... zwei, drei, viele FDP!
Donnerstag, 9. August 2012
Ich weiß nicht, ob das seinerzeit als Scherz gemeint war oder nicht. Machte Bushido einen auf Hape Kerkeling, der weit von seiner humoristischen Bestleistung entfernt, als speckiger Rheinländer maskiert fiktiv als Kanzler kandidierte? Was wäre die politische Botschaft, die hinter einer solchen Aktion zu vermuten wäre? Der Wiener Aktionismus wollte provozieren, wollte das Happening zum Erkenntnisgewinn und zur Demaskierung gesellschaftlicher und systematischer Ungereimtheiten und Selbstgefälligkeiten nutzen. Welchen kognitiven Gewinn hatte man aus Kerkelings Parodie? Gab es einen? Und was wird uns Bushidos geplanter politischer Slapstick erkennen lassen? Oder ist es ihm ernst?
Nehmen wir es halt für einen Augenblick als ernste Absicht an. Es enthüllt sich, dass Bushido keine Auflockerung des Politbetriebes wäre, sondern die rappende Fortschreibung der FDP mit nuschelnden Mitteln...
Sprechsingender JuLi aus der Mittelschicht
Bushido erklärte in einem Interview gegenüber der BILD-Zeitung, er sei niemand aus dem Ghetto, er komme aus der Mittelschicht. Das kann man freilich niemanden zum Vorwurf machen; seine weiteren Aussagen flankieren aber die Erkenntnis, dass er eben auch aus dieser Mittelschicht heraus sozialisiert wurde. Mit all den üblichen Affekten und Engstirnigkeiten. Wenn man nun davon ausgeht, dass Bushido genau in jener Zeit aufwuchs und der Welt verständig wurde, da die geistig-moralische Wende den Alltag umkrempelte, da der Neoliberalismus, der im Gepäck sinnstiftenden Konsumismus und entfesselten Profitismus mitschleppte, seinen gesellschaftlichen Siegeszug antrat, so erklären sich auch Bushidos in und zwischen den Sätzen lauernde Ansichten.
Sein politisches Ziel lautet, und er traut es sich auch so zu sagen, dass er Regierender Bürgermeister Berlins werden möchte. Geschenkt, dass er politische und persönliche Ziele gleichsetzt - andererseits: genau diese Haltung ist es, die unsere Zeit ausmachen. Die Personalisierung, die zum politischen Inhalt, zur Botschaft wird, ist Anzeichen einer postdemokratischen Öffentlichkeit, die es bevorzugt, an der Oberfläche zu kratzen, ohne die unter dem Lack lauernden Kompliziertheiten zu touchieren. Gut ist, dass unter Bushidos politischem Lack ohnehin nichts Kompliziertes ausharrt.
Anreize schaffen! verwendet er als Floskel, wie es die Jünger des Marktes ehedem tun. Er bringt das mit der Integration von Ausländern zusammen, die freiwillig Deutsch lernen sollten - durch eben diese Anreize. Bushido bringt keine eigenen Themen an, er kopiert das vorhandene Repertoire, gestaltet nicht, sondern springt mit auf - für ihn sind die angeblich unintegrierten Ausländerhorden Sujet; er hinterfragt nicht, was wahr, was Legende ist. Der neoliberale Zeitgeist lebt davon, Themen auszulutschen, bis sie so wahr sind, wie er von Anfang an immer schon suggeriert hat, dass sie es sind. Dass der Rapper zudem die Frauenquote ablehnt, ist zunächst ja nicht unbedingt verwerflich - seine Begründung ist allerdings geprägt von den Arbeitsmarktexperten, die uns seit Jahren weismachen wollen, dass Arbeitslosigkeit nur eine Folge von mangelndem persönlichen Engagement sei. Fehlender Erfolg auch, meint Bushido, wenn er Frauen empfiehlt, "Arschbacken zusammenkneifen und arbeiten", dann schaffen sie alles. Dass Selbstaufopferung, egal ob bei Mann oder Frau, nicht zwangsläufig zu einer besseren Arbeitsstelle, zu höheren Lohn und so weiter führt, hat Bushido noch nicht verstanden, denn er scheint die Situation auf dem modernen Arbeitsmarkt, die Prekarisierung, die Haltung einer "industriellen Reservearmee", nicht wahrzunehmen. Wer heute noch glaubt, dass Engagement Erfolg schmiedet, der ist in den Losungen der neoliberalen Propheten ordentlich verfangen und findet wahrscheinlich keinen Ausweg mehr.
