Das Grundeinkommen und die Scheißarbeit
Freitag, 15. März 2013
Eine Beipflichtung und Rezension.
Quelle: Westend Verlag |
Wer eine gerechte Umverteilung umsetzen möchte, der sollte vom Irrweg des Grundeinkommens wegkommen und sich für einen Mindestlohn stark machen. So schön die Idee dahinter ist, so sehr bauen die Apologeten des Grundeinkommens auf falsche Ansichten und bewirken das Gegenteil dessen, was sie eigentlich erreichen wollen. Heiner Flassbeck, Friederike Spiecker, Volker Meinhardt und Dieter Vesper machen deutlich, dass das Grundeinkommen in allen Varianten, die da so als Ideen herumschwirren, die Gerechtigkeitsfrage unterwandert und die Umverteilungsfrage auf Eis legt. Und sie nennen Gründe, weshalb das Grundeinkommen nicht halten kann, was es verspricht.
Ein berechtigter Einwand, den die Ökonomen aufzählen, ist: Wenn die Autarkie, die der Mensch einer Grundeinkommensgesellschaft genießt, weil er ja nicht mehr arbeiten muss, sondern kann oder darf, je nach Laune - wenn diese Autarkie also dazu führt, dass Arbeit nach eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen geleistet wird, dann mag das ein Aufschwung für Tätigkeiten sein, die man als Berufung wahrnimmt. Was aber geschieht mit Berufen? Wer schraubt Fahrgestelle zusammen und asphaltiert Straßen oder entertaint kleine Schreihälse? Autarke Erzieherinnen könnten sich ja auch nur die netten Kinder raussuchen. Eine unverbindliche Gesellschaft wäre das Resultat.
Seitdem Menschen der arbeitsteiligen Gesellschaft von Unabhängigkeit von der Erwerbsarbeit träumen, hoffen sie auf einen Typus Mensch, der freiwillig und aus rationalen Gründen arbeitet. Jeder hätte ja nun die Muße weniger zu arbeiten oder das zu tun, wonach einem der Sinn steht. Man führt dabei gerne Marx an, der über ein Ende der Arbeitsteilung sinnierte und meinte es sei irgendwann möglich "heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden." Diese Vorstellung der Autarkie ist führwahr sehr anziehend, aber undenkbar in einer Gesellschaft, die von so genannter Scheißarbeit abhängig ist. Von Arbeit, die keiner als Herausforderung sieht und die man als von der Erwerbsarbeit autarker Mensch niemals anpacken würde.
Das Wort Beruf kommt von Berufung. Luther soll es geprägt haben. (Im Zweifelsfall war es immer Luther.) Heute stehen Beruf und Berufung aber durchaus gegensätzlich da. Die Berufung käme vielleicht sogar gut weg, gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Altenheime hätten plötzlich Personal, Vorleser oder Zuhörer. Das Grundeinkommen würde Zeit loseisen und der Berufung Zeit schenken. Aber den Beruf, wer würde den wählen? Bestimmte Berufe würden bestimmt weiter erledigt. Andere jedoch sicherlich kaum. Wer geht freiwillig in die Kanalisation? Wer wäscht Scheiße aus Altenheimbettwäsche? Wer reinigt Fenster oder pflastert Schnellstraßen bei Wind und Wetter?
Das alles bedeutet nicht, dass man das negative Menschenbild der Neoliberalen teilen müsste, die da meinen, alimentierte Menschen würden es bevorzugen auszuschlafen und sich auszuruhen. Natürlich arbeiteten die Menschen auch dort, zumal einige Grundeinkommensmodelle auch einen Mehrertrag für die Arbeitsbevölkerung vorsähen. Aber zu positiv darf man das ja auch nicht sehen. Es ist ja mitnichten so, dass der Mensch ein bedingungslos edles Wesen ist, das in einem Idyll zu den nobelsten Taten fähig würde. Die Scheißarbeit fällt immer unter dem Tisch, wenn man den Garten Eden auf Grundeinkommensniveau beschreibt. Man spricht von ihr nicht, so als fiele sie einfach weg, als hätten wir es nicht mehr nötig zu schrauben, zu putzen oder zu warten. Oder meint mancher ein glückliches Menschengeschlecht auf Grundlage technischen Rückschritts zu ermöglichen? Polpotismus etwa? Back to the stones? So würde es eventuell wirklich funktionieren. Aber wer möchte das schon?
Flassbeck, Spiecker, Meinhard und Vesper bringen noch mehr Einwände. Einer wäre, dass das Grundeinkommen nicht ökologisch ist. Denn bringt der Staat sämtliche Steuereinnahmen zur Umverteilung auf, so fehlen ihm die Mittel, einen ordnungspolitischen Rahmen zu schaffen, in dem Klima- und Umweltschutz gestaltet werden kann. Wenn aber der Preismechanismus der Marktwirtschaft für eine nachhaltige Nutzung der Umwelt aufgehoben wird (d.h. umweltschädliches Produzieren steuerlich zu belasten und zu verteuern, um Verbraucher zu Alternativen zu bewegen), so wird ökologisches Wirtschaften nicht gelingbar gemacht.
Nun wird man einwenden, dass die Ökonomenriege den Arbeitszwang aufrechterhalten will. Und dass sie Interesse daran hat, dass ihnen jemand die Scheißarbeit erledigt. Letzteres mag stimmen. Denn jede Tätigkeit ist von gesellschaftlichen Nutzen. Es kommt aber darauf an, sie ordentlich zu entlohnen. Dass dies heute nicht immer, ja viel zu selten der Fall ist, leugnen die Ökonomen durchaus nicht. Sie sprechen sich dafür aus, dass in diesem System der Arbeitsbasiertheit dafür gesorgt sein muss, dass jeder sein Auskommen hat. Auch diejenigen, die in diesem System zeitweilig (oder aus welchen Gründen auch immer unbefristet) ohne Arbeit sind. Auch um Ideen, die anfangs attraktiv klingen, wie eben jenes Grundeinkommen, die aber ins Gegenteil weisen, nicht moralisch zu stärken. Hier kommt der Mindestlohn ins Spiel, als die weitaus bessere Alternative zu einem Modell, dass zwar versorgt, aber diese Versorgung zwangsläufig auf ein Niveau hinabdrückt, das nicht gewollt sein kann.
Irrweg Grundeinkommen: Die große Umverteilung von unten nach oben muss beendet werden von Heiner Flassbeck, Friedericke Spiecker, Volker Meinhardt und Dieter Vesper ist im Westend Verlag erschienen.
Ein berechtigter Einwand, den die Ökonomen aufzählen, ist: Wenn die Autarkie, die der Mensch einer Grundeinkommensgesellschaft genießt, weil er ja nicht mehr arbeiten muss, sondern kann oder darf, je nach Laune - wenn diese Autarkie also dazu führt, dass Arbeit nach eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen geleistet wird, dann mag das ein Aufschwung für Tätigkeiten sein, die man als Berufung wahrnimmt. Was aber geschieht mit Berufen? Wer schraubt Fahrgestelle zusammen und asphaltiert Straßen oder entertaint kleine Schreihälse? Autarke Erzieherinnen könnten sich ja auch nur die netten Kinder raussuchen. Eine unverbindliche Gesellschaft wäre das Resultat.
Seitdem Menschen der arbeitsteiligen Gesellschaft von Unabhängigkeit von der Erwerbsarbeit träumen, hoffen sie auf einen Typus Mensch, der freiwillig und aus rationalen Gründen arbeitet. Jeder hätte ja nun die Muße weniger zu arbeiten oder das zu tun, wonach einem der Sinn steht. Man führt dabei gerne Marx an, der über ein Ende der Arbeitsteilung sinnierte und meinte es sei irgendwann möglich "heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden." Diese Vorstellung der Autarkie ist führwahr sehr anziehend, aber undenkbar in einer Gesellschaft, die von so genannter Scheißarbeit abhängig ist. Von Arbeit, die keiner als Herausforderung sieht und die man als von der Erwerbsarbeit autarker Mensch niemals anpacken würde.
Das Wort Beruf kommt von Berufung. Luther soll es geprägt haben. (Im Zweifelsfall war es immer Luther.) Heute stehen Beruf und Berufung aber durchaus gegensätzlich da. Die Berufung käme vielleicht sogar gut weg, gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Altenheime hätten plötzlich Personal, Vorleser oder Zuhörer. Das Grundeinkommen würde Zeit loseisen und der Berufung Zeit schenken. Aber den Beruf, wer würde den wählen? Bestimmte Berufe würden bestimmt weiter erledigt. Andere jedoch sicherlich kaum. Wer geht freiwillig in die Kanalisation? Wer wäscht Scheiße aus Altenheimbettwäsche? Wer reinigt Fenster oder pflastert Schnellstraßen bei Wind und Wetter?
