Aus fremder Feder

Dienstag, 31. März 2015

»Sofort nach der Vereidigung nahm Reagan den radikalen Umbau der amerikanischen Wirtschaft in Angriff. Der Kemp-Roth-Act sah die drastische Senkung von Einkommens- und Unternehmenssteuern in drei Stufen vor – der Spitzensteuersatz sollte dabei von 70 auf 50 Prozent sinken. Gleichzeitig sollten die Rüstungsausgaben massiv erhöht und die übrigen Staatsausgaben gesenkt werden. Das betraf alle Sozialprogramme, doch die meisten Ausgaben waren im Pensionssystem (Social Security) und in der Krankenversicherung für Rentner (Medicare) fest gebunden. Diese Programme nützten dem breiten Mittelstand und waren viel zu populär, als dass Reagan sie hätte antasten können. Die Kürzungen betrafen daher besonders solche Sozialprogramme, die von den ärmsten Schichten genutzt wurden wie Essensmarken, Wohnbeihilfen, kostenlose Schulspeisungen oder Umschulungen. Frauen, die Sozialhilfe bezogen, wurden von Reagans Leuten als »Welfare Queens« verunglimpft, die sich auf Kosten der Steuerzahler ein schönes Leben machten. Obwohl die Mehrheit der Sozialhilfeempfänger weiße Familien vom Land waren, sprach Reagan immer wieder von den »Schwarzen in den Städten«.
[...]
Die drastischen Kürzungen sozialer Leistungen jedoch verschlimmerten die Auswirkungen auf die Bevölkerung: Arbeitslose konnte ihre Familie kaum noch ernähren, die Obdachlosigkeit nahm stark zu, Familien verloren ihre Wohnungen und mussten in Notunterkünften Zuflucht suchen. Eine Million Amerikaner etwa lebten 1986 auf der Straße, ein Fünftel von ihnen war trotz eines Arbeitsplatzes obdachlos.«
- Eric Frey, »Schwarzbuch USA« -

Die Armut, die es nicht mehr gibt

Montag, 30. März 2015

oder Frau Nahles hat völlig recht gehabt.

Mal wieder gute Nachrichten aus dem Arbeitsministerium. Ministerin Nahles will der Armut ans Revers. Endlich. Es soll wieder weniger Arme geben. Zur Armutsbekämpfung ist jedes Mittel recht. Jetzt hat man sich mal wieder entschlossen, die Armutsdefinition zu überdenken.

Als einst die FDP den Armutsbericht beschönigte, da war der Aufschrei unter den Sozialdemokraten riesig. Auch Nahles mischte damals ordentlich mit. »Wer die Realität ausblendet und ignoriert, kann keine gerechte Politik machen«, sagte sie damals der SZ. Jetzt ist sie der Ansicht, dass es unanständig ist, die Leute als arm zu deklarieren, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Da müsse man umdenken. Dass der Paritätische Wohlfahrtsverband neulich festhielt, dass die Armut in Deutschland weiter gewachsen sei, hält sich daher für grundlegend falsch. Man brauche mehr »Sachlichkeit in der Debatte«. Anders gesagt, wer von der Armut im Lande spricht, der ist unsachlich. Man darf sie halt nicht nur verschweigen, wie der Rösler und seine Brigade damals - man muss sie per definitionem aus den Augen aus den Sinn bewegen.

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Glattrasiert und aus dem Westen

Freitag, 27. März 2015

Von der Augenwischerei der Sicherheitspolitik.

Jahrelang hat man der Öffentlichkeit deutlich gemacht, dass so ein Flug eine sensible Angelegenheit ist. Das Cockpit gehört ordentlich verschlossen, damit keiner eindringen kann, um das Flugzeug als Waffe zweckzuentfremden. Tja, nun kam die Gefahr aus dem Cockpit selbst und für Sicherheitskonzeptler und -politiker ist das eine Abfuhr und eine Lehre.

