Ein hoffentlich unversöhnlicher Nachlass
Mittwoch, 6. März 2013
Versöhnt sich die Erdöl-Macht jetzt mit dem Westen?, fragt eine berüchtigte Tageszeitung heute. Das ist es, was man Chávez vorwarf. Saß er doch auf Erdöl und gestattete westlichen Petrokonzernen die Ausbeutung der Ressource nicht mehr.
Die erhoffte Versöhnung sieht in etwa so aus, dass Venezuela den Abbau seiner Ressourcen den westlichen Industrienationen über den Umweg von Konzernen erlauben, Verträge anerkennen sollte, in denen für eine kleine Entschädigung Milliarden für die westliche Petroindustrie möglich werden. Eine Gewinnbeteiligung oder Anteilseignerschaft wäre hierbei kaum angedacht. Venezuela hätte Militär zu stellen, für die Sicherheit zu bürgen, erhielte dafür Aufwandsentschädigung nebst Schmiergeld für die Eliten und wäre wieder in die westliche Wertegemeinschaft integriert. So oder so ähnlich läuft es andernorts ja auch.
Überhaupt von Versöhnung zu sprechen ist anzüglich. Die designierte Versöhnung ist als Erpressung gedacht, als sittenwidrige Vertragspartnerschaft und Betrug an den Venezolanern.
Die würden nämlich plötzlich von Bildungseinrichtungen und Krankenhäusern abgeschnitten, die ihnen die Verstaatlichung der Erdöl-Industrie einbrachte. Schmiergelder und Aufwandsentschädigung für Militär und Straßennutzung wären ja auch billiger zu haben.
Es war Chávez' Verdienst, dass er die Ressourcen Venezuelas als Chance für das Volk installierte und nicht als Chance für multinationale Konzerne, immer milliardenschwerer zu werden. Nicht alles mag gelungen sein, manches holperte, vielleicht war mit den Petromilliarden auch mehr soziales Netz möglich. Wobei man die Opposition des Landes nicht vergesse, die latent immer einen bürgerkriegsähnlichen Zustand erzeugte. Und es sei an García Márquez' alten und kranken General erinnert, der einem selbstgefälligen Europäer deutlich macht, dass die Südamerikaner nicht den Europäern gleichen müssen, und dass sie nicht erwarten sollten, dass sie in zwanzig Jahren alles das richtig machen müssen, was Europa in zweitausend Jahren falsch gemacht hatte. Manches durfte man mit europäischen Augen einfach nicht bewerten.
Chávez war ein streitbarer Mann. Aber mit dem Typus "korrupte Tropenmarionette" hat er gebrochen. Er war kein willfähriger Statthalter des Westens. Er hat die schöne versöhnliche Harmonie, die vorher herrschte, durchbrochen. Das wird man ihn über seinen Tod hinaus verübeln. Tut man jetzt schon. Der Spiegel verabschiedet sich von einem Narziss und Focus nennt ihn einen Wiedergänger Bolívars - beide geben damit den Steigbügelhalter "westlicher Versöhnungspolitik".
Ob da ein großer Mann gestorben ist, will ich nicht feststellen. Mir graut vor solchem Pathos. Gleichwohl ist Chávez' Tod ein Verlust, denn es geht mit ihm ein Mann, der als Gegenentwurf des Neoliberalismus personalisiert war; einer, der wenigstens den Versuch wagte, sich der herrschenden Lehre der Weltökonomie zu verweigern. Das hatte er mit einigen Despoten im arabischen Raum gemein - auch die probieren auf ihre Weise einen anderen Weg. Das war die ihm immer wieder angelastete "Gemeinsamkeit". Despotismus weitaus weniger.
Man kann nur hoffen, dass der Bolivarianismo unversöhnlich bleibt. Als Andenken an ihn und als Zukunftsperspektive für die Venezolaner. Und als schmerzhafter Stachel im Fleisch des Westens, als Gegenentwurf zur hiesigen ökonomischen (Un-)Kultur.
Dabei ist nicht die immer noch herrschende Armut im Karibikstaat gemeint, sondern die Einsicht, dass Politik nicht der Handlanger von Konzernen sein darf, sondern die Interessen der Allgemeinheit durchzusetzen hat - gegen alle Widerstände. Chávez hat keine Widerstände gescheut und wird so zur historischen Persönlichkeit über die südamerikanische Hemisphäre hinaus.