Das alles bedeutet nicht, dass man das negative Menschenbild der Neoliberalen teilen müsste, die da meinen, alimentierte Menschen würden es bevorzugen auszuschlafen und sich auszuruhen. Natürlich arbeiteten die Menschen auch dort, zumal einige Grundeinkommensmodelle auch einen Mehrertrag für die Arbeitsbevölkerung vorsähen. Aber zu positiv darf man das ja auch nicht sehen. Es ist ja mitnichten so, dass der Mensch ein bedingungslos edles Wesen ist, das in einem Idyll zu den nobelsten Taten fähig würde. Die Scheißarbeit fällt immer unter dem Tisch, wenn man den Garten Eden auf Grundeinkommensniveau beschreibt. Man spricht von ihr nicht, so als fiele sie einfach weg, als hätten wir es nicht mehr nötig zu schrauben, zu putzen oder zu warten. Oder meint mancher ein glückliches Menschengeschlecht auf Grundlage technischen Rückschritts zu ermöglichen? Polpotismus etwa? Back to the stones? So würde es eventuell wirklich funktionieren. Aber wer möchte das schon?
Flassbeck, Spiecker, Meinhard und Vesper bringen noch mehr Einwände. Einer wäre, dass das Grundeinkommen nicht ökologisch ist. Denn bringt der Staat sämtliche Steuereinnahmen zur Umverteilung auf, so fehlen ihm die Mittel, einen ordnungspolitischen Rahmen zu schaffen, in dem Klima- und Umweltschutz gestaltet werden kann. Wenn aber der Preismechanismus der Marktwirtschaft für eine nachhaltige Nutzung der Umwelt aufgehoben wird (d.h. umweltschädliches Produzieren steuerlich zu belasten und zu verteuern, um Verbraucher zu Alternativen zu bewegen), so wird ökologisches Wirtschaften nicht gelingbar gemacht.
Nun wird man einwenden, dass die Ökonomenriege den Arbeitszwang aufrechterhalten will. Und dass sie Interesse daran hat, dass ihnen jemand die Scheißarbeit erledigt. Letzteres mag stimmen. Denn jede Tätigkeit ist von gesellschaftlichen Nutzen. Es kommt aber darauf an, sie ordentlich zu entlohnen. Dass dies heute nicht immer, ja viel zu selten der Fall ist, leugnen die Ökonomen durchaus nicht. Sie sprechen sich dafür aus, dass in diesem System der Arbeitsbasiertheit dafür gesorgt sein muss, dass jeder sein Auskommen hat. Auch diejenigen, die in diesem System zeitweilig (oder aus welchen Gründen auch immer unbefristet) ohne Arbeit sind. Auch um Ideen, die anfangs attraktiv klingen, wie eben jenes Grundeinkommen, die aber ins Gegenteil weisen, nicht moralisch zu stärken. Hier kommt der Mindestlohn ins Spiel, als die weitaus bessere Alternative zu einem Modell, dass zwar versorgt, aber diese Versorgung zwangsläufig auf ein Niveau hinabdrückt, das nicht gewollt sein kann.
Irrweg Grundeinkommen: Die große Umverteilung von unten nach oben muss beendet werden von Heiner Flassbeck, Friedericke Spiecker, Volker Meinhardt und Dieter Vesper ist im Westend Verlag erschienen.
45 Kommentare:
Es ließe sich auch argumentieren, dass die Scheißarbeit schon heute nur unter Zwang erledigt wird. Anstatt dafür ein Mindesteinkommen zu gewähren (wie großzügig), sollte Scheißarbeit nicht eher mit einem Hochlohn vergütet werden um auch dafür einen Anreiz zu schaffen?
Wenn die Menschen durch ein Grundeinkommen vom Zwang zum Gelderwerb entbunden wären, gäe es übrigens sicherlich auch weniger verhaltensauffällige Kinder
Was ändert ein Mindestlohn an der fortschreitenden Automatisierung und dem Ausschluss weiterer Menschen aus dem Produktionsprozess? Was hat das freigesetzte Humankapital von einem Mindestlohn? Wo dessen Bedeutung und Höhe angesiedelt ist, sehen wir ja gerade. Feilschen wie auf einem Basar, und Achtfuffzich oder gar zehn Euro sind der Garant für Altersarmut.
Es ist faszinierend, mit welcher Vehemenz die Idee eines Grundeinkommens bekämpft wird. Die Argumente sind meiner Meinung nach
einer sachlichen Diskussion nicht angemessen. Es gibt eine Reihe von Menschen, denen ist z.B. die Altenpflege Herzenssache. Die arbeiten in diesem Beruf trotz schlechter Bezahlung. Vielleicht gelänge es ja gerade durch die Verknappung des Angebotes an Arbeitskräften, endlich einmal so etwas wie einen Arbeitsmarkt zu schaffen, der diesen Namen auch verdient. Wenn es einen Wettbewerb um die wenigen Berufenen gibt, wird es deren Marktwert steigern und endlich zu angemessener Bezahlung führen.
Es gibt nebenher auch noch die Möglichkeit, im Netz nach Versuchen und Pilotprojekten für ein Grundeinkommen zu suchen. Die Nebenwirkungen solcher Modelle sind auch nicht zu verachten, so wird von rapide sinkenden Kriminalitätsraten und plötzlichen Schulbesuchen gesprochen. Solcherlei weiche Faktoren hindern aber an der Ablehnung von Grundeinkommensmodellen.
Apropos Modelle: ich hatte unlängst mal das Bandbreitenmodell thematisiert. Was mir da an rigider Ablehnung entgegenschlug, so völlig argumentbefreit, verleitet mich zu der Aussage, dass all diejenigen, die solche Modelle mit lapidaren Sätzen abqualifizieren, allenfalls das Modell von einem gewissen Herrn Werner in gewissem Umfang "kennen" und alle Grundeinkommens-Ideen darunter summieren.
Dass so ein Modell das Ende von Leiharbeit und menschenrechtsverletzender Sanktionspraxis sein kann, fällt dann zwangsläufig auch unter den Tisch.
……..es wäre ja bereits etwas geschafft, wenn man den heutigen ALG II bedingungslos zahlen würde…..das wäre der erste Schritt….
Ein Mindestlohn ist eine schöne Sache für jemand der Arbeit hat. Leute ohne Arbeit müssen derzeit bei der ARGE betteln gehen. Wer es nicht glaubt einfach mal zur ARGE gehen, aber nicht in die Abteilung für Akademiker. :-)
Es geht darum, dass die Gemeinschaft die untersten beiden Ebenen der Maslowschen Pyramide abdeckt.
Wenn man sich darauf einigt, dann ist die Ökonomie eine Sache von Regelungstechnik. Unser derzeitiges Wirtschaftssystem kommt ja auch erst mit einer Ideologie daher und passt darauf alles an. Das kann funktionieren, aber auch schief gehen. Man muss es nur versuchen.
Also mal am genannten Beispiel Erzieher:
1. "Schreihälse betreuen" ist keine "Scheissarbeit". Das ist zwar eine harte Arbeit, aber die Kinder geben auch viel zurück.
2. Es gäbe nach wie vor Arbeitsverträge: Wer in einem Kindergarten arbeiten will, muss alle Kinder seiner Gruppe betreuen und nicht nur seine Lieblingskinder oder kann dort eben nicht arbeiten.
3. Ein ernstzunehmender Erzieher würde wohl kaum nur mit seinen Lieblingskindern arbeiten wollen. Genausowenig wie ein ernstzunehmender Handwerker nur einfache Tätigkeiten ausführen möchte oder ein Ingenieur nur einfache Probleme lösen oder ein Koch nur simple Gerichte kochen. Man möchte Herausforderungen und man möchte stolz sein können auf seine Arbeit.
Das Gegenteil kann allerdings der Fall sein: Dass man einen Job nicht mehr machen will, wenn der zu wenig Herausforderungen bietet oder wenn man zu wenig mitbekommt, was man schafft.
Und zurück zu 2: Es kann sein, dass ein hochqualifizierter Ingenieur, um als Ingenieur arbeiten zu dürfen, dann selbst das Ausleeren seines Papierkorbs und die Reinigung seines Büros übernehmen muß, was bislang eine Putzfrau erledigt hat.
Man wird Tätigkeiten mehr integrieren müssen, stärker in Zusammenhänge stellen -- und für die einfacheren Tätigkeiten mehr Anerkennung zollen.
Dann findet man halt unter dem Schild mit dem Strassennamen vielleicht noch ein zweites Schild mit den Namen der Leute, die die Straße gebaut haben.
Last but not least kann man unangenehme Tätigkeiten besser und angenehme Tätigkeiten schlechter vergüten. Das ist dann eben Marktwirtschaft. Ab einem bestimmten Lohn, findet man für jede Tätigkeiten jemanden.
Man schaut dann, was billiger kommt: Diesen Lohn zu zahlen oder die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass er für weniger arbeitet.