Es ist vielleicht zynisch, die Ereignisse um den Absturz der Germanwings-Maschine für eine Art Parabel benutzen zu wollen. Aber ab und an sind Pietätlosigkeiten vielleicht notwendig. Seit vielen Jahren schon ist es das Konzept der Sicherheitspolitik, den Luftweg strikten Sicherheitsvorkehrungen zu unterwerfen. Man tat das, um sich vor Terroristen zu schützen. Sie sollten nie mehr ein Flugzeug entführen und als Waffe benutzen können. Das World Trade Center sollte sich niemals mehr wiederholen. Bärtige Männer mit Herkunft aus dem Nahen oder Mittleren Osten waren Ziel eines Verfahrens, das Rasterfahndung hieß, eigentlich ethisch verpönt und gerichtlich unterbunden wurde, aber dennoch Anwendung fand. Als Gefahr für Leib und Leben unschuldiger Reisender war dieses Stereotyp auserkoren. Nun war es ein glattrasierter Mann aus dem Westen, der wahllos Menschen mit in den Tod riss.

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Der Tod formt die ideale Alterspyramide

Donnerstag, 26. März 2015

Der Zusammenbruch der gesetzlichen Rente ist nahe, orakelt Guru Hans-Werner Sinn mal wieder. Und wie alle Berserker gegen die gesetzliche Rente, weint auch er der idealen Alterspyramide nach. Das ist nicht nur fadenscheinig. Es ist der Ruf nach einer morbiden Gesellschaft.

Der demographische Wandel ist ja immer noch Thema für manche Publikation. »Focus Online« (das mittlerweile sogar die »Bild-Zeitung« in Sachen Niveaulosigkeit abhängt) kramt dafür mal wieder Professor Sinn aus der Mottenkiste. Der jongliert mit Zahlen und erklärt, dass in einigen Jahren die Babyboomer in die Rente pilgern. »Dann werden […] achteinhalb Millionen weniger Personen im erwerbsfähigen Alter« sein, analysiert er. Und damit das ausgeglichen werden könnte, »seien theoretisch 32 Millionen mehr Arbeitskräfte nötig«. Diese Verhältnismäßigkeit von Einzahlern und Rentnern belegt, dass der ifo-Leiter durchaus der Ansicht ist, dass eine »ideale Alterspyramide« notwendig sei, um die staatliche Rente zu erhalten.

Der Josef, der heilig wurde, weil er sein Maul hielt

Mittwoch, 25. März 2015

Peter Hahne gehört zu den konservativsten Meinungsmachern, die dieses Land hervorbringt. Jetzt moniert er in der »Bildzeitung«, dass ein katholischer Kindergarten nach einer Abstimmung nicht den Namen »St. Josef« annehmen werde. Das sei fatal, denn der heilige Josef sei ein leuchtendes Vorbild. Denn »Josef [habe] sich zu Jesus, dem Kind seiner Verlobten Maria bekannt, obwohl es ein Kuckuckskind war.«

Es sind immer wieder solche seltsamen Ideale, Vor- und Leitbilder, Wertevorstellungen und Ehrgefühle, die den hiesigen Konservatismus prägen. Jede Nische des alltäglichen Bedarfs und der gesellschaftlichen Wahrnehmung wird mit diesem seltsamen Blick auf die Welt verstellt. Leben auf diesem Planeten ist für den Conservative Way of Life immer ein Zustand, der mit Ehre und Pflicht und der Einsicht gepaart ist, dass man an dem Platz im Leben zu stehen habe, wohin es einen verschlägt. Auch wenn es ungerecht ist, auch wenn man eigentlich nur »raus« möchte. Und es sind zum Beispiel genau jene konservativen Kriegsbereite, die immer wieder in ihren Gazetten trommeln und kriegerische Politiker unterstützen, die dieses konservative Ehrgefühl stimulieren. Denn Krieg ist für sie immer noch ein Feld der Ehre. Pflicht und Erfordernis und Schuldigkeit. Eine Schuldigkeit, mit der Hahne Josef veredelt. Er lief nicht weg. Er blieb. Und er kämpfte um sein Weib, das ihn beschissen hat.

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 24. März 2015

»Großvater Schädel ruht noch immer
In einem Feld beim früheren Stalingrad.
Von einem T-34 zermalmt,
Fiel er im Osten für westliche Werte.

Heute liegt die Front schon
Am Hindukusch und es fallen
Die Willigen nur. Frei,
Abgesehen von den anderen.

