Facie prima

Montag, 22. Oktober 2012

Heute: Die in akademische Ungnade Gefallene, Annette Schavan

Sie galt stets als seriöse und ehrbare Politikerin. Ihr Ruf schlug sich in jenen Fotos nieder, die Artikel zu ihrer Person oder ihrem Ressort unterstützten. Als rechtschaffene Frau war sie da zu sehen; ernster Blick, nie aber wirklich verkniffen, nie hatte man boshafte Züge in die Ernsthaftigkeit eingerührt. Schavan war das Mauerblümchen des Kabinetts - und wie solche Gewächse zuweilen sind, erklärte man sie als anständigen Menschen, den man fotographisch überdies auch so inszenierte. Ob sie es denn nun wirklich ist - anständig -, wird hier nicht beantwortet werden. Nur ein kurzer Blick auf jene Schavan soll geworfen werden, die in eine Affäre um ihre Doktorarbeit stolperte. Seitdem ist die sonst so toughe Frau einer Wandlung unterlegen. Aus der geschäftsmäßig ernsten, pädagogisch anmutenden Schavan, scheint sich bildlich eine verwirrte, orientierungslose Person entwickelt zu haben.


Verkniffen wirkt sie hie, seltsam entgleisende Gesichtszüge dort. Mit stierem Blick vor schwarzem Hintergrund scheint Schavan entrückt. Aus der vormals so seriös abgelichteten Frau ist eine gelichtete Gestalt geworden, eine bildlich hadernde, geknickte, auch verzweifelte Person. Die Falten tiefer als sonst, das Haar zerzauster, zähe Mimik. Dazu der erwähnte schwarze Hintergrund, als sei alles um sie herum für sie ausgeblendet, als sei ihr Umfeld in Dunkel gehüllt, als gäbe es für sie nur noch diesen Vorwurf und ihre Zerknirschtheit. Im Schwarzen zerstreut sie sich selbst, wirkt allein und isoliert, abgesondert von ihrem Alltag, herausgerissen aus ihrer Rolle als respektierte Politikerin. Der Vorwurf ist mit dieser bildliche Isolation zwar nicht verhärtet, sie trägt jedoch auch nicht dazu bei, ihn zu entschärfen.

So resignativ Schavan im schwarzen Orkus auch wirken mag, zuweilen flankiert eine um ihre Reputation ringende, mit den Händen fuchtelnde Frau die Vorwürfe. Aber ich habe es nicht getan!, scheint sie sagen und deuten zu wollen. Ist ein Dementi immer ein Dementi oder verbindet der Leser, der Betrachter damit das Eingeständnis? Ist die bildliche Dementihaltung vorauseilender Eifer, vorschnelle Entkräftung, die aussieht wie Dreck am Stecken? Wie man das letztlich sehen mag, ist die Mentalitätsfrage des Betrachters. Fraglich ist dennoch, weshalb die vormals so anständig aufbereitete Schavan nun rudert und schlenkert? Weshalb sie clownesk hantiert, warum sie eine tapsige und teils törichte Aura anphotographiert bekommt? Und weshalb schon ein in den Raum geworfener Vorwurf reicht, um den bildjournalistischen Ansatz umzuwerfen?



10 Kommentare:

Anonym 22. Oktober 2012 um 08:28  

WARUM verteidigen Sie Schavan? Das hat sie nicht verdient!!

ad sinistram 22. Oktober 2012 um 08:37  

Ich verteidige sie? Ist mir gar nicht aufgefallen.

Ulli 22. Oktober 2012 um 09:26  

Man sollte sich vor Augen halten, dass Schavans Politik im wesentlichen darin bestand, das an Humboldt orientierte klassische Bildungsideal der deutschen Universität abzuwickeln, das Studium extrem zu verschulen und die Uniausbildung hundertprozentig den Interessen der Wirtschaft anzupassen. Das salbungsvolle Getue, das sie immer den Kameras präsentierte, sollte das vielleicht verdecken. Wenn sie ihren Doktortitel erschlichen hat (man sollte aber das Urteil der Uni abwarten), dann heißt das, dass die Person genausowenig salbungsvoll ist wie ihre Politik.