Die Arbeitsgesellschaft ist das ideale Kontrollinstrument für die Herrschenden. Sie verfügen damit über den Aufenthaltsort und die Lebenszeit der Ihnen unterstellten Individuen.
Die Auflösung des Widerspruchs zwischen Arbeit und Vergnügen, Arbeitszeit und Freizeit stellt natürlich eine Gefahr für dieses System dar, dessen Elite allerdings jetzt bereits die Vorzüge dieser Freiheiten genießt: Künstler (Schriftsteller, Schauspieler), Freischaffende, Aktionäre, Profisportler, Berufspolitiker usw.
Die schwerste Prüfung des Menschen ist ja Müßiggang ohne schlechtes Gewissen. Warum? Wer Muße hat, blickt in sich hinein. Was sieht er? Leere, Einsamkeit, Elend durch die Wahrnehmung dessen, was die Verhältnisse, ihm angetan haben. Dem kann der Mensch nur entkommen, wenn er immer etwas vorhat. (Deshalb blühen in Deutschland die Heimwerker-Märkte und deshalb besuchen viele in ihrer Freizeit zur Selbstoptimierung Fitness-Studios um an den Geräten das vertraute Geräusch der Maschinen aus der Fabrik zu reproduzieren.)
Das Nachdenken kann aber auch zu der Erkenntnis führen, dass es jenseits des Arbeitswelt ein erfülltes Leben geben kann. Die daraus resultierenden Konsequenzen wären für die Herrschenden nicht erfreulich.
Die Unterstellung, dass das BGE eine Gesellschaft von Faulpelzen hervorbringen würde, zeugt von einem negativen Menschenbild, in dem natürliche Eigenschaften wie Neugier, Phantasie und Kreativität als Antriebsfeder nicht vorkommen.
Es ist nur eine Frage der Organisation von freiwilliger Leistungsbereitschaft.
Die meisten Rentner, die ich kenne, betrachten z.B. die arbeitsfreie Lebenszeit bei gesichertem Lebensunterhalt (soweit die Höhe der Rente dazu taugt) als einen Luxus. Allerdings gibt es darunter wiederum nur eine Minderheit, die sich des Müßigganges nicht schämt.
Die große Mehrheit bemüht sich weiter, selbst nach über 45 Jahren Erwerbstätigkeit in Ehrenämtern (entgeltfrei), Nebenjobs (trotz ausreichendem Renteninkommen), sozialem bzw. politischem Engagement und Seniorenstudiengängen der inneren Leere zu entfliehen.
Und noch eine Kleinigkeit, die für das Ende der Arbeitsgesellschaft durch das BGE spricht:
Die Gesamtzahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle im Jahre 2011 lag bei 934.428.
Ob Grundeinkommen oder ein vernünftiger Mindestlohn das bessere Instrument ist, kann ich nach aktuellem Informationsstand nicht sagen. Die Argumente in diesem Artikel gegen ein Grundeinkommen finde ich aber eher nicht nachvollziehbar und wirken mehr wie subjektive Interpretationen der Konsequenzen.
Beginnen wir mit der Berufung vs. Beruf Thematik. Mir und genug Leuten aus meinem Bekanntenkreis mit welchen ich über neue Arbeitsteilungsmodelle gesprochen habe, haben auch sehr wohl verstanden, dass "Drecksarbeiten" nun mal Realität sind und diese müssten dann halt von JEDEM, der dazu körperlich/psychisch in der Lage ist mitgemacht werden. Wenn die Leutz wüssten, dass sie sagen wir 20% ihrer Arbeitszeit im Monat auch für sowas hergeben müssen, aber dafür muss jeder ran, dann wäre es doch auch realistisch, dass eine hohe Akzeptanz entsteht.
Egal ob aktuell Chefarzt oder Putzfrau. Jeder muss dann auch mal im Müllwagen mitfahren und das würde uns vielleicht auch alle erden und empfänglich für Probleme aus anderen Schichten der Gesellschaft machen. Das der "Typus Mensch, der freiwillig und aus rationalen Gründen arbeitet" nicht möglich sein soll, glaube ich einfach nicht. Die aktuellen Zwänge und die Denkstrukturen (welche eigentlich selbst geschaffene Barrieren im Kopf sind) erlauben das zwar nicht, aber Geselschaften können sich verändern, es dauert halt nur. Man muss aber auch irgendwann mal anfangen und nicht immer nur "das wird doch eh nix" kreischen.
Das der Mensch kein "bedingungslos edles Wesen" ist, ist mir auch bewusst, aber das muss und soll er auch gar nicht sein (was "edel" ist, gehört ja auch eher in die subjektive Ecke). Ich habe auch die Sache mit dem "technischen Rückschritt" nicht verstanden. Wieso sollte uns das ein "glückliches Menschengeschlecht" ermöglichen? Sollen wir wieder alle zu Landwirten oder Bergarbeitern werden? Oder wollen wir wieder in die Zeitung der 1. industriellen Revolution oder wie? Ich verstehe diese Romantik des Vergangegen (auch Nostalgie genannt) einfach nicht. Mitnichten war früher alles besser (Umweltverschmutzung, medizinische Versorgung, Sterblichkeitsrate, Infrastruktur, usw.).
Ich wage sogar die These, bei unserem Stand des Fortschritts könnten 50% (der Arbeitsfähigen) arbeiten (30h Woche) und trotzdem würde die komplette Gesellschaft funktionieren und es wären auch die Drecksarbeiten erledigt. Denn wir haben mit dem jetzigen System der Konkurenz solch brutalee Reibungverluste. Du schreibst, dass mit dem Grundeinkommen die Gefahr aufkommt, dass jeder nur noch willkürlich und nach Laune arbeitet (das Beispiel mit der Erzieherin, die sich Kinder aussucht, welche sie erzieht). Um ehrlich zu sein wäre mir das lieber als der aktuelle Zwang zur Arbeit um des Arbeiten willens. Was wäre denn so schlimm an mehr Faulheit? Vielleicht würde das sogar zu mehr Nachdenken führen und das wiederum zu Gedanken und Einsichten, die uns doch zu einer besseren Gesellschaft machen.
Ich weiss ich schreibe ein wenig verworren, aber was ich im Fazit sagen möchte. Ob nun du oder Flassbeck und Co. Ihr argumentiert, dass man den Status Quo nicht verändern kann, weil der Status Quo es nicht ermöglicht. Es geht also nicht, weil es nicht geht. Na dann ist ja gut, gehen wir alle raus, legen uns auf die Erde und warten auf den Tod. Schliesslich sind wir Menschen ja nicht lern- und wandlungsfähig, also lassen wir es doch gleich und befreien diesen Planeten endlich von diesem Parasiten. Oder wir raufen uns endlich mal zam, öffnen unsere Gedanken und zeigen, dass der Mensch sich doch weiterentwickeln und viel bessere Modelle zur Arbeitsteilung, also zum allgemeinen Wirtschaften erarbeiten kann.
Anmerker meint:
Ich stimme "totschka" uneingeschränkt zu. Und ich frage mich, warum die genannten Fachleute das Grundeinkommen in Grund und Boden argumentieren. Zunächst einmal geht es um die vielbeschworene Würde des Menschen, die doch damit auf eine solide Basis gestellt würde. Außerdem ist es doch eine unbestreitbare Tatsache, dass immer mehr Menschen von der Wirtschaft "feigesetzt" werden oder gar nicht erst in Lohn und Brot kommen - siehe die hohe Jugendarbeitslosigkeit auch in unserm Land. Da geht´s doch schon los mit dem unwürdigen sich Kontrollieren - und Verkaufenmüssen. Die gleichen Fachleute, die das Grundeinkommen verdammen und von der vermeintlichen Faulheit reden sagen allerdings immer wieder, und zwar mantraartig, dass die HartzIVler eigentlich arbeiten wollen, auch gebraucht würden. Es gibt auch genügend Untersuchungen, dass Menschen, die zB lange arbeitslos sind davon krank werden. Wer also sagt den Antigrundeinkommler_innen, dass die nötigen Arbeiten nicht doch erledigt würden. Und woher nehmen sie den Beweis, dass sich jede/r auf die faule Haut legen würde. Immerhin gibt es doch weiterhin Jobs, die nun mal attraktiv bezahlt werden müssen, damit die Menschen, sich etwas mehr leisten könnten. Vielleicht ist das alles utopisch, aber interessant ist doch zugleich, dass Flassbeck und Co auch gegen die Initiative für die Einführung der 30tundenwoche argumentieren. Ja was denn nun:Das System mit kosmetischen Korrekturen erhalten oder von der Wurzel her(radikal)an eine Veränderung herangehen. Wenn´s um die praktische Umsetzung ihrer permanenten und richtigen Kritik geht, scheinen diese Fachleute kneifen zu wollen.
