Richtiges Streben im falschen
Montag, 23. Mai 2016
Respekt Pfizer! Für die Todesstrafe gibt sich das Unternehmen nicht mehr her. Keine Geschäfte mehr mit dem Scharfrichter. Ein Pharmakonzern fast ein wenig wie Amnesty International. Pfizer ist bereit Verantwortung zu übernehmen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Anti-Todesstrafen-Movements und Menschenrechtsgruppen begrüßen den Schritt. Das kann man tun. Manchmal fällt auch was Richtiges ab, wenn man was Falsches beabsichtigt. Denn Menschenrechte und Humanismus können eine gute Marketingstrategie sein. Jedenfalls dann, wenn sie wenig kosten oder so gesagt: Wenn sie wenig Nebenkosten oder nur kleine Profiteinbußen mit sich bringen. Dann polieren sie das Image auf und verleihen einer menschenverachtenden Unternehmenspraxis ein bisschen humanistische Aufgeklärtheit und menschelnden Anstrich.
»Pfizer makes its products to enhance and save the lives of the patients we serve«, heißt es als Begründung auf der Website des Unternehmens. Klingt gut, klingt eigentlich folgerichtig für einen Konzern, der Medizin produziert. Das Leben von Patienten verbessern oder sogar Leben retten. Da kann man natürlich nicht an jene liefern, die das Gegenteil dessen anstreben, wenn sie jemanden auf eine Liege schnallen und eine Braunüle legen, um den Tod intravenös zu verabreichen. Das ist nur konsequent. Aber auch nicht ganz so verlustreich. Denn dasselbe Unternehmen hat weniger Sorgen um die Lebenqualität potenzieller Patienten, wenn diese sich die Medizin nicht leisten können. Wie alle Pharmakonzerne hält man die Fertigung kostengünstiger Generika nicht für soziale Verantwortung, sondern für einen künstlichen Eingriff in den Markt, der Gewinnchancen schmälert. Schließlich koste die Forschung ja Unsummen, die könne man zum Beispiel dem schwarzen Kontinent und seinen Krankheiten nicht einfach gratis oder auch nur vergünstigt zur Verfügung stellen.
Was man in Afrika aber tun kann, das sind Feldforschungen im offenen Vollzug. So geschehen Mitte der Neunziger Jahre. Die Tests eines zuvor nicht an Menschen erprobten Antibiotikums, welches das Unternehmens an Nigerianern vollzog, inspirierten John le Carré so sehr, dass er es in seinem Roman »Der ewige Gärtner« verewigte. Fünf von 200 Kindern, die als Probanten dienten, starben damals bei diesen Tests. Weitere erlitten Schäden. Ein wirksames Medikament wurde den kranken Kindern vorenthalten. Das Leben von Patienten verbessern oder sogar Leben retten galt nicht als Leitgedanke. Einige betroffene nigerianische Eltern klagten gegen Pfizer wegen »grausamer, unmenschlicher und herabwürdigender Behandlung«. Später veröffentliche WikiLeaks, dass das Unternehmen den nigerianischen Staatsanwalt unter Druck setzte, um Strafzahlungen zu entgehen.
Rassismus kann man ausschließen. Unternehmen wollen verdienen. Rassismus hemmt nur, grenzt Kundengruppen aus. Ohne Wert sind nicht Dunkelhäutige, sondern Arme. Sie sind keine Patienten, weil sie sich diesen Status finanziell nicht leisten können. Krank zu sein ist ja noch kein Attribut. Man muss sich Medizin kaufen können. Zynisch ist es trotzdem, wenn jetzt Pfizer in der Stellungnahme zum Anti-Todesstrafen-Diskurs so tut, als ginge es um höhere Werte, die das Unternehmen an anderer Stelle ignoriert. Aber wie gesagt, es ist eine Imagekorrektur, ein Aha-Zeichen für alle, die Pfizer für einen Weltverschlechterer hielten. Und die ganze Politur ist recht günstig zu haben, denn wieviele Todestrakte gibt es denn, die bei Pfizer bestellen? Und die bestellten Mengen dürften ohnehin recht übersichtlich sein. Kommt man da auf 500.000 Dollar im Jahr? Zahlen gibt es keine. Aber eindeutig ist wohl, dass ein PR-Berater wesentlich mehr kosten würde als 500.000 Dollar. Mehr als das Doppelte und Dreifache davon. So günstig war Imagebalsam selten.
Trotzdem kann man sich natürlich darüber freuen. Wenn Konzerne die Todesstrafe - und sei es auch nur aus strategischen Gründen - ablehnen, dann ist das für eine Konzernokratie schon bedeutend und vielleicht sogar langfristig prägend. Es gibt eben auch ein richtiges Streben im falschen. Dass aber die Berichterstatter eifrig über die soziale Verantwortung Pfizers berichten, ohne nicht auch einige Strahlen des Schlaglichtes auf die Zurschaustellung eines Menschenrechtbewusstseins zu richten, das aus prestigeträchtigen Gründen als gute Werbung fungiert, lässt einen erstaunt zurück. Willfähriger Journalismus: Das ist die andere Seite billiger Imagekampagnen. Meist noch billiger zu haben als für 500.000 Dollar.
