Mittelwege zwischen Kapitalismus und Sozialismus

Mittwoch, 21. März 2012

Die Definition des Nationalsozialismus in rechts oder links, kann nicht gelingen. Emotional würde man ihn unter das rechte Spektrum subsumieren. Rechtsextremismus ist auch das Schlagwort für die haarlosen NS-Nostalgiker, die heute in der Nachfolge dieses Phänomens stehen. Ganz richtig ist diese Einordnung wahrscheinlich auch nicht, einfach deshalb, weil links und rechts historisch überholte Labels sind. Es schickt sich daher, den Nationalsozialismus nicht nach der Sitzverteilung der Konstituante von 1789 zu rubrizieren, sondern nach der historischen Kontinuität.

Dass der Nationalsozialismus keine isolierte Epoche der deutschen Geschichte ist, dass Hitler nicht urplötzlich die Bühne bestieg und es sich nicht als zwölfjähriger Betriebsunfall abtun läßt, wird beständig ins Gedächtnis gerufen. Das ist allerdings nicht das offizielle staatliche Geschichtsverständnis - läßt sich doch mit der Abgeschlossenheit des Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte, in eine epochale Unterscheidung in Vor und Danach, leichter umgehen. An der Kontinuität soll eine Einordnung stattfinden, wobei der Nationalsozialismus nicht zwischen den Zeiten davor und danach stehen soll, sondern als Beginn, als Vorgänger. Die provokante These wird sein:

Die nationalsozialistische Volksgemeinschaft als Vorgänger des Sozialstaates

Der NS-Staat wird unter verschiedenen Aspekten beleuchtet und erklärbar gemacht. Seine Auswüchse werden manchmal als kontinuierliche Entwicklung, manchmal als Rückschritt ins Mittelalter verdeutlicht. Selten kommt es vor, dass er mittels seines spiritual leaders erklärt wird: dem Fascismo - dem italienischen Faschismus. Dieser entstand als Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Der agrarische und verarmte Süden Italiens, in dem das sozialistische und anarchistische Lebensgefühl blühte und nur mühevoll unterdrückt werden konnte, sollte mit dem industrialisierten und prosperierenden Norden, in dem der Kapitalismus Egomanie förderte, vereint werden - nicht nur als Gebilde auf der Landkarte, sondern auch geistig und moralisch. Der Fascismo im Ursprung - lassen wir mal all die Manierismen, die er gebar, beiseite -, er sollte die klassenkämpferische Diskrepanz der zwei Italien bannen und die Nachwehen des Risorgimento, des Vereinigungsprozesses der verschiedenen Gebiete auf dem italienischen Stiefel, endgültig ausmerzen. Ein korporatives Wirtschaftsmodell sollte kapitalistische und sozialistische Denkmodelle vereinen und die Nation befrieden - der Fascimo war als goldener Mittelweg angelegt; die Frage, ob denn nun Sozialismus oder Kapitalismus der richtige italienische Weg sei, sollte wegfallen, denn der Fascismo lag dazwischen und sollte der italienische Weg sein.

So jedenfalls will es die Theorie. Und an dieser Theorie ereiferten sich die deutschen Nationalsozialisten schon, als sie noch ein kleiner Männerzirkel in München waren. Mussolinis Marsch auf Rom beeindruckte sie und sie hielten sich mit einigen Abstrichen und Zusätzen für den deutschen Ableger des italienischen Fascismo, natürlich unter deutschen Vorzeichen (Roland D. Gerst vergleicht New Deal und Nationalsozialismus miteinander und beleuchtet, dass beide als Mittelweg gedacht waren - wenn sie auch in den Mitteln unterschiedlich waren). Die ideologische Begutachtung des Phänomens sagt nun vielerlei. Für Kapitalisten war der NS-Staat das Produkt von Massenbegeisterung, entstanden durch die Massen, quasi ein populistisches Resultat. Diese Einsicht ist so richtig wie jene, die Sozialisten vertreten, dass es nämlich der Kapitalismus war, der Hitler die Steigbügel hielt. Der NS-Staat beinhaltete beides. Er nutzte das Kapital und er baute auf die Massen, er nahm sich vom Kapitalismus und stieß in die sozialistische Szene vor. Kurz gesagt, er war auch als Mittelweg zwischen den Extremen gedacht. Beide Systeme, westlicher Kapitalismus und östlicher Sozialismus erschienen den Deutschen jener Tage, der nationalsozialistischen Kamarilla sowieso, wie zwei Pläne, die man den Deutschen überstülpen wollte, obwohl sie dem deutschen Wesen überhaupt nicht entsprachen. Etwas anderes musste her; etwas, das dem deutschen Gemüt entsprach, ein Mittelweg vielleicht, ein deutscher Sonderweg - und Hitler versprach ihn.

Der Popanz eines Sozialstaates, den es aber für rassisch Passende wirklich gab

Ein solcher mittlerer Sonderweg benötigte Einrichtungen, von denen beide Gruppen, Kapitalisten wie Sozialisten, profitieren konnten. Ein Staat, der zwischen den Polen lavieren wollte, so war man sich einig, musste seine Bürger versorgen und ihnen Sicherheiten bieten. Das war natürlich nicht die Menschenliebe des Nationalsozialismus - ohnehin gab es keine Liebe zu Menschen, nur zu Volksgenossen, wobei auch da die Liebe sehr eisig war. Der eigene Machterhalt drängte dazu; die Befriedung leicht korrumpierbarer Massen musste vorangetrieben werden, wollte man das Regime halten. Und so errichtete man sich eine Form von Sozialstaatlichkeit, die Nöte abfedern und volksrelevante Konstellationen, wie beispielsweise die Begünstigung von Familien mit Kindern, schützen sollte. Die neue Volksgemeinschaft sollte eine ohne Klassenschranken sein, sie sollten den Volksgenossen in Geborgenheit halten und ihm Wohlstand schenken. Die Wirklichkeit hinter dieser "Sozialstaatlichkeit" gestaltete sich mit Terror und Verfolgung und mit einem grenzenlosen Verfügungsanspruch über Menschen. Der nationalsozialistische "Sozialstaat" war einer, der rassisch schied - Volksgenossen hatten Ansprüche und Leistungsberechtigungen, volksfremde Subjekte waren ausgeschlossen.

Für Volksgenossen entstand nach den nervenaufreibenden Weimarer Jahren, in denen es Rudimente eines Sozialstaates gab, der aber durch den Druck der Krisenjahre und durch den Terror auf den Straßen endgültig in Nichtigkeit verschwand, ein stabiles Milieu. Das war natürlich nur Blendwerk, denn ein sozialstaatlich wirkendes Gebilde, das naturgemäß als humaner Vernunftsakt begriffen werden sollte, kann nur Wirkung erzielen, wenn es blind auf die Menschen blickt. Wenn es terrorisiert, gegen den Willen der Leistungsbezieher "Hilfe" erteilt, drangsaliert, Gruppen ausschließt, dann hat es keine dauerhafte Stabilität, dann suggeriert es nur eine stabile Lage - ja, es ist genauer gesagt nur in stabiler Seitenlage, bis dann der Notarzt eintritt. Diese Einsicht kann lehrreich sein, denn sie unterstreicht:

Die Gefahr, die jedes sozialstaatliche Gefüge bedroht, wenn man von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit abgeht

