Kinder... leben!

Freitag, 3. August 2012

Sonnencreme und Grippeimpfung,
Vergiss den Schal nicht!
Wie schütze ich mich am besten, wie mein Kind?
Wie sichere ich mich, wie es ab?
Die Fährnisse des Lebens muß man doch abschalten können,
Die Spontanität planen.
Langeweile in durchdachte Zeitabfolgen bannen,
Kinder brauchen Struktur!
Zu tun haben, beschäftigt sein!
Und Handschuhe, vergiss sie nicht.
Man muß sich dich absichern im Leben,
Der Unabwägbarkeit zuvor kommen.
Leben ist gefährlich,
Wir brauchen deshalb eine Abfederung,
Wie brauchen nur eine Nachahmung davon.
So tun als ob, Leben imitieren,
Nur nicht hineinstürzen, nur kein Abenteuer.
Nur ja nicht kopflos hinein.
Wo ist die Pädagogik der Anti-Kopflosigkeit?
Alles muß gut durchdacht sein,
Und versichert.

Auflagen für heiße Herdplatten,
Sperrkeile gegen Einzwicken der Finger,
Unterhemdchen bei Frühlingslüftchen,
Man muß alles bedenken!
Gebrannte Kinder scheuen das Feuer,
Aber meines soll unempirisch,
Meines soll es lernen ohne Scheuen.
Verbrennungen tun weh,
Verbrennen auch die Seele.
Man muß doch schützen,
Damit sie was werden in der Welt.
Behüten, fernhalten von Sorgen,
Eine Kindheit im Goldfischglas,
Unter der Käseglocke, unter der Glucke,
Geborgen im vorausdurchdachten Leben,
Gemacht von sorgenvoller Elternmiene.
Lebensabklatsch halt.
Frei von Bitterkeiten, frei von Ungemach,
Frei von Nein und Einschränkung,
Frei von Nebengeburten, die das Leben gebiert.
Wetterberichte, Aussichten, Kartenlegen.
Sonst gehen wir ohne Jacke in den Regen hinaus.

Die Schutzindustrie warnt,

Alarmiert, rät ab, sensibilisiert.
Zu viel Leben kann zum Tode führen,
Im Sandkasten droht Krankheit,
Lassen Sie Ihr Kind nicht unbeaufsichtigt!
Eltern haften für ihre Kinder!
Entweder haften oder verhaften,
Rabeneltern sind: die ihr Kind auflaufen lassen,
Die bei Regen ohne Jacke Ausgang erlauben.
Die Planlosigkeiten verordnen,
Die dies auch noch Freiheit nennen.
Wer nicht behüten kann, soll verhüten,
Wer sein Kind nicht vor allem schützt,
Hätte sich mal besser schützen sollen.
Ganztagsklassen und -betreuung,
Kinder beschäftigen,
Stunden verplanen, organisieren,
Die Kindheit der betriebsamen gesellschaft anpassen,
Nur nicht zu viel Freiheit.
Die Gefahren des Lebens wegsperren,
Wegpädagogisieren, wegretuschieren,
Gefahren kosten Zeit und Geld und Nerven,
Stören die Produktivität,
Nur eine Nachahmung von Leben leben.
Langeweile: ein anderes Wort für Leben.




6 Kommentare:

Anonym 3. August 2012 um 08:37  

wenn ich seh wie man kinder heute einengt wird mir übel. uns lief man laufen und hatten freiheit.

Frieda 3. August 2012 um 09:10  

Mit diesem Artikel sprichst Du mir als Oma mit 4 Enkeln direkt aus der Seele. Warum überlegt die heutige Elterngeneration nicht mal, warum wir und auch sie, ohne diese ganzen Impfungen und den vermeintlichen "Rundumschutz" bis heute überlebt haben!?

Anonym 3. August 2012 um 12:47  

Mich erinnerte dieser Text an Das Kind als Bio-Aktie (am 20.7. auf den Nachdenkseiten). Das heutzutage übliche Über-Behüten, vor allem in der Oberschicht (letzthin: Kinder mit Sturzhelm im Sightseeing-Boot) hat nämlich eine eigentümliche Dialektik, siehe am a.a.O. über die Veränderung der Kinderwagen: „Die heute gängigen Modelle sind dreirädrige Sportwagen, die mit größeren Rädern, Sicherheitsgurten und einer Bremse ausgestattet sind.“

Die Ästhetik dieses Über-Behütens kann an jedem zweiten Sommerwochenende in der Formel-1 besichtigt werden, am augenfälligsten vor dem Start. Peter Sauber nahm den Zuschauern mal alle Illusionen in Sachen „ich möchte ein Formel-1-Auto besitzen“ mit der Bemerkung, man benötige eine technische Ausrüstung plus Personal wie eine Intensivstation, um auch nur schon den Motor zu starten.

