De auditu

Dienstag, 7. August 2012

Das Gegenteil von Vertrauen ist nicht Misstrauen - jedenfalls nicht ökonomisch gesehen. Man hört ja heute viel öfter als vorher, dass die Märkte Vertrauen hätten oder, öfter noch, dieses verlören. Sie misstrauen aber nicht. Zwar hört man das zuweilen auch, aber diese Feststellung ist falsch. Der polnische Ökonom Kalecki meint einst dazu: "In einem Laissez-faire-System hängt das Beschäftigungsniveau vor allem vom Vertrauen ab. Schwindet dieses Vertrauen, gehen die privaten Investitionen zurück und mit ihnen die Produktion und die Beschäftigung. [...] Damit erhalten Kapitalisten großen indirekten Einfluss auf die staatliche Politik: Alles, was das Vertrauen beeinträchtigen könnte, muss sorgfältig vermieden werden, da es eine Wirtschaftskrise verursachen könnte. Aber sobald der Staat lernt, das Beschäftigungsniveau durch eigene Investitionen zu heben, verlieren die Unternehmer an Einfluss. Daher wird die Verschuldung, mit deren Hilfe der Staat seine Maßnahmen finanziert, als gefährlich dargestellt. Die Doktrin der "gesunden Staatsfinanzen" hat einen klaren gesellschaftlichen Zweck, denn sie soll das Beschäftigungsniveau wieder vom Vertrauen abhängig machen."

Zwar leitet Malecki diese Zeilen damit ein, dass die Unternehmer staatlichen Aktivitäten gegenüber misstrauisch wären - aber es sind eben die Unternehmer, nicht die Märkte, die misstrauisch sind. Das Gegenteil von Vertrauen, ökonomisch gesehen, sind staatlich finanzierte Konjunkturprogramme. Das blinde Vertrauen in unsichtbare Hände, Selbstheilungskräfte und reinigende Krisen sichert den Unternehmern Geltung und Dominanz - jede staatlich finanzierte Investitions- und Konjunkturpolitik untergräbt diese Geltung und diese Dominanz wieder, weil sie das Vertrauen als Basis abschaltet und sich als selbst handelnder Part von vagen Annahmen, mehr ist Vertrauen ohnehin nicht, emanzipiert.

Es geht den Federführern der Staatsschuldendebatte nicht um spätere Generationen, die hoch verschuldet angeblich an den Rand der Handlungsfähigkeit geraten werden - sie müssten dabei ja auch sehen, dass nicht nur Geldschulden hinterlassen würden, sondern infrastrukturelle Wertgegenstände, die der Gesellschaft von Nutzen sind. Sie sorgen sich darüber, dass die Verschuldung durch vom Staat finanzierte Investitionen zum Ende der Vertrauensgrundlage führt, womit der Einfluss der Wirtschaft auf die Politik erschwert würde. Staatsschulden zur Rettung von Banken sind für die Unternehmer weniger tragisch, denn die Banken, die systemrelevant sind, sind nicht weniger als ein Stützpfeiler dieses Vertrauensgebäudes.

Die Unternehmer wollen, dass wir glauben. Vertrauen ist nicht mehr als Glaubenssache. Entweder man glaubt daran, dass man vertrauen kann - oder man verliert den Glauben. Staatliche Konjunkturmaßnahmen sind das Gegenteil. Sie sind weniger Glaubensfrage, sondern ökonomisch nachvollziehbar und kalkulierbar. Wenn man vom Vertrauen der Märkte spricht, dann spricht man von der spirituellen Grundverfassung dieses Wirtschaftssystems und der ihm unterstellten Politik, die sich weigert, eine Linie zu verfolgen, die von Glauben abrückt, zu mehr Stichhaltigkeit hinführt. Das so oft zitierte Vertrauen und das zerbrechliche Gerüst, das von Unternehmerhand bezahlte Wirtschaftsexperten um es herum aufbauen, ist der ausschlaggebende Punkt, weshalb man sich kaputtspart, anstatt zu investieren.



3 Kommentare:

Anonym 7. August 2012 um 11:07  

trau, schau, wem?

Anonym 7. August 2012 um 13:34  

Hallo Herr De Lapuente

Wie immer, ein genialer Text (komme mir schon blöde vor, wie Schallplatte ;)).

Fasse mich mal ganz kurz:

Das Laissez-faire-System ist mir einfach zu esoterisch, zu emotional, dafür im gleichen Maße zu wenig rational. Genau so, wie die vielen WUNDER zu Aufschwung, Job, Wirtschaft, Wohlstand .... die alle damit verbunden sind.

WUNDER -> GLAUBEN -> VERTRAUEN -> ERSCHRECKEN -> VERTRAUEN VERLIEREN -> ÄNGSTE -> FLUCHT

Mach dem Ende kommt der Anfang, so stets auf ein Neues: WUNDER - GLAUBEN ....

Wir hätten bei den Naturgöttern bleiben sollen, dann wäre vermutlich der Schaden für den Globus in Grenzen gehalten worden und wir müssten uns nicht Gedanken darüber machen, wie wir es schaffen ins Universum zu expandieren.

Lieben Gruß
Rosi

Anonym 7. August 2012 um 22:21  

toller Artikel !

ökonomisch gesehen sind die Begriffe von Vertrauen/Mißtrauen fast gegenstandslos; weil in dieser/unserer rein ökonomischen Welt
diese Begriffe quasi unter den Tisch fallen.
Es sind Begriffe aus einer früheren Welt, in der es noch Verbindungen gab, die auf einem Ur-Vertrauen basierten. - In der heutigen, ökonomisch durchstrukturierten Welt werden diese Werte durch Verträge ersetzt.

Letztendlich halte ich jeden schriftlichen Vertrag für einen "Mißtrauensbeweis".

Hartmut

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP