Hinterm Schreibtisch
Mittwoch, 4. Mai 2016
Sie blickten mit Verachtung auf uns. Die, die gut angezogen zur Arbeit kamen. Wir stanken, steckten in blauen oder grauen Arbeitshosen, trugen ölige Hemden mit Löchern, lehnten uns in den Dreck, wenn wir Teile vermessen oder aus der Spannvorrichtung holen mussten. Außerdem schwitzten wir, der Maschinenpark heizte die Werkshallen auf. Im Sommer stiegen die Temperaturen ins Unermessliche. Klar, wer konnte dieses Heer der Elenden schon schätzen, schon gleichberechtigt betrachten wollen gegenüber denen, die aus klimatisierten Büroräumen hinabstiegen in die Schattenwelt der Produktion? Wir waren alle Facharbeiter, die anderen wohl mehr als ich, denn mir fehlte die Erfahrung, hatte kürzlich erst meine Lehre beendet. Aber das Know-How spielte keine Rolle, wir mit den schwarzen Händen, waren die Gruppe, die man bei denen mit gewaschenen Händen und weißem Kragen nicht besonders hoch ansah.
Damals wurde ich etwas empfindlich. Im Radio schwätzten sie dauernd von der Sommerhitze und wie die verehrten Hörer in ihren Büros leiden mussten. Vielleicht wäre der Chef ja ein guter Mann und würde die Belegschaft früher vom Schreibtisch an den Badesee lassen. Dieser weltfremde Quatsch wollte den Menschen weismachen, dass mittlerweile alle saubere Jobs in einem ausgefegten und gut belichteten Raum hatten. Die Stinkerbrigaden, die in Kellerlöchern, Hallen und Schächten ihr Geld verdienen mussten, kamen schon gar nicht mehr vor, gerade so, als gäbe sie es gar nicht mehr in der schönen neuen Arbeitswelt.
Ich komme jetzt darauf, weil neulich eine Handvoll Politiker thematisch umschwenkte. Nachdem man vor einigen Jahren hörte, dass Deutschland an zu vielen Feiertagen erkrankt sei, jetzt mal das Gegenteil davon: Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, die sollen nachgeholt werden. Der »Stern« berichtete darüber wie andere Qualitätsmedien auch. Man pflanzte ein Bild über den Text und schrieb darunter: »Wenn Feiertage auf einen Sonntag fallen, sind angestellte Büromenschen gekniffen.« So, die Büromenschen also. Die gekniffene Klasse. Und die anderen, die einen Beruf haben, bei dem man sich nicht vor der Arbeit duscht statt danach? Man muss natürlich nicht davon ausgehen, dass man in der Redaktion annehmen würde, dass solche Regelungen nur für den Büromenschen gelten sollten. Aber man muss erkennen, dass man heute in bestimmten Kreisen, überhaupt nicht mehr weiß, dass Arbeit auch schmutzig, stinkend und Blut, Schweiß und Tränen bedeuten kann.
Das Portfolio unserer Gesellschaft ist auf Hochglanzpapier gedruckt. Alles was ekelt, das blendet man aus. Wer heute eine Broschüre eines Pflegedienstes bemüht, erblickt adrette Damen im hellen Hemdblüschen, die an einem Schreibtisch hocken. Sie lächeln und glotzen entspannt auf einen Bildschirm. Es sieht aus, als drückten sie Buttons und die Pflege machte sich von alleine. Dort wo die zu verrichtende Arbeit getan wird, gucken wir weg. Hinterm Schreibtisch wirkt all die Arbeit erträglicher. Hinterm Schreibtisch kann man den Schmutz, der bei der körperlichen Arbeit anfällt, einfach mal liegelassen. Die hinterm Schreibtisch sehen netter aus, weniger abgekämpft, sind oft wortgewandter. Ja, mit denen ist der Hochglanz zu simulieren. Mit schwitzenden Pflegekräften, die halb krumm gehen, weil ihr Rücken zwickt, bedruckt man keine Broschüren. Sonst möchte man ja glatt die Pflegekraft pflegen, wenn man ein zu verweichlichtes Herz besitzt.
Natürlich brauchen wir auch die Büromenschen. Aber sie sind eben keine Büroherrenmenschen. Ohne die, die dorthin gehen, wo es körperlich schmerzt, hilft alles abrechnen, einlesen, abtippen, faxen, mailen und Termin vereinbaren gar nichts. Das kann man zwar alles machen, aber so ganz ohne Sinn. Produktiv ist man hinterm Schreibtisch wie davor. Aber ohne die, die an keinem Schreibtisch schuften, ist es hinterm Schreibtisch ein sinnloser Zeitvertreib. Produktiv wird es erst, wenn jemanden was hergestellt, eine Leistung erbracht, was gekocht, etwas gefräst und geschliffen hat. Manche duschen eben vor dem Job, die anderen danach. Die, die es danach tun, stellen etwas her auch ohne die Davorduscher. Andersherum wird es witzig, aber nicht wertschöpferisch.
