Aus fremder Feder

Dienstag, 31. März 2015

»Sofort nach der Vereidigung nahm Reagan den radikalen Umbau der amerikanischen Wirtschaft in Angriff. Der Kemp-Roth-Act sah die drastische Senkung von Einkommens- und Unternehmenssteuern in drei Stufen vor – der Spitzensteuersatz sollte dabei von 70 auf 50 Prozent sinken. Gleichzeitig sollten die Rüstungsausgaben massiv erhöht und die übrigen Staatsausgaben gesenkt werden. Das betraf alle Sozialprogramme, doch die meisten Ausgaben waren im Pensionssystem (Social Security) und in der Krankenversicherung für Rentner (Medicare) fest gebunden. Diese Programme nützten dem breiten Mittelstand und waren viel zu populär, als dass Reagan sie hätte antasten können. Die Kürzungen betrafen daher besonders solche Sozialprogramme, die von den ärmsten Schichten genutzt wurden wie Essensmarken, Wohnbeihilfen, kostenlose Schulspeisungen oder Umschulungen. Frauen, die Sozialhilfe bezogen, wurden von Reagans Leuten als »Welfare Queens« verunglimpft, die sich auf Kosten der Steuerzahler ein schönes Leben machten. Obwohl die Mehrheit der Sozialhilfeempfänger weiße Familien vom Land waren, sprach Reagan immer wieder von den »Schwarzen in den Städten«.
[...]
Die drastischen Kürzungen sozialer Leistungen jedoch verschlimmerten die Auswirkungen auf die Bevölkerung: Arbeitslose konnte ihre Familie kaum noch ernähren, die Obdachlosigkeit nahm stark zu, Familien verloren ihre Wohnungen und mussten in Notunterkünften Zuflucht suchen. Eine Million Amerikaner etwa lebten 1986 auf der Straße, ein Fünftel von ihnen war trotz eines Arbeitsplatzes obdachlos.«
- Eric Frey, »Schwarzbuch USA« -

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Die Armut, die es nicht mehr gibt

Montag, 30. März 2015

oder Frau Nahles hat völlig recht gehabt.

Mal wieder gute Nachrichten aus dem Arbeitsministerium. Ministerin Nahles will der Armut ans Revers. Endlich. Es soll wieder weniger Arme geben. Zur Armutsbekämpfung ist jedes Mittel recht. Jetzt hat man sich mal wieder entschlossen, die Armutsdefinition zu überdenken.

Als einst die FDP den Armutsbericht beschönigte, da war der Aufschrei unter den Sozialdemokraten riesig. Auch Nahles mischte damals ordentlich mit. »Wer die Realität ausblendet und ignoriert, kann keine gerechte Politik machen«, sagte sie damals der SZ. Jetzt ist sie der Ansicht, dass es unanständig ist, die Leute als arm zu deklarieren, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Da müsse man umdenken. Dass der Paritätische Wohlfahrtsverband neulich festhielt, dass die Armut in Deutschland weiter gewachsen sei, hält sich daher für grundlegend falsch. Man brauche mehr »Sachlichkeit in der Debatte«. Anders gesagt, wer von der Armut im Lande spricht, der ist unsachlich. Man darf sie halt nicht nur verschweigen, wie der Rösler und seine Brigade damals - man muss sie per definitionem aus den Augen aus den Sinn bewegen.

Wir haben also gar nicht so viel Armut. Und das bisschen Armut, das dann noch übrigbleibt, das will Nahles abgeschafft wissen. Mit Neudefinitionen. Und mit dem ewigen Spiel, das man spielt, wenn man oben sitzt. Man kann immer noch die eine Hälfte der Armen heranziehen, um die andere Hälfte der Armen in die Mangel zu nehmen. Man herrscht, wenn man teilt. So war es immer. Diesmal sind es illegale Einwanderer und junge Erwerbsgeminderte - »da haben wir es mit wirklicher Armut zu tun«, erklärte die Ministerin. Oho, ihr Hartz-IV-Bezieher, schaut genau hin, so sieht Armut nämlich wirklich aus. Das sind Arme! Euch geht es doch gut!

Und wenn man mal wieder eine alte Frau dabei beobachtet, wie sie im Mülleimer nach Pfandflaschen sucht, dann darf man sich sicher sein: Armut ist das nicht. Nein! Das ist einfach nur das Faible einer Frau, die ihren angeknacksten Reichtum kompensieren möchte. Kleptomanen stehlen ja auch eher selten aus der Not heraus. Es ist der Nervenkitzel. Und wer sagt denn, dass die Suche nach Pfandflaschen nicht kitzeln könnte? Dass ihre Grundsicherung nicht ausreicht, ist nur ein Gerücht, bloß böse Unterstellung. Sie hat immerhin 55 Prozent des mittleren Einkommens in der Tasche. Ist das etwa nichts?

Es ist keine gerechte Politik von dieser Frau Nahles zu erwarten. Weil sie die Realität nicht nur ausblendet und ignoriert, sondern auch noch beschönigt. Das war mal ihr eigener O-Ton. Sie hat völlig recht mit dieser Einschätzung gehabt. Na also, von ihr kommt nicht nur Quark. Und wir indes wissen, was nicht zu erwarten ist: Gerechte Politik.

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Glattrasiert und aus dem Westen

Freitag, 27. März 2015

Von der Augenwischerei der Sicherheitspolitik.

Jahrelang hat man der Öffentlichkeit deutlich gemacht, dass so ein Flug eine sensible Angelegenheit ist. Das Cockpit gehört ordentlich verschlossen, damit keiner eindringen kann, um das Flugzeug als Waffe zweckzuentfremden. Tja, nun kam die Gefahr aus dem Cockpit selbst und für Sicherheitskonzeptler und -politiker ist das eine Abfuhr und eine Lehre.

Es ist vielleicht zynisch, die Ereignisse um den Absturz der Germanwings-Maschine für eine Art Parabel benutzen zu wollen. Aber ab und an sind Pietätlosigkeiten vielleicht notwendig. Seit vielen Jahren schon ist es das Konzept der Sicherheitspolitik, den Luftweg strikten Sicherheitsvorkehrungen zu unterwerfen. Man tat das, um sich vor Terroristen zu schützen. Sie sollten nie mehr ein Flugzeug entführen und als Waffe benutzen können. Das World Trade Center sollte sich niemals mehr wiederholen. Bärtige Männer mit Herkunft aus dem Nahen oder Mittleren Osten waren Ziel eines Verfahrens, das Rasterfahndung hieß, eigentlich ethisch verpönt und gerichtlich unterbunden wurde, aber dennoch Anwendung fand. Als Gefahr für Leib und Leben unschuldiger Reisender war dieses Stereotyp auserkoren. Nun war es ein glattrasierter Mann aus dem Westen, der wahllos Menschen mit in den Tod riss.

Die Gefahr kam gewissermaßen aus dem inneren Zirkel. Es brauchte keinen Terroristen, wie man ihn sich ausmalt. Es war ein Co-Pilot, der seine Schutzbefohlenen terrorisierte. Und man muss denen, die Konzepte mit Stereotypen ausarbeiten, die alle möglichen Unsicherheitsfaktoren ausschließen wollen und glauben, die komplette Überwachung und Filzung von Fluggästen verhindere weitere Zwischenfälle, einfach mal sagen: Dieser Absturz beweist, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Die Gefahr ist ein allgegenwärtiges Problem, dem man nicht aus dem Weg gehen kann. Man kann sie nie wegplanen. Und je drastischer man es tut, desto widerlicher tritt man die Würde und die Freiheit der Menschen und erreicht letztlich doch keine Hundertprozentigkeit.