Anonym 22. Oktober 2012 um 11:53  

Ich finde auch nicht, das Frau Schavan verteidigt wird.

Wenn ich mich an ihr schadenfrohes Grinsen erinnere, als sie auf Merkels Handy die Nachricht las, dass der gegelte "Gutti" zurückgetreten ist, dann gehts ihr jetzt wohl genauso.

Alex Illi 22. Oktober 2012 um 12:08  

Die andere Seite der Frage ist allerdings, warum sie vorher ebenso grundlos verhältnismäßig souveräner und seriöser abgebildet worden ist.

So oder so fängt die Manipulation schon im Bildteil an:
Erst auf einen Sockel überhoben ("Frau Schavan schaut stets adretter und gefasster aus, als 'Normalbürger' bisweilen"), aber wehe, der Journalistenschar wird ein blutig Tuch vor die Nasen gehalten, dann folgt erfahrungsgemäß das Herab-(ver)-Zerren.

Banana Joe 22. Oktober 2012 um 13:26  

An den Kommentator #1 (der liest, ohne zu verstehen) sei auf den Link kleine Kleines Latinum verwiesen (oben rechts):

"...Facie prima, lat. auf den ersten Blick, widmet sich der bildlichen Darstellung von Personen, die im öffentlichen Diskurs eine vorgeschnitzte, daher unbewegliche und starre Maske verpaßt bekommen, die dem Betrachter verdeutlichen soll, wess' Geistes Kind der Dargestellte zu sein scheint. Hier wird offengelegt, wie und warum Menschen, über die berichtet wird, stets in gleicher oder ähnlicher Weise abgelichtet werden; hier soll die eilige Konditionierung des ersten Blickes überdacht werden..."

Der kommentierte Beitrag widmet sich beispielhaft der bildlichen Darstellung einer Person -in diesem Fall Annette Schavan-die im öffentlichen Diskurs eine vorgeschnitzte, daher unbewegliche und starre Maske verpaßt bekommt - jedoch die eilige Konditionierung des ersten Blickes überdacht werden sollte...

...es geht um das Mittel der Manipulation mit Bildern! Dies galt es darzustellen. Und dies ist Roberto J. De Lapuente gut gelungen...

piet 22. Oktober 2012 um 16:13  

Gut, daß sich auch andere daran erinnert haben.

http://www.freitag.de/autoren/achtermann/schavan-und-der-radikalenerlass

ad sinistram 22. Oktober 2012 um 16:40  

Ist ja auch richtig, dass man sich daran erinnert - aber mit dem, was Facie prima behandelt, hat das dennoch nichts zu tun.

Anonym 22. Oktober 2012 um 17:14  

Jeder Journalist lernt, Bebilderung PASSEND ZUM TEXT zu wählen.
Wie das hier immer wieder als arge Entgleisung festgestellt wird, verwundert.

Siehe auch Lance Armstrong derzeit:
www.spiegel.de/sport/sonst/a-860726.html
www.spiegel.de/sport/sonst/a-862632.html
www.welt.de/sport/article110102518.html

Markus 23. Oktober 2012 um 13:00  

Spontan würgen muss ich immer, wenn ich kompetenzsuggerierende Bilder von Politikern sehe, auf denen sie mit angewinkelten Armen und gespreizten Fingernz abgeildet sind.

Ist es - im Zusammenhang mit diesen Manipulationen - strengegenommen nicht auch Betrug am Leser, wenn "zweckentfremdete" (Gestik, Mimik, die nicht aus dem Sachverhalt des behandelten Artikels stammen) Bilder verwendet werden?

Wo ist der Unterschied zu den gefakten "Emotions" seinerzeit beim EM Spiel Deutschland-Italien, die einen weinenden Fan als Reakion auf ein Gegentor zeigten, welche tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt passierte.

Oder der Jogi, der einem Balljungen angeblich während eines Spiels (statt tatsächlich davor) den Ball aus der Hand schlug.

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