebensgefühl entspricht, für schrecklich rückständig und überholenswert. Die Forderungen der islamischen Welt bleiben ungehört. Dass islamische Bürgerbewegungen, die als Ziel eine Demokratisierung vor Augen haben, nicht bindend eine angelsächsische Demokratie meinen müssen, ist für uns nicht denkbar. Dann doch lieber Diktatoren unterstützen, die Hände abhacken lassen, nicht im Namen der Schari'a freilich, sondern im eigenen Namen - geschähe dies unter Anordnung der Schari'a, dann wäre das Geschrei des Westens aber laut und anklagend; läßt ein Diktator Hände abhacken, dann leben wir damit. Despoten dabei zu unterstützen, ihr Volk zu erniedrigen, um eigene Interessen zu wahren: das ist eine andere Seite westlicher Arroganz.

Wenn man nicht gehört wird, sucht man anderweitig Aufmerksamkeit - man greift zum Terror. Das gilt nicht nur für den Islam. Auch europäische Terrorgruppen heischten und heischen auf diese Weise - die baskische ETA bombte, weil das Gespräch mit dem spanischen Zentralstaat abriss und die zentralisierte Arroganz offen erklärt, dass das Baskische irgendwie unpassend und zu provinziell für moderne Zeiten sei. Baskische Parteien, die mehr Autonomie forderten, wurden verboten; wer als Privatperson "zu baskisch" agiert, gerät in Gefahr, kriminalisiert zu werden. Der Terror ist hierbei die letzte Maßnahme, um Kommunikation zu erzwingen. Terrorismus ist wirklich das Allerletzte... das allerletzte Mittel zur Wiederbelebung einer gescheiterten Kommunikation.

Der Terror spricht

Die notwendige Aufmerksamkeit wird gewaltsam erzwungen. Der Terror ist keine Lebensart irgendwelcher Bestien oder Teufel, die etwa große Fröhlichkeit beim Töten und Verstümmeln anderer Menschen empfänden. Er ist, gerade in Augen der Anhänger eines solchen blutigen Weges, eine Sonderform der Notwehr, ein Akt zum Erzwingen einer Debatte. Rational und ohne emotionale Brille betrachtet, kann man diesem Blickwinkel nur wenig entgegensetzen. Der Vergleich mit einem ungehörten Kind, dass durch energische Maßnahmen auf sich aufmerksam machen möchte, um endlich doch erhört zu werden, wirkt deplatziert in Anbetracht der Blutlachen und -meere, die der Terrorismus hinterlässt, veranschaulicht jedoch das zugrundeliegende Prinzip. Niemand wird als Terrorist geboren, keiner hat Freude an einem solchen Handwerk - man wird als jemand, der sich ungehört fühlt, von reichen Leuten zum Terroristen bestochen; Idealisten laufen freiwillig zum Terror über - der Terror ist jedoch keine genetische Vorbedingung. Und Religion spielt dabei nur eine marginale Rolle, dient als Deckmantel.

Der Terrorismus ist die letzte aller Kommunikationsstrategien. Wenn alles Reden, alle Überzeugsarbeit versagt, dann ist die Zeit radikaler Schritte gekommen. Der Terror in Erscheinung des Terroristen, verkündet nur oberflächlich, er werde Tod säen und Sprengstoff sprechen lassen; der Terror an sich aber, nicht in Erscheinung des jeweiligen Terroristen, der vor Kameras Bekenntnis ablegt oder Abschied nimmt, bittet eigentlich darum, dass man endlich zuhört, auf Probleme aufmerksam, ernstgenommen wird. Wenn man tötet, so die traurige Erkenntnis, dann können die Opfer, die Hinterbliebenen und die potenziell Bedrohten nicht mehr wegsehen. Was man dann auch nicht mehr tut, nur blickt man dann nicht genauer hin, sondern erhascht nur den oberflächlichen Eindruck, dass hier Gewalt am Werk ist und dass man eigentlich gut damit tue, westliche Werte standfest zu verteidigen und sich nicht auf Gleichmachung mit anderen Kulturen einzulassen.

