Bresche ins Tabuthema schlagen

Freitag, 30. Juli 2010

Die Gewaltbereitschaft von Einwanderern gehört endlich schonungslos auf den Tisch! Sie darf kein Tabu mehr sein; der Gutmenschelei gehört endgültig der Garaus gemacht. Nachkommen von Einwanderern neigen leider zur Gewalt, oder wie Nikolaus Fest schreibt, zu "vulgo: Abzieherei". Das Gewaltpotenzial von Menschen mit Migrationshintergrund ist immens, ist ein wirkliches Problem für diese Republik. Roland Koch und seine Parteigänger haben völlig recht: Einwanderer tendieren zur Gewalttätigkeit, sind aggressiv und kriminell, halten es nicht mit der Verfassungstreue und sind generell schlecht bis gar nicht integriert. All das darf man in diesem Land aber nicht laut sagen, wenn man sich als angesehener Mensch nicht disqualifizieren will. Daher ist es wichtig, den Tabubruch zu vollziehen: der "Migrantenmob" - nochmals ein Zitat von Fest - muß auf den Tisch, muß endlich thematisiert und als Problem öffentlich gemacht werden! Die Zivilcourage gegen diesen Mob muß belohnt, nicht bestraft werden!

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Nicht Bestien, Hanswurste sind gefährlich

Donnerstag, 29. Juli 2010

Wie Adolf Eichmann so dasaß, auf Tonbänder erzählte und in seinen Erinnerungen stöberte, da sei die Banalität des Bösen, mit der Hannah Arendt seine Erscheinung später belegen sollte, schlichtweg von ihm abgefallen. Zu ausgiebig habe er geplaudert, zu boshaft sei dieser Eichmann gewesen - nicht als "Hanswurst", "der schier gedankenlos" und "realitätsfern" auftrat, wie es Arendt schreiben würde. Kurzum, er sei nicht der stoische Bürokrat gewesen, für den er in seinem Prozess gehalten wurde. Kein Schreibtischtäter - ein Massenmörder - eine Bestie!

Hier greifen jene Mechanismen, die immer dann zum Vorschein kommen, wenn man einen ganz besonders abstoßenden Widerling aus der menschlichen Gemeinschaft verbannen möchte. Es ist so viel einfacher, einen Kerl vom Schlage Eichmanns zu entmenschlichen, diesen Mordskerl und Mordsbürokraten zu einen Massenschlächter und Monster zu küren, um nicht daran erinnert werden zu müssen, dass auch das ein Mensch ist, dass auch er ein Teil jener Spezies ist, die sich selbst Menschheit nennt. Nicht Menschen, nicht Paragraphenreiter töten demnach, es sind pervertierte Bestien, die zufällig einen Posten in der Bürokratie ergattern konnten - Unmenschen letztendlich, die nicht der menschlichen Familie zugehörig sind.

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Das beste aller möglichen Unglücke

Mittwoch, 28. Juli 2010

Es gab eine Zeit, da rätselte man über den seltsamen Humor eines allmächtigen und liebenden Gottes, der von seiner Macht aber keinen Gebrauch machen wollte, damit das menschliche Leid duldete - besonders rätselhaft erschien den Zeitgenossen dabei das große Erdbeben von Lissabon, welches 1755 unfassbaren Notstand erzeugte. Wie konnte Gott so eine Katastrophe zulassen, fragten sich Europas schlaue Geister. Dieses Zweifeln, Rätseln, Hinterfragen eines mächtigen Gottes nennt sich Theodizee, was soviel heißt wie Rechtfertigung Gottes - eine theologische Rubrik, die auch besonders bereitwillig von Philosophen abgegrast wurde, bei der sich eloquent und zungenfertig gefragt wurde, wie ein gnädiger Gott, ein Gott der Liebe, die Hölle auf Erden zulassen könne, obwohl er doch die Befehlsgewalt besäße, alles zu einem Besseren zu wenden.