Uns schicken unsere Damen und Herren
Nicht massenhaft in die Front.
Wo kämen wir da auch hin!
So viele gute Kunden.

Westliche Werte - Aktienwerte,
Konto, Kreditkarte für uns,
Für den Rest der Welt
Brot und Drohnen.

Bezahlt
Wird später«

Die rechte und die linke Hand des Gabriel

Montag, 23. März 2015

Manchmal weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut. In einer Koalition kommt das unter verschiedenen Zeitgenossen oder Ministerien recht oft vor. Gabriel schafft es aber, dass er am eigenen Leib nicht weiß, was seine rechte Hand treibt, während er mit der linken an Themen herumnestelt.

Letzte Woche verkündete er großspurig, dass die Bundesregierung »in die Debatte über die Neuregelung von Werkverträgen und Leih- und Zeitarbeit einsteigen« werde. Die Regierung habe nämlich »etwas dagegen, dass Werkverträge missbraucht werden, um Geschäftsmodelle zu etablieren, die letztlich auf der gesetzwidrigen Ausbeutung von Menschen beruhen«. Nun könnte man gleich mal fragen, ob es ein Recht auf gesetzeskonforme Ausbeutung von Menschen gibt. Aber das führt nun mal wieder zu weit. Kurzum, er kündigte an, dass etwas geschehen sollte, um die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen zu stoppen. Ein neuer Gesetzesrahmen, neue Regelungen und vielleicht ja auch verstärkte Kontrollen und Bestrafungen. Gabriel spielt die Karte des Gesetzgebers. An sich nicht übel, was er mit seiner linken Hand so anstellt. Aber wo ist noch gleich die rechte?

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Neben Idioten sehen Idioten richtig gut aus

Freitag, 20. März 2015

Ich kann verstehen, dass die Ohnmacht, die diese Alternativlosigkeit konzipiert zur Destruktivität führt. Zu Gewaltbereitschaft und zu einer Art Hedonismus, der sich an der Zerstörung labt. Ich verstehe, dass die Wut zu Kopf steigt und dort Denkmodi freisetzt, die Fäuste ballen oder Steine werfen lässt. Ich kann nachvollziehen, dass die Machtlosigkeit in den neoliberalen Weltenläuften Aggression gebiert. Wie oft bin ich wütend und wie oft möchte ich einfach nur dreinschlagen!

Man kann die Motive, den Antrieb dahinter verstehen. Gerade wenn man aus einem Milieu kommt, das gegen diesen Weltentwurf aufbegehrt. Es gibt ja immer nachvollziehbare Argumente und Beweggründe. Und man darf sie nicht einfach ausblenden. Aber um Himmels Willen, glauben diese Leute wirklich, das EZB-Regime und die Despotie des Neoliberalismus ließen sich mit dieser Methode irgendwie aufhalten. Glauben sie, die wären davon auch nur im geringsten beeindruckt? Wenn sie das glauben, dann sind sie doch das, was ich ihnen nicht unterstellen wollte obgleich ihres Benehmens. Dann sind sie doch dumm, kurzsichtig und leben in einer Traumwelt.

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Der deutsche Mittelfinger

Donnerstag, 19. März 2015

In Griechenland galoppiert die Armut, aber die deutsche Öffentlichkeit interessiert sich nur für den Mittelfinger des griechischen Finanzminister. Dabei kann man den Stinkefinger auch zeigen, ganz ohne ihn zu zeigen.

Hat er nun oder hat er nicht? Ist diesem Varoufakis ein Stinkefinger raus gerutscht? Und wenn ja, ist das überhaupt so schlimm? Ganz andere sind damit schon hausieren gegangen. Nein, nicht Effenberg oder Steinbrück. Eher so Leute von Format. So richtig große Provokateure der Historie. Der Diogenes aus der Tonne zum Beispiel. Der soll vor Christi Geburt schon den Athenern »Fuck you!« empfohlen haben. Wir sehen also, dieses Fingerspiel hat Tradition. Und obwohl sich die Deutschen gerne mal als Traditionalisten empfinden, scheint ihnen die Pflege dieses hübschen Brauches nun nicht so unbedingt zu gefallen. Und das, obgleich die Regierung der Deutschen auch traditionalistisch nach Griechenland fingert. Unter anderem.