MEINT ANMERKER
Hallo zusammen,
ein sehr spannendes Thema und natürlich hoch spekulativ, da man nicht voraussehen kann, wie sich die Menschen und die Gesellschaft eine Zeit nach Einführung eines solchen Grundeinkommen-Modells entwickelt.
Zur "Scheißarbeit": es gibt ja genau dazu die Idee, dass sie gemacht werden wird, sind nur die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung entsprechend. Und wenn Arbeitgeber plötzlich um Kloputzer werben müssen und sie nicht mehr behandeln können wie Menschen 2. Klasse, werden auch solche Jobs weiter gemacht werden, weil das Grundeinkommen ja maximal die Grundbedürfnisse zu stillen vermag. Aber jeder weitere Wunsch nach Urlaub oder Konsumgütern muss durch Arbeit geleistet werden.
Kann sein, dass man manchen Menschen nie erreicht wie die aus HarzIV-Generationen-Familien. Diese Leute haben dann den Vorteil, dass ihnen das Antrags-Prozedere wegfällt, der Feind Arbeitsagentur verschwindet und sonst alles beim alten bleibt. Aber auch das ist ungewiss....
Und erlauben Sie mir eine Frage: wieso fällt durch das Grundeinkommen der Rahmen der Regulierung für umweltbewusstes Vorgehen von Seiten der Industrie und Mittelstand weg? Das ist mir überhaupt mich plausibel.
Hier scheint sehr eindimensional das Modell von Götz Werner, der die Finanzierung alleine über die "Mehrwertsteuer" vorschlägt, herangezogen zu werden. Dieses Finanzierungsmodell, weniger die generellen Argumente für das BGE, ist durchaus zu kritisieren. Es gibt ja aber zum Beispiel auch das Modell der "negativen Einkommenssteuer" als Grundsicherung. Das Argument, ein Grundeinkommen sei nicht ökologisch, ist bei diesem substanzlos.
Ich kenne auch kein Grundeinkommensmodell, bei dem eine Höhe vorgeschlagen wird, die ein "Leben in Saus und Braus" ermöglichte - wer 2x im Jahr in den Urlaub fliegen oder einen 42-Zoll-Flat-TV haben möchte, müsste sicher weiterhin einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit nachgehen.
Ich stimme ausserdem meinen Vorrednern zu. Auch ein Mindestlohn wird nicht automatisch zur Vollbeschäftigung führen.
Ich finde die Argumentationskette dieses Beitrags ebenfalls nicht wirklich durchdacht, und das aus 2 Gründen die meine Vorkommentatoren ebenfalls schon angerissen haben:
1. "Scheissarbeit" werden die leute soo scheisse nicht mehr finden, wenn dafür entsprechende Lohn fliesst. Ich würde durchaus in der Kanalisation auf tauchfahrt gehen, wenn das Geld stimmt und ich mir den 8 Stunden tag vielleicht mit 4 leuten a 2 Stunden teilen könnte - so als nebenjob quasi.
2. Wie definiert man diese "Scheissarbeit"? Ich würde sagen, solche jobs sind entweder stupide, irgendwie ekelig, oder gefährlich.
Nun ist so ein BGE kein modell welches man über nacht einführen könnte. Der Zeitrahmen ist da wohl eher in Jahrzehnten zu messen. Bis dahin dürfte die Monotone arbeit gar nicht mehr existieren, bleibt also noch eklig und gefährlich. Aber auch da spielt uns die Zeit in die hände. Wer weiss, wieviel der gefährlichen und ekligen arbeiten bis in 10 jahren automatisier werden können? Wer weiss, wieviele der ekligen und gefährlichen arbeiten bereits jetzt automatisiert werden könnten, sich aber die erforschung von kanalisationstauchrobotern gar nicht lohnt, weils aktuell auch ein langzeitarbeitslosen nach androhung von hartz4-kürzungen für 6€ die stunde durch den kanal kriecht?
Was ich damit sagen will: Es ist durchaus zu erwarten, dass "Scheissarbeit" trotz BGE noch erledigt wird, über hohe vergütung und angenehmere arbeitszeitmodelle. Zudem wird das Verteuern solcher arbeiten eine automatisierungswelle nie gekannten ausmasses anstossen - denn hey, coole roboter erfinden gehört ja zu den guten jobs, um die sihc die leute sowieso reissen werden :)
Zitat: >... sollte Scheißarbeit nicht eher mit einem Hochlohn vergütet werden um auch dafür einen Anreiz zu schaffen? ...<
Genau das würde ich auch für den besten Weg halten – wobei man "Hochlohn" vielleicht durch "Angemessenes Familieneinkommen" ersetzen könnte. Mir scheint, dass ein "bedingungsloses Grundeinkommen" zusätzlich für ein Leben ohne bittere Not bereit gestellt werden sollte, aber so, dass die Bezieher von sich aus, also ohne Sanktionsdruck, ganz gerne auch eine ordentlich bezahlte "Scheißarbeit" machen würden, wenn sie es gesundheitlich schaffen.
Letzteres wird immer ein Problem bleiben, weil es eben "Scheißarbeiten" gibt, bei deren Verrichtung die Gesundheit der Arbeitenden wegen mangelnder Schutzvorkehrungen (-> shareholder) mit der Zeit ruiniert wird.
Interessante Lektüre zum Thema über Kanadas Erfahrungen mit dem Grundeinkommen: http://www.dominionpaper.ca/articles/4100
Ich bin auch der Meinung, daß das bedingungslose Grundeinkommen dazu führen könnte, daß "Scheißarbeit" endlich angemessen entlohnt wird.
Aus schierer Not müßte dann nämlich niemand mehr diese meist schweren, und oft undankbaren Arbeiten verrichten.
Mit zB. 9,50 bis 12,50 Euro pro Stunde müßte sich dann mit Sicherheit niemand mehr in der Altenpflege abspeisen lassen.
Im Zeitalter der Globalisierung sollte der Mindestlohn weltweit gelten, anders ist es sinnlos, und da das unrealistisch ist... im Modell des Grundeinkommens das komplett durch Mehrwertsteuer (unter Abschaffung aller anderen Steuern und erhobenen Beiträge auf Arbeit) finanziert wird gibt es sehr viele Möglichkeiten für staatliche Lenkung Richtung Oekologie.
Ich war ein Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens. Die Idee ist je erst aktuell und publik geworden als Alternative zu den Hartz IV Gesetzen.
Jetzt bin ich der Ansicht , die Hartz IV Gesetze gehören abgeschafft.
Die vorigen Gesetze treten wieder in Kraft.(Sie hatten sich ja in über 40 jähriger Praxis bewährt) D.h. , das Sozialrecht (Sozialgesetze) und das Arbeitsrecht(Arbeitslosengesetze) werden wieder getrennt wahrgenommen. Denn hierin sehe ich das Kernproblem von Hartz IV.
- Was jedoch unverzüglich gestoppt werden muß, sind die rechts- und verfassunswidrigen Sanktionen gegen SGB II Empfänger !
"Denn jede Tätigkeit ist von gesellschaftlichen Nutzen."
abmahnanwälte, journaillenschreiberlinge, börsenzocker und und und ...
da würde ich schon den gesellschaftlichen nutzen absprechen.
mindestlöhne mögen ja schön und gut sein, aber selbstverständlich würde dann die frau doktor sich weiterhin weigern ihrer putze den gleichen lohn zukommen zu lassen, den sie selbst bezieht, obwohl durchaus fraglich sein könnte, wessen arbeit die nützlichere ist.
wenn beim grundeinkommen merkliche aufschläge für "notwendige tätigkeiten" gezahlt würden, wären garantiert auch ausreichend toilettenfrauen, strassenkehrer und bandmalocher und -innen verfügbar.
nur, diese arbeit müssten dann nicht die gleichen menschen ein leben lang verrichten.
Wie lang wollt ihr alle auf diesen ganzen verlogenen und hinterlistigen bürgerlichen Armutsquatsch noch hereinfallen?
Wie jämmerlich beschränkt muss man eigentlich sein, sich ein Leben ohne Kapitalismus und Ausbeutung, Lohnarbeit und Kapital sich partout nicht vorstellen zu können?
Oder doch lieber nicht vorstellen wollen?
Man weiss ja nie, der dicke Lottogewinn, der Jack Pot könnte doch noch.... :-)
Da holen wir dann bei solchen "Chancen" doch gleich mal lieber die Vogelscheuche "Stalin" aus der armseligen bildungsbürgerlich-medialen Mottenkiste, und schwupps, "Kommunismus gescheitert", "Verbrechen" .. oder?
Wie armselig, wie billig und öde!
Die negative Einkommenssteuer hat nur einen Zweck, die Unternehmen von allem Sozialklimbim zu befreien.
Gerecht ist ein Rotationssystem.
Scheißarbeit soll auf alle Köpfe anteilig verteilt werden.
