Beim Rabattieren gesunder Lebenseinstellungen

Mittwoch, 31. Oktober 2012

Selbstverständlich hegen die beiden Krankenkassen, die wahlweise CDU- oder FDP-Mitgliedern Rabatte gewähren, keine parteipolitischen Interessen. Gut, wenigstens die DKV, die der FDP Nachlass für ihre Mitglieder verspricht, hat zwar 2009 eine Parteispende überwiesen, Kleckerbetrag über 10.250 Euro - aber das heißt noch lange nichts. Parteipolitische Interessen hat die AXA jedenfalls nicht, wenn sie Unionsmitgliedern Prozente schenkt. Für die DKV dürfte es nicht anders sein. Parteipolitik ist denen doch scheißegal.

Es geht um Prognosen und Wahrscheinlichkeiten, darf man nicht ganz ernst vermuten. Man wird in den Auswertungs- und Zergliederungsabteilungen, in denen man die Datensätze der Kunden verwaltet und durchleuchtet, vielleicht zu der Erkenntnis gekommen sein, dass Menschen mit konservativen Hintergrund einfach gesünder und damit für die Krankenkassen kosteneffizienter sind. Der Rabatt für die beiden Parteien der amtierenden Regierungskoalition ist demnach keine parteigebundene Ermäßigung, sondern eine weltanschauliche, die dem gesund lebenden und denkenden Kunden schon vorab etwas zurückgibt, um seinen gesundheitsfördernden Lebensstil zu belohnen. Leistung muss sich schließlich wieder lohnen - Gesundheit auch - und der Konservatismus erst!

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De auditu

Dienstag, 30. Oktober 2012

Oft geschieht es, dass jemand aufgrund beruflicher Perspektiven seine Heimat verlassen musste. Dabei geht es nicht immer um Karriere, sondern oftmals nur um Auskommen, darum, überhaupt einen halbwegs normal bezahlten Arbeitsplatz zu ergattern. Das Leben fern vom Ort des Aufwachsens, der Familie und Freunde, abseits von örtlicher Gebundenheit und Tradition, verkappt sich dann hinter einem euphemistischen Begriff, hinter einer optionalen Verklärung. Man nennt diesen Ort, an dem man von Berufs wegen strandete, die Wahlheimat. Das klingt positiv - und manchmal mag dieser Ort erfreulich gewählt worden sein; in Zeiten des Berufsnomadentums aber, in denen man den Ort des Heimischseins verlässt, um Arbeit zu finden oder zu haben, ist der Begriff jedoch auch für viele Menschen erdrückend optimistisch.

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Wer zahlt, muss noch lange nicht anschaffen

Montag, 29. Oktober 2012

Wesentliche Entscheidungsprozesse, ausschlaggebende Richtungsweisungen sind kaum noch von öffentlichen Interesse, werden so gut wie nicht mehr publiziert. Die Vierte Gewalt gestaltet sich mehr und mehr als ein Ausgabenkontrollzentrum, das über die Kosten des Sozial- und Gesundheitwesens, über die Finanzen notleidender Volkswirtschaften oder die Gehälter des öffentlichen Dienstes wacht und die Menschen der Mittelschicht darüber in Kenntnis setzt, was mit den Geldern, die man ihnen abknöpft, geschieht. Die Ausgabenkontrolle vermittelt den falschen Eindruck, die vermeintlichen Leistungsträger und Steuerzahler hätten einen Anspruch darauf, diejenigen genau unter die Lupe zu nehmen, die von ihren Geldern leben. Das Leben von Menschen, die Gelder aus öffentlichen Kassen beziehen oder in Krisenstaaten leben, erklärt man zum Allgemeingut. Alles folgt der Devise: Wer zahlt, schafft an! Das ist jedoch ein eklatanter Irrtum.

Ein Dieb kann keine Brücke sein

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Auf neoliberalen Bildungswegen

Freitag, 26. Oktober 2012

oder: wie Hessen Schule macht. Ein persönlicher Einblick.