Der deutsche Ableger des Faschismus, der als Mittelweg gedacht war, entwarf eine Form von sozialstaatlichen Gefüge. Nach 1945 sollte auch die neu entstandene Bundesrepublik einen Mittelweg anstreben. Sie nannte den ihren Soziale Marktwirtschaft - die war fürwahr nicht nationalsozialistisch; sie war aber gleichwohl als System gedacht, das zwischen den Extremen, zwischen Kapitalismus und Sozialismus, angesiedelt sein sollte. Das Prinzip war bonapartistisch, wie auch jene der verschiedenen Faschismen - das aber humanitärer, menschlicher und freiheitlicher selbstredend. Kein Klassenkampf mehr, sondern Vermittlung zwischen den Polen - das übernahm nicht mehr der Staat, der wurde in einen Parteienapparat gebettet. Diese sollten die verschiedenen klassenkämpferischen Losungen volksparteilich auflösen oder wenigstens kanalisieren und eine nationale Einheit erzielen. Der Bonapartismus, der vom dritten Napoleón entworfen wurde, war schnell als Vorbote des Fascismo gefunden gewesen (Thalheimer) - dass er es in gewisser Weise auch für die modernen Sozialstaaten und ihrer Unterdrückung des Klassenkampfes ist, wird weniger gerne verkündigt. Der Sozialstaat, der in der Sozialen Marktwirtschaft entstand, er war nun nicht mehr nur für die Volksgemeinschaft reserviert - und doch steht er in der Kontinuität des Vorgängers. Anders könnte man sagen: Wenn sich wieder eugenisches Denken durchsetzt, sozialdarwinistische Lügen ihren Weg suchen, wenn die Unaufgeklärtheit auch ins sozialstaatliche Denken hineinstrahlt, wenn bei Leistungsberechtigten mit terroristischem Feuereifer verfolgungsbetreut wird, weil die herrschende Irrlehre erklärt, dass Druck der Schmierstoff der gesellschaftlichen Beweglichkeit sei, wenn sich kurz und gut also Tendenzen durchsetzen, die auch damals diesen tristen und extremen Mittelweg zwischen den Extremen begünstigten, dann wäre die Nachfolge des heutigen Sozialstaates, der aus der Sozialen Marktwirtschaft entstieg und der wiederum auf deutschen Boden schon vorher Verankerung in der nationalsozialistischen Sozialpolitik fand, für jedermann augenfällig.

Noch etwas anders gesagt: Wenn die Soziale Marktwirtschaft, in der wir angeblich noch zu leben scheinen, nach Lesart von Lobbygruppen und Wirtschaftspolitik, seine Maßhaltung verliert, weil Mitspieler innerhalb dessen sozialen Gefüges meinen, Maß zu halten, Rationalität walten zu lassen, sei irrsinnig, womit sie zu extremen Positionen greifen, dann wird aus dem Mittelweg das, was der Mittelweg hierzulande einst schon war: Eine segregative "Sozialstaatlichkeit", die nicht mehr dazu da ist, den Menschen zu helfen, sondern dem System die Menschen einzugliedern - auf Gedeih und Verderb. Es mag sogar sein, dass der Sozialstaat der Bundesrepublik gerade dabei ist, sich an Lehren zu modifizieren, die damals aktuell waren, jahrzehntelang nur subkutan gärten und nun wieder durchbrechen. Rassistisches Denken, Obrigkeitstreudoofheit - sie schlagen durch und verändern die Wirkungsweise des sozialen Denkens. Die Soziale Marktwirtschaft, sie könnte mehr und mehr zum Nachfolgemodell der NS-Sozialpolitik werden - fast nahtlos nahm sie die Stelle der einstigen "beschränkten Sozialpolitik" ein, war in Form der Bundesrepublik deren juristisch erklärter Rechtsnachfolger. Inhaltlich war man glücklicherweise nicht ganz so nahtlos, wenn man aber natürlich auf vielerlei Rezepte, die damals schon ausgestellt wurden, nicht verzichtete. Der Sozialstaat, den wir jetzt haben, er ist zwar zeitlich weit vom Rechtsnachfolger entfernt, aber inhaltlich prescht man zu Nahtlosigkeit vor.

Diese Gefahr ist zugegen - und auch aus diesem Grunde heißt es, dass der Nationalsozialismus ein deutscher Unfall ist, der von niemanden vorher gesehen wurde und der nachher endgültig getilgt wurde. Mit Rechts oder Links läßt sich der Nationalsozialismus nicht erklären. Nur mit der Kontinuität der bonapartistischen Mitte - als der war er gedacht. Würde man die Kontinuität der Bundesrepublik zum NS-Staat offiziell nennen, würfe das Fragen auf, die peinliche Antworten zur Folge hätten. Und auch das Sozialstaatsdenken unserer Tage würde in Frage gestellt werden müssen - nicht nach dem Ob einer solchen Einrichtung, sondern ob des Wie, nämlich wie sich manche Gestalten den neuen Sozialstaat vorstellen. Nur die Abgrenzung zum Nationalsozialismus ist es, die die Bundesrepublik und ihren einstigen Mittelweg blütenweiß hält - den einstigen Mittelweg, den es heute nur noch in der Theorie gibt, der heute auf Seiten des Kapitalismus so tut, als sei er noch mittig; der immer mehr in Schieflage gerät und Richtung Kapital ausschert. Der postulierte Mittelweg, er hat seine neue Mitte gefunden: ganz nah am Kapital...



32 Kommentare:

Inglorious Basterd 21. März 2012 um 07:49  

Widerspruch! Mit Deiner Sozialstaatstheorie des NS greifst Du die Thesen von Götz Aly "Hitlers Volksstaat" auf und befindest Dich -schwupps- bei Erika Steinbach, die im NS-Faschismus mit Sozialismus gleichsetzte. Der NS-Faschismus war aber eine Form des enfesselten Kapitalismus mit totaler sozialer Kontrolle durch Zwangsmigliedschaften in diversen gruppenspezifischen Organisationen.

Historisch ist die Behauptung vom nationalsozialistischen Streichelzoo in dem Werk "Asozial im Dritten Reich" von Klaus Scherer
widerlegt. Denn Leute wie Du ("notorische Nörgler") und ich (radikal links) hätten in Dachau schon längst eine Barackenliege miteinander geteilt. Gerade der Verlust der humanen Orientierung und die Selektion und Eleminierung aller nicht in das Bild des Herrenmenschen unangepassten (auch) Deutschen waren integraler Bestandteil mitleidlosen und anti-fürsorglichen der NS-Ideologie.

"Der nationalsozialistische "Sozialstaat" war einer, der rassisch schied - Volksgenossen hatten Ansprüche und Leistungsberechtigungen, volksfremde Subjekte waren ausgeschlossen.
" Das ist meiner Meinung nach falsch und aus dem historischen Kontext gerissen. Die von Dir postulierte Fürsorglichkeit des Hitlerregimes gegenüber konformistischen "Ariern" wurde immer dem großen Ziel "Weltherrschaft" und Vernichtung des Weltjudentums untergeordnet.

Solltest Du trotzdem noch irgendetwas Positives an diesem System entdecken, könne wir uns ja auch mal über "Autobahnen" austauschen.

Deine Texte lese ich immer wieder gern, aber manchmal vermute ich, Du willst einfach nur provozieren oder? ;-)

ad sinistram 21. März 2012 um 07:56  

Ihn als entfesselten Kapitalismus zu sehen ist nicht richtig. Das ist ideologisch.
Steinbach setzt Sozialismus und Faschismus gleich - ich behaupte, dass der Faschismus ein Mittelding war. Damit stehe ich fürwahr nicht alleine da. Götz Aly kenne ich nur vom Hörensagen. Renommiertere Historiker teilen die These des Mittelweges durchaus. Historisch betrachtet dürfte das auch stimmen.
Man hat den NS auch als Diktatur des Kleinbürgertums bezeichnet. Heute würde man diese Leute als Mittelschicht bezeichnen. Wenn wir heute vor dem NS warnen, warnen wir nicht vor der endgültigen Entfesselung des Kapitalismus, sondern davor, dass sich die Mittelschicht radikalisiert.

ad sinistram 21. März 2012 um 07:58  

PS: Das was Du mit "Weltherrschaft" umschreibst, wurde so niemals als Ziel postuliert. Das halte ich für ein Märchen. Lebensraum im Osten - ja! Aber nicht Weltherrschaft. Vor langer Zeit hat Stefan Sasse darüber geschrieben, wenn ich mich recht entsinne.