Die erhoffte Versöhnung sieht in etwa so aus, dass Venezuela den Abbau seiner Ressourcen den westlichen Industrienationen über den Umweg von Konzernen erlauben, Verträge anerkennen sollte, in denen für eine kleine Entschädigung Milliarden für die westliche Petroindustrie möglich werden. Eine Gewinnbeteiligung oder Anteilseignerschaft wäre hierbei kaum angedacht. Venezuela hätte Militär zu stellen, für die Sicherheit zu bürgen, erhielte dafür Aufwandsentschädigung nebst Schmiergeld für die Eliten und wäre wieder in die westliche Wertegemeinschaft integriert. So oder so ähnlich läuft es andernorts ja auch.
Überhaupt von Versöhnung zu sprechen ist anzüglich. Die designierte Versöhnung ist als Erpressung gedacht, als sittenwidrige Vertragspartnerschaft und Betrug an den Venezolanern.
Die würden nämlich plötzlich von Bildungseinrichtungen und Krankenhäusern abgeschnitten, die ihnen die Verstaatlichung der Erdöl-Industrie einbrachte. Schmiergelder und Aufwandsentschädigung für Militär und Straßennutzung wären ja auch billiger zu haben.
Es war Chávez' Verdienst, dass er die Ressourcen Venezuelas als Chance für das Volk installierte und nicht als Chance für multinationale Konzerne, immer milliardenschwerer zu werden. Nicht alles mag gelungen sein, manches holperte, vielleicht war mit den Petromilliarden auch mehr soziales Netz möglich. Wobei man die Opposition des Landes nicht vergesse, die latent immer einen bürgerkriegsähnlichen Zustand erzeugte. Und es sei an García Márquez' alten und kranken General erinnert, der einem selbstgefälligen Europäer deutlich macht, dass die Südamerikaner nicht den Europäern gleichen müssen, und dass sie nicht erwarten sollten, dass sie in zwanzig Jahren alles das richtig machen müssen, was Europa in zweitausend Jahren falsch gemacht hatte. Manches durfte man mit europäischen Augen einfach nicht bewerten.
Chávez war ein streitbarer Mann. Aber mit dem Typus "korrupte Tropenmarionette" hat er gebrochen. Er war kein willfähriger Statthalter des Westens. Er hat die schöne versöhnliche Harmonie, die vorher herrschte, durchbrochen. Das wird man ihn über seinen Tod hinaus verübeln. Tut man jetzt schon. Der Spiegel verabschiedet sich von einem Narziss und Focus nennt ihn einen Wiedergänger Bolívars - beide geben damit den Steigbügelhalter "westlicher Versöhnungspolitik".
Ob da ein großer Mann gestorben ist, will ich nicht feststellen. Mir graut vor solchem Pathos. Gleichwohl ist Chávez' Tod ein Verlust, denn es geht mit ihm ein Mann, der als Gegenentwurf des Neoliberalismus personalisiert war; einer, der wenigstens den Versuch wagte, sich der herrschenden Lehre der Weltökonomie zu verweigern. Das hatte er mit einigen Despoten im arabischen Raum gemein - auch die probieren auf ihre Weise einen anderen Weg. Das war die ihm immer wieder angelastete "Gemeinsamkeit". Despotismus weitaus weniger.
Man kann nur hoffen, dass der Bolivarianismo unversöhnlich bleibt. Als Andenken an ihn und als Zukunftsperspektive für die Venezolaner. Und als schmerzhafter Stachel im Fleisch des Westens, als Gegenentwurf zur hiesigen ökonomischen (Un-)Kultur.
Dabei ist nicht die immer noch herrschende Armut im Karibikstaat gemeint, sondern die Einsicht, dass Politik nicht der Handlanger von Konzernen sein darf, sondern die Interessen der Allgemeinheit durchzusetzen hat - gegen alle Widerstände. Chávez hat keine Widerstände gescheut und wird so zur historischen Persönlichkeit über die südamerikanische Hemisphäre hinaus.
10 Kommentare:
Vom Feinsten. Und davon gibt es nicht viel...