Ich gehöre zu jenem privilegierten Teil der Elternschaft, die sich derzeit wenig Sorgen um den schulischen Werdegang, die schulischen Leistungen des eigenen Nachwuchs machen müsste. Doch tue ich dies. Nicht, weil ich einen Leistungsabschwung fürchtete - der kann natürlich kommen, die Pubertät lauert schon. Auch nicht, weil ich zu jener Elternschaft gehöre, die bei dem Gedanken an schlechtere Zensuren erschaudert im Hinblick auf die Zukunftsaussichten und Arbeitsmarktperspektiven - denn a) sind gute Zensuren keine Garantie für ein zukünftiges Eiapopaia, b) sind hingegen schlechte nicht gleich absolute Perspektivlosigkeit und c) ist der Druck, den das Ausmalen eines solch schaurigen Szenarios bewirkt, nicht förderlich für die kindliche Motivation und die elterlichen Nerven. Dennoch sorge ich mich, denn mein Kind besucht eine hessische Realschule, die stark an neoliberalen Leitwerten arbeitet.

Das Funktionieren

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Seismologische Sprachflüchtigkeit

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Vor einigen Stunden habe ich mich noch selbst zitiert, habe ich eine Passage aus einem meiner Essays feilgeboten, in dem es um die Laxheit der Ausdrucksweise geht. Dieser flüchtige und nachlässige Umgang mit Sprache und Sätzen findet sich täglich. Erst kürzlich wieder, als ich aufhorchte, weil der Sprecher im Radio mitteilte, dass Jahrhunderte nach Galilei in Italien erneut ein etwas sonderbarer Fall die Justiz beschäftigte - und erneut gehe es dabei um Wissenschaft.

Inquisitorisch quasi hätte die italienische Justiz nämlich nun sechs Seismologen zu mehreren Jahren Haft verurteilt, weil sie das Erdbeben in L'Aquila, das 2009 rund 300 Menschen das Leben kostete, nicht vorausgesagt und die Bevölkerung nicht gewarnt hätten. Fürwahr kurios, dachte ich mir. Wenn ich auch nicht umgehend gleich an Galilei gedacht hätte, wie der Moderator, so hört sich das doch sehr mittelalterlich, sehr despotisch an.

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Sit venia verbo

Mittwoch, 24. Oktober 2012

"Es ist verschlagwortete Sprache, mit der die intellektuelle Hölle bereitet, mit der jeder Anspruch auf präzisen, gewissenhaften und sachlich angemessenen Ausdruck verunmöglicht wird. Je genauer man sich ausdrückt, so unkte schon Adorno in seiner Minima Moralia, desto schwerer verständlich das Resultat; formuliert man jedoch lax, wird man mit Verständnis belohnt. Es ist ein Umherwerfen mit Wortfetzen, die keiner erst erfassen oder verstehen muss, weil es einem ohnedies schon schwante, was gemeint war. Die verstümmelte Aussage, sie ist die höchste Disziplin der Rhetorik. Eine Disziplin des Sprechens, ohne dabei etwas zu sagen, gleichwohl man seinen Zuhörern und Lesern Glauben macht, genau das gesagt zu haben, was ihnen schon immer unter den Nägeln brannte; eine Disziplin des sich Gemeinmachens mit denen, die einem an den Lippen kleben, des sich Anpassens an diejenigen, für die man schreibt oder spricht, was schon Karl Kraus zu dem Aphorismus veranlasste, dass es die Kunst des Agitators sei, sich so dumm zu machen, wie seine Zuhörer sind, damit sie glauben, sie seien so gescheit wie er."
- Roberto J. De Lapuente, "Auf die faule Haut: Skizzen & Essays" -

... und Schweigen ist Gold

Kann man, oder muss man am Ende gar, als demokratischer gesinnter Mensch mit jedem sprechen, eine Diskussion führen? Ich behaupte: Nein! Man muss und man soll auch nicht. Im Sinne wehrhafter Demokratie! Das demokratische Lebensgefühl hat Würde - das Gespräch mit jemanden, den man diese demokratische Würde nicht verleihen kann, ist nicht nur arrogante Verachtung, sondern eben auch die Attestierung dafür, den Gesprächspartner für würdelos genug zu empfinden, um mit ihm überhaupt auch nur zu sprechen.

