Ein Unternehmensaufstieg

Mittwoch, 25. Mai 2016

Eine komische Kapitalismuskritik ist jene, die mit kapitalistischen Unternehmen wirbt, um andere kapitalistische Unternehmen zu diskreditieren. Als ob man etwa über McDonalds heranziehen könnte, um Burger King zu kritisieren. Oder Pfizer mit Bayer relativiert. So abermals geschehen letzte Woche. Als man Dynamo, Hansa, ja den FC Bayern und den BVB als so viel besser als den RB Leipzig feierte. Anna Loos und ihre Band Silly glaubten dem Aufsteiger mittels Trikots anderer Vereine einen Spiegel vorhalten zu können. Das ist seit Jahren ein beliebtes Spiel in den Stadien der Republik, den Leipzigern ihre fehlende Tradition und ihrem potenten Mäzen den Kapitalismus anzuhängen, während man behauptet, dass der Rest der Ligen aus dem Gegenteil davon kommt, der aus gutem Brauchtum entstanden ist und in diesem auch weitergeführt wird.

Wenig könnte falscher sein. Wir haben es in jedem der Fälle mit Unternehmen zu tun, die Sport benutzen, um Rendite zu erzielen. Leipzig mag ein Retorten-Verein sein, aber er ist nicht der böse Kapitalist unter einer biederen Ansammlung von Klubs, denen das Big Business fremd ist. Wenn wir schon mal von Tradition sprechen: Den Vereinen der großen europäischen Ligabetriebe ist eine Sache gemein. Die der Schöpfung von Einnahmequellen, der Gier nach Marktanteilen, der Ausverkauf sportlicher Grundwerte und die Monetarisierung der Emotionen zugunsten des Merchandising. Ob sie nun aus Wolfsburg, Ingolstadt, Leverkusen oder Leipzig kommen - oder aus traditionellen Kickerstädten wie München, Hamburg oder aus Gelsenkirchen: Elf Freunde, die von netten Brauchtumsfunktionären betreut werden, um naiven Spaß auf den Rasen zu verursachen, ist nicht das Metier all dieser GmbHs. Letztlich ist ein Unternehmen in die DAX-Gruppe des deutschen Fußballs aufgestiegen und nicht ein Verein zu anderen Vereinen gestoßen.

Wenn man zum Beispiel bei der Eintracht in Frankfurt ein Heimspiel besucht, dann gehört es zur neuen Folklore, etwas gegen den RB Leipzig zu haben. Er sei halt eine Erfolgsgeschichte von sportkünstlicher Machart. Da kauft sich der Klub überdurchschnittlich gute Spieler, weil er es sich leisten kann und holt sich auf dieser für unlauter gehaltenen Basis das Oberhaus in die Stadt. Also wie Bayern oder die Borussia, die es ja genauso handhaben, denen man es aber eher verzeiht, weil sie sich diesen Status irgendwie verdient haben. Lassen wir es, hier an die Ungleichverteilung von TV- und Werbegeldern zu erinnern, die das Riesenhafte dieser zwei Giganten maßgeblich verursachen. Ob die von den Topvereinen aktiv betriebene Ungleichgewichtung ein Verdienst ist, sei also dahingestellt. Der Red-Bull-Verein dient so betrachtet auch der Romantisierung einer Sportart, in der es nichts mehr Romantisches gibt. Keine Vereinstreue mehr, keine elf Freunde, keine Pirmasens/Alsenborn-klopfen-an-das-Tor-zur-Bundesliga-Sensationen mehr.