Theodizee lebt bis heute fort - mit dem Unterschied, dass dieses Fach ganz unten angekommen ist. Anstelle von Erdbeben stehen heute nackte Frauenbrüste, Bierflaschen und Joints im Zentrum der Theodizee. Wie kann ein allmächtiger Gott, so fragen sich die Freunde transzendenter Erklärungsmuster, bloß Veranstaltungen wie die Loveparade zulassen? Freilich versteht es sich von selbst, dass heute kein Kant, kein Voltaire, kein Leibniz oder Lessing um Antworten bemüht sind - denn nicht nur die Theodizee selbst, als Disziplin liegt am Boden, auch die heutigen Antwortsuchenden kriechen am Boden, dümpeln im geistigen Bodensatz umher. Statt Kant, so könnte man es auch kürzer festhalten, tapst heute eine scharfzüngige Eva Herman über theologische Trampelpfade.

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Ridendo dicere verum

"Überlegen Sie doch, Euer Ehren. Wenn man Vergewaltigungen wirklich verhindern wollte, würde man sie mit zwanzig Jahren Kerker bestrafen. Auf Veruntreuung und Steuerhinterziehung stehen zehn Jahre. Tätliche Bedrohung mit einem Messer kann einem sechs Jahre einbringen. Aber für dasselbe Vergehen mit Vergewaltigung sieht das Gesetz nicht mehr als drei Jahre und acht Monate vor. Es begünstigt Vergewaltigungen. Es anerkennt ihre heilende Wirkung."
"Heilende Wirkung? Wieso?"
"Als Ventil für aufgestaute Aggressionstendenzen. Als Entlastung von gesellschaftlichen Druck. Wer vergewaltigt, begeht keinen staatsfeindlichen Akt, nimmt an keiner Demonstration teil, erregt keinen Aufstand, ist politisch einwandfrei. Der Staat weiß das. Deshalb belegt er jede Eintrittskarte ins Kino mit einer fünfzehnprozentigen Steuer, aber Vergewaltigung ist steuerfrei."
- Ephraim Kishon, "Wer's glaubt, wird selig - Politische Satiren" -

Dem Mann im Felde

Dienstag, 27. Juli 2010

Manche Gebräuche überdauern die Jahrzehnte, schlummern nur gelegentlich weg, erwachen später allerdings erneut. Es sind kleine, liebgewonnene Gepflogenheiten, die nicht aus Desinteresse temporär wegdösen, sondern weil sie in manchen Zeitaltern einfach nicht in die Realität passen - ihrer gedacht hat man jedoch immer, leise, sehnsuchtsvoll. Und offeriert die Wirklichkeit plötzlich ein Klima, in der die Gepflogenheit wieder Lebensrecht erhielte, so greift man erleichtert zu und belebt diese alten Sitten. Was man im alten Deutschland gerne tat, was man in diesem neuen, diesem modernen, diesem aufgeklärten Deutschland neu für sich entdeckt hat, das ist das Briefeschreiben.

Briefeschreiben! Briefe an Soldaten, Feldbriefe um ganz genau zu sein. Schreiben Sie unseren Soldaten! Schicken Sie Grüsse und Wünsche! Das ist traditionell, schon unsere Großmütter waren Grußmütter - damals noch chic in Uniform. Deutsche Mädel schrieben Briefe an den Landser im Felde - wildfremde Mädel an wildfremde Jungs. Unter dem Obdach der Nation verfiel die Fremdheit, wer für ein und dasselbe Land schafft, kann sich nicht fremd sein. Das sind die Segnungen der Einheitsfront! Heute sollen nicht nur Mädel schreiben, heute dürfen alle, geschlechtsübergreifend sozusagen - immerhin herrscht Gleichberechtigung. Jeder hat das Recht, "unseren Soldaten" in Afghanistan warme Worte zu senden; jeder darf seine Unterstützung zu Papier bringen - nur BILD-Leser sollte man vorzugsweise sein. Deutsche Mädel grüßen deutsche Soldaten!, war früher mal eine Rubrik - wir haben uns entwickelt, gehen mit der Zeit, heute dürfen auch deutsche Jungens deutsche Soldaten grüßen - auch Soldatinnen, sofern eben doch heterosexuell gesonnen.