Oder was ist nun die Alternative? Will man jetzt Maßstäbe anlegen wie damals, als Fanatiker diese größten Terroranschlag aller Zeiten verübten? Das heißt, will man schwarze Listen einführen, Piloten durchleuchten, sie nach ihrem Privatleben ausforschen und so weiter und so fort? Maßnahmen nach dem Handbuch des Law and Order einleiten? Wann wird der erste geltungssüchtige Hinterbänkler aufschreien, dass Piloten unter spezielle Überwachung gehören? Und dann, sind wir dann alle froh und zufrieden, weil wieder eine Gefahrenquelle vermeintlich ausgeschlossen ist? Ist das die freiheitliche Gesellschaft, die wir alle so schätzen und die wir am Hindukusch verteidigen lassen?

Dieser Absturz ist durchaus auch als eine Parabel zu betrachten. Denn man ist nie wirklich sicher. Verschärft die Maßnahmen noch so sehr! Am Ende sind Menschen am Werk. Menschen und ihre Fehler. Menschen und ihre Schwächen. Menschen und ihre Melancholien. Psychisch lädierte Menschen. Und dagegen kann nichts wirken. Nichts. Das ist der Preis der Freiheit. Irgendwer kann immer gefährlich werden. Schreibt euch das auf die Fahnen, ihr Schilys, Schäubles, Friedrichs und wie ihr alle heißt. Das ist kein Trost in dieser Stunde. Keine Frage. Aber es ist einer von vielen Blickwinkeln auf die Ereignisse. Und vielleicht war alles ja auch etwas anders. Dann will ich nichts gesagt haben.

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Der Tod formt die ideale Alterspyramide

Donnerstag, 26. März 2015

Der Zusammenbruch der gesetzlichen Rente ist nahe, orakelt Guru Hans-Werner Sinn mal wieder. Und wie alle Berserker gegen die gesetzliche Rente, weint auch er der idealen Alterspyramide nach. Das ist nicht nur fadenscheinig. Es ist der Ruf nach einer morbiden Gesellschaft.

Der demographische Wandel ist ja immer noch Thema für manche Publikation. »Focus Online« (das mittlerweile sogar die »Bild-Zeitung« in Sachen Niveaulosigkeit abhängt) kramt dafür mal wieder Professor Sinn aus der Mottenkiste. Der jongliert mit Zahlen und erklärt, dass in einigen Jahren die Babyboomer in die Rente pilgern. »Dann werden […] achteinhalb Millionen weniger Personen im erwerbsfähigen Alter« sein, analysiert er. Und damit das ausgeglichen werden könnte, »seien theoretisch 32 Millionen mehr Arbeitskräfte nötig«. Diese Verhältnismäßigkeit von Einzahlern und Rentnern belegt, dass der ifo-Leiter durchaus der Ansicht ist, dass eine »ideale Alterspyramide« notwendig sei, um die staatliche Rente zu erhalten.

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Der Josef, der heilig wurde, weil er sein Maul hielt

Mittwoch, 25. März 2015

Peter Hahne gehört zu den konservativsten Meinungsmachern, die dieses Land hervorbringt. Jetzt moniert er in der »Bildzeitung«, dass ein katholischer Kindergarten nach einer Abstimmung nicht den Namen »St. Josef« annehmen werde. Das sei fatal, denn der heilige Josef sei ein leuchtendes Vorbild. Denn »Josef [habe] sich zu Jesus, dem Kind seiner Verlobten Maria bekannt, obwohl es ein Kuckuckskind war.«

Es sind immer wieder solche seltsamen Ideale, Vor- und Leitbilder, Wertevorstellungen und Ehrgefühle, die den hiesigen Konservatismus prägen. Jede Nische des alltäglichen Bedarfs und der gesellschaftlichen Wahrnehmung wird mit diesem seltsamen Blick auf die Welt verstellt. Leben auf diesem Planeten ist für den Conservative Way of Life immer ein Zustand, der mit Ehre und Pflicht und der Einsicht gepaart ist, dass man an dem Platz im Leben zu stehen habe, wohin es einen verschlägt. Auch wenn es ungerecht ist, auch wenn man eigentlich nur »raus« möchte. Und es sind zum Beispiel genau jene konservativen Kriegsbereite, die immer wieder in ihren Gazetten trommeln und kriegerische Politiker unterstützen, die dieses konservative Ehrgefühl stimulieren. Denn Krieg ist für sie immer noch ein Feld der Ehre. Pflicht und Erfordernis und Schuldigkeit. Eine Schuldigkeit, mit der Hahne Josef veredelt. Er lief nicht weg. Er blieb. Und er kämpfte um sein Weib, das ihn beschissen hat.

Oho, das ist wirklich vorbildlich, was Josef ausgehalten hat. Lassen wir mal die Geschichte so stehen, dass Jesus nicht sein Kind war. Dann sagt uns Hahne, dass es als Mann gewissermaßen richtig und angebracht ist, das Gevögele seiner Partnerin zu ertragen und auch die Konsequenzen, die sie unter ihrem Herzen trägt, anständig zu akzeptieren. Denn dorthin, wo es einen Mann verschlägt, sollte er ja auch bleiben. Ehre und so. Anstand definiert sich also in Hahnes Augen so, dass man seinen Mund nicht aufmacht, sondern hinnimmt, aushält und billigt. Ach, ihr wollte übrigens einen Link zu seinem Statement? Vergesst es!

Josef ist auch nur so ein Vorzeigebürger im Weltbild des Konservatismus. Ein Duchmäuser, Angsthase und Arschkriecher. Ein stiller Mensch, der sein Leid ertragen hat, ohne sein Maul aufzureißen. Nicht verwunderlich also, dass einer wie Hahne ihn chic findet, ihn für ein Vorbild par exellence hält. Nichts beanstanden, Schnauze halten und das Kuckuckskind einfach hinnehmen: Dann ist man jemand, den das Konservative liebhaben kann. Der Gehörnte, der keine Widerworte gibt, der ist ein Traum für diese Leute. Gehörnte Bürger, die nicht wütend werden und demonstrieren, die wären fast so angesehen wie Josef. Deswegen ist »St. Josef« so ein schöner Name für eine Einrichtung.

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 24. März 2015

»Großvater Schädel ruht noch immer
In einem Feld beim früheren Stalingrad.
Von einem T-34 zermalmt,
Fiel er im Osten für westliche Werte.

Heute liegt die Front schon
Am Hindukusch und es fallen
Die Willigen nur. Frei,
Abgesehen von den anderen.

Uns schicken unsere Damen und Herren
Nicht massenhaft in die Front.
Wo kämen wir da auch hin!
So viele gute Kunden.

Westliche Werte - Aktienwerte,
Konto, Kreditkarte für uns,
Für den Rest der Welt
Brot und Drohnen.

Bezahlt
Wird später«

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Die rechte und die linke Hand des Gabriel

Montag, 23. März 2015

Manchmal weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut. In einer Koalition kommt das unter verschiedenen Zeitgenossen oder Ministerien recht oft vor. Gabriel schafft es aber, dass er am eigenen Leib nicht weiß, was seine rechte Hand treibt, während er mit der linken an Themen herumnestelt.

Letzte Woche verkündete er großspurig, dass die Bundesregierung »in die Debatte über die Neuregelung von Werkverträgen und Leih- und Zeitarbeit einsteigen« werde. Die Regierung habe nämlich »etwas dagegen, dass Werkverträge missbraucht werden, um Geschäftsmodelle zu etablieren, die letztlich auf der gesetzwidrigen Ausbeutung von Menschen beruhen«. Nun könnte man gleich mal fragen, ob es ein Recht auf gesetzeskonforme Ausbeutung von Menschen gibt. Aber das führt nun mal wieder zu weit. Kurzum, er kündigte an, dass etwas geschehen sollte, um die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen zu stoppen. Ein neuer Gesetzesrahmen, neue Regelungen und vielleicht ja auch verstärkte Kontrollen und Bestrafungen. Gabriel spielt die Karte des Gesetzgebers. An sich nicht übel, was er mit seiner linken Hand so anstellt. Aber wo ist noch gleich die rechte?

