De auditu
Dienstag, 30. Oktober 2012
Oft geschieht es, dass jemand aufgrund beruflicher Perspektiven seine Heimat verlassen musste. Dabei geht es nicht immer um Karriere, sondern oftmals nur um Auskommen, darum, überhaupt einen halbwegs normal bezahlten Arbeitsplatz zu ergattern. Das Leben fern vom Ort des Aufwachsens, der Familie und Freunde, abseits von örtlicher Gebundenheit und Tradition, verkappt sich dann hinter einem euphemistischen Begriff, hinter einer optionalen Verklärung. Man nennt diesen Ort, an dem man von Berufs wegen strandete, die Wahlheimat. Das klingt positiv - und manchmal mag dieser Ort erfreulich gewählt worden sein; in Zeiten des Berufsnomadentums aber, in denen man den Ort des Heimischseins verlässt, um Arbeit zu finden oder zu haben, ist der Begriff jedoch auch für viele Menschen erdrückend optimistisch.
Eine Wahl zu haben wird gemeinhin mit Freiheit deklariert. Zwar wird die ökonomisch angeordnete Alternativlosigkeit als politische Freiheit verteidigt - aber das eher aus Gründen der staatlichen Wirtschaftsräson. Optionen zu haben kann Freiheit bedeuten, sofern die jeweiligen Optionen nicht mehrfach dasselbe in anderer Bemalung ist. Welche Wahl hat jemand, der den Ort seines Heims - das kann Heimat sein oder ein Ort, an dem man sich menschlich wohlfühlt - verlassen muss, um arbeiten, das heißt: sich geldlich versorgen und sozial aufrechterhalten, zu können? Kann man es eine Wahl nennen, zwischen Arbeitslosigkeit oder Prekärbeschäftigung, garniert mit dem Drangsal aus Behördenstuben, und einem möglichen Arbeitsplatz weit weg wählen zu können?
In der Wahlheimat schlägt sich begrifflich die Freiheitsdefinition einer Gesellschaft nieder, die Freiheit immer dort enden lässt, wo das ökonomische beginnt - und Ökonomie beginnt immer stärker an jedem Zipfelchen, in jeder Nische dieses Gesellschaftsentwurfes. Wahlheimat ist für Menschen, die wegen dem Beruf verziehen, ein Hohn. Nicht generell für jeden, aber für viele schon. Denn welche Wahl hatten sie? Das heißt nicht, dass sie unglücklich werden müssen, wo sie nun sind - aber Wahlfreiheit mag nicht der Grund gewesen sein, es sei denn, man rekrutiert die Entscheidung, sich in die Fänge eines Jobcenters zu begeben, zu einer realistischen Option. Die Wahl als Vorsilbe ist die neoliberale Art, sich eingeschränkter Möglichkeiten begrifflich zu entziehen. Eine solche Wahlheimat wäre manchmal besser als Zwangsheimat bezeichnet - der Hang zu optimistischer Darstellung der gesellschaftlichen Situation läßt eine solche Komposition allerdings nicht zu.
Wahl zu haben ist das Stichwort schlechthin für sichtbar gemachte Freiheit. Wie sie sich inhaltlich zeigt, ob sie Vielfalt streut, wirklich verschiedene Wege ermöglicht, Alternativen erlaubt, ist im hiesigen System hingegen zweitrangig. So wie die politische Wahl stets dieselben neoliberalen Prämissen mit ähnlichen neoliberalen Programmen an die Tröge spült, so ist die Wahl- als Präfix die über die Gleichschaltung geschraubte Verblendung; einer Gleichschaltung, die Optionen nicht gestattet. Die Wahl- ist die Kampfparole eines Gesellschaftsentwurfes, der sich anschickt, global installiert werden zu wollen. Wahl- ist ein Propagandamittel des Neoliberalismus - während dessen Jünger die Wahlmöglichkeiten demontieren, spielt er mit der Wahl- Wort- und Assoziationsspiele, um seine Attraktivität zu erhöhen. Begriffe wie Wahlheimat sind die Geburt einer Zeit, in der es Wahl immer weniger gibt. Gäbe es sie, so müsste sie nicht stetig hartnäckig betont werden.
Eine Wahl zu haben wird gemeinhin mit Freiheit deklariert. Zwar wird die ökonomisch angeordnete Alternativlosigkeit als politische Freiheit verteidigt - aber das eher aus Gründen der staatlichen Wirtschaftsräson. Optionen zu haben kann Freiheit bedeuten, sofern die jeweiligen Optionen nicht mehrfach dasselbe in anderer Bemalung ist. Welche Wahl hat jemand, der den Ort seines Heims - das kann Heimat sein oder ein Ort, an dem man sich menschlich wohlfühlt - verlassen muss, um arbeiten, das heißt: sich geldlich versorgen und sozial aufrechterhalten, zu können? Kann man es eine Wahl nennen, zwischen Arbeitslosigkeit oder Prekärbeschäftigung, garniert mit dem Drangsal aus Behördenstuben, und einem möglichen Arbeitsplatz weit weg wählen zu können?