Bei Verzicht auf 50% der angebotenen Waren und Dienstleistungen.
Weil die Produktivität sinken wird.
Ich fürchte, dass die Bedeutung eines Mindestlohns überschätzt wird. Schließlich gibt es den in den USA, dem Stammland der Working Poor, schon seit den dreißiger Jahren. Auch in GB gibt es einen Mindestlohn und sehr viel Armut.
Ich meine zudem, dass in den Zeiten eines globalen Arbeitsmarktes und einer internationalen Konkurrenz der Arbeitskraft, nationale Mindestlöhne nicht viel bewirken können. Beispielsweise: Man kann der Callcenter-Branche einen Mindestlohn verordnen, aber wer kann die Firmen daran hindern, ihre Center nach Istambul zu verlegen und dort deutlich billiger gut deutsch sprechende Türken anzustellen?
Ein Grundeinkommen dagegen würde jeden und jede armutsfest machen - das wäre doch der Haupteffekt! Man müsste nicht mehr aus nacktem ökonomischem Zwang arbeiten gehen wie heute, sondern um sich etwas "dazuzuverdienen". Die Augenhöhe zwischen Kapital und Arbeit wäre damit ganz anders als heute. Das Grundeinkommen, vielleicht 1000 Euro, müsste ein Teil des zu versteuerndes Einkommens sein: Wer sich etwas dazu verdient, muss Steuern zahlen - wer wenig verdient nur wenige Steuern, wer viel verdient sehr viele Steuern. Bei einem schlecht bezahlten Job ginge es einem viel besser als heute, denn man hätte ja nahezu die gesamten 1000 Grundeinkommen dazu. Wer dagegen sehr viel verdient, müsste über seine Steuern das Grundeinkommen der ärmeren Menschen finanzieren.
Sollte der Einwand der Ökonomen berechtigt sein, stellt sich die Frage, warum sie ihn dann lediglich aufzählen, statt ihn auch zu begründen.
Ein Aufschwung von Tätigkeiten, die als Berufung wahrgenommen werden wäre ja eines der Ziele der Befürworter des Grundeinkommens. Die Möglichkeit einer Berufung nachzugehen erklärt aber nicht im Ansatz, warum dies jedem schon genügen sollte. Wer ein eigenes Auto fahren, eine hübsches Haus bewohnen und dann und wann eine Fernreise machen möchte, dem genügt das Grundeinkommen nämlich nicht.
Die Meisten Leute hätten also ein durchaus starkes Motiv, ihr Einkommen zu erhöhen, indem sie einen Beruf ausüben für den sie sich bezahlen lassen. Die Annahme sie könnten sich dabei allein auf die angenehmen Aufgaben beschränken ist geradezu absurd. Selbstverständlich bezahlt ein Unternehmen nur für Arbeiten, die nicht auch freiwillig geleistet werden.
Die Behauptung, ein Grundeinkommen führe unweigerlich in eine unverbindliche Gesellschaft ist hier durch nichts begründet, sondern aufs gerate Wohl dahinbehauptet. Damit soll nicht gesagt sein, dass ein Grundeinkommen gut und ein Mindestlohn schlecht wäre. Das ist schwer einzuschätzen. Sicher wäre der Mindestlohn als deutlich weniger radikaler Ansatz politisch leichter umzusetzen. Allerdings scheint mir der Mindestlohn doch nur ein impliziter Bestandteil des Grundeinkommens zu sein, der auch nur eine Teilmenge der bestehenden Probleme adressiert.
ulli hat gesagt...
"Ich fürchte, dass die Bedeutung eines Mindestlohns überschätzt wird."
Und ob! Und ob!
"ulli hat gesagt...
Ein Grundeinkommen dagegen würde jeden und jede armutsfest machen - das wäre doch der Haupteffekt!"
Also Brot & Spiele?
Huuch, Kaiser Augustus, Neo und Caligula lassen grüßen!
Das ist also euer letztes Wort zu proletarischer Armut, proletarischen Armutslöhnen?
BDI und DIHT, Hans-Werner Sinn und Dieter Hundt, die ganze INSM werden bei so viel "Sachkunde" und "Engagement" begeistert sein.
Es lebe die Armut! Und es lebe vor allem der Reichtum! :-)
Hi alle zusammen,
ich will mal das Argument aufgreifen, dass hier sehr früh in der Diskusion gebracht wurde - nämlich, dass Menschen, die in sogenannten Scheißjobs arbeiten als Menschen zweiter Klasse gesehen und behandelt werden.
Ich kann dies leider nur bestätigen. Aus eigener Erfahrung (Student, BaFöG ausgelaufen) habe ich jetzt etwa ein halbes Jahr in einer Wäscherei malocht und ich hätte dort durchaus Geld verdienen können, wenn die Geschäftsführung ihre eigene Inkompetenz (also schlechtes Wirtschaften und schlechter Führungsstil) nicht an den Arbeitern ausgelassen hätte. Da wurde sich in der Produktion teilweise aufgeführt wie im Arbeitslager - es wurde angeschriehen, gemobt, man wurde teilweise wie ein unartiges Schulkind vorgeführt und behandelt. Da hat die Produktionsleitung nit schlecht geguckt, als mein Rückrat mit in die Waagschale geworfen habe.
Die Methoden das System der Arge zu nutzen um die Lohnkosten zu drücken waren auch Gang und Gebe (siehe den Amazon-Skandal).
Das ist die Realität und das wird sich mit wachsendem Druck auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen auch noch ausweiten.
Ich habe jedenfalls keine Lust auf eine solche Gesellschaft und fordere jeden, der sich solchen Unterdrückermethoden ausgeliefert sieht dazu auf, sich ein Herz zu fassen und dagegen offen und laut in den Widerstand zu gehen, wenn es sein muss direkt am Arbeitsplatz ;).
Dass wir Menschen mit Scheißjobs wie Menschen 2.Klasse behandeln liegt aber nicht an der HartzIV-Realität - es liegt an dem Umstand, dass wir den Wert eines Menschen in seinem wirtschaftlichen Erfolg messen. Es geht in unserer Gesellschaft nicht darum wie hart und viel jemand arbeitet, sondern wieviel Geld er verdient. Der gesamtgesellschaftliche Nutzen ist dabei eigentlich schon irrelevant.
Hier wurden viele gute Vorschläge gemacht wie man sog. Scheißarbeit attraktiver machen könnte und ich stimme den Kommentatoren 100%ig zu. Wir entwerten schlecht bezahlte Arbeit, weil wir sie nie selbst gemacht haben, es irgendwie anstrengend, eklig, langweilig und gefährlich wirkt, es schlecht bezahlt wird spielt uns in unsere Abwertung mit rein. Aber warum tun wir das? Wir tun das, weil wir Angst haben.
Anstatt die Leute, auf deren Schweiz und Knochen unsere Gesellschaft gebaut ist, zu ehren und ihnen ein gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen wenden wir einen psychologischen Abwehrmechanismus an: Wir wandeln unsere Angst in Aggression um und lassen die Schweine dafür büssen, dass sie tun, was wir zum überleben brauchen.
Ich finds erbärmlich - und ich hab dank meiner Erfahrungen in der Wäscherei wieder so eine enorme Wut im Bauch, die ich zuletzt in der Pubertät hatte.
Ich werd jedenfalls weiterhin immer den Mund auf machen, wenn ich denke, dass meine Würde mit Füßen getreten wird und ich denke, wenn das jeder machen würde und nicht einfach aktzeptieren würde, was einem da aufdiktiert wird vom Amt oder Land oder Bund - dann wären wir vllt. schon einen Schritt weiter.
"Das Grundeinkommen und die Scheissarbeit"
Hier ein Beispiel, wie ein Franzose über den Mindestlohn denkt. Davon gibt es noch mehr.
Entnommen aus JDN l'économie demain
Übersetzung aus dem Französischen von Sarah-Julie Rudelt
"RIC POULET
1090 Euro netto, uff, und alle anderen 1200 bis 1300 netto. Die Armut berührt ganz viele Arbeiter. Für Einkommen für Arme denke ich, muss man auch eine Arbeit von schlechter Qualität anbieten. Niemand bewegt sich oder revoltiert. Die Gewerkschaften können daran nichts ändern. Wer über den Mindestlohn verfügt, kann nur essen und im HLM schlafen (Anm. HLM sind Sozialwohnungen, in denen Geringverdiener unterkommen müssen, weil sie keine normale Miete bezahlen können) und nie von einem Häuschen mit Garten träumen können.
Machen wir es wie in '36, in den Strassen, und bremsen den Kapitalismus, der uns bereits tötet. In diesem Falle sind wir Millionen. Wir müssen jetzt aufwachen oder morgen haben unsere Kinder mit 18 keine Träume mehr."
Was mich an der Diskussion um Mindestlohn und Grundeinkommen enorm stört ist nicht der soziale Grundgedanke, sondern das dieser in Systemlösungen verhaftet bleibt.