Nicht in der Hosentasche jedenfalls. Mit der rechten Hand klammert er sich an das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten. Ständig macht er Werbung dafür, was für ein tolles Ding TTIP doch eigentlich sei. Zuletzt tobte er sich bei der »Bildzeitung« aus. Alle Vorzüge notierte er. Argumente, die nur schwer nachvollziehbar waren.

Und diese rechte Hand kann mit dem, was er mit der linken Hand anpackt, gar nichts anfangen. Im TTIP-Raum könnten Gesetzespassagen, die den freien Wettbewerb in Gefahr bringen, von Schiedsgerichten unter Ausschluss der Öffentlichkeit aufgehoben werden. Im Nordamerikanischen Freihandelsabkommen zwischen Kanada, den USA und Mexiko ist es jedenfalls eher nicht zur Besserstellung prekärer Arbeitsverhältnisse gekommen. Wenn die Regierung also nun sagt, dass sie dem Schindluder, das mit Leih- und Zeitarbeit getrieben wird, endlich einen Riegel vorschieben will, dann gilt das nur solange, wie es dieses Freihandelsabkommen mit seinem libertären Verständnis von Ökonomie nicht gibt. Ein amerikanischer Wettbewerber könnte so zum Beispiel monieren, dass Gesetze zur Besserstellung von Leih- und Zeitarbeit den Wettbewerbsvorteil einschränkten und lähmten.
Und flugs setzt man sich zusammen und »berät«.

Gabriel zeichnet das Dilemma einer Sozialdemokratie nach, die jetzt über Jahre hinweg in einem Zustand fehlender Ideale und Leitbilder dämmert. Man setzt gelegentlich gut an, versucht sich linker Hand als Streiter der kleinen Leute. Und auf der anderen Seite schüttelt man die Pfoten jener Raubkatzen, die die Gesellschaft und das Gemeinwesen als zu reißende Gazelle betrachten. Macht mit am großen Raubzug am öffentlichen Eigentum und den Errungenschaften des Sozialstaates. Kein Wunder, dass der Parteivorsitzende schon mehr als zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl das Kanzleramt aufgegeben hat. Er ahnt wohl, dass mit diesem Kurs nichts zu holen ist.

Der Volksmund sagt über einen, dem nichts gelingt, er hätte zwei linke Hände. Manch einer bräuchte aber genau die, damit ihm mal wieder was gelingt.

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Neben Idioten sehen Idioten richtig gut aus

Freitag, 20. März 2015

Ich kann verstehen, dass die Ohnmacht, die diese Alternativlosigkeit konzipiert zur Destruktivität führt. Zu Gewaltbereitschaft und zu einer Art Hedonismus, der sich an der Zerstörung labt. Ich verstehe, dass die Wut zu Kopf steigt und dort Denkmodi freisetzt, die Fäuste ballen oder Steine werfen lässt. Ich kann nachvollziehen, dass die Machtlosigkeit in den neoliberalen Weltenläuften Aggression gebiert. Wie oft bin ich wütend und wie oft möchte ich einfach nur dreinschlagen!

Man kann die Motive, den Antrieb dahinter verstehen. Gerade wenn man aus einem Milieu kommt, das gegen diesen Weltentwurf aufbegehrt. Es gibt ja immer nachvollziehbare Argumente und Beweggründe. Und man darf sie nicht einfach ausblenden. Aber um Himmels Willen, glauben diese Leute wirklich, das EZB-Regime und die Despotie des Neoliberalismus ließen sich mit dieser Methode irgendwie aufhalten. Glauben sie, die wären davon auch nur im geringsten beeindruckt? Wenn sie das glauben, dann sind sie doch das, was ich ihnen nicht unterstellen wollte obgleich ihres Benehmens. Dann sind sie doch dumm, kurzsichtig und leben in einer Traumwelt.

Der Polizei kann man nicht alles in die Schuhe schieben. Sie deeskalierte nicht. Fachte an. Schlug ordentlich auf Leute ein, die schon hilflos am Boden lagen. Augenzeugenberichte bestätigten das. Kein Wunder, wenn selbst Politiker via Twitter Rechtfertigungen für Polizeigewalt finden. Trotz dieses eklatanten Missstandes, der einem Rechtsstaat nicht gerecht wird, es gab ja durchaus auch brutale EZB-Gegner, Schläger im Namen der politischen Alternative und linke Typen, die es ordentlich krachen ließen. Und diese Leute machen nicht Werbung für eine alternative Ökonomie, die sich irgendwie attraktiv in Szene setzen könnte neben der neoliberalen Ordnung. Sie unterstreichen damit nur, dass es keine Alternative zu geben scheint. Denn wenn Steine, brennende Autos und Prügel das einzige sind, was man als Argument anbringen kann, dann kann es mit einer neuen Ordnung nicht so weit her sein.

Je dumpfer sich diese Leute auf die Gewalt einlassen, sei sie gezielt und durch die Ordnungskräfte provoziert, desto mehr sieht es für die Menschen da draußen so aus, als ob die EZB und ihre Krisen- und Austeritätsökonomie das Maß der Vernunft sind. Neben Idioten sehen Idioten manchmal richtig fesch aus. Neben Leuten, die keine Argumente zu haben scheinen, sehen Leute, die keine Argumente für ihren Kurs haben, beinahe wie Leute aus, die genau wüssten, was sie da treiben.

Nein, die vergreifen sich nicht einfach nur in den Mitteln für eine eigentlich anständige Sache. Sie schaden der anständigen Sache. Eine Neuausrichtung der Globalisierung, ein Kapitalismus, der reguliert und an die Leine gehört und der Menschen in den Vordergrund stellt und nicht reine Gewinninteressen, sind mit solchen Methoden niemanden schmackhaft zu machen.

Ich verstehe, dass die Polizeipräsenz und diese EZB, die sich feiert und die so tut, als mache sie das Richtige, das Gefühl der Ohnmacht verstärken. Und was soll man auch tun? Man kann friedlich demonstrieren. Nur was bringt es? Es kratzt keinen. So wenig, wie die Randale. Sie machen einfach weiter. Immer weiter. Und dann wäre da noch politische Einflussnahme? Ja, das könnte eventuell ein Mittel sein. Aber »Die Linke« wählen viele dieser Linken erst gar nicht, weil sie sagen, die Partei klebe immer noch im Kapitalismus fest. Na dann. So gibt es eben gar keinen anderen Ansatz. Alternativlosigkeit. Merkel verkündet sie. Und diese Simpel wirken mit. Als Randalierer und als solche, die politische Einflussnahme kategorisch ausschließen. Und die EZB und die Troika stehen daneben und sehen aus wie der bessere Weg. Man kann sich eben auch selbst im Weg stehen.

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Der deutsche Mittelfinger

Donnerstag, 19. März 2015

In Griechenland galoppiert die Armut, aber die deutsche Öffentlichkeit interessiert sich nur für den Mittelfinger des griechischen Finanzminister. Dabei kann man den Stinkefinger auch zeigen, ganz ohne ihn zu zeigen.