Der Islam erfährt dadurch keine Kommunikationsbereitschaft, er wird kriminalisiert; die baskische Sache bekommt durch Terror keine Unterstützung, Basken werden als im Kern handgreifliche Raufbolde und Sturköpfe verstanden - eine gezielte Pressearbeit in eine solche, gerne auch rührselig unterlegte Richtung, tut das Übrige. Man erntet im Westen zuweilen Gewalt, fragt sich aber nicht, woher dieser Hass rührt - man pathologisiert ihn, macht ihn zum Wesenszug von Gruppen oder Ethnien, erklärt den terroristischen Hang zum islamischen, baskischen oder irischen Charakter und hält sich eine Analyse des Hasses vom Leib. Die Kommunikationsstrategie des Terrors versagt, weil die westliche Arroganz so gefeit ist vor Einsicht, dass sie selbst im Angesicht des Todes noch auf Überheblichkeit setzt. Der Teufelskreis, den der Terror verursacht, ist weniger der Blutrausch - der Teufelskreis nimmt seinen Lauf dort, wo nicht verstanden werden will, woher die Gewaltbereitschaft und der Hass stammt, wo man ihn kulturell oder gar genetisch verbrämt, ihn zum Charakteristikum des Islam oder des Baskischen ernennt.

Beide Einseitigkeiten einstellen

Den Terror hebt man nicht auf, indem man ihn mit terroristischen Mitteln ausrotten möchte. Kriege gegen den Terrorismus scheitern nicht nur, sie vergrößern sogar noch den Groll, den man in den Weltregionen, wo man ihn verfolgt, ohnehin schon hegt. Terror gegen Terror verewigt den Teufelskreis, er durchbricht ihn nicht. Krieg gegen den Terror kann nur an diplomatischen Tischen geführt werden. Verstehenwollen statt Verbrennen, Begreifen statt Beschießen. Der Terror ist eine einseitge Kommunikationsstrategie, weil er die zweite Seite vergrätzt - der Westen als Zielscheibe verfällt in Einseitigkeit, weil er die andere Seite gar nicht verstehen will. Die Einseitigkeiten können nur aufgelöst werden, wenn man die Wurzel der Ablehnung versteht und die Arroganz, die die westliche Welt als Gast in islamischen Weltregionen walten läßt, endlich vertreibt.

Ethisch betrachtet ist Terror eine inakzeptable Option. Menschen zu Tode zu bringen ist niemals zu befürworten - unschuldige und unbeteiligte Menschen zu schlachten, das gehört zweifelsohne bestraft. Gleichwohl darf der kommunikative Aspekt des Terrors nie verschwiegen werden. Würde ein Anschlag zur Folge haben, dass sich der Westen fragt, woher diese blutige Verbitterung kommt, dann hätte er eine Wirkung erzielt - bestraft gehörten die Drahtzieher aber freilich auch dann, denn Terroristen sind keine bloße Fortsetzung der Diplomaten mit anderen Mitteln. Dem Terror würden die Lebensgeister ausgeblasen - nicht mit Bomben, sondern mit der eigenen Bescheidenheit, mit der Bereitschaft nachzudenken, mit mehr Respekt und Gesprächen auf gleicher Augenhöhe, mit dem Bekenntnis zur Vielfalt der Kulturen und dem dazugehörigen Lebensarten, die uns zwar nicht immer verständlich sein müssen, die aber grundsätzlich unantastbar sind. Der westliche way of life darf dann nicht mehr als Programm für die ganze Menschheit herhalten, er darf keinen Primatsanspruch mehr besitzen.