Zwangsläufig werden neue Parteien immer Ef-De-Pe-oid
Der Rapper ist angekommen, schon bevor er sein Vorhaben, eine politische Partei unter seiner Leitung zu gründen, öffentlich machte. Im Smoking nimmt er Preise entgegen und die Kritik an der Gesellschaft, eigentlich das ureigenste Handwerk des Rappens, begrenzt sich auf einige Plattitüden. Die Gründung einer Partei, die wie eine radebrechende FDP auftritt, ist da nur folgerichtig. Jahre der Beschulung, in der wir mit Sozialdarwinismus und zu Vernunft erklärten Egoismen berieselt wurden, in denen man uns pädagogisch wertvoll angedeihen ließ, dass eine deregulierte Wirtschaft für jeden Vorteile böte, wenn man nur willig genug ist, sich auf die Anforderungen des Marktes einzustellen, Jahre voller Scheindebatten und emotionalisierter Ratio... all das nährt zwangsläufig Charaktere, die sich in ihrem angelernten Denken und unbewussten Opportunismus, für besonders clever und querdenkerisch halten.
Unumgänglich scheint es so, als dass neue Parteien, gegründet von Leuten, die die neoliberale Unterweisung als normalen Alltag erlebt haben, immer irgendwie marktkonform und -unkritisch, steuer- und abgabenfeindlich, elitär und arbeitsmoralingesäuert, Da-haben-Sie-mehr-von-Ihrem-Geld!-süchtig und egoman ausgerichtet werden; kurz gesagt: wie die FDP in Reinkultur, jedenfalls aber wenigstens von ihren Idealen angehaucht, also Ef-De-Pe-oid. Die Piraten klingen manchmal ganz ähnlich, sie treten zuweilen als Nerd-FPD auf - und ein etwaiger Streit zwischen Realos und Fundis wird unter Umständen die Tendenz dereinst verhärten. Bushido will eine rappende FDP, eine, die Steuern runter! nicht monoton in Mikrofone spricht, sondern rhythmisch singsangt. Eine Politik der gedankenschwanger gestikulierenden Hand - angelehnt an Schröders Politik der ruhigen Hand. Denn Bushido ist übrigens bekennender Fan dieses Ex-Kanzlers, gab er unlängst zu - und er wird es immer bleiben, meinte er hartnäckig...
Nehmen wir es halt für einen Augenblick als ernste Absicht an. Es enthüllt sich, dass Bushido keine Auflockerung des Politbetriebes wäre, sondern die rappende Fortschreibung der FDP mit nuschelnden Mitteln...
Sprechsingender JuLi aus der Mittelschicht
Bushido erklärte in einem Interview gegenüber der BILD-Zeitung, er sei niemand aus dem Ghetto, er komme aus der Mittelschicht. Das kann man freilich niemanden zum Vorwurf machen; seine weiteren Aussagen flankieren aber die Erkenntnis, dass er eben auch aus dieser Mittelschicht heraus sozialisiert wurde. Mit all den üblichen Affekten und Engstirnigkeiten. Wenn man nun davon ausgeht, dass Bushido genau in jener Zeit aufwuchs und der Welt verständig wurde, da die geistig-moralische Wende den Alltag umkrempelte, da der Neoliberalismus, der im Gepäck sinnstiftenden Konsumismus und entfesselten Profitismus mitschleppte, seinen gesellschaftlichen Siegeszug antrat, so erklären sich auch Bushidos in und zwischen den Sätzen lauernde Ansichten.
Sein politisches Ziel lautet, und er traut es sich auch so zu sagen, dass er Regierender Bürgermeister Berlins werden möchte. Geschenkt, dass er politische und persönliche Ziele gleichsetzt - andererseits: genau diese Haltung ist es, die unsere Zeit ausmachen. Die Personalisierung, die zum politischen Inhalt, zur Botschaft wird, ist Anzeichen einer postdemokratischen Öffentlichkeit, die es bevorzugt, an der Oberfläche zu kratzen, ohne die unter dem Lack lauernden Kompliziertheiten zu touchieren. Gut ist, dass unter Bushidos politischem Lack ohnehin nichts Kompliziertes ausharrt.