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Ein moderner Aufklärer

Montag, 26. Juli 2010

Man hat sich geirrt, der im Startblock lauernde Präsidentschaftskandidat Gauck, der als Aufklärer schmackhaft gemacht wurde, war zuletzt nicht der tatsächliche aufklärerische Typus jener beiden Kandidatenzwillinge. Aufklärer ist der andere, Wulff mit Namen, mittlerweile hinter (Lust-)Schloss verriegelt. Wulff, ein passionierter Aufklärer, ein aus Drang der Aufklärung verschriebener Charakter.

So wie er zum aktuellen Anlass in Duisburg einforderte, es müsse nun eine "rückhaltlose Aufklärung" geschehen, so hat er eine ebensolche, wortwörtlich ebensolche sogar, bereits vor einem Monat in Sachen Katholische Kirche gefordert. Eine liebe Gewohnheit, die er schon vor mehr als einer Dekade pflegte, als er zur Parteispendenaffäre der CDU die Ansicht vertrat, dass nur eine "rückhaltlose Aufklärung" seine Partei retten könne - wer nun meint, Wulff ist ein terminologischer Langweiler, der irrt sich, denn er variiert in seiner Wortwahl durchaus: so wie vor sechs Jahren, als er eine "umfassende Aufklärung" über VW-Gehälter für Abgeordnete gesichert wissen wollte. Oder ein Jahr später, als er eine "lückenlose Aufklärung" zur VW-Affäre für unausweichlich hielt. Wieder ein Jahr danach hatte sich sein Wortschatz erneut aufgefrischt: er sprach von "restloser Aufklärung", die man dem Engagement Gerhard Schröders bei Gasprom angedeihen lassen sollte. Wahrlich, ein Aufklärer ohne Unterlass, ein Mann, der stets um Aufhellung und Ermittlung bemüht ist, unaufhörlich die Aufklärung im Munde führt.

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Entwurzelt

Samstag, 24. Juli 2010

Geh doch dorthin, von wo du hergekommen bist!, bekommt man als Undeutscher häufig zu hören. Geh heim!, vernimmt man auch mehrmals, wenn man lediglich das Kind eines Undeutschen ist. Und kritisiert man als solcher dann hiesige Verhältnisse, so wird man rüde zurechtgestutzt - du kannst ja heimgehen, wenn es dir hier nicht paßt! Als Kind eines Ausländers hat man nicht zu beanstanden, zu nörgeln - als Ausländer selbst ohnehin nicht. Doch wo ist dieses Zuhause, wohin geht man, wenn man als Fremder in einem fremden Land zum Heimgehen aufgefordert wird?

Vielleicht, so hoffte man damals als man in die Fremde ging, würde man dort eines Tages akzeptiert, würde man sich sozusagen seiner Fremdheit entfremden und auch für die Autochthonen irgendwann nicht mehr fremd sein. Aber man bleibt immer fremd, doppelt fremd: Fremd in der Fremde und stockend wird man auch fremd in der Heimat. Ich habe diese Entfremdung an meinem Vater beobachten können. Das fing bei Belanglosigkeiten an, wenn er bestimmte spanische Worte nicht kannte, weil sie erst nach seinem Weggang aus Spanien aufkamen - in Erinnerung ist mir ein Einkauf, bei dem er Nylonstrümpfe für meine Mutter kaufen sollte und nur jenes Nomen kannte, das im Spanischen Wollstrumpfhosen bezeichnet. Das war eine urkomische Situation, mit einer belämmert dreinschauenden Verkäuferin, die sich sichtlich wunderte, dass da ein Mann mitten im heißesten Sommer wollene Strumpfhosen erstehen wollte. Ein familiärer Klassiker, der immer wieder aus der Mottenkiste voller Erinnerungen herausgekramt wird und den auch meine Kinder vorgesetzt bekommen, wenn uns danach ist, die familiäre Vergangenheit komödiantisch aufzupolieren. Gleichwohl ein nebensächliches Sinnbild dafür, dass demjenigen, den man hierzulande schnell mal flapsig nach Hause schickt, auch seine Heimat abhanden gekommen ist.