Der RB Leipzig ist die Projektion der gegnerischen Fankurven, um sich selbst als Tradition feiern zu können, als Anhängerschaft von Vereinen zu sehen, die sich als Image und corporate identity die Tradition selbst gestiftet haben. So redet man sich ein, dass der eigene Verein eine ganz besondere Rolle spielt im Lande. Das ist gewissermaßen ein neurotischer Abwehrmechanismus, der den innerpsychischen Konflikt durch die Abbildung des Verlusts der eigenen sportmännischen Ideale auf andere verlagert. Und weil es ferner dieses Leipzig in dieser Form gibt, kann sich die fremde Anhängerschaft einreden, dass alles noch richtig läuft in der Fußball-Republik, im Land des Dauermeisters, in dem die Dominanz der zwei Großen Überraschungen tilgt, in dem es eine übersichtliche Mittelschicht und zwei Drittel Vereine gibt, die sich bis zum 31. Spieltag im Abstiegskampf befinden. Tradition halt, die sich der Traditionsarmut erwehren muss. Mit einem Feindbild lässt sich die Schieflage als Brauchtum feiern und die Kritik ereifert sich an einer kleinen Erscheinung der modernen Fußballrealität, nicht am ganzen System.

Der RB Leipzig ist das passende Feindbild zur rechten Zeit, um die Megalomanie der gesamten Branche zu kaschieren. So kann man als kapitalismuskritischer Mensch weiterhin dem Großunternehmen zujubeln und kann sich einbilden, dass es nur einige Ausreißer im System gibt, die zufällig oft Red Bull bezahlt.

4 Kommentare:

Anonym 25. Mai 2016 um 08:26  

Hallo Roberto, ich setze mal den Link zu einem Artikel ein, der meiner Meinung nach das ganze Dilemma sehr gut beschreibt. Meine Wortgewandtheit ist dann doch nicht so klasse. :)

http://www.beveswelt.de/?p=11377

Gruß Stefanie

Anonym 25. Mai 2016 um 15:39  

Der von dir gepostete Link zeigt das Dilemma eben nicht. Das Dilemma wurde hier schon super beschrieben.

In Wirklichkeit stört sich keiner an einem Vereinslogo das aussieht wie das Sponsorenlogo .. es stört sich auch keiner wirklich an dem RB, dass eben nicht für Rasenball steht ..

Das was stört ist, dass dieser Verein einem den Spiegel vorhält. Das er dich anschreit und dir sagt "schau: fussball ist nur noch kommerz. egal wer."
Dieser schreiende Spiegel ist es, der in Wirklichkeit stört... weil der die vermeintlich heile Welt kaputt macht in der man sich wähnt.
Daher ist es auch am einfachsten diesen Spiegel zu hassen und zu ignorieren.. weil dadurch kann man wieder vergessen, dass der eigene Verein kein bißchen anders ist.


Das dies stimmt, zeigt sich z.B. Hoffenheim. Die sind genau der gleiche Spiegel...und ebenso gehasst, verdammt und lächerlich gemacht.

Die Fußballwelt da draußen ist schon lange nicht mehr das, was manche so behaupten.

Noch ein Beweis für die These mit dem Geld:

Bei jedem Abstieg einer Mannschaft (vor allem aus der 1. in die 2.) wird nie irgendwas positives erzählt (schliesslich kann man auf neue Herausforderungen treffen und sich zurückarbeiten) .. nein immer wird gleich überall vorgerechnet wieviel Geld jetzt fehlt.
Dies zeigt um so mehr, dass nur eines heute im Fußball wichtig ist: Geld.

Auch wenn das keiner da draussen hören mag .. aber mit Tradition hat noch keiner ne Meisterschaft gewonnen. Schliesslich gibt es da draußen zig Dorfvereine mit 100 Jahren Tradition... wieviele kommen mit Tradition noch mal in die 1. Liga?
Richtig.

Keiner.

Das schaffst du nur mit Geld. Geld von Sponsoren oder Mäzen. Jetzt behaupten zu wollen, das eine Geld ist besser als das andere verdreht nur wieder die Wirklichkeit um dem Spiegel zu entgehen.

Gruß matthias

Anonym 26. Mai 2016 um 12:53  

....Bundesligafussballfans sind einfach nur blöde....und haben einfach nichts Besseres verdient......

ert_ertrus 1. Juni 2016 um 23:02  

Sorry, aber Silly ist nicht die Band von Anna Loos. Da hat die Tamara noch heute Hausrecht!

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