»Pfizer makes its products to enhance and save the lives of the patients we serve«, heißt es als Begründung auf der Website des Unternehmens. Klingt gut, klingt eigentlich folgerichtig für einen Konzern, der Medizin produziert. Das Leben von Patienten verbessern oder sogar Leben retten. Da kann man natürlich nicht an jene liefern, die das Gegenteil dessen anstreben, wenn sie jemanden auf eine Liege schnallen und eine Braunüle legen, um den Tod intravenös zu verabreichen. Das ist nur konsequent. Aber auch nicht ganz so verlustreich. Denn dasselbe Unternehmen hat weniger Sorgen um die Lebenqualität potenzieller Patienten, wenn diese sich die Medizin nicht leisten können. Wie alle Pharmakonzerne hält man die Fertigung kostengünstiger Generika nicht für soziale Verantwortung, sondern für einen künstlichen Eingriff in den Markt, der Gewinnchancen schmälert. Schließlich koste die Forschung ja Unsummen, die könne man zum Beispiel dem schwarzen Kontinent und seinen Krankheiten nicht einfach gratis oder auch nur vergünstigt zur Verfügung stellen.
Was man in Afrika aber tun kann, das sind Feldforschungen im offenen Vollzug. So geschehen Mitte der Neunziger Jahre. Die Tests eines zuvor nicht an Menschen erprobten Antibiotikums, welches das Unternehmens an Nigerianern vollzog, inspirierten John le Carré so sehr, dass er es in seinem Roman »Der ewige Gärtner« verewigte. Fünf von 200 Kindern, die als Probanten dienten, starben damals bei diesen Tests. Weitere erlitten Schäden. Ein wirksames Medikament wurde den kranken Kindern vorenthalten. Das Leben von Patienten verbessern oder sogar Leben retten galt nicht als Leitgedanke. Einige betroffene nigerianische Eltern klagten gegen Pfizer wegen »grausamer, unmenschlicher und herabwürdigender Behandlung«. Später veröffentliche WikiLeaks, dass das Unternehmen den nigerianischen Staatsanwalt unter Druck setzte, um Strafzahlungen zu entgehen.
Rassismus kann man ausschließen. Unternehmen wollen verdienen. Rassismus hemmt nur, grenzt Kundengruppen aus. Ohne Wert sind nicht Dunkelhäutige, sondern Arme. Sie sind keine Patienten, weil sie sich diesen Status finanziell nicht leisten können. Krank zu sein ist ja noch kein Attribut. Man muss sich Medizin kaufen können. Zynisch ist es trotzdem, wenn jetzt Pfizer in der Stellungnahme zum Anti-Todesstrafen-Diskurs so tut, als ginge es um höhere Werte, die das Unternehmen an anderer Stelle ignoriert. Aber wie gesagt, es ist eine Imagekorrektur, ein Aha-Zeichen für alle, die Pfizer für einen Weltverschlechterer hielten. Und die ganze Politur ist recht günstig zu haben, denn wieviele Todestrakte gibt es denn, die bei Pfizer bestellen? Und die bestellten Mengen dürften ohnehin recht übersichtlich sein. Kommt man da auf 500.000 Dollar im Jahr? Zahlen gibt es keine. Aber eindeutig ist wohl, dass ein PR-Berater wesentlich mehr kosten würde als 500.000 Dollar. Mehr als das Doppelte und Dreifache davon. So günstig war Imagebalsam selten.
Trotzdem kann man sich natürlich darüber freuen. Wenn Konzerne die Todesstrafe - und sei es auch nur aus strategischen Gründen - ablehnen, dann ist das für eine Konzernokratie schon bedeutend und vielleicht sogar langfristig prägend. Es gibt eben auch ein richtiges Streben im falschen. Dass aber die Berichterstatter eifrig über die soziale Verantwortung Pfizers berichten, ohne nicht auch einige Strahlen des Schlaglichtes auf die Zurschaustellung eines Menschenrechtbewusstseins zu richten, das aus prestigeträchtigen Gründen als gute Werbung fungiert, lässt einen erstaunt zurück. Willfähriger Journalismus: Das ist die andere Seite billiger Imagekampagnen. Meist noch billiger zu haben als für 500.000 Dollar.
1 Kommentare:
Der Film zum Buch "der ewige Gärtner" von Fernando Meirelles und mit Ralph Fiennes in der Hauptrolle ist auch sehr zu empfehlen. Dieser zeigt sehr gut auf, wie weit die Pharmaindustrie mit den jeweiligen Regierungen (auch und vor allem die in Europa) "verbunden" ist. Klüngelei, Erpressungen, Korruption ist hier Alltag.
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