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De dicto

Freitag, 23. Juli 2010

"Private Investoren bei der Bahn: Ich behaupte, dabei können am Ende viele gewinnen. Die Bahnkunden zum Beispiel."
- Oliver Günther, HR vom 27. Oktober 2007 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Nach den aktuellen Geschehnissen muß man den Befürwortern der Bahnprivatisierung, für die exemplarisch Günthers schon etwas angestaubte Aussage steht, anerkennend die Hände schütteln. Ja, die Privatisierung würde Bahnkunden zu Gewinnern machen, zu gut gekühlten Gewinnern, die nicht wie Grashalme zusammenklappen, nicht in einem rollenden Dampfgarer durch die Lande zuckeln müssten. Die Bruthitze wäre nie und nimmer in Bahnwaggons eingezogen, wenn der Laden in Hand eines privaten Unternehmens wäre - da irren sich die Freunde der Privatisierung ausnahmsweise einmal nicht!

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Bloß keine Volksbefragung!

Donnerstag, 22. Juli 2010

In meinem Buch "Unzugehörig" wies ich auf die charmante Geste - das ist auch der Titel des Textes - hin, die die herrschenden Klassen ihrem untertäniges Volk entgegenwerfen, wenn sie Volksbefragungen zulassen. Letztlich kröche sowieso nur die Herrenmoral aus dem Volksentscheid. "Man kann sich das hohe Gut der Volksbefragung", so schrieb ich, "nur schwer in einer Welt der konzentrierten Meinungsproduktion vorstellen. In einer solchen Umwelt erstickt der freie Wille des Souveräns, er wird zwar als freier Wille ausgewiesen und etikettiert, ist aber, recht besehen, nicht mehr als das eingeimpfte, vorgekaute, dauerwiederholte, zerstückelte, aufgebauschte, konditionierte, beschränkte und gedrosselte Abbild einer Welt, wie sie uns über den Äther medienwirksam eingeträufelt wird. Um Namen zu nennen: Von den Stammlesern Deutschlands größter Tageszeitung würden lediglich einige rare Exemplare den eigenen Verstand bemühen, würden ansonsten aber ihr Kreuzchen dort platzieren, wo es Springer vormals als steter Tropfen steinhöhlend lang und breit dargelegt und agitiert hat."

In der Folge verweise ich auf das öffentliche Klima im Jahre 2004, dem Jahr vor der Einführung von Hartz IV, in dem die Zukunft für Arbeitswillige in rosigen Farben gepinselt wurde, worauf sich gigantischer öffentlicher Zuspruch für jene Reform herauskristallisierte. Schnell wurde bei der Gemengenlage an tendenziösen Berichten zugunsten der Agenda 2010 ersichtlich, "dass eine fiktive Volksbefragung zu diesem Thema eine ordentliche Mehrheit pro Hartz IV ergeben hätte." Nun hat der Volksentscheid in den letzten Wochen Schule gemacht, hat abermals jene Resultate gezeitigt, die von herrschenden Interessen befürwortet wurden - und schon fragt sich die Journaille, ob der Volksentscheid nicht ein Mittel wäre, mit dem man Staat machen könnte. Jetzt, wo doch leichthin das dabei herauskommt, was man in oberen gesellschaftlichen Gefilden gerne sähe - vorauseilender Gehorsam gehört aufgezäumt, vor den Karren gebunden, muß in Volksbefragungen münden, ein Milieu direkter Demokratie vorheucheln.