In der Wahlheimat schlägt sich begrifflich die Freiheitsdefinition einer Gesellschaft nieder, die Freiheit immer dort enden lässt, wo das ökonomische beginnt - und Ökonomie beginnt immer stärker an jedem Zipfelchen, in jeder Nische dieses Gesellschaftsentwurfes. Wahlheimat ist für Menschen, die wegen dem Beruf verziehen, ein Hohn. Nicht generell für jeden, aber für viele schon. Denn welche Wahl hatten sie? Das heißt nicht, dass sie unglücklich werden müssen, wo sie nun sind - aber Wahlfreiheit mag nicht der Grund gewesen sein, es sei denn, man rekrutiert die Entscheidung, sich in die Fänge eines Jobcenters zu begeben, zu einer realistischen Option. Die Wahl als Vorsilbe ist die neoliberale Art, sich eingeschränkter Möglichkeiten begrifflich zu entziehen. Eine solche Wahlheimat wäre manchmal besser als Zwangsheimat bezeichnet - der Hang zu optimistischer Darstellung der gesellschaftlichen Situation läßt eine solche Komposition allerdings nicht zu.
Wahl zu haben ist das Stichwort schlechthin für sichtbar gemachte Freiheit. Wie sie sich inhaltlich zeigt, ob sie Vielfalt streut, wirklich verschiedene Wege ermöglicht, Alternativen erlaubt, ist im hiesigen System hingegen zweitrangig. So wie die politische Wahl stets dieselben neoliberalen Prämissen mit ähnlichen neoliberalen Programmen an die Tröge spült, so ist die Wahl- als Präfix die über die Gleichschaltung geschraubte Verblendung; einer Gleichschaltung, die Optionen nicht gestattet. Die Wahl- ist die Kampfparole eines Gesellschaftsentwurfes, der sich anschickt, global installiert werden zu wollen. Wahl- ist ein Propagandamittel des Neoliberalismus - während dessen Jünger die Wahlmöglichkeiten demontieren, spielt er mit der Wahl- Wort- und Assoziationsspiele, um seine Attraktivität zu erhöhen. Begriffe wie Wahlheimat sind die Geburt einer Zeit, in der es Wahl immer weniger gibt. Gäbe es sie, so müsste sie nicht stetig hartnäckig betont werden.
7 Kommentare:
Der entwurzelte Mensch, welcher sich nur noch durch seinen Arbeitsplatz definiert, ist eine leichte Beute für den radikalen Liberalismus. Begriffe wie Heimat und Familie werden immer abstrakter, was aber die Herrschenden nicht daran hindert, diese exzessiv zu propagieren. Merkwürdigerweise scheint diese Propaganda zu fruchten, zumindest in den USA. Vielleicht nach dem Motto: Wer nichts mehr hat, der hat Nation?
Meine Eltern gehörten zur deutschen Minderheit in Rumänien, die dort vertrieben wurde. Zum Glück hatten sie die Wahl einer anderen Heimat.
Für so viele Vertriebene ist Heimat ein Fluch...
ich habe meine heimat verlassen müssen, damit ich arbeit finde. meine heimat war strukturschwach. aber sie fehlt mir. arbeit ist einfach nicht alles.
Ich schrieb ja:
"Das klingt positiv - und manchmal mag dieser Ort erfreulich gewählt worden sein..."
Mir ist klar, dass in vielen Fällen das Verlassen der Heimat auch das Abladen einer Bürde ist.
Ich hatte die Wahl zwischen Arbeitslosigkeit und Leihjob weit weg. Meine Wahlheimat ist ok. Gewählt habe ich sie aber nüsch.
Statt Wahlheimat wäre dann
>Wühlheimat< angemessener, wenn
ausschließlich die Arbeitsplatz->Wahl< >Anreiz< gewesen ist …
[>Wühlen< für (angestrengt) arbeiten:
wird zumindest im Rheinland so bezeichnet]
Pet. 30. Oktober 2012 11:56
" Meine Eltern gehörten zur deutschen Minderheit in Rumänien, die dort vertrieben wurde. Zum Glück hatten sie die Wahl einer anderen Heimat.
Für so viele Vertriebene ist Heimat ein Fluch..."
Die ehemals zahlenmäßig sehr große Anzahl an Menschen mit deutschen Vorfahren in Rumänien sind zu keiner Zeit in nennenswerter Zahl vertrieben worden sondern verließen ihre Heimat in Massen freiwillig, besonders ab 1990.
Die Wahrheit zurechtrückende Grüße von Bakunin
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