Anreize schaffen! verwendet er als Floskel, wie es die Jünger des Marktes ehedem tun. Er bringt das mit der Integration von Ausländern zusammen, die freiwillig Deutsch lernen sollten - durch eben diese Anreize. Bushido bringt keine eigenen Themen an, er kopiert das vorhandene Repertoire, gestaltet nicht, sondern springt mit auf - für ihn sind die angeblich unintegrierten Ausländerhorden Sujet; er hinterfragt nicht, was wahr, was Legende ist. Der neoliberale Zeitgeist lebt davon, Themen auszulutschen, bis sie so wahr sind, wie er von Anfang an immer schon suggeriert hat, dass sie es sind. Dass der Rapper zudem die Frauenquote ablehnt, ist zunächst ja nicht unbedingt verwerflich - seine Begründung ist allerdings geprägt von den Arbeitsmarktexperten, die uns seit Jahren weismachen wollen, dass Arbeitslosigkeit nur eine Folge von mangelndem persönlichen Engagement sei. Fehlender Erfolg auch, meint Bushido, wenn er Frauen empfiehlt, "Arschbacken zusammenkneifen und arbeiten", dann schaffen sie alles. Dass Selbstaufopferung, egal ob bei Mann oder Frau, nicht zwangsläufig zu einer besseren Arbeitsstelle, zu höheren Lohn und so weiter führt, hat Bushido noch nicht verstanden, denn er scheint die Situation auf dem modernen Arbeitsmarkt, die Prekarisierung, die Haltung einer "industriellen Reservearmee", nicht wahrzunehmen. Wer heute noch glaubt, dass Engagement Erfolg schmiedet, der ist in den Losungen der neoliberalen Propheten ordentlich verfangen und findet wahrscheinlich keinen Ausweg mehr.
Zwangsläufig werden neue Parteien immer Ef-De-Pe-oid
Der Rapper ist angekommen, schon bevor er sein Vorhaben, eine politische Partei unter seiner Leitung zu gründen, öffentlich machte. Im Smoking nimmt er Preise entgegen und die Kritik an der Gesellschaft, eigentlich das ureigenste Handwerk des Rappens, begrenzt sich auf einige Plattitüden. Die Gründung einer Partei, die wie eine radebrechende FDP auftritt, ist da nur folgerichtig. Jahre der Beschulung, in der wir mit Sozialdarwinismus und zu Vernunft erklärten Egoismen berieselt wurden, in denen man uns pädagogisch wertvoll angedeihen ließ, dass eine deregulierte Wirtschaft für jeden Vorteile böte, wenn man nur willig genug ist, sich auf die Anforderungen des Marktes einzustellen, Jahre voller Scheindebatten und emotionalisierter Ratio... all das nährt zwangsläufig Charaktere, die sich in ihrem angelernten Denken und unbewussten Opportunismus, für besonders clever und querdenkerisch halten.
Unumgänglich scheint es so, als dass neue Parteien, gegründet von Leuten, die die neoliberale Unterweisung als normalen Alltag erlebt haben, immer irgendwie marktkonform und -unkritisch, steuer- und abgabenfeindlich, elitär und arbeitsmoralingesäuert, Da-haben-Sie-mehr-von-Ihrem-Geld!-süchtig und egoman ausgerichtet werden; kurz gesagt: wie die FDP in Reinkultur, jedenfalls aber wenigstens von ihren Idealen angehaucht, also Ef-De-Pe-oid. Die Piraten klingen manchmal ganz ähnlich, sie treten zuweilen als Nerd-FPD auf - und ein etwaiger Streit zwischen Realos und Fundis wird unter Umständen die Tendenz dereinst verhärten. Bushido will eine rappende FDP, eine, die Steuern runter! nicht monoton in Mikrofone spricht, sondern rhythmisch singsangt. Eine Politik der gedankenschwanger gestikulierenden Hand - angelehnt an Schröders Politik der ruhigen Hand. Denn Bushido ist übrigens bekennender Fan dieses Ex-Kanzlers, gab er unlängst zu - und er wird es immer bleiben, meinte er hartnäckig...
8 Kommentare:
Dann wäre es ja perfekt wenn Köln einen Oberbürgermeister Niedecken bekäme.
Dazu: http://www.nachdenkseiten.de/?p=13903
Volk an den Spaten - Rapper in die Politik !
Wo bin ich hier ???