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Mit Islamisten kann man nicht reden - aber telefonieren!

Mittwoch, 21. Juli 2010

Wer hätte gedacht, dass der Inbegriff des Satanischen, mit dem weithin kein vernünftiges Gespräch zu führen möglich ist, plötzlich per Hotline zur Besinnung gebracht werden könnte. Der Islamist als Nutzer eines seelsorgerischen Dienstes, bei dem er seine Verzweiflung preisgeben und seinen Ausstieg aus dem Extremismus in die Wege leiten kann. Drücken Sie die Drei, wenn Sie das Starter Kit zum Beenden Ihres extremistischen Irrweges bestellen möchten! Ausgerechnet dieser menschgewordene Entwurf des Satans, dieser Massenmörder und Bombenleger, den man der europäischen Öffentlichkeit seit nunmehr Jahren unterbreitet hat, ausgerechnet diese gefühllose Bestie, soll nun mittels Telefonhörer "zurück in die Mitte der Gesellschaft" befördert werden.

Dialog statt Schelte, Verständnis statt Verurteilung! Das hat mancher schon lange vor Afghanistan und Irak gepredigt - redet doch mal mit denen, die sich von der westlichen Präsenz und Allmacht im Nahen und Mittleren Osten bedroht fühlen! Redet mit denen, nicht am Telefon vielleicht, von Auge zu Auge eher! Respektiert die Menschen dort! Sucht das Gespräch! Droht nicht, verspottet nicht, hetzt nicht gegen sie auf! Nichts hat gefruchtet, am Ende stand die halbe westliche Welt unter Waffen in Kabul. Nun aber auf, Bundesamt für Verfassungsschutz, geschwind ins Verteidigungsministerium hinübertelefoniert, um Rückzug der Truppen gebeten und einige Telekom-Außendienstmitarbeiter nach Afghanistan geschickt, zur Installation diverser Extremisten-Hotlines. Mit dem Telefonhörer in der Hand, nicht mit der Waffe in derselbigen, verändert man die Welt - telefonische Seelsorge, die Menschen anhört statt militärische Seelsorge, die Waffen segnet.

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Sit venia verbo

Dienstag, 20. Juli 2010

"Ich würde sagen, die Menge an Langeweile, falls Langeweile meßbar ist, ist heute viel größer als früher. Weil die damaligen Berufe, jedenfalls zu einem großen Teil, nicht ohne eine leidenschaftliche Neigung denkbar waren: die Bauern, die ihr Land liebte; mein Großvater, der schöne Tische zauberte; die Schuster, die die Füße aller Dorfbewohner auswendig kannten; die Förster; die Gärtner; ich vermute, sogar die Soldaten töteten damals mit Leidenschaft. Der Sinn des Lebens stand nicht in Frage, er begleitete sie, in ihren Werkstätten, auf ihren Feldern. Jeder Beruf hatte seine eigene Mentalität, seine eigene Seinsweise geschaffen. Ein Arzt dachte anders als ein Bauer, ein Soldat verhielt sich anders als ein Lehrer. Heute sind wir alle gleich, alle durch die gemeinsame Gleichgültigkeit für unsere Arbeit geeint. Diese Gleichgültigkeit ist eine Leidenschaft geworden. Die einzige große kollektive Leidenschaft unserer Zeit."
- Milan Kundera, "Die Identität" -

Nicht das System wird reformiert, sondern der Patient

Montag, 19. Juli 2010

Das Gesundheitswesen ist intakt, es funktioniert einwandfrei - wäre da nur nicht der Patient! Er ist das eigentliche Problem, der Haken an der Sache, er hemmt und stört, ist der Saboteur eines Systems, das im Leerlauf geradezu erstaunliche Erfolge zeitigen würde. Gesundheitsreform bedeutet daher zuallererst, diesen alles durcheinander bringenden Störenfried und Eindringling bestmöglich fernzuhalten. Deswegen sei es Aufgabe des Patienten, nicht mehr Aggressor zu sein, sondern Verantwortungsträger. Oder anders formuliert: der Patient soll nicht mehr nur genesen, er soll sich als verantwortungsvoll erweisen. Pflichtgefühl vor Gesundung - man muß schließlich Prioritäten setzen! Prioritäten und neue Praxisgebühren, die denjenigen bestrafen, der häufiger erkrankt.