Willkommen und gute Rückreise

Mittwoch, 18. März 2015

Willkommenszentrum. Da ist es ja schon wieder, dieses Wort. Der Tauber will welche für Einwanderer und die Vision der europäischen Abschottungsminister ist es, einen Kordon aus solchen Zentren entstehen zu lassen. Und zwar dort, wo es brennt. Im Maghreb, an den Schwellen Europas - oder sagen wir es richtiger: Noch vor dem Absatz.

Das hätte Vorteile, sagt uns die konservative Presse. Die Flüchtlinge müssten nicht mehr über Zäune steigen. Man könnte sie Willkommen heißen und ihre Aufnahmeanträge mit gelassener Ruhe bearbeiten. Vor Ort, direkt am Menschen. Bei einem Gläschen Selters und Schnittchen. Die Leute müssten nicht mehr von Schlepperbanden über den halben Kontinent verfrachtet werden, sondern könnten zu den Zentren schlendern. Mit ihren Familien an der Hand. Zum Sonntagsausflug gewissermaßen. Das klingt alles zu schön um wahr zu sein. Und es klingt so, weil es eben nicht die Wahrheit ist. Wer sich vorstellt, dass Flucht so funktioniert und sich so kanalisieren lässt, der dokumentiert nur, dass er in einer Traumwelt weilt. Oder einfach nur die Menschen verblöden will.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 17. März 2015

»Verzicht auf Denken ist geistige Bankrotterklärung. Wo die Überzeugung aufhört, daß die Menschen die Wahrheit durch ihr Denken erkennen können, beginnt der Skeptizismus. Diejenigen, die daran arbeiten, unsere Zeit in dieser Art skeptisch zu machen, tun dies in der Erwartung, daß die Menschen durch Verzicht auf selbsterkannte Wahrheit zur Annahme dessen, was ihnen autoritativ und durch Propaganda als Wahrheit aufgedrängt werden soll, gelangen werden.
Die Rechnung ist falsch. Wer der Flut des Skeptizismus die Schleusen öffnet, daß sie sich über das Land ergieße, darf nicht erwarten, sie nachher eindämmen zu können. Nur ein kleiner Teil derer, die sich entmutigen lassen, in eigenem Denken Wahrheit erreichen zu wollen, findet Ersatz dafür in übernommener Wahrheit. Die Masse selbst bleibt skeptisch. Sie verliert den Sinn für Wahrheit und das Bedürfnis nach ihr und findet sich darein, in Gedankenlosigkeit dahinzuleben und zwischen Meinungen hin- und hergetrieben zu werden.«
- Albert Schweitzer, Wie wir überleben können -

Der Kanzler, der gekonnt, wenn er gewollt hätte

Montag, 16. März 2015

Steinbrück gab dem »Spiegel« kürzlich ein viel beachtetes Interview. Er gab zu, dass er und seine Partei Fehler im Wahlkampf 2013 gemacht hätten. Man hätte parteiintern ein falsches Bild vom Land gehabt und gemeint, die Sozialdemokratie könne als Erlöser auftreten. Themen hätte man zudem verfehlt. Es war auch viel unausgereifter Unsinn bei seinen Erklärungen dabei. Ein besonders großer Quatsch war die Sache, dass er keine Chance auf die Kanzlerschaft hatte.

Schon im Frühjahr 2013 sei die Sache gelaufen gewesen. Aus vielen Gründen. Er habe Fehler im Bezug auf seine Honorare gemacht, die er einstrich und über die er nicht wirklich sprechen wollte. Außerdem hätten die Deutschen ein Verlangen nach einer Sachwalterin des »Weiter so!« gehabt und sie in Frau Merkel gefunden. Es war ihm seither eigentlich klar, dass das Projekt gescheitert war. Später ist man ja klüger und kann so tun, als habe man es immer schon gewusst. Aber eine Randnotiz erwähnt der Mann mit keiner Silbe. Er hätte am Abend des 22. September 2013 faktisch Bundeskanzler sein können. Es hätte nicht mehr gebraucht als die Bereitschaft, sich mit den Linken an den Tisch zu setzen.