Anonym 21. März 2012 um 08:21  

chapeau zur analyse. endlich zeigt einer auf daß es die mittelschicht ist, die in die diktatur führen kann.

potemkin 21. März 2012 um 10:53  

Das Dilemma für die herrschenden Wirtschaftsdemokraten: Sie können (und wollen) nur noch die eigene Klientel absichern. Die staatstragende Mittelschicht (sozusagen das zweite der drei Drittel) wird nicht mehr verschont, vielleicht auch, weil man sich ihrer trotz allem sicher sein kann. Zum NS-Sozialstaat: Besagter Götz Aly hat darüber viel geschrieben, auch über die Fürsorge, die die 'Volksgenossen' selbst kurz vor Kriegsende erfuhren. In diesem Zusammenhang seien auch die Erfahrungen von Ruth Klüger erwähnt, die nach ihrer Flucht aus dem KZ mit ihrer Mutter alle erdenkliche Hilfe erlebte, nachdem sie sich als Ausgebombte ausgegeben hatten.

flatter 21. März 2012 um 11:12  

Sorry, in dem Artikel is so viel Falsches, da weiß ich kaum, wo ich anfangen soll. Lassen wir mal die ganzen 'Hintergründe' weg, die die NS dazu bewogen haben mag, Elemente des italienischen Faschismus aufzugreifen. Sozialistisch war am NS absolut nichts. Der "Sozialstaat" bestand darin, Suppenküchen für Volksgenossen auf die Beine zu stellen und nach Gusto Unterstützung zu bieten, während "Asoziale" in die Lager getrieben wurden, ebenso wie Sozialisten. Das perfekte Mittel zur Regulierung des Arbeitsmarktes waren Millionen, die man wahlweise zur Zwangsarbeit treiben oder vernichten konnte. Und das alles in einer Phase wirtschaftlicher Erholung.
Selbst das 'arisierte' Vernögen und ehemals jüdisches Privateigentum wurde nicht vergesellschaftet, sondern befreundeten 'Unternehmern' zugeschanzt. Das ist der Gipfel des Kapitalismus.
Die Vernichtung der Juden und Dissidenten als Stückgut schließlich die Krönung des Ganzen.
Welch ein "Mittelweg"!

p.s.: 'Rechts' und 'Links' pauschal für überkommen zu erklären, ist vielleicht nicht immer die beste Idee.

Anonym 21. März 2012 um 11:13  

Mittelwege zwischen Kapitalismus und Sozialismus
Mittwoch, 21. März 2012

1.

Bei der Beurteilung des deutschen Faschismus als politisches Herrschaftssystem des deutschen Imperialismus darf man auf keinen Fall den Fehler begehen, die rein propagandistischen Parolen der damaligen deutschen Politiker gegenüber den Volksmassen und ihre tatsächlichen Zielen und TATEN zu verwechseln.

Man muss sich immer wieder klar machen, dass kein einziger der damaligen Faschismen, auch nicht der deutsche so genannte "Nationalsozialismus" so etwas wie logisch fest in sich geschlossene Weltanschauungen waren wie etwa der wissenschaftliche Sozialismus/Kommunismus, zumindest was den Anspruch seiner Begründer angeht.
Dass Hitler selbst in vielen öffentichen Reden vor seinen Anhängern die NSDAP als "Weltanschauungspartei" bezeichnete war ideologisches Blendwerk für seine Anhänger und opportunistischen Mitmacher, "Futter für die Hühner".
In gschlossenen Kreise sprachen er und andere fhrende Politiker und Funktionäre eine völlig andere Sprache, bis hin zur intonation!

Die propagandistische Jauche der NSDAP war ein Sammelsurium oder auch Kompendium aller möglichen Versatzstücke zeitgenössischer bürgerlicher Ideologien, pseudo-wissenschaftlicher Anschauungen und demagogisch entwendeter Begriffe und Vorstellungen aus der damaligen organisierten Arbeiterbewegung, SPD; KPD und legalistischen Gewerkschaften.
Die NSDAP war in der Tat eine Volkspartei für alle, die gern mitmachen, gern dabei sein wollten aus unterschiedlichsten persönlichen Motiven, fast jeder konnten dafür ein Fetzchen Ideologie, ein Fetzchen politischer "Begründung" in der NSDAP, beim Führer und seinem "Programm" finden.
Die "Weltanschauung" der NSDAP, eine beinahe Universal-Ideologie für jedermann.
Ausgeschlossen waren lediglich aus rein machtpolitischen - d.h. in Wahreit niemals aus vorgeblich "rassischen Gründen"! - ausgesuchte Minderheiten, um so die große übrige Masse der Bevölkerung um so fester zu einem großen riesigen, leicht zu lenkenden und zu kommandieren Block der "Anständigen"(Clement, Münte, Schröder etc...) bzw. "arischen Volksgenosen" zusammenschließen zu können.

Die "soziale Integration" dieser so hergestellten Masse der "Willigen" erfolgte mit Hilfe sozialstaatlicher Elemente, wie sie schon zuvor in der Republik von Weimar entwickelt worden waren, einschließlich durch die Mithilfe der nun durch in der Deutschen Arbeitsfront fast nahtlos aufgegangenen vormaligen reformistischen Gewerkschaften, Fußvolk samt Funtionärskörper.

Entgegen den Behauptungen der damaligen Politiker und noch immer vielen Leuten, die dieser Behauptung selbst heute noch auf den Leim gehen war das NS-System niemals ein "Ding in der Mitte" zwischen Kapitalismus und Sozialismus, es war die Fortführung der Herrschaft des deutschen Imperialismus seit Kaisers Zeiten ab 1933 unter einem neuen, braun gefärbten Mäntelchen, eine andere, den damaligen ambitionierten Zielen adäquatere der Herrschenden.(Revision von Versailles, Aufbau Deutschlands zu einer absolut selbstständigen und freien Weltmacht neben dem anglo-amerikanischen Imperialismus, wozu ganz natürlich der "Lebensraum im Osten" absolut unerlässlich war!)

MfG Bakunin

ad sinistram 21. März 2012 um 11:13  

Leider ist es oft so, dass es linke Lesart ist, der Kapitalismus habe den Faschismus installiert und damit ist auch das Volk, mehr oder weniger jedenfalls, unschuldig - es wurde überrumpelt. Daher darf es die "Sozialstaatlichkeit für Volksgenossen" nicht geben. Es war ja auch Opfer. Zweifellos, auf seine Art war es das - und Täter zugleich. Schon als der Fascismo groß wurde, war aber durchaus auch unter sozialistischen Denkern klar, dass der Faschismus mehr ist, als nur eine vom Kapital gemachte Diktatur (Stichwort: Thalheimer und Bonapartismus).

Anonym 21. März 2012 um 11:16  

2.

Tja, und nun, da blieben noch die "Mittelschichten", einschließlich des gesamten deutschen Bildungsbürgertums. Was bleibt nun von deren angeblicher "Diktatur"? Wo steckte sie? Worin betätigte sie sich?

Ja, sie hatten sie, diese "Diktatur" - über viele ihrer "Volksgenossen" - als BÜTTEL und Mitmacher, Mithelfer, Helfershelfern aller Art und im höheren Auftrag in sämtlichen stattlichen und halbstaatlichen, gewerkschaftlichen und politischen, und nicht zuletzt in allen Bildungsinstitutionen, und natürlich in den verschiedensten Abteilungen der gewaltigen Streitkräfte.
Im faschistischen Deutschland mussten die "Mittelschichten" im Gegensatz zu "Weimar" in der Tat keine "Existenzängste" mehr haben, sie bekamen von den führenden Imperialisten Deutschlands wirklich alle Hände voll zu tun, Aufstiegsmöglichkeiten, Karrieren ohne Ende!
(Helmut Kohl mal in den 80ern zur NS-Zeit: Wenn ein junger Mann etwas werden wollt, ging er eben in die Partei..)