Von wegen krank! Der Patient, er ist gar nicht Kranker - nicht in Zeiten, in denen mit gesundheitsreformatorischem Eifer nach Schuldigen für explodierende Gesundheitskosten geforscht wird. Nein, ich solchen Tagen in der Patient ein eingebildeter Kranker, ein Gesunder, der sich nur noch gesünder fühlen möchte, daher zum Arzt stiefelt - Besucher von Arztpraxen sind Nimmersatte! Im schönen Schweden, argumentiert man, da gingen die Leute viel weniger zum Arzt; im schönen Schweden sind die Leute trotzdem gesünder; im schönen Schweden leben diese Leute sogar noch länger. Ein gelobtes, vielgelobtes Land! Bauchschmerzen, Erkältung - muss da wirklich jedes Mal der Spezialist ran? Nein, man kann das alles ertragen - zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl. Man muß freilich nicht gleich zum Arzt, was soviel heißt wie: man muß es eigentlich schon.

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Noch in Jahren aktuell

Samstag, 17. Juli 2010

oder: gegen das Asoziale anzuschreiben, sich dem Asozialen also zu widmen, sichert einem ein zeitloses Werk.


Ich habe mich zu schämen! Ich und viele andere! Denn wir sind Krisengewinnler. Ganz unverfrorene Profiteure des geistig-moralischen Dilemmas, das uns immer zudrückender umarmt. Was täte ich, was täten viele meiner Kollegen, wenn es diese Krise nicht gäbe? Wovon schrieben wir? Und wir profitieren nachhaltig - denn unserem am Verfall sich schmarotzenden Geschäft liegen unendliche Zukunftsmärkte zu Füßen. Eigentlich müssten wir traurig sein, weil die Themen, die uns zum Schreiben drängen, beharrlich aktuell bleiben, nicht aus der Mode zu kommen scheinen - wir sollten uns schämen, dass wir nicht traurig sind; wir sollten traurig sein, dass wir uns nicht schämen wollen! Vorbei die Zeiten, in denen man mit den Leiden eines jungen Liebesgockels oder einer Räuberpistole ein zeitloses Werk schuf - wer heute zeitlos sein will, der muß im asozialen Dickicht unserer Epoche wildern. Wer zeitlos sein will, der braucht nichts über edle Gefühle wie Liebe und Sehnsucht niederschreiben, der sollte sich eher an den Zottelbärten zynischer Vernunft verbreitender Philosophen oder Rassenkunden-Crashkurs abhaltenden Ex-Senatoren herauf- und herunterhangeln. Zeitlos und unvergänglich war früher das erhabene Sentiment - ein klassischer Evergreen wird zukünftig sein, über das Heruntergekommene, das Abgewirtschaftete, das Asoziale geschrieben zu haben.