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§ 140 SGB III, Zumutbare Beschäftigungen

Freitag, 13. März 2015

Ich klemmte mich mal wieder ans Telefon. Eine Stellenanzeige versprach mir ein gutes Auskommen. Ich war skeptisch, aber so wie die Dinge lagen, musste etwas geschehen. Und dass die Anzeige nicht gleich mit einem Spitzenlohn aufwartete, beruhigte mich ein wenig. Ihre Bescheidenheit gefiel mir. Mehr ist in solchen Dingen oft weniger. Dass keine Vorkenntnisse nötig waren, machte die Sache rund. Aber Strohhalm bleibt nun mal Strohhalm. Man klammert sich daran, aber er knickt letztlich weg wie ein Nasenhaar bei der Morgenrasur.

»Gärtner«, meldete sich eine Frauenstimme.
   »Ich rufe wegen Ihrer Annonce an. Da steht drin, dass Sie jemanden suchen für Telefondienste im Bezug auf Eigenheime. Was genau bedeutet das denn?«
   »Wir machen mal einen Termin aus und dann präsentiere ich Ihnen das.«
   Die Frau hatte ihr Büro irgendwo an der A6, weit weg von hier.
   »Entschuldigung, aber ich kann nicht mal einfach so vorbeikommen.«
   Sie hüstelte.
   »Die Präsentation geht telefonisch. Sie müssen dazu aber ihren Rechner anschalten. Ich notiere mir jetzt Ihre Telefonnummer und Ihre e-Mail-Adresse und schicke Ihnen einen Link. Den klicken Sie an, wenn wir telefonieren. Es werden sich Schaubilder öffnen und ich erkläre Ihnen was dazu.«
   Sachen gabs. Ich war damit einverstanden und sagte zu, am Freitag meinen Hörer abzuheben, sollte das dazugehörige Telefon gegen Eins klingeln.

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Ohne Fehl am Tadel

Donnerstag, 12. März 2015

Politik ist entweder die Kunst des Machbaren oder der Kampf um die rechte Ordnung. Oder ganz etwas anderes. Sie scheint heute aber mehr denn je die Kunst des Tadelns und der Standpauke zu sein.
»Schäuble-Rüffel für Griechen«, war letztens wieder zu lesen. Und Merkel tadelte Putin, während Kauder damit beschäftigt war, die Syriza-Regierung zu rügen. Bosbach wetterte bei Jauch gegen die neue griechische Regierung. Steinmeier machte es seiner Chefin nach und tadelte – ebenfalls Putin. Gauck kritisierte derweil Erdogan. Rüffeln, tadeln, rügen, wettern, kritisieren. Ist das aus dem politischen Alltagsgeschäft geworden? Eine Standpauke, die uns Bürgern zeigen soll, dass sie es richtig drauf haben, diese Damen und Herren? Ist Politik die Kunst des Tadelns geworden? Eines Tadelns, bei dem man sich von Journalisten begleiten lässt, die dann wiederum schreiben: »Oho, Politiker X hat es dem oder dem mal so ordentlich gegeben«?

Na Neger, komm ich zeig dir mal 's Reich

Mittwoch, 11. März 2015

Der CDU-Generalsekretär ist eine seltsame Figur. Selbige macht er auch oft. Auf Plakaten und intellektuell. Bei ersteren gibt er sich betont cool. Cooler, als es ein Onkel aus seiner Partei überhaupt sein kann. Eine seltsame Figur gibt er wie gesagt auch bei manchen Themen ab, die er so behandelt. Jetzt bringt er ein Zuwanderungssystem ins Gespräch, bei dem jeder Zuwanderer einen Paten an die Hand kriegen sollte.