Tariq Ali zitiert im Vorwort seines Buches "Die Achse der Hoffnung" den britischen Philosophen Oakshott. Der soll gesagt haben, dass Politik "ein Gespräch und nicht eine streitbare Auseinandersetzung" sei. Die Aussage ist grundlegend falsch - und sie ist, vielleicht weil sie so falsch und verlogen ist, in nuce und in komprimiertem Aggregatzustand, die neokonservative Auslegung des Demokratieverständnisses. Laut dieses Verständnisses ist es nämlich so, dass in einer Demokratie alle Meinungen denselben Wert erhalten sollten; deshalb sitzen in den Klamauksendungen, die aus unbegreiflichen Gründen politischer Talk heißen, auch Vertreter, die mit der Demokratie auf Kriegsfuß stehen. Deshalb unterhalten sich dort schiedlich friedlich offensichtlich demokratisch gewillte Menschen mit solchen, die die Demokratie für einen groben historischen Unfug halten. Dass man über alles und mit jedem reden könne, hat die politische Mitte als unverbrüchliche Wahrheit ereilt. In den Neunzigerjahren galt dieses Motto "über alles und mit jedem" noch für seichte Talkshows bei Meiser und Arabella; heute ist es politische Maxime und gilt als unantastbar.

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Die politische Ökonomie des Selbstmitleids

Dienstag, 23. Oktober 2012

Der amtierende Konservatismus suhlt sich im Selbstmitleid. Er werde nicht mehr richtig verstanden, er habe sich nun an Erscheinungen abzustrampeln, die nicht er, die sein Gegenspieler, der Liberalismus - nicht der Neo-, sondern der Linksliberalismus -, hervorgerufen habe. Gemeint ist damit speziell ein Menschen- und Gesellschaftsbild, das nur bedingt negativ ist, das den Menschen etwas Positives zutraut, das glaubt, der Einzelne agiere gesünder und vernünftiger, wenn er möglichst wenig Autorität erlebt. Der Konservatismus regt sich darüber auf, dieser Entwurf habe den Staat an den Rande einer Katastrophe gezerrt, habe Schulen zu Kriegsschauplätzen, das Sozialwesen zur Hängematte und den Arbeitsmarkt zu einer Mangelwirtschaft an motivierten Arbeitskräften transformiert.

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Facie prima

Montag, 22. Oktober 2012

Heute: Die in akademische Ungnade Gefallene, Annette Schavan

Sie galt stets als seriöse und ehrbare Politikerin. Ihr Ruf schlug sich in jenen Fotos nieder, die Artikel zu ihrer Person oder ihrem Ressort unterstützten. Als rechtschaffene Frau war sie da zu sehen; ernster Blick, nie aber wirklich verkniffen, nie hatte man boshafte Züge in die Ernsthaftigkeit eingerührt. Schavan war das Mauerblümchen des Kabinetts - und wie solche Gewächse zuweilen sind, erklärte man sie als anständigen Menschen, den man fotographisch überdies auch so inszenierte. Ob sie es denn nun wirklich ist - anständig -, wird hier nicht beantwortet werden. Nur ein kurzer Blick auf jene Schavan soll geworfen werden, die in eine Affäre um ihre Doktorarbeit stolperte. Seitdem ist die sonst so toughe Frau einer Wandlung unterlegen. Aus der geschäftsmäßig ernsten, pädagogisch anmutenden Schavan, scheint sich bildlich eine verwirrte, orientierungslose Person entwickelt zu haben.

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Gegen das Vergessen

Freitag, 19. Oktober 2012

Ich muss dauernd an Kamenew denken. Manchmal auch an Trotzki. In letzter Zeit sogar ziemlich häufig. Erst neulich wieder sah ich das spitzbärtige Gesicht des Kamenew vor meinem geistigen Auge, obwohl ich es hätte nicht sehen dürfen, denn man hatte ihn ja von Fotos getilgt, sein Konterfei aus der Geschichte entfernt. Trotzki sehe ich seltener vor mir und wenn, dann stelle ich mir Joe Pesci in Good Fellas vor, denn beide Herren ähneln sich, wie ich finde. Winston Smith stelle ich mir gar nicht vor, den gibt es nur als Begriff - ich habe die Verfilmung von Orwells Roman nie gesehen; gleichwohl ich weiß, dass John Hurt ihn gespielt hat, schaffe ich es nicht, das dröge Gesicht dieses Darstellers mit Smith auszustatten. Er existiert als Begriff, so wie ich mir zuweilen Worte wie Hiobsbotschaft oder Glücksgefühl zunächst nur abstrakt denken kann, bis sie mit Inhalten gefüllt werden. Der begriffliche Smith wird derzeit fleißig mit Inhalten gefüllt - in meinem Kopf, inspiriert durch die Wirklichkeit.