MfG Bakunin

ad sinistram 21. März 2012 um 11:27  

@ Erdmann
Nichts was Du schreibst, steht dem entgegen, was ich meinte. Sprach ich nicht von der Volksgemeinschaft? Die meinte ich auch gar nicht lobend - nur als Tatsache. Dass die Volksgemeinschaft in der Realität auch nicht immer als unantastbar galt, ist zweifellos richtig. Der Mittelweg richtete sich ja nicht an Volksfremde, somit konnte denen auch nicht geholfen werden.

Wolfgang Benz erläutert das auch mehrfach, nicht nur Aly. Dass man diese Lesart nicht gerne hat, weil sie komplexer ist als das, was als optionale Sichtweise gelten soll, weiß ich auch. Benz ist indes eigentlich relativ unverdächtig - im Gegenteil, wird er aufgrund seiner Antisemitismusforschung eher von Rechten angefeindet.

ad sinistram 21. März 2012 um 11:34  

PS: Ich könnte mich, wie schon häufiger, auch auf Carl Amery stützen. Dessen Essay "Hitler als Vorläufer" erklärt, dass die wesentliche Grundlage des Hitlerismus die Einsicht war, dass es nicht für alle reiche (Ressourcen, Finanzmittel etc.) - im Grunde ist das auch die Debatte, die wir in diesem Staatswesen heute führen. Es reicht nicht, daher Ausländer raus!, Kriege im geostrategisch wichtigen Weltgegenden etc. Amery sagt auch, dass Hitler der Vorläufer für eine zukünftige Welt sein könnte, deren Prämisse aus der bürgerlichen Mitte kommt: es reicht nicht für alle! Der Faschismus in Italien war Vermittlung, wie dargelegt - in Deutschland kam die Einsicht dazu, dass es nicht reicht, womit man Ausgestossene erzeugte - wir wissen ja, wohin das führte.

Anonym 21. März 2012 um 11:36  

Blogger Roberto J. De Lapuente hat gesagt...

"Leider ist es oft so, dass es linke Lesart ist, der Kapitalismus habe den Faschismus installiert und damit ist auch das Volk, mehr oder weniger jedenfalls, unschuldig - "

Der Faschismus wurde von keinem anonymen, quasi unpersönlichen "System" namens Kapitalismus installiert sondern von den führenden politisch-ökonomischen Schichten, dem überwiegenden Teil der damaligen Eliten, von Leuten mit Rang und Namen, Gesichtern und feinen Adressen!

Was die "Schuld" des damaligen Volkes angeht, war es tatsächlich "schuldiger" als die heutigen Zeitgenossen, die alle heutigen imperialistischen Verbrechen weltweit in allen Nato-Ländern mehrheitlich wenigsten still abnicken, ganz praktisch aber mit ihren Steuergroschen FINANZIEREN?

WER bezahlte letztlich alle Schlächtereien in Korea, Vietnam, auf dem afrikanischen Kontinent, Irak, Afghanistan, Libyen, momentan Syrien?
WER finanzierte alle die diverse "Regime chances" ?
WER segnete dies alles immer und immer wieder in "freien Wahlen" ab?

Die Sache mit der "Schuld" der Massen in einer Klassengesellschaft...., kein einfaches Thema!

MfG Bakunin

Anonym 21. März 2012 um 12:29  

Blogger Roberto J. De Lapuente hat gesagt...

"Schon als der Fascismo groß wurde, war aber durchaus auch unter sozialistischen Denkern klar, dass der Faschismus mehr ist, als nur eine vom Kapital gemachte Diktatur (Stichwort: Thalheimer und Bonapartismus)."

Nach dem Aufkommen des Faschismus in Europa kamen unter sozialistischen Schriftstellern leider auch eine Menge falscher Vorstellungen über dieses neuartige Phänomen auf, darunter auch die zumindest sonderbare These der Komintern(Georgi Dimitroff und Genossen), dass der Faschismus die Dktatur der aggressivsten, räuberischsten Teile des Finanzkapitals sei, sie zu unterscheiden begannen zwischen aggressiven und weniger aggressiven Imperialisten!(so auch Stalin noch Anfang 1939)

Hätten alle diese Herrschaften sich mal gründlicher mit den Erkenntnissen über den Imperialismus aus der Zeit vor und während des ersten Weltkrieges besser vertraut gemacht, ganz besonders auch mit Lenin, so hätten sie sich manchen ideologisch verkorksten späteren Quark ersparen können.
Für Lenin stand bereits im Jahre 1916(!), noch im schweizerischen Exil, fest, was für Folgen den Völkern und vor allem den Proletarien blühen werden bei Fortbestehhen des Imperialismus, beim Sieg einer imperialistischen Koalition über die andere, einem dann von der einen der anderen, der besiegten aufgezwungenen Gewaltfrieden.
Selbst den späteren Konflikt zwischen den damals im ersten Weltkrieg noch verbündeten Räubern Japan und USA zwecks Beute machens auf Kosten deutscher Besitzungen in Ost-Asien und im Pazifik sah er voraus, einen unausweichlichen Konflikt zwischen beiden um die Hegemonie im Fernen Osten.

Und wie Recht er bekam!

MfG Bakunin

Anonym 21. März 2012 um 15:33  

Volle Zustimmung zu flatter...

Anonym von 8 Uhr:
"endlich zeigt einer auf daß es die mittelschicht ist, die in die diktatur führen kann."

Der Rechtsextremismus der Mitte wurde längst von mehreren Studien dargelegt, die sogar von der Mittelschicht bezahlt (!) wurden.

Ansonsten krass zu sehen wieder mal, wo die Gräben zwischen Linken verlaufen in der Einordnung der NS-Zeit...

Emeritus 21. März 2012 um 16:08  

Man kann der Interpretation beipflichten. Als Vorgänger des Sozialstaates würde ich die Volksgemeinschaft nicht sehen. Sie war aber als Mittelweg gedacht. Wie Sie richtig sagen, eine Art deutscher New Deal, der aber alles Böse in sich trug.

Anonym 21. März 2012 um 16:41  

Teil 1

"Mittelwege zwischen Kapitalismus und Sozialismus"

Uhh, in Verbindung mit Nationalismus halte ich diesen Ansatz für gefährlich und große Teile des Textes für hervorragend instrumentalisierbar. Spiegelt den Rechtsruck für das heutige Rechts, welches nach der Deklaration als Mitte strebt, gegen das heutige und damalige Links; fast so, als könne man sagen: „ist damals ein bisserl aus dem Ruder gelaufen, Links hatte uns nur irritiert. Versuchen wir es noch einmal.“ Mir ist klar, das sollte so nicht wirken, doch so wird es wirken. Es ist nicht der Weg der Geschichte (es mag andere geben, die Ihre Meinung teilen, meiner einer nicht), es ist Ihr persönlicher Mittelweg. Zunächst hielt ich ihn ebenso für rein provokativ … doch Ihre Kommentare lassen tatsächlich eine Überzeugung vermuten.

Denn egal, wie man es dreht und wendet, der Weg war rechts und zwar extrem. Dabei ist nicht wichtig, wie sich die einzelnen Dinge historisch darstellen, oder im Detail subjektiv interpretiert werden könnten. Nicht einmal wichtig, ob das noch mit Sitzen im Parlament übereinstimmen würde. Wichtig ist, wie die Masse, die Sie hier quasi automatisch damit in eine Mittelposition verfrachten, darüber denkt, es in den Köpfen bevorratet.

Da hat der Nadelstich von @Basterd schon Recht ... "unterhalten wir uns über Autobahnen" und was sonst noch "Gutes" entstanden ist; insbesondere auch durch den Abstand Ihres sog. "Mittelweges" in der Position zu Links, auch der Ihrigen.