Herr Meier aus dem Erdgeschoss
und seine Patenkinder
In Kanada soll es wohl so laufen. Und Tauber findet, dass es in Deutschland auch so gehen könne. Ein Pate kümmere sich dann um den Zuwanderer, erklärt ihm die deutsche Politik und Geschichte und bringt ihm »unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung« nahe. Außerdem seien Einwanderer keine Bittsteller mehr, weil sie in »Willkommenszentren« ihre Dinge regeln könnten. Bei letzterer Sache muss man sich keine Hoffnungen machen. Zentren gibt es viele im Lande. Man hat welche geschaffen. Jobcenter zum Beispiel. Dort gibt es aber keine Jobs. Nur Zumutbarkeit. Und Sanktionen, wenn man nicht spurt. Ob Willkommenszentren also Orte des Näherkommens sind, bleibt abzuwarten. Politik in Deutschland heißt besonders, sich den Kopf um Euphemismen zu zerbrechen. Wenn dann der neue liebliche Name steht, wenn er süßlich in den Gehörgängen zischt, dann glauben alle, sie hätten die Welt verändert und klopfen sich anerkennend auf die Schulter.

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 10. März 2015

»Sie lesen mit schöner Regelmäßigkeit: Aus bisher ungeklärter Ursache hat sich aus der Waffe des Beamten ein Schuss gelöst. Schüsse sind wie Giftstoffe. Solange sie aus Polizeiwaffen kommen. Ich habe noch nie gelesen, dass sich aus der Waffe eines Verbrechers ein Schuss gelöst hätte. Die müssen andere Modelle verwenden. Die haben diese altmodischen Dinger. Die muss man immer noch abfeuern.«

Die Eier der Journalisten

Montag, 9. März 2015

Die »Frankfurter Allgemeine« hat ausprobiert, ob der Frankfurter Flughafen sicher ist. Siehe da, er ist es nicht besonders. Eine Warnweste reiche schon, um ohne Kontrollen auf das Flugvorfeld zu gelangen. Da ist man als Zeitung natürlich stolz. Weil irgendwie investigativ. Aber man arbeitet so auch rege mit am gesamtgesellschaftlichen Überwachungskonzept.

Law-and-Order-Leute aus der Politik waren ja immer für die lückenlose Überwachung, für mehr Kontrollen und Security. Zeitungen, so will es jedenfalls der Idealfall, sollten auch diesen politischen Typus, der maßlose Beaufsichtigung für lobenswert erachtet, publizistisch hinterfragen. Die »Frankfurter Allgemeine« unterstützte diese Leute jetzt allerdings mal wieder. Sie will beweisen, dass Sicherheitsstandards immer noch zu locker gehandhabt werden und weitere Verschärfungen rechtfertigen. Fakten liefern und sie generalisieren. Fakten hinterfragen und sie entschärfen: Fehlanzeige. Man spielt denen in die Hände, die es rigider wollen, die dafür sind, es polizeistaatlicher und repressiver zu gestalten. Denen, die die allgemeine Angst als Maßstab für deren Gesellschaftskonzept missbrauchen und Ordnung mit Furcht und Schrecken gleichsetzen.

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Die Zeitung, die eben kein Kleinkind ist

Freitag, 6. März 2015

Warum ich die Bildzeitung nicht ignoriere.

Sebastian Baumer hat vor einigen Tagen erklärt, dass er die Bildzeitung komplett ignoriere. Er möchte die Kampagnen dieser Zeitung nicht weiterverbreiten. Und das tue man gewissermaßen auch, wenn man eine negative Haltung zu diesem Blatt einnimmt. So ehrenhaft das Motiv dahinter ist, ich halte es für falsch, dieses Medium auszublenden.

Ist es so wie Baumer schreibt? »Ist es fast ausschließlich Empörung«, mit der die Öffentlichkeit der Bildzeitung begegnet? Alleine diesen Ansatz halte ich für zweifelhaft. Ja, die Leute winken ganz oft ab, wenn es um die Bildzeitung geht. Wenn aber die Headline mal wieder auf Empörung und auf »Zeitung des kleinen Mannes« macht, ist manche Ablehnung gleich passé. Stichwort »Florida-Rolf«. Die Zeitung, die angeblich jeder ablehnt oder nur negativ wahrnimmt, hat letztlich bewirkt, dass eine ganze Gesetzgebung verändert wurde, weil das Moralin des braven Bildlesers überkochte. Vor einigen Jahren schrieb ich dazu bereits: «

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Heugabeln, Fackeln und der Rechstsstaat

Donnerstag, 5. März 2015

Die Affäre um Sebastian Edathy zeigt, dass der Rechtsstaat auf juristischer Ebene zwar intakt ist, aber von der Öffentlichkeit völlig falsch interpretiert wird. Für viele bedeutet Rechtsstaat zuweilen, wie empörte Bauern mit Heugabeln auf einen Verdächtigen oder Angeklagten loszugehen.