Hat er nun oder hat er nicht? Ist diesem Varoufakis ein Stinkefinger raus gerutscht? Und wenn ja, ist das überhaupt so schlimm? Ganz andere sind damit schon hausieren gegangen. Nein, nicht Effenberg oder Steinbrück. Eher so Leute von Format. So richtig große Provokateure der Historie. Der Diogenes aus der Tonne zum Beispiel. Der soll vor Christi Geburt schon den Athenern »Fuck you!« empfohlen haben. Wir sehen also, dieses Fingerspiel hat Tradition. Und obwohl sich die Deutschen gerne mal als Traditionalisten empfinden, scheint ihnen die Pflege dieses hübschen Brauches nun nicht so unbedingt zu gefallen. Und das, obgleich die Regierung der Deutschen auch traditionalistisch nach Griechenland fingert. Unter anderem.

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Willkommen und gute Rückreise

Mittwoch, 18. März 2015

Willkommenszentrum. Da ist es ja schon wieder, dieses Wort. Der Tauber will welche für Einwanderer und die Vision der europäischen Abschottungsminister ist es, einen Kordon aus solchen Zentren entstehen zu lassen. Und zwar dort, wo es brennt. Im Maghreb, an den Schwellen Europas - oder sagen wir es richtiger: Noch vor dem Absatz.

Das hätte Vorteile, sagt uns die konservative Presse. Die Flüchtlinge müssten nicht mehr über Zäune steigen. Man könnte sie Willkommen heißen und ihre Aufnahmeanträge mit gelassener Ruhe bearbeiten. Vor Ort, direkt am Menschen. Bei einem Gläschen Selters und Schnittchen. Die Leute müssten nicht mehr von Schlepperbanden über den halben Kontinent verfrachtet werden, sondern könnten zu den Zentren schlendern. Mit ihren Familien an der Hand. Zum Sonntagsausflug gewissermaßen. Das klingt alles zu schön um wahr zu sein. Und es klingt so, weil es eben nicht die Wahrheit ist. Wer sich vorstellt, dass Flucht so funktioniert und sich so kanalisieren lässt, der dokumentiert nur, dass er in einer Traumwelt weilt. Oder einfach nur die Menschen verblöden will.

Europa will über diese Willkommenszentren keine Entspannung für die Menschen schaffen, die es in ihrer Heimat nicht mehr aushalten. Es will Auslese betreiben. Noch an Ort und Stelle. Denn Schwarze, die Zäune stürmen, geben für Europa kein günstiges Bild ab. Die Ertrinkenden im Mittelmeer machen dieses Bild so düster wie ein Gemälde von Hieronymus Bosch.

Die Anhänger dieser Zentren werben mit der menschlichen Tragödie. Sie sagen, dass nur der einen Asylantrag stellen kann, der die Grenzen illegal überwindet. Also sollte man das Verfahren ändern und Willkommenszentren einrichten, damit die Leute noch vor dem Betreten des europäischen Rasens einen Antrag einreichen können. Dieses Argument ist unglaubwürdig. Man wird noch vor Ort die Spreu vom Weizen trennen, um bürokratisch nicht überlastet zu sein und die Leute nicht ewig im »Speckgürtel« der Willkommenszentren behalten zu müssen.

Der ganze Zynismus unserer Zeit schlägt bei diesem Thema durch. Tut er ja in vielen Bereichen. Aber so direkt und mit so viel Chuzpe wohl nirgends. Willkommen sind diese Leute nicht mal dann, wenn sie auf dem Absatz stehen bleiben und  um Eintritt bitten. Es ist willkommen, dass sie auf dem Absatz kehrt machen. Und exakt das ist der Grund für solche Zentren. Sie sollen aussortieren, vielleicht mal einen oder zwei Flüchtlinge, die man irgendwie auf dem europäischen Arbeitsmarkt dringend benötigen könnte, durchwinken - und der Rest hatte seine Chance. Gute Rückreise noch und nehmen Sie sich am Ausgang doch noch Haribo für Ihre Kinder mit. Wir sind ja keine Unmenschen, nicht wahr.

Die existenzielle Not der Menschen, die sich irgendwo eine Welt suchen, in der sie existieren können und dafür alles zurücklassen, seien es nun die greisen Eltern, manchmal ihre Kinder, die Ehepartner, Heimat, Freunde, ihre kulturellen Wurzeln und was man eben so hat, wenn man wo lebte, kanalisiert man nicht, indem man den Leuten sagt, sie sollen ihr Herz ausschütten und dann wieder abreisen. Wer das als Lösung des Problems ansieht, der spottet dem Elend. Willkommenskultur ist das nicht. Es ist Abschottung.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 17. März 2015

»Verzicht auf Denken ist geistige Bankrotterklärung. Wo die Überzeugung aufhört, daß die Menschen die Wahrheit durch ihr Denken erkennen können, beginnt der Skeptizismus. Diejenigen, die daran arbeiten, unsere Zeit in dieser Art skeptisch zu machen, tun dies in der Erwartung, daß die Menschen durch Verzicht auf selbsterkannte Wahrheit zur Annahme dessen, was ihnen autoritativ und durch Propaganda als Wahrheit aufgedrängt werden soll, gelangen werden.
Die Rechnung ist falsch. Wer der Flut des Skeptizismus die Schleusen öffnet, daß sie sich über das Land ergieße, darf nicht erwarten, sie nachher eindämmen zu können. Nur ein kleiner Teil derer, die sich entmutigen lassen, in eigenem Denken Wahrheit erreichen zu wollen, findet Ersatz dafür in übernommener Wahrheit. Die Masse selbst bleibt skeptisch. Sie verliert den Sinn für Wahrheit und das Bedürfnis nach ihr und findet sich darein, in Gedankenlosigkeit dahinzuleben und zwischen Meinungen hin- und hergetrieben zu werden.«
- Albert Schweitzer, Wie wir überleben können -

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Der Kanzler, der gekonnt, wenn er gewollt hätte

Montag, 16. März 2015

Steinbrück gab dem »Spiegel« kürzlich ein viel beachtetes Interview. Er gab zu, dass er und seine Partei Fehler im Wahlkampf 2013 gemacht hätten. Man hätte parteiintern ein falsches Bild vom Land gehabt und gemeint, die Sozialdemokratie könne als Erlöser auftreten. Themen hätte man zudem verfehlt. Es war auch viel unausgereifter Unsinn bei seinen Erklärungen dabei. Ein besonders großer Quatsch war die Sache, dass er keine Chance auf die Kanzlerschaft hatte.

Schon im Frühjahr 2013 sei die Sache gelaufen gewesen. Aus vielen Gründen. Er habe Fehler im Bezug auf seine Honorare gemacht, die er einstrich und über die er nicht wirklich sprechen wollte. Außerdem hätten die Deutschen ein Verlangen nach einer Sachwalterin des »Weiter so!« gehabt und sie in Frau Merkel gefunden. Es war ihm seither eigentlich klar, dass das Projekt gescheitert war. Später ist man ja klüger und kann so tun, als habe man es immer schon gewusst. Aber eine Randnotiz erwähnt der Mann mit keiner Silbe. Er hätte am Abend des 22. September 2013 faktisch Bundeskanzler sein können. Es hätte nicht mehr gebraucht als die Bereitschaft, sich mit den Linken an den Tisch zu setzen.

Klar, bereits an diesem Abend haben Sozialdemokraten die sich anbahnende rot-rot-grüne Mehrheit als Gerücht abgewimmelt. Dazu werde es niemals kommen. Kam es ja auch nicht. Aber der Mann sollte sich nicht hinstellen und so tun, als habe er keine Chance gehabt. Er hatte sie. Und nicht nur das. Er hatte eine realistische Aussicht darauf, seine Bundeskanzlerschaft zu erlangen. Ob das jetzt ein herber Verlust ist, dass er es letztlich nicht wurde, sei mal dahingestellt. Nur so eindeutig war die ganze Angelegenheit jedenfalls nicht. Und dass er in dem Interview kein Sterbenswörtchen darüber verliert, dokumentiert bloß, wie es mit dem kollektiven Gedächtnis bestellt ist.