Mittiger wird immer es auch dann, wenn man Links viel weiter nach links rückt (oder Links solches für einen selbst erledigt). Wonach exakt richtet sich eigentlich ein extremer radikalisierter Weg der Mitte?

Denn:
"Man hat den NS auch als Diktatur des Kleinbürgertums bezeichnet. Heute würde man diese Leute als Mittelschicht bezeichnen. Wenn wir heute vor dem NS warnen, warnen wir nicht vor der endgültigen Entfesselung des Kapitalismus, sondern davor, dass sich die Mittelschicht radikalisiert."

Das Kleinbürgertum bzw. die Mittelschicht, wenn sie sich in radikalisierter Machtposition (Dikatur) befindet, ist niemals die Mitte. Man sollte nicht den Fehler machen, Masse = Norm = Mitte (ein Blick in das heutige China könnte möglicherweise schon reichen). Durch Radikalisierung verlässt eine Masse die Mitte. Vor allen Dingen verlassen einzelne Mitglieder der Masse die Mitte. Wie sagt man so schön: "Manche sind einfach gleicher ..", in diesem Falle: "Manche sind einfacher mittiger, als andere" und jene ziehen die anderen steuernd mit. Und damit Sie nicht fehlinterpretieren, die lassen sich auch mitziehen. Sie sind nicht unschuldig, sondern versprechen sich einen Vorteil davon; egal, wie ein solcher auch aussehen mag. Man nimmt wissentlich in Kauf, könnte man formulieren. Da wird letztlich überhaupt nichts überrumpelt, überrollt, sondern kühl berechnet, für den eigenen Hintern.

Und es steht nirgendwo geschrieben, dass aus einer politischen Mischung - so es sie gegeben hätte - zweier Extrempositionen automatisch ein Mittelweg entsteht. Nein, es entsteht einfach eine neue Extremposition aus verschiedenen Komponenten und doch geht es immer in eine Richtung, es wird dazu einfach umfunktioniert!

ff.

Anonym 21. März 2012 um 16:41  

Teil 2

Und betrachte ich - neben vielen Historikern, die mitnichten mit Ihnen konform gehen – die Analyse über die Prozesse innerhalb des Dritten Reiches von psychoanalytischer Ecke her, so hat dies nichts (absolut undenkbar), aber auch gar nichts mit einem Mittelweg zu tun, eher mit der Befreiung niedrigster Urtriebe als Schlag gegen die menschliche Zivilisation, Zwecks besserer Steuerbarkeit der Masse (mit und eben durch solche Mittel).

Hier beziehe ich mich jetzt einmal auf @Basterd:
„Historisch ist die Behauptung vom nationalsozialistischen Streichelzoo in dem Werk "Asozial im Dritten Reich" von Klaus Scherer widerlegt.“
Natürlich stehen Sie mit ihrer Einschätzung nicht alleine da, standen Sie quasi nie. Doch ich behaupte an dieser Stelle, nun, dann sind sowohl solche Historiker/Analytiker, wie auch jetzt Sie persönlich auf große Teile der Propaganda hereingefallen, hinter der sich mitnichten ein Streichelzoo für Völkische verbarg, sondern eine breite Versklavung und somit Arbeits- und Leistungsverpflichtung der Völkischen von Kindesbeinen an. Und zwar absolut zielgerichtet.
Die einfache Tatsache, dass Mitte stets der stärkeren Seite folgt, macht mitnichten einen Mittelweg aus.

"PS: Das was Du mit "Weltherrschaft" umschreibst, wurde so niemals als Ziel postuliert. Das halte ich für ein Märchen. "
Das sieht Kellner anders, als Zeitzeuge.

"Erst Europa und dann gehört uns die ganze Welt"
(Propaganda-Zitat-Ende).

Und irgendwie, Herr De Lapuente, die Eroberungs-Landkarten sprechen da ebenso eine ganz andere Sprache, die passen mehr zu den "Slogan" da oben. Wären als einer der ersten zu nennen: Frankreich, Belgien Holland, wie im Süden Griechenland, Richtung Norden, die skandinavischen Länder. Sicherlich, Polen liegt im Osten, England stand zu Beginn schon auf dem Plan ...

Nein, werter Herr De Lapuente, da braucht man schon ein sonniges Gemüt, um davon auszugehen, man wolle sich lediglich eine wenig Land im Osten zur Ausdehnung rekrutieren und habe die anderen Länder Europas lediglich deswegen erobert und den Krieg erklärt, damit sie dabei nicht weiter stören. Ansonsten wäre ich gespannt, wie Sie sich das erklären, das muss ich zugeben.

Ganz davon abgesehen, der Bruch mit dem Osten, wo ich Russland als ehemaliger "Partner" verorte, kam erst wesentlich später (dazu war i.Ü. die Begründung, zumindest lt. Kellner und lt. Propaganda, die einer Ausdehnung (immerhin, die Ressourcen wurden knapp). Da ist es fast einfacher, ich stecke die Nadel eines Zirkels auf den Fleck Deutschland und ziehe einen großen Kreis. ... Und nehme ich die afrikanischen Teile noch mit Hinzu .. zugegeben, wird schwierig mit dem Zirkel auf einer Kugel ...

ff.

Anonym 21. März 2012 um 16:43  

Teil 3
Nicht jedes Mittel heiligt den Zweck:
Leider ist es oft so, dass es linke Lesart ist, der Kapitalismus habe den Faschismus installiert und damit ist auch das Volk, mehr oder weniger jedenfalls, unschuldig - es wurde überrumpelt. Ganz ehrlich, ich finde das scheixxe, die Rolle des Kapitalismus im Faschismus zu verniedlichen, damit Fehlinterpretationen, das Volk sei unschuldig, in Ihrem Sinne abgesichert werden könnten.

Volk war nicht unschuldig, das Großkapital auch nicht. Um solch einen kriegerischen Nationalsozialsmus überhaupt erst zu beginnen und weiterhin zu praktizieren, brauchen Sie stets zwei ökonomische Faktoren. Den Faktor finanzielles Kapital und den Faktor Human Ressources. Ohne Kapital bewegt sich auf diesem Planeten schon seit Jahrtausenden gar nichts mehr. Doch man beginnt in der Regel mit der Kapitalisierung, aus rein praktikablen Gründen heraus, nicht um eine spätere Schuld- oder Unschuldsfrage zu initiieren. Daraus ergibt sich längst kein Mittelweg. Zu einem ähnlichen Thema hatten wir schon mal so einen Fehlschluss ... die „ach so unschuldigen“ Soziopathen, die es – bis auf extrem wenige Ausnahmen – so gar nicht gibt.

Letztlich funktioniert Faschismus (egal für welches Ziel) damals, wie er heute funktioniert. Eine Mischung aus gierigen Zielen, Machtstreben, Pöstelei zur Befriedigung der Bedeutung eines Teils der Völkischen (das simuliert ... jeder kann es schaffen, jeder kann einen solchen Posten haben), Lobbyismus, Vorteilsnahmen, Machtmissbrauch und unterdrückende Gewaltmittel. Und dazu braucht man Gegner, innen, wie außen, auf die man den Volkszorn kanalisieren kann. So simpel urtriebig, primitiv ist das eigentlich. Doch es muss auch bezahlt werden. sowohl mit Arbeitskraft, als auch mit Kapital.

Empfehle hier wirklich Kellners Tagebücher, da bekommt vor allen Dingen Ihre „soziale Komponente“ (die angebliche Sozialstaatlichkeit) ein ganz anderes Gesicht. Menschenproduktionsstätte trifft es da wohl eher. Natürlich schaut man bei der „Qualitätskontrolle“ innerhalb Produktionsprozessen darauf, dass hinten auch noch etwas Brauchbares heraus kommt. Doch mir mangelt es an Phantasie, das mit sozialstaatlichen Zielen in Einklang zu bringen. Sehe heute auch kaum noch welche, nur noch rein funktionale Menschenziele, ökonomische in diesem Falle.

ff.