Diese Haltung, dass man das Büro zur guten Stube der Arbeitswelt macht, die Werkstätte vergisst, ist noch so eine Nachwirkung von diesen Leuchten, die uns mal was von der absoluten Dienstleistungsgesellschaft erzählten. Sie haben den Eindruck entstehen lassen, dass Arbeit heute bedeuten würde, einfach mal auf die Return-Taste zu kloppen. Dann ginge es von alleine. Dass aber Arbeit getan werden muss, dass jemand die Energien seines Körpers in Herstellung und Kreativität umwandeln muss, das hat sich nicht geändert. Wird sich auch nicht ändern. Daher ist die arbeitsteilige Gesellschaft, egal wie man es dreht und wendet und ideologisch auflädt, letztlich auch noch in drei Jahrzehnten Realität. Und das nicht nur hinterm Schreibtisch.
Damals wurde ich etwas empfindlich. Im Radio schwätzten sie dauernd von der Sommerhitze und wie die verehrten Hörer in ihren Büros leiden mussten. Vielleicht wäre der Chef ja ein guter Mann und würde die Belegschaft früher vom Schreibtisch an den Badesee lassen. Dieser weltfremde Quatsch wollte den Menschen weismachen, dass mittlerweile alle saubere Jobs in einem ausgefegten und gut belichteten Raum hatten. Die Stinkerbrigaden, die in Kellerlöchern, Hallen und Schächten ihr Geld verdienen mussten, kamen schon gar nicht mehr vor, gerade so, als gäbe sie es gar nicht mehr in der schönen neuen Arbeitswelt.
Ich komme jetzt darauf, weil neulich eine Handvoll Politiker thematisch umschwenkte. Nachdem man vor einigen Jahren hörte, dass Deutschland an zu vielen Feiertagen erkrankt sei, jetzt mal das Gegenteil davon: Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, die sollen nachgeholt werden. Der »Stern« berichtete darüber wie andere Qualitätsmedien auch. Man pflanzte ein Bild über den Text und schrieb darunter: »Wenn Feiertage auf einen Sonntag fallen, sind angestellte Büromenschen gekniffen.« So, die Büromenschen also. Die gekniffene Klasse. Und die anderen, die einen Beruf haben, bei dem man sich nicht vor der Arbeit duscht statt danach? Man muss natürlich nicht davon ausgehen, dass man in der Redaktion annehmen würde, dass solche Regelungen nur für den Büromenschen gelten sollten. Aber man muss erkennen, dass man heute in bestimmten Kreisen, überhaupt nicht mehr weiß, dass Arbeit auch schmutzig, stinkend und Blut, Schweiß und Tränen bedeuten kann.
Das Portfolio unserer Gesellschaft ist auf Hochglanzpapier gedruckt. Alles was ekelt, das blendet man aus. Wer heute eine Broschüre eines Pflegedienstes bemüht, erblickt adrette Damen im hellen Hemdblüschen, die an einem Schreibtisch hocken. Sie lächeln und glotzen entspannt auf einen Bildschirm. Es sieht aus, als drückten sie Buttons und die Pflege machte sich von alleine. Dort wo die zu verrichtende Arbeit getan wird, gucken wir weg. Hinterm Schreibtisch wirkt all die Arbeit erträglicher. Hinterm Schreibtisch kann man den Schmutz, der bei der körperlichen Arbeit anfällt, einfach mal liegelassen. Die hinterm Schreibtisch sehen netter aus, weniger abgekämpft, sind oft wortgewandter. Ja, mit denen ist der Hochglanz zu simulieren. Mit schwitzenden Pflegekräften, die halb krumm gehen, weil ihr Rücken zwickt, bedruckt man keine Broschüren. Sonst möchte man ja glatt die Pflegekraft pflegen, wenn man ein zu verweichlichtes Herz besitzt.
Natürlich brauchen wir auch die Büromenschen. Aber sie sind eben keine Büroherrenmenschen. Ohne die, die dorthin gehen, wo es körperlich schmerzt, hilft alles abrechnen, einlesen, abtippen, faxen, mailen und Termin vereinbaren gar nichts. Das kann man zwar alles machen, aber so ganz ohne Sinn. Produktiv ist man hinterm Schreibtisch wie davor. Aber ohne die, die an keinem Schreibtisch schuften, ist es hinterm Schreibtisch ein sinnloser Zeitvertreib. Produktiv wird es erst, wenn jemanden was hergestellt, eine Leistung erbracht, was gekocht, etwas gefräst und geschliffen hat. Manche duschen eben vor dem Job, die anderen danach. Die, die es danach tun, stellen etwas her auch ohne die Davorduscher. Andersherum wird es witzig, aber nicht wertschöpferisch.