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Klassenlosigkeit manifestiert Klassengegensätze

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Die moderne Rechte lebt in einem anderen Biotop als es die klassische tat. Letztere stellte sich den klassenkämpferischen Impulsen innerhalb der Gesellschaft, erkannte an, dass es etwas wie verschiedene Interessen und gegeneinander abzuwägende Positionen gibt, die dann wiederum von der staatlichen Macht gelenkt und zusammengebracht werden müssen, um sozialen Frieden zu erhalten. Die moderne Rechte erkennt die klassenkämpferischen Stimuli innerhalb des Gesellschaftsgefüges nurmehr als verstaubtes Theorem an; sie leugnet hartnäckig, dass es etwas wie gegensätzliche Interessen auch nur geben könnte. Kommen sie doch als Tagesordnungspunkt auf die Agenda, so diffamiert man sie als Ausdruck ideologischen Denkens und altbackener Sektiererei.

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Die Wacht am Rhein

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Die deutschen Medien zeichnen ein halbseidenes Bild von Hollande. Nicht freiweg und vollmundig, meist verblümt und andeutungsweise. Selten sind Berichte seiner Politik neutral; ein Nebensatz als Seitenhieb fällt immer. Überheblichkeit ist garantiert, so als wüssten schließlich alle, dass die Art von Verteilungspolitik, die Hollande zumindest theoretisch zu favorisieren vorgibt, nicht klappen könne. Hier urteilen die deutschen Medien aus der in Deutschland herrschenden Wirtschaftsideologie heraus. Laut der sind Steuererhöhungen und insbesondere die Besteuerung von Reichtum als Häresie am freien Markt eingeordnet. Hollande ist dabei der Häretiker, den man rhetorisch auf den Scheiterhaufen stellt. Die deutschen Medien spielen den neoliberalen Inquisitor.

Tragisch daran ist, dass Hollande kein linker Hardliner ist, sondern das vertritt, was man vor einiger Zeit noch als sozialdemokratische Politik bezeichnet hätte - bevor Schröder die hiesige Sozialdemokratie rückstandslos in den Neoliberalismus führte. Schon eine solche sozialdemokratische Politik, schon solche Rezepte genügen demnach, um die Berichterstattung von journalistischer Neutralität loszueisen, sie süffisant polemisieren und die rhetorische (und vielleicht auch umgesetzte?) Richtung von Hollandes Politik bespötteln zu lassen.

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Ridendo dicere verum

Dienstag, 16. Oktober 2012

"Wir stehen am Grab des Wortes. Es ist nicht schön gestorben. Es ist nicht vom Zensor erwürgt worden. Es ist als leere Worthülse im Brackwasser der Beliebigkeit ertrunken."

Was man heute sagt, wenn man es sagt

Montag, 15. Oktober 2012

Die Sprachregelung, die die neoliberale Agenda in den öffentlichen Raum installierte, ist eine selbstsüchtige. Sie ist es nicht nur, weil sie etwaige Egoismen der Teilnehmer fördert und letzthin sprachlich verwurstet hat. Sie ist es auch - und viel mehr! - weil jede Aussage, jeder Vergleich und jeder Verweis zur überprüfenden Selbstbestätigung des neoliberalen Gesellschaftsentwurfes herangezogen wird. Wie eine selbstsüchtige Freundin oder Bekannte, die fragt, wie es einem gehe, die die Antwort noch kurzatmig abwartet, sie jedoch kaum noch vernimmt, um just mit der Ausbreitung der eigenen Befindlichkeit anzufangen. Die neoliberale Sprachregelung nutzt bestimmte Aussagen als Stichworte, um das eigene Wohlergehen zu loben, um sich selbst weihevoll in Szene zu rücken.

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