Anonym 21. März 2012 um 16:45  

Teil 4


Was Sie da schreiben, passt wie Kuh aufs Fahrrad … zu vielen Historikern, Zeitzeugen … so auch Kellner inkl. der dort abgedruckten Tagespresse. Und so langsam bekomme ich den Eindruck, Ihre persönliche Aversion gegen manche Linke (die u.U. auch hier im Blog versuchen, Sie zu malträtieren und instrumentalisieren) - gut, formuliere häufig: "Eine Partei, die solche Anhänger hat und frank und frei so manch eine ihrer Theorien verkünden, braucht kaum noch Feinde" - färbt stark Ihre zeitgeschichtliche Interpretation. Sie suchen für sich persönlich aufgrund innerer Konflikte einen Mittelweg. Den kolportieren Sie nach außen, zwecks Begründung eines zur Verfügung stehen äußeren Einflusses, so mein Fazit; sie sind halt extrovertiert.

I.Ü. war einer der psychologischen Knöpfe, derer man sich für die Völkischen bediente, ausgerechnet ein solcher. Auf der Fahne stand von Anfang an laut und deutlich der Kampf gegen Links. Dazu war es u.a. auch von Nöten, alles Linke in die radikale Ecke zu verfrachten, unter die Asozialen (und sonstigen Geschmeiß) zu sortieren.

Und jetzt kommt der Gag! Um eben einfacher den radikal rechten Weg, als einen richtigen oder zumindest doch notwendigen (alternativlosen … man beachte die Bedrohungs-Szenarien) solchen der Mitte für die Mitte, und somit für die Masse zu deklarieren (u.a.v.m. war es deswegen auch so einfach, von der Annäherung bis hin zur Überzeugung).

Darüber bitte ich Sie, zu reflektieren, auch wenn das jetzt eine recht persönliche und mir nicht zustehende Ausführung und Anregung ist. Normalerweise würde ich das nicht kommentieren, schon gar nicht derart. Nur ich fände es wirklich schade … Am Anfang stehen i.Ü. immer Konflikte, Zweifel, Ärger … eine Form von Zerissenheit, die nach einen Weg der Beruhigung, dem sog. Mittelweg strebt … Die Frage ist rein rhetorisch: „Haben Sie zufälligerweise einen Flüsterer von rechts auf Ihrer Schulter sitzen und Sie wissen das noch gar nicht?“

Dazu die Geschichte zu verbiegen, umzuinterpretieren, das finde ich nicht konstruktiv. Jetzt haben wir nichts anders in der Lesart vorliegen, als einen Dritten Weg zur Auswahl, der es ebenso nicht trifft, doch an Extremität in Nichts nachsteht. Rechts sagt so, Links sagt so, na, dann nehmen wir jetzt einfach mal einen neuen extremen aus der Mitte, das passt dann scho für beide, und schon sind wir beim Extremismus von einzelnen Menschen aus der Mitte rekrutiert, als Mittelposition deklariert, herausgerückt.

Gruß
rosi

Anonym 21. März 2012 um 17:20  

@Emeritus

Zum einen formulierte Herr De Lapuente "Soziale Marktwirtschaft" und nicht "Sozialstaat". Das ist im Zweifel ein feiner, dennoch kein kleiner Unterschied.

Man kann der Interpretation beipflichten. Als Vorgänger des Sozialstaates würde ich die Volksgemeinschaft nicht sehen. Sie war aber als Mittelweg gedacht. Wie Sie richtig sagen, eine Art deutscher New Deal, der aber alles Böse in sich trug. Von Deutschland aus betrachtet, war so etwas überhaupt nicht angedacht.

Als Nachfolger bzw. als Vorläufer zur Sozialen Marktwirtschaft (bzw. Sie nennen es Sozialstaat) kann man das sowie so nicht sehen. Denn sowohl der Autor, wie auch Sie scheinen hier völlig vergessen zu haben, dass es sich gar nicht um eine langsame Eigenentwicklung handelt, sondern durch den verlorenen Krieg von außen her durch die Alliierten als Gesellschaftsform, deren Vorstellung und Modelle aus der Entwicklung jener Nationen (inkl. strategischer Belange), Deutschland oktroyiert wurde.

Es ist insoweit nicht die eigene Entwicklung, sondern eine völlig aus der Zeitdimension herausgezogene, fremdgesteuerte, der kein eigener Entwicklungsprozess vorangegangen ist. Eigentlich eher exakt das Gegenteil, von der Weimarer Republik, die man als Entwicklung in diese Richtung hätte betrachten können, hinfort, in eine ganz andere, diktatorische Richtung. Der Nationalsozialismus war diktatorisch, das ist Fakt.

«Aus dem Nationalsozialismus als Nachfolger resultierend» kann man es nur nennen, weil wir den Krieg verloren hatten. Das Resultat, sprich die Soziale Marktwirtschaft, war die Gestaltungsmacht der Sieger, aus dem kulturellen Verständnis jener, insbesondere dann, blickt man auf die Entwicklung der USA, Roosevelt.

Dass sich dabei das Böse - sofern man das so nennen kann - gleich mit hinein rettet, versteht sich fast von alleine. Mehr schon eine Kausalität, bei der plötzlichen Übernahme anderer Kulturmodalitäten, statt einer langsamen Adaption und Eigenentwicklung.

Gruss
rosi

Anonym 21. März 2012 um 19:55  

Im Nachgang zu den äußerst detaillierten Ausführungen von rosi, reiche ich mal drei Links nach, die sich auch mit dem Thema beschäftigen:

http://www.zeit.de/2011/26/Nationalsozialismus-Tagebuecher

Das ist ein Link zu einem Artikel der ZEIT über die Tagebücher von Friedrich Kellner

http://le-bohemien.net/2012/03/12/was-ist-soziale-marktwirtschaft/

Ein Link zu einem Artikel, welcher die Ursprünge der Sozialen Marktwirtschaft, die in meinen Augen die Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie darstellt, erläutert.

http://www.youtube.com/watch?v=V1KFkfRo5Wo

Und zuletzt, Jürgen Todenhöfer, in einem Statement gegen den Terrorismus, egal von welcher Seite er kommt.

Letztlich wirken immer gruppendynamische Prozesse, wenn es zu Auswüchsen kommt. In dem Zusammenhang auch sehr interessant, die Thesen von Wilhelm Heitmeyer, unter dem Titel "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit", die auch absolut in's Bild passen.
Man muss sich hüten, sonst wiederholt sich die Geschichte.

Beste Grüße
onlyme

Anonym 21. März 2012 um 21:46  

In der schlimmsten Not /
Bringt der Mittelweg den Tod.

Die Adenauer´sche /
joldene Mitte auch.

Anonym 22. März 2012 um 01:25  

«Aus dem Nationalsozialismus als Nachfolger resultierend» kann man es nur nennen, weil wir den Krieg verloren hatten. Das Resultat, sprich die Soziale Marktwirtschaft, war die Gestaltungsmacht der Sieger, aus dem kulturellen Verständnis jener, insbesondere dann, blickt man auf die Entwicklung der USA, Roosevelt."

Die "Soziale Marktwirtschaft" soll dem "Gestaltungswillen" der Siegermacht USA in ihrem Protektorat Westdeutschland entsprungen sein auf Grund ihrer Erfahrungen mit Roosevelt, seinem weitgehend gescheiterten "New Deal"?