Denn Leute wie Gysi, Wagenknecht oder Ernst haben zumindest Gesprächsbereitschaft signalisiert. Sie wollten den Mindestlohn ad hoc umsetzen. Einen, der bei zehn Euro in der Stunde liegen sollte. Ein Bekenntnis dazu und in dem Moment wäre Steinbrück faktisch Kanzler gewesen. Trotz seiner Geschichte vom Frühjahr 2013, wo schon alles verloren schien. Aber die Sozialdemokratie wollte nicht. Sie vereitelte den Mindestlohn zunächst und erarbeitete später einen, der ein sonderbares Gemisch aus Ausnahmeregelungen und Sonderfällen ist.

Steinbrück sagt dem »Spiegel« übrigens auch noch, dass eine kleine Unternehmerin im Wahlkampf auf ihn zuging und ihm sagte, dass der Mindestlohn zwar gut sei, aber sie habe weniger als den Mindestlohn als Selbstständige. Wo mache er sich denn für sie und ihre Interessen stark? Sein Fazit: Seine Partei habe die falschen Themen behandelt. Sie hätte mehr auf Unternehmer zugehen müssen. Dass aber ein gut dotierter Mindestlohn auch den Selbstständigen geholfen hätte, weil deren Kundschaft plötzlich etwas besser bei Kasse gewesen wäre, blendet der Mann, der Volkswirt ist und von sich behauptet, ökonomisches Verständnis zu haben, einfach mal wieder aus.

So gesehen, vielleicht ganz gut, dass er der Kanzler ist, der nicht gewollt hat. Andererseits, was haben wir stattdessen? Man kann es drehen und wenden wie man will, irgendwie alles schrecklich desillusionierend.

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§ 140 SGB III, Zumutbare Beschäftigungen

Freitag, 13. März 2015

Ich klemmte mich mal wieder ans Telefon. Eine Stellenanzeige versprach mir ein gutes Auskommen. Ich war skeptisch, aber so wie die Dinge lagen, musste etwas geschehen. Und dass die Anzeige nicht gleich mit einem Spitzenlohn aufwartete, beruhigte mich ein wenig. Ihre Bescheidenheit gefiel mir. Mehr ist in solchen Dingen oft weniger. Dass keine Vorkenntnisse nötig waren, machte die Sache rund. Aber Strohhalm bleibt nun mal Strohhalm. Man klammert sich daran, aber er knickt letztlich weg wie ein Nasenhaar bei der Morgenrasur.

»Gärtner«, meldete sich eine Frauenstimme.
   »Ich rufe wegen Ihrer Annonce an. Da steht drin, dass Sie jemanden suchen für Telefondienste im Bezug auf Eigenheime. Was genau bedeutet das denn?«
   »Wir machen mal einen Termin aus und dann präsentiere ich Ihnen das.«
   Die Frau hatte ihr Büro irgendwo an der A6, weit weg von hier.
   »Entschuldigung, aber ich kann nicht mal einfach so vorbeikommen.«
   Sie hüstelte.
   »Die Präsentation geht telefonisch. Sie müssen dazu aber ihren Rechner anschalten. Ich notiere mir jetzt Ihre Telefonnummer und Ihre e-Mail-Adresse und schicke Ihnen einen Link. Den klicken Sie an, wenn wir telefonieren. Es werden sich Schaubilder öffnen und ich erkläre Ihnen was dazu.«
   Sachen gabs. Ich war damit einverstanden und sagte zu, am Freitag meinen Hörer abzuheben, sollte das dazugehörige Telefon gegen Eins klingeln.

Und dann war Freitag und es wurde Eins und der Apparat schrillte.
   Ich hob ab und die Stimme der Frau begrüßte mich freudig und hieß mich gleich die Links zu öffnen. Sie verschenkte keine Sekunde und legte sofort los, stellte sich nochmal vor und sagte einige vage Sätze zum Aufgabenfeld, das man bald abdecken sollte. Konkret wurde sie nicht. Jedenfalls verstand ich nicht so richtig, um was es eigentlich gehen sollte. Um Wohneigentum. Das hatte ich verstanden. Ihr Text war auf jeden Fall einstudiert, vielleicht las sie ihn auch ab oder sie hatte ein Tonband eingeschaltet.
   »Fast 60 Prozent der Menschen in Deutschland leben in Miete. Die Wohneigentumsquote ist bei uns sehr gering im Vergleich zum Ausland.«
   Ich schwieg andächtig. Das passte zur Liturgie einer Telefonkonferenz, fand ich.
   Sie rechnete einige Beispiele durch. Wenn man zwanzig Jahre Miete bezahlt zum Beispiel, dann kämen so und so viele Euro zusammen, die man ja auch hätte in den Erwerb von Wohneigentum hätte stecken können. Mir fiel auf, dass sie die Nebenkosten in das Exempel einbaute und verschwieg, dass auch bei einer Eigentumswohnung oder einem Haus Nebenkosten entstehen.
   »... und nun ist es doch so, dass wir alle irgendwann mal das Ziel vor Augen haben, aus der Miete auszubrechen, um ein eigenes Objekt zu erwerben, nicht wahr ...«
   »Ist das so?«, unterbrach ich sie.
   »Na, etwa nicht?«
   »Ich finde, dass auch die Miete Vorteile haben kann.«
   »So? Da sind Sie aber der einzige Mensch auf Erden, der das so sieht.«
   »Kann sein, aber das ändert ja nichts am Argument, oder?«
   Sie schwieg einen Augenblick.
   »Es ist doch so, dass ich als Mieter Risiken abwende, die ein Besitzer hat. Wenn heute mal eine Wand zerbröselt, sage ich es dem Vermieter und bin aus dem Schneider. Das muss man schon auch mal sehen.«
   »Das ist eine eigenartige Sicht auf die Dinge.«
   »Alles hat Vor- und Nachteile. Was ist daran eigenartig?«
   Sie hüstelte leise und atmete schwer weiter.
   »Ich bin nicht der Typ für so viel Eigenverantwortung, wissen Sie. Am Ende liegt der Hausbesitzer wie der Mieter auch in einem unterirdischen Einzimmerobjekt, wenn Sie verstehen, worauf ich hinauswill.«
   »Mein lieber Herr, wollen wir weitermachen oder lassen wir es gleich bleiben. Ich werde den Eindruck nicht los, dass Sie nicht die richtige Person für die Stelle sind.«
   »Erzählen Sie bitte weiter. Jetzt habe ich mir extra den Nachmittag freigehalten.«

Das tat sie dann auch. Sie stellte noch manche krumme Rechnung auf, wandte Suggestion an und versuchte sich in Küchentischpsychologie. Was aber genau die Aufgabe gewesen wäre, die ich in dem Spiel übernehmen sollte, begriff ich bis zum Ende nicht. Vielleicht war ich auch einfach nur zu blöd dazu. Ganz koscher schien mir die Show auf alle Fälle nicht gewesen zu sein. Zwei- oder dreimal lachte ich dann noch dezent auf und die Gärtner bat um Konzentration. Ausdauer hatte sie. Und ich Zigaretten. Ihre Verbissenheit musste man ihr lassen. Sie zog es durch, obgleich ich kein Kandidat für sie war. Die nahm ihren Job echt ernst. Als sie mit ihren Ausführungen schloss, legte ich ohne ein Wort zu vergeuden auf und wälzte wieder mal die Stellenanzeigen. Auch andere Arbeit konnte man mir schließlich zumuten.