Die hier beschrieben ideologische Nähe des Rappers Bushido zur FDP kann auch ganz spezifisch aus der Geschichte des Hip-Hop selbst erklärt werden. Der Dokumentarfilm Planet Rock: The Story Of Hip Hop And The Crack Generation beleuchtet die historisch symbiotische Beziehung zwischen der Crack-Ökonomie und der Hip-Hop-Kultur, plakativ zusammengefasst: Die Crack-Dealer hatten haufenweise Geld, waren aber als reine Geschäftsmänner nicht cool. Die Rapper dagegen waren cool, hatten aber kein Geld. Also taten sie sich zusammen: Die Musiker liehen den Dealern ihr Charisma, die Dealer den Musikern das Geld - und das praktische Wissen um Ökonomie.
Diese Symbiose geht auch in Personalunion: Der heutige ökonomische Rap-Grossmogul Jay-Z (Jg. 69) gilt als ehemaliger Crack-Dealer, in diesem Milieu habe er die Regeln des Business gelernt – und äusserst konsequent und erfolgreich auf die Musikindustrie übertragen.
Offensichtlich, dass Bushido diesem Aufsteigermythos anhängt, plakativ überspitzt im zusammen mit Aggro Berlin-Label-Kollege Sido gedrehten Musikvideo „So mach ich es“, hübsch zusammengefasst in einem Youtube-Kommentar: „sex , gewalt und geld genau das was die jugend von heute sehen will > Gut gelöst“. Das Video hätte nicht diese Intensität, wenn die beiden nicht sichtlich Spass an dieser Selbstinszenierung hätten... Und wenn das einmal mehr hegemoniale Polit-Ästhetik in Deutschland werden sollte, werden wir uns sehnlichst die FDP zurückwünschen.
...was wollt ihr denn?......wir hatten doch auch schon mal nen schlechten Anstreicher als Führer...lach
"[...] all das nährt zwangsläufig Charaktere, die sich in ihrem angelernten Denken und unbewussten Opportunismus, für besonders clever und querdenkerisch halten."
Toller Satz.
Dabei wird man auch an die Heldenverehrung erinnert, die M.Zuckerberg abbekommt, dafür dass er mit einer Studienspielerei (von der es viele und vor Allem Anspruchsvollere unter denen seines Schlages gibt) zufällig zuerst den Nerv seines näheren Umfeldes und dann den einer ganzen Generation getroffen hat.
Aber das dann häufige zugesprochene Querdenken oder die Innovation, fallen eher weniger erstaunlich aus.
Das Zitat drückt dieses Muster im allgemeinen sehr gut aus, wie ich finde.
Wenn der Goldesel krank wird und nicht mehr so viele Dukaten scheißt, muss man sich überlegen, wie man den Esel wieder gesund macht. In diesem speziellen Fall (wie auch in vielen anderen zuvor, siehe Dschungelcamp o.ä.) ist Eigenwerbung wohl die Medizin. Da zieht sich Spatzenhirn Mohamed Youssef Ferchichi - gemeinhin bekannt unter dem lachhaften Synonym "Bushido" einen edlen Zwirn an, lässt sich ein paar fehlerfreie Sätze beibringen und stellt sich (ohne selbst dabei lachen zu müssen - was für eine Leistung!!) vor die Kameras und sondert politische statements ab. Das Ganze ist leider kein Aprilscherz, sondern finstere Realität. Ein völlig unbegabter Zappelphilipp, der bislang nur durch frauenfeindliche Sprüche und übelste Macho-Infantilität aufgefallen ist, möchte die Politikerkaste mit seiner höchst überflüssigen Teilnahme bereichern. Statt diesem Hampelmann eine Bühne zu bieten, die von BLÖD-Zeitung und Co. fleissig gebohnert wird, sollte man diesem Reservedarsteller einige Schauspielstunden verpassen und ihn mit Konsorten wie Bohlen oder Dirk Bach Animationsjobs in hinterindischen Feriencamps machen lassen.
Als Polit-Novize bei der FDP sorgt er schnellstens für ein Unterschreiten der 1% Schwelle...
Anton Chigurh
@Anton Chigurh
Komischer Kommentar.
1. Womit haben es die Hinterinder verdient dass noch mehr von unseren abgewrackten Gestalten da rumlaufen ?
2. Was stört es Sie, wenn er dazu beiträgt eine Partei, die sie offenbar nicht leiden können, unter die 1% zu bringen ?
Jedes Volk hat die Regierung und Parteien, die es sich verdient. Von Bushido bis Pro NRW - ein einig Reich Herrjemine. Dazwischen noch ein paar Esos, die zur Not auch mal die eigenen Kinder an Masern abkratzen lassen (wenn´s dem Edelmetallvertrieb dienlich ist). Das ist Zukunft made in Germany. Hurray!
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