Ein würdevoller Nachruf - Danke Roberto !
Im letzten Absatz hast Du nochmal ganz besonders die Lebensleistung und den damit verbundenen weltweiten Impuls von Chavez hervorgehoben. Auch hierfür ein zusätzliches Dankeschön !
"Schön" auch der Nachruf auf Zeit.de:
"Putschist, Sozialist und Volkstribun"
Ich denk mir noch, der ist doch demokratisch gewählt worden?
Die Auflösung gleich im ersten Satz: "Was ihm mit einem Putsch NICHT gelang, schaffte er schließlich auf demokratischem Wege: Seit 1998 bestimmte Hugo Chávez als Präsident die Geschicke Venezuelas."
Ist das subtil, bitte? Aber wenn einer wirklich FÜR das Volk regiert, dann hat er in der westliche Wertegemeinschaft eh nix verloren.
Wunderbar geschrieben,es ist gut das es diesen Blogg gibt,denn da kann man gut lesen und wird zum Nachdenken angeregt,danke, weiter so
Hier ein Satz von Obama:
" Venezuela schlage "ein neues Kapitel in seiner Geschichte" auf, hieß es , in der Chávez' Name nur einmal vorkam, fast am Rande. Dieses Kapitel möge doch bitte Folgendes enthalten: "demokratische Prinzipien, Rechtsstaatlichkeit und Respekt für Menschenrechte". Punkt, aus. "
Ohne Worte...
Das, was er machen musste hat er getan!
Den substanziellen Reichtum des Landes nicht denen zu überlassen, die diesen Reichtum , nur als ihren persönlichen Reichtum begriffen haben, obwohl die Abhängigkeit des Landes vom Petrodollar damit nicht überwunden war, sondern vom weiteren Sprudeln der Ölquellen abhängig.
Wenn die Venezualer stark genug sind, werden sie auch eine Zukunft nach Chavez haben.
Die Chancen dafür sind nicht schlecht. Es gibt viele Länder auf der Welt, die schlechtere oder gar keine Voraussetzungen dafür haben.
Aber das ist hier ja ein Nachruf auf die Person Chavez.
Was die Hoffnungen der westlichen Presse und ihrer Zuflüsterer betrifft, so gründen sich diese wohl darauf, dass mit dem Tod der Person Chavez auch der Wille der Venezualer versiegt, eine Ökonomie aufzubauen, die mehr sein kann, als nur der Ausfluss betriebswirtschaftlichem Kalküls.
Es wäre bedauernswert, wenn diese Erkenntnis nur von einer Person abhängig wäre.
Gruss Troptard
ein wirklich schöner nachruf.
Die wahre Größe von Chavez wird wohl erst im historischen Rückblick, wenn sich schon niemand mehr an seine einstigen Gegenspieler erinnern kann, vollständig gewürdigt werden.
Man bedenke nur was John Perkins in seinem Buch "Bekenntnisse eines Economic Hit Man" über das Vorgehen der USA in Lateinamerika geschrieben hat. Vor diesem Hintergrund und dem Wissen um den Putsch gegen Chavez 2002, kann man den Willen und das Engagement dieses Mannes gar nicht hoch genug einschätzen. Natürlich ist während seiner Präsidentschaft auch vieles liegen geblieben bzw. falsch angegangen worden, das kann seine Verdienste um Venezuela bzw. Lateinamerika im Ganzen nicht schmälern.
Ich hoffe, dass die Venezolaner sein Vermächtnis bewahren und verteidigen werden. Denn, wenn man sich einmal Erkämpftes wieder aus der Hand nehmen läßt, wird es anschließend um ein Vielfaches schwerer, dieses wieder zurück zu erlangen.
So schließe ich mal mit Hugo Chavez:
"aquí no se rinde nadie,
aquí no se cansa nadie"
@troptard
Mit Deinem Beitrag bis Du nicht annähernd den wirklichen Verhältnissen in Venezuela nahegekommen und ebensowenig der Person Chavez.
Denk noch mal drüber nach!
Hugo Chavez war ein mutiger und tapferer Mann. Und spätestens seit er vor George W. Bush vor lauter Verachtung vor diesem Subjekt ausspuckte, war er eine historische Persönlichkeit !
Anton Chigurh
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