Kein geringerer als Adolf Hitler persönlich hat in vielen seiner öffentlichen Reden immer wieder beteuert, dass er den Wunsch und die Absicht hat, in dem neuen - oft wortwörtlich! - "sozialistischen" Deutschland einen - und wieder wortwörtlich! . "Sozialstaat von allerhöchster Kultur" aufbauen zu wollen!
Und unter seiner Regierung wären die Profite der Kapitalisten zu "beschneiden", hätte das "Kapital" dem "Volke", dem "Allgemeinwohl" "zu dienen"...
In den Betrieben wären Betriebsführer und Gefolgschaft eine "Betriebsfamilie", worüber "Obleute"(Betriebsräte) und natürlich der DGB.., pardon: die Deutsche Arbeitsfront mit zu wachen hätten.

Und wie der (A)"DGB" 1933 still und geräuschlos in der neuen hitlerischen Deutschen Arbeitsfront aufging, so ging NACH dem "Verlust" des Führers 1945 die Deutsche Arbeitsfront wiederum still und geräuschlos auf im nun wiederaufgetauchten alten-neuen (A)DGB, mit den gleichen Inhalten, der wortwörtlich gleichen Parole von einem "Sozialstaat"!

Wenn man Millionen deutscher Proletarier u.a. auch mit der Phrase von einem "Sozialstaat" in Krieg und Tod schicken konnte, warum nicht auch erneut einspannen und ausnutzen zwecks "Wiederaufbau", d.h. RESTAURATION der alten-neuen Machtverhältnisse?

MfG Bakunin

Anonym 22. März 2012 um 02:27  

Als Ergänzung:

Wohlstand für alle?
Wie Ludwig Erhard im Januar 1945 zusammen mit dem später gehängten SS-Einsatzgruppenführer Otto Ohlendorf die Soziale Marktwirtschaft erfand
Otto Köhler

https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2009/09-19/023.php

Leider nur noch im Abo.

Wahrscheinlich liegt der Text hier vor:
http://www.randzone-online.de/?p=4019

ad sinistram 22. März 2012 um 07:00  

Nur ein Zitat herausgegriffen:

"Und irgendwie, Herr De Lapuente, die Eroberungs-Landkarten sprechen da ebenso eine ganz andere Sprache, die passen mehr zu den "Slogan" da oben. Wären als einer der ersten zu nennen: Frankreich, Belgien Holland, wie im Süden Griechenland, Richtung Norden, die skandinavischen Länder. Sicherlich, Polen liegt im Osten, England stand zu Beginn schon auf dem Plan ..."

Das ist als Beweisführung fahrlässig. Die aufgezählten Länder wurden aus militärischen Gesichtspunkten heraus eingenommen. Immerhin darf man nicht unterschlagen, dass Nazi-Deutschland seit September 1939 mit Frankreich und England im Krieg stand. Ein Krieg, den Hitler nie wollte - insbesondere mit England wollte er auf einen gemeinsamen Nenner gelangen, was aber nie passierte. Holland und Belgien waren Produkte dieses Westkrieges, der dann geführt wurde, um ihm Osten freie Hand zu haben - das ist auch keine Neuigkeit, sondern auch Bestandteil der etablierten Geschichtsschreibung. Skandinavien war aus maritimen Gründen relevant. Griechenland wurde Hitler von Italien aufgelastet und überforderte die Wehrmacht ohnehin, ebenso wie Nordafrika. Das waren niemals vorgesehene Kampfgebiete. Dazu kommt, dass Hitler sich schon in frühen Jahren dazu äußerte, Kolonien in Übersee seien wertlos, im Osten liege die Zukunft.

Das Szenario Weltherrschaft stammt aus den USA, vielleicht sogar von Roosevelt selbst, der sein Land eigentlich viel früher hätte in den Krieg weisen wollen. Der isolationistische Geist, der in den USA noch herrschte, ließ eine Intervention aber nicht zu. Roosevelt versuchte sein Umfeld damit zu überzeugen, dass die Nazis auch Eroberungspläne, mindestens aber eine fünfte Kolonne im Südamerika hätten. Die ganze Welt wolle er mit seinem Regime überziehen. Diese Haltung schwappte nach dem Krieg auch nach Europa - tatsächlich war die Herrschaft über die Welt aber nie Absicht.

Zeitzeugen erzählen viel. Es ist wie vor Gericht, wo eine Zeugenaussage nach Monaten oder gar Jahren kaum mehr Relevanz hat. Man vergisst, legt sich im Geist die Ereignisse so an, wie man sie glaubte, einordnen zu können. Ohne Zeitzeugen zu nahe treten zu wollen: nur weil einer, der das vage Gefühl hatte, da geht die Welt zugrunde, dann daraus einen Satz schmiedet, der etwas von Weltherrschaft kündet: nur deshalb, muß es nicht wahrer sein...

Inglorious Basterd 22. März 2012 um 07:44  

Zum Thema Weltherrschaft nicht zu vergessen: Rommel, Afrika-Corps, als zunächst geostrategische Kriegsführung, dazu später Japan als verbündete Nation, (?).

Die Weltherrschaftsgelüste Adolf Hitlers waren bereits in "Mein Kampf" niedergelegt. In drei Etappen wollte Hitler die Welt erobern. Zuerst sollte Deutschland Europas Hegemonialmacht werden. Bis auf das als deutschfreundlich eingestufte Irland und das verbündete faschistische Italien unter Benito Mussolini wären alle Staaten vom Atlantik bis zum Ural deutsche Vasallenstaaten. Damit wäre eine "Festung Europa" geschaffen. Zweite Stufe: Die Schaffung eines "mittelafrikanischen Ergänzungsraumes". Dieser sollte die Basis bilden für den Sprung über den Atlantik und den "Endkampf" gegen die USA, die dann neben dem Deutschen Reich die letzte verbliebene Weltmacht wäre.

Anonym 22. März 2012 um 11:51  

Blogger Roberto J. De Lapuente hat gesagt...

"Das ist als Beweisführung fahrlässig. Die aufgezählten Länder wurden aus militärischen Gesichtspunkten heraus eingenommen."

Im Gegensatz zu Deutschland und einigen anderen Ländern war und ist man sich in Großbritannien immer sehr klar darüber, dass WK II die Fortsetzung von WK I war.
Und das entspricht im wesentlichen auch den Tatsachen.
Beides waren durch und durch imperialistische Kriege, in denen es weder "Hauptschuldige" noch gar "Alleinschuldige" gab.
Aber du weisst, ja, Geschichte schreiben am Ende "maßgeblich" immer die Sieger!

Gruß von

Bakunin

Anonym 22. März 2012 um 12:18  

Der Altersarmut an den Kragen
Donnerstag, 22. März 2012

Ha, wäre doch gelacht, wenn so eine erfolgreiche und effiziente "Marktwirtschaft" wie die unsrige nicht auch noch die Altersarmut erfolgreich in den Dienst des "Wachstums", des "Wettbewerbs" stellen würde.
So werden, weit über Deutschland hinaus, neue Maßstäbe gesetzt!

Arme Grüße von

Bakunin

Anonym 22. März 2012 um 15:58  

Teil 1

Guten Tag, Herr De Lapuente,

generell wollte ich keine historische Grundsatzdiskussion darüber entstehen lassen, die wir zwei Beiden ausfechten, denn es waren schon interessante Ansatzpunkte in Ihrem Text, keine Frage.

Doch meiner einer ist dann schnell dabei und betrachtet auch die mögliche Wirkungsweise (hechte also gedanklich vor und komme erst langsam wieder zurück), die solche Theorien mit sich bringen, denn sie ist doch gar nicht vollständig (würde mehr als nur ein Buch füllen).

Selten ist eine Theorie ganz falsch und selten ist die dazu gehörige Gegenthese ganz richtig; darüber bin ich mir bewusst (nicht selten haben sogar Beide irgendwo Recht).

Entscheidend für mich, so auch hier, letztlich der Nutzen und die Wirkung einer solchen. Und so sehe ich hier die starke Gefahr einer Instrumentalisierung, die letztlich schon mit der ihr zugrunde liegenenden Literaturhinweise einem Ziel folgt.