Diejenigen, die das Elend verursachen, dürfen weitermachen wie bisher. Beim Mindestlohn wird dann lediglich eine Untergrenze zur noch erlaubten Zahlung von Hungerlöhnen gezogen.
Beim Grundeinkommen sehe ich auch nicht, dass dieses über das Niveau eines Elendunterhaltes hinausgehen könnte, das die Bezieher dieses selben auch noch selbst finanzieren und deren Abhängikeit vom Arbeitsmarkt dadurch auch nicht verschwinden wird.
Ich persönlich würde mich ungern in die Abhängikeit des Staates begeben, nein es widerstrebt mir sogar.
Den Staat anzurufen, wenn Mensch selber keine Kraft hat an den Verhältnissen etwas zu ändern, das ist wirklich armselig!
Gruss Troptard
Den Untertitel finde ich unpassend:
Eine Beipflichtung und Rezension
Mein Eindruck ist vielmehr
Eine Beipflichtung und Interpretation
Die "Rezension" verschwimmt in diesem Artikel zu sehr mit dem, was der Autor selbst zum Thema Grundeinkommen denkt.
Trotzdem danke für den Hinweis auf das Buch, das man am Besten selbst einmal liest...
Wolfgang Lieb schrieb auf den Nachdenkseiten:
Anmerkung WL: Was die Höhe des Mindestlohns anbetrifft, ist folgende Berechnung interessant. Legt man den Arbeitslosengeld II-Regelsatz (plus Kosten der Unterkunft plus Erwerbstätigenfreibetrag) zugrunde, käme man auf einen Bruttostundenlohn (bei einer 40-Stunden-Woche) in Höhe von 8,50 Euro. D.h. 8.50 Euro entsprechen in etwa dem Hartz-Regelsatz.
Also haben wir ja bereits den von der SPD angepeilten Mindestlohn. Hört sich gut an, ist aber der Staus quo ohne Sanktionen. totschka (15.03., 06:43 Uhr)hat die negativen Folgen richtig benannt.
Die Forderung mancher Kommentatoren, den Lohn für schmutzige Arbeit zu erhöhen, damit sie überhaupt jemand macht, erinnert mich an die Forderung -auch besonders von Männern- , dass "geedelte" Tätigkeiten wie Hausarbeit und Kindererziehung
ebenso wie Lohnarbeit bezahlt werden müssen. Solche Forderungen werden nach meinen Erfahrungen gern von denjenigen aufgestellt, die sich erstens um derartige Tätigkeit nicht drängeln und zweitens sicher sein wollen, dass sie selber auf keinen Fall dafür infrage kommen. Aspekte wie Entfremdung, Diebstahl an Lebenszeit (1/3 Arbeit, 1/3 Schlafen, 1/3 Reproduktion/Freizeit) und Bildung wären dann kein Thema mehr.
Wie ein andere Kommentar schon beschrieb, sollten je nach Möglichkeiten und Fähigkeiten mit wechselnder Intention alle alles machen dürfen. Und nicht ein Leben lang nur morgens um 5.00 Uhr Zeitungen austragen.
Hinter der Kritik am BGE vermute ich aber auch die Angst mancher Linker vor der Umsetzung gesellschaftlicher Utopien, die keine historische Grundlage haben.
Zum ersten Schritt aus dem bestehenden System gehört nun mal auch ein gewisser Mut, ein gesellschaftliches Risiko einzugehen, ohne den Zwang, vorher en detail beschreiben zu müssen, wie ein derartiges Modell widerspruchsfrei funktionieren soll.
PS.: Es ist für mich als Pensionist schon ein enormer Vorteil, nicht mehr vom Wecker geweckt zu werden, sondern durch die Tatsache, dass ich ausgeschlafen aufwache.
Grundsätzlich zum Thema "Scheißarbeit":
Wenn ich dabei an all das denke, was erforderlich ist, um eine für das menschliche Zusammenleben notwendige saubere, schöne und gesunde Umgebung herzustellen, in der auch die meisten "Dreckschweine" nicht ohne weiteres ihren Dreck einfach skrupellos dazu schmeißen können, weil einfach kein Dreck da ist – dann scheint mir, dass alle dazu erforderlichen "Scheißarbeiten" hoch angesehen und gut bezahlt sein müssten, weil sie um Welten wichtiger sind als manches pseudo-intellektuelle Geschwurbel und die ganzen hochbezahlten Betrugs-Verschleierungs-Tätigkeiten der Investmentbanker und Wirtschaftsjuristen.
Aus meiner Kindheit erinnere ich noch gut die Straßenkehrer, Müllarbeiter oder auch Briefträger etc., die eine anerkannte Stellung in der kleinen Stadt inne hatten, in der ich aufwuchs. Die Anerkennung drückte sich insbesondere darin aus, dass vom Verdienst in diesen Tätigkeiten eine Familie leben konnte, aber auch ganz einfach in dem Bewusstsein der Menschen, die auf solche Arbeit nicht arrogant und ignorant herunter gesehen haben.
Leider richtet sich heute der soziale Status ausschließlich nach der finanziellen Ausstattung, wodurch jeder gut eingebettete Verbrecher automatisch als ehrbare Stütze der Gesellschaft wahr genommen wird.
btw.
Wie schon weiter oben geschrieben wurde, ist Hartz IV und die "Aufstockerei" ja im Grunde schon eine Art "Grundeinkommen"
– das leicht zu einem "Bedingungslosen" umgewandelt werden könnte, wenn man die ganze Sanktionsbürokratie ersatzlos streichen und das eingesparte Geld an die Bedürftigen austeilen würde.
Vorweg. Ich habe mich mit den verschiedenen BGE-Modellen nicht ausreichend genug beschäftigt, um dazu eine fachlich-sachlich fundierte Stellungnahme abgeben zu können. Aber es gibt bestimmte Zielrichtungen, welche durch ein BGE umgesetzt werden müssten. Dies wäre mehr als ein reines BGE - es ist ein Bündel von Maßnahmen, weil ein BGE allein (je nach Modell) entweder unwirksam wäre oder eventuell gar ins Gegenteil umschlagen würde. Dies habe ich bisher noch nirgends gefunden.
Aber dies soll ja auch keine Einschätzung zum BGE werden, sondern ich möchte mich mit einem einzelnen Argument auseinandersetzen und diesem widersprechen.
Ich nehme einmal die "Scheißarbeit" wortwörtlich. Ich bin in einem Haus groß geworden, das nicht an das städtische Abwassersystem angeschlossen war. Ergo, wir hatten ein Plumsklo.
Die dafür notwendige Jauchegrube musste verständlicherweise in Abständen geleert werden. Dies erledigten sogenannte Jauchefahrer. Sie kamen mit einem Kesselwagen, legten lange Schläuche durch den Hof und pumpten dann maschinell die Grube leer.
Ich fand diese Arbeit schrecklich. Es stank jämmerlich, der Geruch waberte durch die ganze Umgebung. Wenn ich nach meinem Traumberuf gefragt worden wäre, dann wäre Jauchefahrer definitiv nicht darunter gewesen. Dies ging wohl den meisten anderen Menschen ähnlich. Dennoch musste die Arbeit aber getan werden.
Da hatte die ach-so-planwirtschaftliche DDR aber eine Regelung gefunden, welche diese Arbeit dennoch zumindest so attraktiv gemacht hatte, dass sich immer wieder Menschen gefunden haben, die diese dann auch gemacht haben. Sie bezahlte die Jauchefahrer nämlich außergewöhnlich gut. Ich weiß es zwar nicht (mehr) so ganz genau, aber ich glaube mich zu erinnern, dass diese sogar häufig mehr als Ingenieure o.ä. in den Betrieben bekamen.
Ich hätte diese Arbeit zwar dennoch nicht machen wollen, aber andere haben dies eben anders gewertet. Warum sollte dies jetzt nicht mehr funktionieren? Viele der Vor-Kommentatoren haben in diesem Sinne ja auch schon geantwortet.
Ich spreche hierbei erst einmal noch gar nicht von der absoluten Höhe der Bezüge - da bin ich sowieso erheblich von der (zumindest veröffentlichten) Mainstream-Meinung entfernt. Aber das ist eine andere Baustelle. Es geht einfach nur um das Verhältnis.
Zitat: >Plumsklo<
ersetzen durch "Plumpsklo", oder muss es denglisch "Pflaumenklo" heißen?
– ich mein' ja nur ...
Da sind einige Denkfehler in der Argumentation:
1. Grundeinkommen befreit den Einzelnen von Existenzängsten. Damit wird aber kein Mensch auf lange Friste zufrieden werden: Urlaube, teure Hobbys usw. sind so eben auch nicht möglich. Es geht darum Miete, Essen und maximal kleine Annehmlichkeiten leistbar zu machen.