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Ohne Fehl am Tadel

Donnerstag, 12. März 2015

Politik ist entweder die Kunst des Machbaren oder der Kampf um die rechte Ordnung. Oder ganz etwas anderes. Sie scheint heute aber mehr denn je die Kunst des Tadelns und der Standpauke zu sein.
»Schäuble-Rüffel für Griechen«, war letztens wieder zu lesen. Und Merkel tadelte Putin, während Kauder damit beschäftigt war, die Syriza-Regierung zu rügen. Bosbach wetterte bei Jauch gegen die neue griechische Regierung. Steinmeier machte es seiner Chefin nach und tadelte – ebenfalls Putin. Gauck kritisierte derweil Erdogan. Rüffeln, tadeln, rügen, wettern, kritisieren. Ist das aus dem politischen Alltagsgeschäft geworden? Eine Standpauke, die uns Bürgern zeigen soll, dass sie es richtig drauf haben, diese Damen und Herren? Ist Politik die Kunst des Tadelns geworden? Eines Tadelns, bei dem man sich von Journalisten begleiten lässt, die dann wiederum schreiben: »Oho, Politiker X hat es dem oder dem mal so ordentlich gegeben«?

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Na Neger, komm ich zeig dir mal 's Reich

Mittwoch, 11. März 2015

Der CDU-Generalsekretär ist eine seltsame Figur. Selbige macht er auch oft. Auf Plakaten und intellektuell. Bei ersteren gibt er sich betont cool. Cooler, als es ein Onkel aus seiner Partei überhaupt sein kann. Eine seltsame Figur gibt er wie gesagt auch bei manchen Themen ab, die er so behandelt. Jetzt bringt er ein Zuwanderungssystem ins Gespräch, bei dem jeder Zuwanderer einen Paten an die Hand kriegen sollte.

Herr Meier aus dem Erdgeschoss
und seine Patenkinder
In Kanada soll es wohl so laufen. Und Tauber findet, dass es in Deutschland auch so gehen könne. Ein Pate kümmere sich dann um den Zuwanderer, erklärt ihm die deutsche Politik und Geschichte und bringt ihm »unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung« nahe. Außerdem seien Einwanderer keine Bittsteller mehr, weil sie in »Willkommenszentren« ihre Dinge regeln könnten. Bei letzterer Sache muss man sich keine Hoffnungen machen. Zentren gibt es viele im Lande. Man hat welche geschaffen. Jobcenter zum Beispiel. Dort gibt es aber keine Jobs. Nur Zumutbarkeit. Und Sanktionen, wenn man nicht spurt. Ob Willkommenszentren also Orte des Näherkommens sind, bleibt abzuwarten. Politik in Deutschland heißt besonders, sich den Kopf um Euphemismen zu zerbrechen. Wenn dann der neue liebliche Name steht, wenn er süßlich in den Gehörgängen zischt, dann glauben alle, sie hätten die Welt verändert und klopfen sich anerkennend auf die Schulter.

Tauber spricht also die Willkommenskultur an. Offenheit. Weltzugewandheit. Aber dann will er Menschen, die nach Deutschland kommen, irgendeinen alten Zausel an die Hand kleben, der ihnen erklärt, wie »unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung« funktioniert. Anders gesagt: Man muss den dummen Ausländern mal erklären, wie das so läuft in der Freiheit und in der Demokratie. Man muss ihnen auch gleich mal jeden autoritären oder fundamentalistischen Unterton austreiben, indem man ihnen darlegt, wie der Laden hier zu aller Zufriedenheit läuft. Willkommen im Willkommenszentrum ...

Und überhaupt, wer qualifiziert sich als Pate? Kann das jeder machen? Auch der Typ aus dem Erdgeschoss, der dauernd auf die Roma schimpft, junge Leute Kiffer schimpft und Sarrazin den letzten standhaften Sozialdemokraten nennt? Ja, von so einem kann man gewiss viel über Deutschland lernen. Von dem oder den anderen 61 Prozent aller Bundesbürger, die Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern strikt ablehnen. Das gäbe ein Bild für die Götter ab, wenn eine dieser AfD-esken Gestalten mit einem Afrikaner an der Hand flanieren ginge und ihm sagte: »Na, komm mal mit mein lieber Neger, ich zeig dir mal 's Reich.« Das hat fast so ein bisschen was wie früher, als man noch wer war in Namibia oder Deutsch-Ostafrika.

Klar, Tauber schwört auf die Zivilgesellschaft. Sie ist  ja auch billig. Freiwilliges Engagement ist der Schnäppchenmarkt eines Staates, der sich aus allen Bereichen zurückzieht und sagt: »Macht das selbst mit euch aus.« Manchmal kann man das akzeptieren. Hin und wieder ist ein solches Engagement ja auch gut. Aber ausgerechnet die Zuwanderung in Hände potenzieller Ausländerhasser, Islamophober und Geschichtsklitterer zu legen, das ist schon ein Stück ausgewiesener Betriebsblindheit.

Und dann sollen die Paten auch noch deutsche Politik und Geschichte vermitteln. Paten, die aus einem Land stammen, in dem RTL und die Bildzeitung immer noch starke Massenmedien sind. Aus einem Land, in der die Allgemeinbildung stagniert. Aus einem Land, in dem Bohlens Biographien weggingen wie Freibier. Ja, ist klar. Es werden sich nur die Belesenen melden, um mit dem Einwanderern Gassi zu gehen. Und am Ende weiß dann jeder Afrikaner, der es ins Land schafft, dass Honecker der zweite Bundespräsident der Bundesrepublik war, der noch von Hitler ins Amt kooptiert wurde und der als erste Amthandlung diesen Tauber zum Innovationsminister ernannte.

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 10. März 2015

»Sie lesen mit schöner Regelmäßigkeit: Aus bisher ungeklärter Ursache hat sich aus der Waffe des Beamten ein Schuss gelöst. Schüsse sind wie Giftstoffe. Solange sie aus Polizeiwaffen kommen. Ich habe noch nie gelesen, dass sich aus der Waffe eines Verbrechers ein Schuss gelöst hätte. Die müssen andere Modelle verwenden. Die haben diese altmodischen Dinger. Die muss man immer noch abfeuern.«

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Die Eier der Journalisten

Montag, 9. März 2015

Die »Frankfurter Allgemeine« hat ausprobiert, ob der Frankfurter Flughafen sicher ist. Siehe da, er ist es nicht besonders. Eine Warnweste reiche schon, um ohne Kontrollen auf das Flugvorfeld zu gelangen. Da ist man als Zeitung natürlich stolz. Weil irgendwie investigativ. Aber man arbeitet so auch rege mit am gesamtgesellschaftlichen Überwachungskonzept.

Law-and-Order-Leute aus der Politik waren ja immer für die lückenlose Überwachung, für mehr Kontrollen und Security. Zeitungen, so will es jedenfalls der Idealfall, sollten auch diesen politischen Typus, der maßlose Beaufsichtigung für lobenswert erachtet, publizistisch hinterfragen. Die »Frankfurter Allgemeine« unterstützte diese Leute jetzt allerdings mal wieder. Sie will beweisen, dass Sicherheitsstandards immer noch zu locker gehandhabt werden und weitere Verschärfungen rechtfertigen. Fakten liefern und sie generalisieren. Fakten hinterfragen und sie entschärfen: Fehlanzeige. Man spielt denen in die Hände, die es rigider wollen, die dafür sind, es polizeistaatlicher und repressiver zu gestalten. Denen, die die allgemeine Angst als Maßstab für deren Gesellschaftskonzept missbrauchen und Ordnung mit Furcht und Schrecken gleichsetzen.