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Repression in progress

Freitag, 16. Juli 2010

Dass selbst die progressive Geisteshaltung immer häufiger mit konservativen und repressiven Extrakten versetzt ist, mutet mittlerweile ja leider nicht mehr neu an, entmutigt aber stets aufs Neue. In Tagen, in denen progressives Denken soviel heißt wie Brosamen aufsammeln, tapst man unwillkürlich in repressive Fußspuren, ohne dass es einem auch nur ansatzweise gewahr wird. Gemeinhin zeichnet sich das progressive Lager dadurch aus, sich mit der Bewahrung und Konservierung alter, damals schon überholungsbedürftiger Standards zu befassen - anders gesagt: der Progressivismus sattelt zum Konservatismus um, weint Altem hinterher, weil ein besseres Neues für ihn heutigentags nahezu ausgeschlossen scheint. Wollte beispielsweise die progressive Gesellschaftsdynamik der Sechziger- und Siebzigerjahre noch mehr Mitbestimmung und reichlichere soziale Sicherheit für Arbeitnehmer, so wären diejenigen, die heute glauben besonders fortschrittlich zu denken, schon damit zufrieden, wenn der alte, durchaus reformbedürftige Standard mangelhafter Mitbestimmung und ausbaufähiger sozialer Sicherheit wiederhergestellt würde. Der Progressive trauert gegenwärtig überwiegend antiquierten Gegebenheiten nach, die dazumal schon verbesserungswürdig und reformbedürftig waren, die jedoch im Vergleich zu heute schon fast modern und fortschrittlich daherkommen - progressiv zu sein heißt gegenwärtig, trübsinnig zurückzublicken und die letzte abgestandene Neige an Bewahrenswerten zu erhalten, einzufrieren, zu konservieren.

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Nomen non est omen

Donnerstag, 15. Juli 2010

Heute: "Management"

Projekt-Management, Content-Management, Sozial-Management, Qualitäts-Management, Zeit-Management, Finanz-Management, Personal-Management, Konflikt-Management, Team-Management usw. usf. Viele Bereiche im öffentlichen oder privaten Leben bekommen heute den Zusatz "management" (an der Hand führen). Ursprünglich ein Begriff aus der Welt der Wirtschaft, der vor allem Führungspersonen (Manager) in Großunternehmen meinte, ist er heute ein Synonym für alle möglichen Tätigkeiten und Prozesse die geleitet, geführt und kontrolliert werden sollen. Das dieser Begriff längst die Ebene der Wirtschaft verlassen hat, ist ein Zeichen für die Ökonomisierung vieler Lebensbereiche.

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Wenn es am schönsten ist...

Mittwoch, 14. Juli 2010

Setzen Sie sich, Frau L. - schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Lassen Sie mich gleich zur Sache kommen. Sie ahnen ja ohnehin, weshalb ich Sie eingeladen habe - Anhörung stand ja auch im Einladungsschreiben. Aber zunächst setzen Sie sich doch... zur Sache also: Frau L., Sie sind nun neunundsiebzig Jahre alt, entnehme ich meinen Unterlagen. Ein schönes Alter, will ich meinen. In so eine Zeitspanne läßt sich ein vollwertiges, befriedigendes Leben packen; in acht Dekaden hat man wahrscheinlich schon alles erlebt, was es so zu erleben gibt. Gut in Schuss sind Sie auch, steht hier - stimmt das? Möchten Sie mir nicht mitteilen, wie es um Ihren Gesundheitszustand bestellt ist?

Frau L., ich verstehe Ihre Skepsis im Hinblick auf Ihre Krankenakte durchaus - nur: Sie sind dazu verpflichtet zu kooperieren. Laut Optimierungsgesetz zur Gewährleistung eines effektiven Rentensystems sind Sie dazu angehalten, bei jeglicher behördlicher Überprüfung die anfallenden Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten - und fürchten müssen Sie sich nicht, wir reden hier doch nur, sonst geschieht gar nichts. Natürlich weiß ich von den Horrorgeschichten, die auf den Straßen kursieren - aber seien Sie ganz unbeschwert: nichts davon ist wahr, wir schläfern hier keine Senioren ein. Ich bitte Sie! Wir sind doch kultivierte Leute! Also, wie geht es Ihnen denn derzeit, Frau L.?... na, das hört man doch gerne, dass es Menschen auch im hohen Alter noch gut gehen kann - das macht der vom Alter sich fürchtenden Jugend doch Hoffnung. Sie sehen ja auch gut aus, wie das blühende Leben, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.

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