2. "Scheißarbeit" muss dann eben durch finanzielle Anreize attraktiv gemacht werden. Und man darf die Menschen nicht unterschätzen. Es gibt schon heute genug die sich freiwillig in den (schlech entlohnten) Dienst der Allgemeinheit stellen.
3. Ob tatsächlich keine Steuermittel übrigbleiben, damit der Staat seinen Pflichten nachkommt, ist auch nicht erwiesen.
Maguscarolus, Du hast natürlich recht. Aber an allem Anderen halte ich fest.
1: Menschen gehen keiner Beschäftigung nach ? Eher unwahrscheinlich ! 2: Nicht finanzierbar? Lohnsteuer, Konsum - Luxus und Vermögenssteuer, bei gleichzeitiger Einführung eines wirklichen Mindestlohns bei Entlastung der Arbeitgeber in Bezug auf Lohnnebenkosten und Aufhebung des Kündigungsschutzes sowie eine hohe Gewinnsteuer für Industrie und Wirtschaft, abnahme der Bürokratie,einfaches transparentes Steuersystem bis hin zum Volksentscheid damit sowas wie AIR BERLIN z.B nicht mehr passiert, und falls doch ist die Haftbarkeit vorher zu klären. Und, und, und...
3: sogen. "Scheißarbeit" finanziell stark aufwerten, wenn man das nicht will, selber machen! 4: Stigmatisierung von Kranken oder Langzeiterwerbslosen verschwindet, nicht sofort aber mittelfristig, psychische Erkrankungen,so vermute ich, könnten deutlich abgebaut werden. 5: der Mensch lernt nein zu sagen. Tierversuche, Massentierhaltung, Gentechnologie, Fragging u.ä gehören eh nicht zu den Dingen die der Mensch befürwortet. So hoffe ich zumindest. Es gibt millionen Gründe für das Grundeinkommen, doch nur eins dagegen. Die Unsicherheit ob es funktioniert.
Zitat:
"Scheißarbeit" finanziell stark aufwerten, wenn man das nicht will, selber machen!
Das ist so ein typischer Lapidarsatz ohne Grundlage. Wie wartet man selbst die Kanalisation? Putzen die Angehörigene eines Patienten den OP-Saal nach der OP selbst? Das ist es, was ich mit Polpotismus bezeichnet habe. Das ist keine moderne Gesellschaft, die in solchen Sätzen/Träumen postuliert werden.
Nun, was ist denn der status quo?
1.a) Eine gewisse Menge von Menschen kann einer Arbeit nachgehen, die sie auch tun würden, wenn sie nicht dazu gezwungen würden, und können so sehr gut leben.
1.b) Eine gewisse andere Menge von Menschen hat (sicherlich aus verschiedenen Gründen) nicht diese Möglichkeit. Diese Menge von Menschen wird vom System dazu gezwungen, ihre Lebenszeit für die Gemeinschaft zu opfern, und kann davon in der Regel zu allem Überfluß auch noch eher schlecht leben.
Wir leben also, überspitzt ausgedrückt, in einer Gesellschaft, in der ein Teil der Menschen ein halbwegs annehmbares (wenn auch i.d.R. immer noch fremdbestimmtes) Leben genießt und einen anderen Teil der Menschen für sich Sklavenarbeit leisten läßt.
Nun argumentierst Du (falls ich den Artikel richtig verstehe), ein System, das den Zwang zur Scheißarbeit völlig aufhebte, würde zum Zusammenbruch der Gesellschaft führen. Das mag durchaus stimmen. Akzeptieren wir also, als Arbeitshypothese, die Notwendigkeit eines Zwangs zur Scheißarbeit.
Wenn ich zynisch sein wollte, würde ich an dieser Stelle einwerfen, daß die Lösung wäre, ein BGE einzuführen, das auf die Menschen unter 1.a) beschränkt ist.
Weniger zynisch wäre es, sich zu fragen, ob die Einteilung von Menschen in welche unter 1.a) und welche unter 1.b) eigentlich vertretbar ist. Wenn wir schon einen Arbeitszwang haben müssen, wäre es dann unangebracht, zu fordern, daß dieser wenigstens auf die gesamte Gesellschaft aufgeteilt gehört?
Wie wäre es also hiermit:
2.a) Einführung eines BGE, und gleichzeitig
2.b) Einführung eines begrenzten Scheißarbeitszwangsdienstes für die gesamte arbeitsfähige Bevölkerung. (Wir können ihn ja „lebenslangen Zivildienst“ oder so nennen. ;))
Das Argument der schlechteren Spezialisierung zieht dagegen nur sehr begrenzt. Ich sage nicht, daß man sich die Scheißarbeit, die man erledigen muß, um sein Pensum zu erfüllen, nicht unter den freien Slots anhand seiner Qualifikationen selbst aussuchen dürfte. Und wenn jeder, sagen wir, von seiner 40h-Woche 5 Stunden für Scheißarbeit einplanen muß, dann sollte das auch in der Nichtscheißarbeit wohl nur zu geringen Einbußen führen (besonders, wenn man davon ausgeht, daß gerade geistige Arbeit wahrscheinlich von einer Pensumsreduktion gekoppelt mit körperlicher Aktivität eher profitieren als darunter leiden würde).
Sicherlich: So ein Arbeitsdienst bedeutet Zwangsarbeit. Zwangsarbeit ist ein sehr drastisches Mittel und grundsätzlich verwerflich. Man muß immer darauf hinarbeiten, daß es davon so wenig wie möglich (insbesondere gar keine, falls das möglich ist) gibt.
Vielleicht würde aber auch genau das passieren: Wäre jeder, wirklich jeder (soweit dazu fähig) zu Scheißarbeit verpflichtet, vielleicht würden Wissenschaftler, Politiker und Kapitalisten dann auch mehr daran setzen, an eben dieser Stelle intensiveren technischen Fortschritt und damit hoffentlich Erleichterung zu fördern, bis (man kann ja auch mal übertrieben träumen) die Scheißarbeit durch Automatisierung auf ein Minimum reduziert ist.
Nur so ein Gedanke.
(Nicht, daß wir uns falsch verstehen: Das soll kein Aufruf sein, für ein Umstoßen des Zwangsarbeitsverbots und der Freiheit der Berufswahl einzutreten! Vielmehr wünsche ich einen grundsätzlichen Anstoß zu geben, mal über die Dinge etwas wesentlicher, etwas abstrakter nachzudenken, also losgelöster von der genauen Ausgestaltung der Situation. Ich habe nämlich den Eindruck, daß Ökonomen das viel zu selten tun.)
(Und ja, konkret gesehen, finde auch ich eine überdurchschnittliche Entlohnung für Scheißarbeit den besseren Weg. Nur stellt sich die große Frage: Ist das durchsetzbar? Wenn ja, wie? Wenn nein, was ist die Alternative?)
Irrweg Schulökonomie – Gelehrte Einwände von Flassbeck & Co gegen Grundeinkommen
Die Arbeitswelt, wie man sie bis heute kennt, scheint schwerlich ohne Druck und Zwang auszukommen. Je stärker diese verinnerlicht sind, desto utopischer erscheint die vorbehaltlose Gewährung eines existenzsichernden Einkommens. Der Tellerrand ist hoch gesteckt. Es verlangt Anstrengung, darüber zu schauen. Die meisten scheuen es und bleiben lieber auf der Mitte des Tellers sitzen, welche sie für den Teppich halten, auf dem es zu bleiben gilt.
Weiterlesen …
Der Begriff "bedingungsloses Grundeinkommen" meint nicht mehr und nicht weniger als das existenzielle Lebensrecht. In der heutigen Welt setzt Überleben geldwertes Einkommen voraus.
Wer dies bestreitet, der bestreitet das grundlegende Menschenrecht!
Eine Gesellschaft, die dieses Menschenrecht denen verwehrt, die kein Einkommen aus privatem Vermögen oder aus der eigenen Arbeitsleistung erzielen können oder wollen, ist eine Gesellschaft ohne Anstand, ohne Mitleid, ohne Liebe und ohne Zukunft.
In dieser Gesellschaft arbeiten alleine in Deutschland Millionen Menschen täglich und oft in Vollzeit, ohne ein Einkommen dafür zu erhalten. Ein großer Teil dieser Menschen ist nicht einmal daran interessiert, für Arbeit Geld zu bekommen. In Vereinen, Verbänden und durch individuelles Engagement wird insgesamt mehr Arbeit für die Gesellschaft geleistet, als in der gesamten Lohnarbeit.
Weitere Millionen von Menschen, überwiegend Frauen, leisten unentgeltlich und täglich Familienarbeit. Ohne Bezahlung, ohne Urlaub, ohne Auszeit.
Nur ein bedingungsloses Grundeinkommen versetzt Künstler in die Lage auch Kunst zu schaffen, die niemand kaufen will, die niemenad besitzen soll, für die niemand "Gebühren" zahlen muss.