Und dann wundern sich die Eltern, wenn ihre Kinder als junge Erwachsene ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörungen entwickeln, seelisch leiden und sich vernachlässigt fühlen, wenn sie nicht ganz selbstverständlich umsorgt werden wie eine Pop-Diva oder eben ein Formel-1-Bolide.

Anonym 3. August 2012 um 15:12  

Auch mir als Oma wird ganz schlecht, wenn ich sehe, wie mein Enkelkind nicht nur überschüttet wird mit Geschenken, nein, auch das Krabbeln darf es nicht von allein lernen und auch das schlafen wird diktiert, damit es ja für die Kita ab 2 Jahren fit ist. Damit Mama wieder arbeiten gehen darf. Gerade 8 Monate alt geworden und schon wird ganz schnell geübt, wie man am Tisch sitzen kann und schnell allein läuft. Wo bleibt da das Kind sein überhaupt noch. Ich kann nur sagen: Armes Deutschland!!!!!

Papa Bär 4. August 2012 um 21:57  

Ich kann zwar die Kritik an Überbehütung und Betüttelung nachvollziehen, kann aber den Details nicht so ganz folgen. Es gibt durchaus Dinge vor denen man seine Kinder schützen sollte. Sonnencreme und Impfungen passen zum Beispiel meiner Meinung nach nicht in die Kategorie, dass sie Kinder übermässig beschützen.
Meine zwei Sohnemänner haben haufenweise blaue Flecken und Kratzer ringsherum, haben sich auch schon die Finger an heißen Töpfen verbrannt, und im kalten Wasser vermutlich erkältet. Nichtsdestotrotz lass ich meinen Kindern natürlicherweise auch den Schutz angedeihen, den ich mir selbst zumute. Ich fahre zum Beispiel mit Fahrradhelm und nutze Sonnencreme, wenn ich langer intensiver Sonne ausgesetzt bin. Auch Impfungen haben ihren Zweck, das viele der Erkrankungen ihren Schrecken verloren haben, haben wir zu einem großen Teil den Impfungen zu verdanken.

Mir geht dieses Eltern-Bashing so langsam auf den Keks. Insbesondere wenn das dann auch noch aus der Großeltern Generation kommt. Erstens wurden auch wir schon geimpft, und das ein großer Teil der Bevölkerung auch ohne Impfung überlebt hätte ist wohl kaum ein Argument, und zweitens durften auch wir schon nicht alles. Manche Sachen kann man seine Kinder einfach nicht ausprobieren lassen, vor ein Auto laufen oder aus dem Fenster hüpfen macht man in der Regel nur einmal.
Auch der Kommentar, der auf die Einstellung der Eltern zu schneller Rückkehr in die Arbeitswelt oder so ähnlich abzielt, trifft eher die Großeltern-Generation, immerhin sind sie es, die die Gesellschaft in der wir heute leben maßgeblich gestaltet haben beziehungsweise noch immer gestalten.
Wenn die eigenen Kinder in ihrer Erziehung zu sehr von der Leistungsgesellschaft geprägt sind, sollte man sich vielleicht an die eigene Nase fassen.

Ich habe keine Ahnung, wie man etwas nicht selbst lernen könnte und wie man das schlafen diktieren kann hätte ich auch gerne gewusst, meine Jungs wecken mich in der Regel deutlich früher als mir das lieb ist ;)

Also die grundlegende Tendenz des Artikels selbst finde ich ja sogar richtig, er wirft nur einiges munter durcheinander. Die Kindheit war schon immer eine Schutzsphäre, alles andere wird in der Regel als barbarisch empfunden, wie beispielsweise Kinderarbeit. Das Eltern ihre Kinder schützen ist an sich das natürlichste auf der Welt, das ist weit verbreitet im Tierreich. Es ist auch wahr, dass das Leben tödlich endet, das heißt aber noch lange nicht, dass man den Tod der eigenen Kinder billigend in Kauf nehmen sollte.
Vielleicht ist das nur eine stilistische Überzeichnung zur Provokation, aber wie gesagt, mich nervt's ein bissl. Was durchaus bleibt ist die Kritik an der Verplanung und völliger hinorientierung auf Leistung und Produktivität. Das ist allerdings wiederum ein Gesamtgesellschaftliches Phänomen, und Kinder davon auszunehmen stellt wiederum eine Schutzsphäre her.

Anonym 5. August 2012 um 14:30  

Das ist kein Elternbashing. Viele reiche Eltern übertreiben es. Der Autor hat das schön verdichtet.

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