Der Terror mordet. Kein Zweifel. Aber unter seiner Oberfläche ist er etwas anderes. Er mordet nicht aus Mordlust alleine, auch wenn viele Terroristen womöglich passionierte Schlächter sein mögen. Der Terror will erhört werden, er will eine Kommunikationsplattform schaffen - erreicht er das nicht, verrennt er sich in Ewigkeit, wird zum Terror um des Terrors willen. Will man den Terrorismus abwürgen, so muß man ihm eine Plattform der Diskussion zusprechen und Einsicht zeigen - was im Hinblick auf die Interessen westlicher Konzerne nicht einfach so geschehen wird. Die Diskussion weiterhin zu unterdrücken, das macht die Terrorbereitschaft dauerhaft. Mit dem Terror müssen nicht alleine die aufhören, die ihn begehen - es müssen auch die mit gutem Willen zuhören, die unter ihm leiden. Nur dann kann er überwunden werden.



5 Kommentare:

endless.good.news 28. April 2011 um 14:48  

Was Terror ist liegt immer im Auge des Betrachters. Selbstmordattentäter sind auf der einen Seite Freiheitskämpfer und auf der anderen Terroristen. Ebenso werden es die Deutschen gesehen haben, als sie sich mit dem französischen Widerstand auseinandersetzen mussten. Für sie waren es Terroristen. Die Geschichte machte sie zu Helden.

Trojanerin 28. April 2011 um 21:52  

„Der Terror ist keine Lebensart irgendwelcher Bestien oder Teufel, die etwa große Fröhlichkeit beim Töten und Verstümmeln anderer Menschen empfinden.“

Das ist ein hervorragender Satz aus einem hervorragenden Beitrag.

Nuntius 29. April 2011 um 09:36  

Sehr guter, aufschlussreicher Beitrag. Ich befürchte aber, dass die Kommunikation des Terrors unterlaufen wird von einer Kommunikaionssituation, die als eine Art Gerücht funktioniert: nämlich die vielen Anschläge, die staatlich initiiert wurden, um sie anderen Gruppen anzulasten. Dazu zähle ich schätzungsweise fast alle Anschläge, die dem Phantom "Al-Qaida" angekreidet werden. Mir scheint, dass sich "der Westen" bzw. der neoliberale Kapitalismus in einer Abwehrschlacht gegen alles und jeden befindet, was ihm gefährlich werden könnte. Der "islamistische" Terrorismus verbreitet seine Botschaft in Medien, die schon zuvor als Propagandaorgane ebendieser neoliberalen Ideologie fungierten, und umso bereitwilliger den Terror zu ihren Gunsten deuten. So kann sich der gleiche "Westen", der den Sozialstaat abbaut, Arbeitnehmerrechte einschränkt, Löhne drückt etc. den Mantel der "Freiheit" und "Demokratie" umhängen und zugleich ebendiese "Freiheit" und "Demokratie" auf Raten abschaffen. Der "internationale Terrorismus" ist das perfekte Instrument einer brutalen und zynischen Globalisierung.

Anonym 2. Mai 2011 um 14:56  

Die Menschen in den arabischen Staaten haben ja längst einen anderen, einen besseren Weg zur Freiheit gewählt - sie kämpfen für mehr Demokratie, mehr Menschenrechte. Nicht Osama & Co. bestimmt die politische Agenda, sondern die Freiheitskämpfer in Syrien, Libyen, Ägypten, Tunesien und anderswo. Sie haben erkannt: Der fanatische Islamismus, der Kampf gegen den Westen und der Terror bringen ihnen keinen Wohlstand und keine Sicherheit, sondern nur ihr eigener Kampf für die Freiheit. So wird dem Terrorismus der Nährboden entzogen, Stück für Stück.

W.W.

Zarathustra 5. Mai 2011 um 14:20  

Ähmm... Sind diese Gedanken etwa nicht zugelassen, die ich schrieb?

Wenn das denn so ist wie in dem Artikel beschrieben, drängt sich ja sofort die Frage auf: Wird mit (nicht-muslimischen) afrikanischen Ländern etwa auf Augenhöhe verhandelt, weil dort ja kein Terrorismus nach muslimischer Machart gedeiht?
Wenn ja, dann wäre das zumindest mir neu und sehr überraschend.
Wenn nein, dann liegen die Gründe für den Terrorismus in muslimischen Ländern ganz offenbar noch woanders als im Artikel beschrieben.
Was nun?

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