5.000 Euro und ein »Kinderficker« sei frei. So empörten sich einige Stimmen bei Facebook. Ferner hieß es dort, dass man in diesem Lande für eine geringe Sache wie Fahren ohne Führerschein schwer bestraft würde. Aber Edathy bliebe unbehelligt und komme davon. So einfach kann die Weltsicht im Rechtsstaat zuweilen sein.

Deutsche sind Arschlöcher!

Mittwoch, 4. März 2015

und Griechen faul und Moslems gewaltbereit und Amerikaner dumm ...

Sie leben auf Kosten Europas. Exportieren Arbeitslosigkeit. Ihre Lohnzurückhaltung ist ein kontinentaler Jobkiller. Sie tragen Hartz IV nach Europa. Und den Sparkurs. Außerdem sind sie hässlich, frech und dünkelhaft. Tragen Sandalen über weiße Socken und kurze Hosen über der Feinrippunterhose. Wo ist das große Schild mit einem »No!« drauf und dem Aufruf »Wir sagen Nein zu den Deutschen und ihrer Lebensweise«?

Die Griechen sind gierig und verschleudern Milliarden. Und deshalb darf die Hetze wohl sein. Aber was Europa so von den Deutschen hält, das ist ein großes Tabu in diesem Land. Unter welchen Vorurteilen leidet das deutsche Ansehen? Einige wurden oben genannt. Viele davon sind aber eher Vorurteile von Kennern. Der normale Europäer sieht die Deutschen nicht als Wirtschaftshegemon, sondern als ein Volk von Menschen, die auftreten wie Kolonialherren. Bei Meetings in internationalen Konzernen ebenso, wie irgendwo am Strand im Urlaub. Sie sehen arrogante Typen. Winkelzüge und Falschheit. Und glauben, dass so gut wie jeder Deutsche eine innere SS-Uniform im geistigen Schrank hängen hat. Deutsche sind kalt und eingebildet. Deren Frauen schielen nur aufs Geld. Sind Nymphen, die ihre Impertinenz ins Gesicht geschrieben haben. Deutsche sind halt so. Man zuckt mit den Achseln und nimmt es hin. So waren sie doch immer, diese Leute aus dem Zentrum Europas. Arschlöcher eben.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 3. März 2015

»Das allgemeine Glück, getrennt von dem Glück der Individuen, ist eine sinnlose Phrase.«

Die Alternative, diese traurige Figur

Montag, 2. März 2015

Es stimmt: »Der Revoluzzer als Schnorrer ist eine eher traurige Figur.« Das hat Jan Fleischhauer geschrieben. Umso schlimmer, dass die Einschätzung stimmt. Aber in dem Satz liegt die ganze Tragik unserer Zeit begriffen. Die Alternative tritt gewissermaßen als Hausierer und Nassauer auf.

Fleischhauer hat diese Wahrheit wohl eher zufällig formuliert. Das merkt man schon daran, dass er »diese offenen Hemden« thematisiert. Die würden nämlich so eine Art neuen Stil inszenieren. Cooler Auftritt statt Seriosität eben. Etwas, das für die Jugend was ist - oder ganz generell für Linke. Oder für Leute, die einfach bloß keine Ahnung haben und sich blenden lassen. Dabei sind offene Hemden für die Jugend so spießig wie Krawatten. Tsipras und seine Crew müsste dann schon mit Kaputzenpullover auftreten. Oder im Achselshirt. Das wäre die Inszenierung der Coolness. Aber so? Fleischhauer lebt in einem bürgerlichen Mikrokosmos, in der ein nicht in die Hose gestecktes Hemd schon die allergrößte Form von cooler Lebensart ist. Aber davon wollte ich ja eigentlich gar nicht sprechen ...

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