Nur das Grundeinkommen verschafft jedem Menschen die Möglichkeit etwas für andere, für die Gesellschaft zu leisten ohne eine Gegenleistung fordern zu müssen, nur um Leben zu dürfen.
Das Grundeinkommen wird eine neue Blütezeit der Künste und der Philosophie zur Folge haben.
Dennoch wird das Grundeinkommen nicht gegen die herrschenden Mächte eingeführt werden können, denn es macht Menschen unabhängiger und damit schwerer manipulierbar.
Aber lasst euch nicht verarschen: Die meisten Menschen würden weiter auch für Geld arbeiten. Denn sie haben mehr als nur Grundbedürfnisse. Und hier geht es nur um ein Grundeinkommen, keinesfalls um unbegrenzten Zugang zu Ressourcen.
Was die "arbeitsfaulen" betrifft, "Schnorrer", "Asoziale" und sonstige "Arbeitsvereigerer":
Ein paar Prozent davon kann jede Gesellschaft sich leisten, die automatisierte Industrie hat die Produktivität dafür. Denen die Hilfe brauchen wird die Gesellschaft geeignete Hilfsangebote machen können.
Es gibt bereits viel Fachliteratur zum bedingungslosen Grundeinkommen.
Es lohnt sich in jedem Fall mehr zum Thema zu lesen, denn diese Idee unbegründet abzulehnen, ist angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Idee mehr als leichtfertig.
Neu ist die Idee ja auch nicht gerade, nur der Begriff BGE ist erst wenige Dekaden alt.
In den tropischen und subtropischen Gefilden -und mit Erfindung organisierter Landwirtschaft auch in gemäßigten Zonen- mussten die Menschen viele Jahrhundertausende lang nur wenige Stunden in der Woche für das Überleben "arbeiten",
So hatten Sie viel Spass, genossen das Leben und entwickelten Kunst, Kultur und Philosophie. Sie entwickelten aber auch, geprägt vom typisch hominiden Dominanzverhalten, zunehmend komplexere, hierarchisch aufgebaute Sozialstrukturen.
Letzter Punkt hier als Kommentar.
Natürlich ist ein Grundeinkommen finanzierbar. Ohne dass abhängig Beschäftigten dies durch Lohnkürzungen oder Abgaben finanzieren müssen. Es ist auch nicht teuer für die Gesellschaft, die Kosten sind volkswirtschaftlich tatsächlich sehr niedrig.
Ein echtes bedingungsloses Grundeinkommen wäre jedoch sehr teuer für Kapitaleigentümer.
Um diese Wahrheit zu erkennen, ist es jedoch notwendig, über den Tellerrand der derzeitigen Stattsfinanzierung, des aktuellen Steuer- und Abgabensystems hinaus zu sehen.
Bist Du bereit das zu versuchen?
Ich bin entschieden gegen einen Mindestlohn, weil ich die abhängigen Arbeitsverhältnisse nicht akzeptiere. Ich akzeptiere nicht, daß die Welt, ihre Ressourcen und alles, was darauf aufbaut, Eigentum Einzelner sein soll, für die der Rest der Menschheit zu arbeiten hat.
Scheißarbeit ? finde ich nicht treffend... jede Arbeit kann Scheißarbeit sein. - Manch einer empfindet es als Scheißarbeit, den Bleistift anzuspitzen.
Hier erinnere ich mich an eine kleine Anekdote von Albert Schweitzer: als er zum Pfahlbau die Baumstämme mit körperlicher Kraft eigenhändig in den Boden stemmte und einen Eingeborenen mit weißem Hemd herumstehend fragte, ob er denn nicht helfen wolle, antwortete dieser, nein , ich bin ein Intellektueller.......
Drecksarbeit - wie bitte?
In der Kanalisation werden Roboterfahrzeige eingesetzt und die Spülungen sind automatisiert. Öffentliche Toiletten an der Autobahn werden automatisch gereinigt. Der Toilettendeckel bewegt sich wie von Geisterhand und reinigt sich von selbst.
Viele Dinge sind heute schon automatisiert und ersetzen den Menschen vollkommen. Das ist auch in der Agrarwirtschaft heut schon Realität. Neue Produktivstätten hier im Erzgebirge sind auch schon automatisiert, so dass nur sehr wenige Menschen tätig sein müssen.
Deshalb brauchen wir ein Grundeinkommen um Menschen zu bezahlen, die widerum die Produkte kaufen, die Maschinen herstellen.
Ich betone noch einmal. Es sind HEUTE Maschinen,keine Menschen, die Produkte herstellen (vom Handy bis zur Fleischwurst).
Zitat:
"In der Kanalisation werden Roboterfahrzeige eingesetzt und die Spülungen sind automatisiert. Öffentliche Toiletten an der Autobahn werden automatisch gereinigt. Der Toilettendeckel bewegt sich wie von Geisterhand und reinigt sich von selbst.
Viele Dinge sind heute schon automatisiert und ersetzen den Menschen vollkommen."
Das sind undurchdachte Sätze. Wer reinigt den Roboter?`Der Roboterroboter? Automatische Autobahnreinigung? Wer fährt stupide das Reinungsgerät? Und wer reinigt es, wartet es, pflückt den Dreck aus der Bürste? Und der Toilettendeckel reinigt sich auch, wenn er vollgekotzt ist? Und wer wischt am Klo außenrum?
Wer so argumentiert, malt sich eine SF-Welt zurecht, die es nicht gibt und wahrscheinlich nie geben wird.
Als Grundeinkommens-Aktivistin empfehle ich die gerade laufende Diskussion über Be-denken feministischer Ökonominnen bezüglich eines BGE:
http://antjeschrupp.com/2013/03/13/zwei-argumente-die-furs-grundeinkommen-nicht-taugen/
„Wer so argumentiert, malt sich eine SF-Welt zurecht, die es nicht gibt und wahrscheinlich nie geben wird.“
Willkommen in der Zukunft, wo 3-Drucker bereits Bauteile ausdrucken, aus denen wiederum 3-Drucker (durch andere Automaten) hergestellt werden.
Oder hier eine anderes bekanntes Beispiel aus der Landwirtschaft …
Natürlich wird man immer auf menschliche Arbeitskraft angewiesen sein – aber was spricht dagegen, standardisierbare Arbeit (= automatisierbare Arbeit) auch konsequent zu automatisieren?
Durch ein BGE gäbe es hier keine Hindernisse mehr und z.B. die Automobilindustrie würde dann die Arbeiter entlassen können, die sie heute schon nicht mehr braucht (sich aber aufgrund von Kapitalgewinnen und Subventionen noch leisten kann).
Parecon kann ich dazu sehr empfehlen. Scheißarbeit muss einfach besser bezahlt werden wie z.B. selbst verwirklichende Arbeit wie Architekt.
Das Thema Grundeinkommen ist immer präzise zu thematisieren. Ansonsten wird nicht deutlich, ob es ein neoliberales Entldeigungsprogramm ist oder ein mit sozialkohäsiven Massnahmen ausgestattetes Meliorisierungsprogramm. Das Argument von Parecon lassen allerdings auch Flassbeck aus: die übliche Lohnhierarchie von WC-Putze bis zum CEO bleibt intakt. Demgegenüber muss angenehme Arbeit geringer entlohnt werden als unangenehme. Aber hierzu fehlen uns noch fast völlig alle einsichterzeugende Schemata. Darin glauben wir noch an uns als bürgerliche Subjekte.
Die Große Gefahr beim Grundeinkommen: Das könnte das Gegenteil davon bewirken, was die Befürworter wollen.
Denn so wie es die meisten finanzieren wollen, würden sie die nach verblieben Sozialleistungen erst mal kürzen um das Geld in das Grundeinkommen zu stecken.
Kurz nachdem es dann eingeführt wäre, würde die "Zeitung" mit den vier großen Buichstaben einen Bericht über jemanden bringen mit sehr gutem Schul- und Hochschulabluß der alle anderen als "blöd" bezeichnet weil sie für ihn arbeiten gehen.
Die Stimmung schlägt um, das BGE wird wieder abgeschafft aber die wegen dem BGE gekürzten alten Sozialleistungen kehren nicht auf das alte Niveau zurück.
Ich denke ein Gesellschaft die mal über Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel klagt, aber (noch ?) nicht bereit ist, die Ursachen dafür zu beseitigen, sollte sich wenigstens mal überlegen, ob sie nicht die Arbeitszeiten dem Bedarf dynamisch anzupassen. D.h. in der Krise würde allle weniger arbeiten. Dann würden auch alle Berufspraxis behalten, die Jungen würden sehen, dass sich Ausbildung lohnt und wenn die Wirtschaft wieder brummt müsste man nur die Arbeitszeiten wieder verlängern und nicht über Fachkräftemangel klagen.
Kommentar veröffentlichen