Diese Haltung, dass man das Büro zur guten Stube der Arbeitswelt macht, die Werkstätte vergisst, ist noch so eine Nachwirkung von diesen Leuchten, die uns mal was von der absoluten Dienstleistungsgesellschaft erzählten. Sie haben den Eindruck entstehen lassen, dass Arbeit heute bedeuten würde, einfach mal auf die Return-Taste zu kloppen. Dann ginge es von alleine. Dass aber Arbeit getan werden muss, dass jemand die Energien seines Körpers in Herstellung und Kreativität umwandeln muss, das hat sich nicht geändert. Wird sich auch nicht ändern. Daher ist die arbeitsteilige Gesellschaft, egal wie man es dreht und wendet und ideologisch auflädt, letztlich auch noch in drei Jahrzehnten Realität. Und das nicht nur hinterm Schreibtisch.
6 Kommentare:
Deswegen heisst ja auch jeder Hausmeister hute "Facilty Manager". Hört sich doch echt geil an und klingt nicht bnach körperlicher Arbeit.
Lange habe ich mir überlegt, ob ich Würstchen zu Diesem Artikel von Dir meinen Senf dazu geben soll. Eigentlich hast Du alles gesagt.
Dieser Tatbestand, das es der ARBEITENDE Teil der Bevölkerung ist, der den GANZEN Mehrwert erzeugt, kann nicht oft genug und eindringlich wiederholt und betont werden.
In meinen Leserbeiträgen in verschiedenen Foren schreibe ich genau das, wenn es einigermaßen zum Thema passt, und oh Wunder, es sind jedes mal einige andere Foristen, die das auch so sehen. Nur unsere 'Medienschaffenden', die haben da wohl Scheuklappen auf oder sind ihrem Auftrag, die eigentliche Arbeit abzuwerten, so ergeben, das sies gar nicht mehr wissen (wollen), wem sie ihren Büro- und Krawattenjob zu verdanken haben.
Es sind an sich gleich zwei Punkte:
1) Die Menschen in den Werkstätten schaffen die zu verkaufenden Waren von denen die ganze Firma lebt.
2) Alle Arbeitsmittel, ob nun Bürostühle (zum reinfurzen), Aktenordner oder Rechner/Drucker und was sonst noch so alles an Materialien in so einem Böro vorhanden ist, wurde in Werkstätten oder-hallen hergestellt, von Arbeitern.
Ohne diese Gerätschaften und vor Allem, ohne Arbeiter, gäbe es keinen Bedarf an Bürofritzen.
MfG: M.B.
Stimmt und hat schon immer gestimmt: vor
40 Jahren hatte ich auch meinen Facharbeiterbrief
(Tischler) in der Tasche. Vorher musste ich ihn bei
der zuständigen Innung im Büro selbst abholen, da
mir die Teilnahme an der Lossprechungszeremonie zu
blöd war. Die Büromäuschen dort behandelten mich
dermaßen von oben herab, als wären sie White Ladies
und ich ein Sambo auf dem cotton field. Den Fehler
im Geburtsdatum des Dokumentes (man hatte mich zwei
Jahre jünger gemacht :D) habe ich hingenommen:
ich wollte mir das nicht nochmal antuen, dort antanzen
zu müssen. P.S.: Obwohl Dörfler, war meine Diktion
weniger dialektbelastet als der Jargon dieser Dämchen …
Es gibt keine Arbeiter mehr, hat Schröder mal in seiner Amtszeit gesagt.
Deshalb brauchen wir die "Arbeiterpartei" auch nicht mehr
Ein typischer Fall von Entfremdung.
Alles, was die Burofuzzis nutzen, tragen oder essen, wurde schliesslich von jemandem hergestellt und geliefert. Ganz zu schweigen von den Rohstoffen, die man ja vorher erstmal abbauen, gewinnen, extrahieren und weiterverarbeiten muss, bevor ein "Produkt" daraus wird. Das läuft durch hunderte, tausende von Händen bis es beim Pinguin im Borgwürfel ankommt. Aber "der" hat damit natürlich nichts am Hut.
Wir sind alle jeden Tag, jede Minute von der Arbeit einer unzähligen Menge Menschen abhängig. Das sollten sich diese Laffen mal hinter die Ohren schreiben, bevor sie die Nase rümpfen.
.. und deshalb gibt es bei VW auch vorgeschriebene Kleidung für die Arbeiter.
Damit die Büroleut gleich auf 100 m sehen: Aha, einer unter mir !!!
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