Sie nennt ihren Beweis ein »offenes Tor für Terroristen« und strickt damit weiter an der Absicht, die ganze Gesellschaft terrorfest zu machen. Auf Kosten der Freiheit natürlich. Polizeiverstaatlichung als publizistische Marschroute. Futter für die Hardliner, die die Gesellschaft zu einem Ort machen wollen, in der es in ganz engen Bahnen der Sicherheit vorangeht und die letztlich trotzdem nicht sicher sein wird. Denn Terroristen finden immer einen Weg. Wer aber keinen Weg mehr findet, dass sind die Bürger, die keine bösen Absichten haben, aber von abgerichteten Kontrolletis begutachtet, gefilzt, ausgefragt, beobachtet, observiert und durchleuchtet werden. Sie sind die Opfer einer Politik, die dann sagt, lest mal in der »Frankfurter Allgemeinen« wie man nur mit Warnweste über den Jäckchen bekleidet, einen Terrorakt begehen kann.

Der investigative Ansatz mag ja gut gemeint gewesen sein. Aber er ist letztlich auch nur ein Ansatz, um den Überwachungsstaat mit all seinen zu überwachenden Nischen zu rechtfertigen. An sich erinnert das alles an das Narrativ von den Atommeilern, die von Flugzeugentführern angesteuert werden könnten. Wer hatte die Idee zuerst? Ein Terrorist, der es seinem Friseur erzählte und der wiederum ging damit hausieren? Oder ein Journalist? Was war zuerst da? Ei oder Huhn? Oder gackern die Terroristen nur die gelegten Eier der Journalisten nach? Haben Journalisten, die Furcht schüren, überhaupt Eier? Aber das ist eine völlig andere Frage ...

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Die Zeitung, die eben kein Kleinkind ist

Freitag, 6. März 2015

Warum ich die Bildzeitung nicht ignoriere.

Sebastian Baumer hat vor einigen Tagen erklärt, dass er die Bildzeitung komplett ignoriere. Er möchte die Kampagnen dieser Zeitung nicht weiterverbreiten. Und das tue man gewissermaßen auch, wenn man eine negative Haltung zu diesem Blatt einnimmt. So ehrenhaft das Motiv dahinter ist, ich halte es für falsch, dieses Medium auszublenden.

Ist es so wie Baumer schreibt? »Ist es fast ausschließlich Empörung«, mit der die Öffentlichkeit der Bildzeitung begegnet? Alleine diesen Ansatz halte ich für zweifelhaft. Ja, die Leute winken ganz oft ab, wenn es um die Bildzeitung geht. Wenn aber die Headline mal wieder auf Empörung und auf »Zeitung des kleinen Mannes« macht, ist manche Ablehnung gleich passé. Stichwort »Florida-Rolf«. Die Zeitung, die angeblich jeder ablehnt oder nur negativ wahrnimmt, hat letztlich bewirkt, dass eine ganze Gesetzgebung verändert wurde, weil das Moralin des braven Bildlesers überkochte. Vor einigen Jahren schrieb ich dazu bereits: »Der Boulevard ist ausschlaggebender als der seriöse Journalismus; Berichte über Florida-Rolfs polarisieren mehr als Statistiken zur Altersarmut - der reißerische Text zu einem Mann, der im Ausland Sozialhilfe bezieht, kann Gesetzeslagen ändern; Statistiken ändern bestenfalls ihre Erhebungsmodifikationen.«

Das kann man nicht ignorieren. Oder sagen wir so: Man kann. Wie man alles irgendwie kann. Aber es ist letztlich keine Methode, um mit dem Dilemma fertig zu werden. Ignoranz gegen die Machenschaften der Bildzeitung ist letztlich die Grundlage ihres Geschäftsmodells. Je mehr Leute so tun, als sei nichts dabei, desto mehr Freifahrtscheine gehen in Druck. Ignorieren ist Herunterspielen. Und Herunterspielen ist auf perfide Weise eine Versachlichung. Denn wenn man über die miesen Tricks einer Zeitung nicht mehr spricht, dann ist sie ja Inventar. Normalität. Über die »Süddeutsche Zeitung« spricht man ja auch wenig. Genauso über die »Frankfurter Rundschau«. Bei den genannten Zeitungen gäbe es sicher viel zu kritisieren. Aber sind sie gleichrangig mit der Bildzeitung?

Nein, man kann diese »Zeitung« nicht einfach rechts liegen lassen. So zu tun, als sei man zu fein für sie, bedeutet letztlich nur, sie langsam aber sicher zu akzeptieren. Natürlich stimmt es auch, dass jede Kampagne, über die man sich aufregt, ein Geschenk für Kai Diekmann ist. Sie aber stillschweigend wirken zu lassen - und das tut sie zweifelsohne -, das ist das Gegenteil dessen, was es sein soll. Und somit das noch größere Geschenk.

»Wenn das kleine Kind keine Aufmerksamkeit mehr bekäme«, so schließt Baumer, dann wäre bald Ruhe. Aber die Bildzeitung ist kein kleines Kind. Und deren politische und gesellschaftliche Absichten sind kein Geplärre. Sie nimmt Einfluss auf das öffentliche Geschehen wie kaum ein anderes Medium im Lande. Wegschauen und so tun, als plärrt da keiner, geht völlig an der Sache vorbei. Wir dürfen uns die Bildzeitung nicht als nach Aufmerksamkeit gierendes Kleinkind vorstellen. Sie ist eine Erwachsene, die ganz genau weiß, was sie bezwecken will und wie sie instrumentalisieren muss, um ihre Vorstellungen zu verwirklichen.

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Heugabeln, Fackeln und der Rechstsstaat

Donnerstag, 5. März 2015

Die Affäre um Sebastian Edathy zeigt, dass der Rechtsstaat auf juristischer Ebene zwar intakt ist, aber von der Öffentlichkeit völlig falsch interpretiert wird. Für viele bedeutet Rechtsstaat zuweilen, wie empörte Bauern mit Heugabeln auf einen Verdächtigen oder Angeklagten loszugehen.

5.000 Euro und ein »Kinderficker« sei frei. So empörten sich einige Stimmen bei Facebook. Ferner hieß es dort, dass man in diesem Lande für eine geringe Sache wie Fahren ohne Führerschein schwer bestraft würde. Aber Edathy bliebe unbehelligt und komme davon. So einfach kann die Weltsicht im Rechtsstaat zuweilen sein.

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Deutsche sind Arschlöcher!

Mittwoch, 4. März 2015

und Griechen faul und Moslems gewaltbereit und Amerikaner dumm ...

Sie leben auf Kosten Europas. Exportieren Arbeitslosigkeit. Ihre Lohnzurückhaltung ist ein kontinentaler Jobkiller. Sie tragen Hartz IV nach Europa. Und den Sparkurs. Außerdem sind sie hässlich, frech und dünkelhaft. Tragen Sandalen über weiße Socken und kurze Hosen über der Feinrippunterhose. Wo ist das große Schild mit einem »No!« drauf und dem Aufruf »Wir sagen Nein zu den Deutschen und ihrer Lebensweise«?

Die Griechen sind gierig und verschleudern Milliarden. Und deshalb darf die Hetze wohl sein. Aber was Europa so von den Deutschen hält, das ist ein großes Tabu in diesem Land. Unter welchen Vorurteilen leidet das deutsche Ansehen? Einige wurden oben genannt. Viele davon sind aber eher Vorurteile von Kennern. Der normale Europäer sieht die Deutschen nicht als Wirtschaftshegemon, sondern als ein Volk von Menschen, die auftreten wie Kolonialherren. Bei Meetings in internationalen Konzernen ebenso, wie irgendwo am Strand im Urlaub. Sie sehen arrogante Typen. Winkelzüge und Falschheit. Und glauben, dass so gut wie jeder Deutsche eine innere SS-Uniform im geistigen Schrank hängen hat. Deutsche sind kalt und eingebildet. Deren Frauen schielen nur aufs Geld. Sind Nymphen, die ihre Impertinenz ins Gesicht geschrieben haben. Deutsche sind halt so. Man zuckt mit den Achseln und nimmt es hin. So waren sie doch immer, diese Leute aus dem Zentrum Europas. Arschlöcher eben.

Bei so vielen dummen Vorurteilen kann es einem schlecht werden, oder nicht? Als Deutscher liest man das wahrscheinlich und denkt sich: »Hm, so bin ich aber nicht. Oder nur teilweise. Im Urlaub zum Beispiel versuche ich nicht als Macker aufzutreten, sondern bin respektvoll und interessiere mich für die Kultur des Landes.« Aber es nützt ja nichts, denn Ressentiments sind hartnäckiger als Realitäten. Der Grieche ist einfach besser vorstellbar als fauler Lümmel, als eine Figur, die charmant ist, wenn sie Werbung für griechischen Joghurt macht, aber nicht, wenn es um Angelegenheiten der Europäischen Union geht. Als komplexes Wesen, das weder faul noch gierig ist, das sehr wohl eine Ordnung der Dinge kennt und unter einer Politik leidet, die Milliardäre ihm eingebrockt haben, will man es sich nicht denken. Aufwiegelung braucht Polarisierung. Nicht Komplexität.

Deutsche sind Arschlöcher! Sind sie es? Ich lebe mein ganzes Leben in diesem Land. Ich bin einer. Kein klassischer. Aber ich gehöre zum Personal dieser Republik und habe einen dazugehörigen Ausweis. Arschlöcher also? Ja, natürlich. Wie überall. Aber auch warmherzige Menschen. Manchmal. Hilfsbereit. Nicht selten. Freundlich. Na gut, das kommt nicht ganz so oft vor. Manche sind eben nicht ausländerfeindlich. Eben nicht kolonialistisch. Sie interessieren sich für afrikanische Mitbürger und organisieren internationale Feste. Sie hassen Merkels Europapolitik und wenden sich angewidert ab, wenn die Entourage der Kanzlerin der Großmannssucht frönt.

Aber Mensch, es ist doch so praktisch, wenn man mal pauschal aburteilt. Also, ihr Arschlöcher! Die Griechen sind faul. Die Moslems sind brutal. Amis blöde. Und ihr, ihr seid Arschlöcher. Durch die Bank. Alle. Keiner mag euch, weil ihr alle so mies seid. Wider aller Erfahrungen, die man mit euch noch so gesammelt hat. Völlig egal. Völker abkanzeln und über einen Kamm scheren, gegen sie aufhetzen und eine Stimmung verbreiten, die pogromatisch ist - das ist doch so viel einfacher. Schilder mit »No!« basteln, Selfies knipsen, sie an Zeitungen schicken und zeigen, wie sehr man ablehnt oder gar hasst, das macht doch das Leben erst lebenswert. Alles andere ist diffizil, braucht Verstand, Empathie und wer weiß was. Aber Empathie haben Arschlöcher natürlich nicht. So sind sie eben. Deutschland den Deutschen! Besser sie bleiben dort als in Europa.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 3. März 2015

»Das allgemeine Glück, getrennt von dem Glück der Individuen, ist eine sinnlose Phrase.«

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Die Alternative, diese traurige Figur

Montag, 2. März 2015

Es stimmt: »Der Revoluzzer als Schnorrer ist eine eher traurige Figur.« Das hat Jan Fleischhauer geschrieben. Umso schlimmer, dass die Einschätzung stimmt. Aber in dem Satz liegt die ganze Tragik unserer Zeit begriffen. Die Alternative tritt gewissermaßen als Hausierer und Nassauer auf.

Fleischhauer hat diese Wahrheit wohl eher zufällig formuliert. Das merkt man schon daran, dass er »diese offenen Hemden« thematisiert. Die würden nämlich so eine Art neuen Stil inszenieren. Cooler Auftritt statt Seriosität eben. Etwas, das für die Jugend was ist - oder ganz generell für Linke. Oder für Leute, die einfach bloß keine Ahnung haben und sich blenden lassen. Dabei sind offene Hemden für die Jugend so spießig wie Krawatten. Tsipras und seine Crew müsste dann schon mit Kaputzenpullover auftreten. Oder im Achselshirt. Das wäre die Inszenierung der Coolness. Aber so? Fleischhauer lebt in einem bürgerlichen Mikrokosmos, in der ein nicht in die Hose gestecktes Hemd schon die allergrößte Form von cooler Lebensart ist. Aber davon wollte ich ja eigentlich gar nicht sprechen ...

Ist die Alternative eigentlich organisierbar? Das ist die Frage, die der Mann vom Schwarzen Kanal so zufällig touchierte. Ist sie es? Kann man von Alternativen träumen, wenn sich die Welt rundherum alternativlos aufgestellt hat? Oder muss man in die Isolation? Sich abgrenzen? Und dann sein eigenes Ding durchziehen? Dergleichen gab es schon mal für eine Alternative. Sie hat sich dann zwar als große Scheiße erwiesen, aber dennoch, es war der Versuch eines anderen Gesellschaftskonzepts. In der Welt wie sie war konnte es nicht bestehen. Also gebar man den »Sozialismus in einem Land«. Bis der Krieg das »eine Land« um einige Satellitenländer bereicherte. Doch so oder so, da kommt nichts dabei raus. Mangelwirtschaft höchstens. Und natürlich Unterdrückung, wenn es besonders große Arschlöcher an die Spitze der isolierten Alternative schaffen.

So weit sind wir ja in Griechenland nicht. Isolation ist kein Thema. Kein Stalin im Anschlag. Aber der Revoluzzer gibt als Bittsteller eine traurige Figur ab. Er kann gar keine andere Figur abgeben. Er ist das Minderheitsvotum zwischen einer Mehrheit, die für sich den Weg der Alternativlosigkeit gewählt hat. Innerhalb des organisierten Neoliberalismus kann ein Weg abseits der Lehre gewissermaßen nicht mal gedacht werden. Und falls doch, sieht man eben wie ein Einfaltspinsel aus. Mit offenen Hemd, das aus der Hose lümmelt. Wie einer, der auf Revoluzzer macht und gar keinen Inhalt mit sich bringt. Der einen »Syriza-Kult« zelebriert, wo er Politik machen sollte. Politik, die freilich nach neoliberalen Kriterien abzuleisten wäre. Was denn sonst?

Es ist die Tragik unserer Zeit, die in diesem Typus der traurigen Figur steckt. Der Reformer ist quasi abgemeldet. Er wird als Popstar hingestellt. Als einer, der zwar rockt, aber sonst nichts kann oder weiß. Wir sehen an der griechischen Sache, dass die Alternative zum Neoliberalismus vielleicht noch in den Köpfen steckt. Noch nicht tot ist. Aber realiter scheint sie an der Mauer des einen, des unverbrüchlichen, des unersetzbaren Wirtschaftsglaubens abzuprallen. Nicht nur der Alternative gibt eine traurige Figur ab. Wir tun es als europäische Gesellschaft schlechthin. Denn wir organisieren uns nach Kosten und Nutzen und fragen nicht mehr nach, was wir eigentlich wollen. Traurige Figuren, traurige Zeiten ...

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