Das war meine Einlassung und meine Intention. Denn wem nutzt eine solche Betrachtung, vom historischen und intellektuellen Gedankenspiel abgesehen?

Sie möchten unbedingt von diesen politischen Begrifflichkeiten (rechts/Mitte/links) herunter. Doch die Menschheit benutzt sie nun einmal überwiegend derart, kommuniziert auf diese Weise. Deswegen tue ich das an dieser Stelle auch, weil ich sonst nicht wüsste, wie ich mitteilen könnte, was ich zu kommunizieren wünsche.

Zurück zum Nutzen: Eigentlich nützt es m.E. nur der konservativen Mitte und Rechts. Der konservativen Mitte recht einfach, sie erspart sich damit komplizierte Differenzierungen bei einem Blick nach rechts oder nach links (wird so ja auch gerne praktiziert), es lässt sich leichter radikalisieren (alle in einen Sack und feste druff). Dass man noch mittiger, alternativloser und richtiger erscheint, ergibt sich frei Haus.

Rechts zieht seinen Vorteil daraus, weil sich damit der Mantel Links einfärbt. So widersprüchlich das zum vorgenannten auch klingt, hat Links doch ebenso den Status:

Links = sozial-ideologische Träumer = Gutmensch

Davon kann der Rechtstenor:

Rechts = gewalttätig = Bösmensch

nur profitieren.

Links geht geht in diesem Falle leer aus, weil es - je nach Betrachtungswinkel - schon beides ist, Radikal und Gutmensch in einem. Es ist exakt das, was bei Links den Anstrich der Gefährlichkeit unterstreicht, die Kombination: «ideologischer Träumer/Spinner» und «radikal», während sich bei Rechts eher eine Kombination von «rational» und «radikal», aber auch hin und wieder «sozial» ergibt (warum auch immer).

Historisch betrachtet, eine Diskussion … die Fachkreise streiten sich bis heute ununterbrochen, doch ich denke, Ihre Ausführungen gehören zu den Randmeinungen (vll. auch nur noch). Bin kein Historiker, sind Sie einer?

ff.

Anonym 22. März 2012 um 16:10  

Teil 2

„Das ist als Beweisführung fahrlässig. Die aufgezählten Länder wurden aus militärischen Gesichtspunkten heraus eingenommen.“ Der Satz ist natürlich ein echter Hammer, keine Frage … Man kann das unterscheiden, zwischen militärisch und militärisch (uups, sorry, haben wir mal so gebraucht) … Mir ist ja schon klar, worauf Sie hinaus wollen (denke ich zumindest).

“Immerhin darf man nicht unterschlagen, dass Nazi-Deutschland seit September 1939 mit Frankreich und England im Krieg stand.“ Wer letztlich den Krieg erklärt, ändert doch nichts an den subjektiven Einschätzungen der beteiligten Parteien, die damals schon im Fluß befindlichen Beweggründen, die zu den bereits vorliegenden Ergebnissen führten. Auch nicht an denen von Hitler. Nicht selten reicht eine konstant anwachsende Bedrohung, Aufrüstung und Gebaren völlig für eine Kriegserklärung aus, das passiert dann schon mal (schnoddrig ausgedrückt).

Es spricht genug dafür, dass sich Hitler mit dem Gedanken trug, sich erst in Europa auszubreiten, dann – mehr oder weniger – die ganze Welt (nicht als vollumfängliche Maßeinheit).

Natürlich gibt es auch Dinge, die dagegen sprechen, doch die sind m.E. in der Unterzahl … Vom Ergebnis her, dem II Weltkrieg betrachtend, kann man auch sagen, es ist nicht wichtig, was der Einzelne wann wirklich gewollt hat (das kann und wird beim Individuum wechseln, weil es auch äußerlichen Einflüssen unterliegt). I.Ü., nur so nebenbei, sagt das ein betrunkener Fahrer nachher auch immer, „hab ich nie gewollt“. Und trotzdem hört man ihn hin und wieder von seinen Fahrkünsten in „jeder Lebenslage“ tönen. Weiter ist eine wissentliche Inkaufnahme oder eine Provokation ebenso eine Form von Beweggrund-Äußerung. Manchmal kann sie auch exakt das Gegenteil verkünden, z.B.: „Niemand hat vor, eine Mauer zu bauen“.

„Ein Krieg, den Hitler nie wollte - insbesondere mit England wollte er auf einen gemeinsamen Nenner gelangen, was aber nie passierte.“
Woher wollen Sie denn wissen, was Hitler wirklich wollte oder nicht wollte? Woher nehmen Sie diesen Absolutheitsanspruch? So bewiesen scheint mir Ihre These doch gar nicht zu sein.

Ferner bitte ich zu bedenken, darüber – soweit mir bekannt - waren sich nicht einmal die unterschiedlichen miteinander agierenden Parteien einig (geschweige denn andere Zeitzeugen und Historiker), denn auch das unterliegt der jeweiligen Interpretation (ist doch immer so). Möglich ist ebenso, dass er sich dessen selbst nicht stringent bewusst war. Schön, dass Sie es wissen. Klingt wie eine «hab-den-Stein-der-Weisen-Beweisführung» mit Absolutheitsanspruch, das halte ich jetzt für fahrlässig.

„Holland und Belgien waren Produkte dieses Westkrieges, der dann geführt wurde, um ihm Osten freie Hand zu haben - das ist auch keine Neuigkeit, sondern auch Bestandteil der etablierten Geschichtsschreibung. Skandinavien war aus maritimen Gründen relevant.“ Was schreiben Sie denn da? Mir macht es den Eindruck, als würden Sie tief in die Einzelheiten der Materie einsteigen und damit den Blick auf das Gesamte verlieren. Das ist doch völlig irrelevant, aus welchen militärisch-strategischen Vorteilsnahmen man Skandinavien eroberte, um ein Endziel (Endsieg) aussieht. Wo exakt ist im Ergebnis der Unterschied zu: „Na, Dich nehme ich jetzt mit, brauche den Seestützpunkt“, zu: „Na, Dich nehme ich mit, brauche Dein Land und Deine Ressourcen“ und „tut mir leid, dass wir nun infolge den Weltkrieg haben und ich den Rest jetzt auch noch brauche“? Da bleibt mir die Spucke weg. «Oh, der Arme, das hat er nicht gewollt …» Sie merken, ich zerfließe vor Mitleid. Gleiches vermutlich im Osten und bezüglich des Paktes und der anfänglichen Zusammenarbeit mit Russland …Es ist auch schwierig festzustellen, wann er was wirklich gewollt hat. Das mag u.a.v.m. auch an seinem Geisteszustand gelegen haben …

ff.

Anonym 22. März 2012 um 16:15  

Teil 3

„Griechenland wurde Hitler von Italien aufgelastet“ Sie denken, die zwei Beiden hätten vorher nicht darüber gesprochen? Oder schließen Sie das jetzt aus der späteren Überforderung von Mussolini?

„… ebenso wie Nordafrika. Das waren niemals vorgesehene Kampfgebiete.“ Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Das gilt insbesondere für Kriegshandlungen. Mir ist nicht eine einzige solche Auseinandersetzung bekannt, die einen „planmäßigen“ Ablauf generiert hätte, in der Regel für alle Parteien nicht. Theorie und Praxis. Das gilt auch für die Diskrepanzen zwischen Hitlers Schrift, die man als Absichtserklärung werten könnte, der späteren Propaganda und seinen Handlungen/Anweisungen/Strategien.

Menschen sind keine Götter, die eine Absicht mit festen Beweggründen verkünden und sich wie an einen Fahrplan halten (absolute Ausnahmen bestätigen die Regel). Wenn dem so wäre, bräuchten wir keinerlei Vertragswerke und gebrochen, würden sie dann schon mal gar nicht. Doch es ist ganz anders, und das wissen Sie auch.

„Dazu kommt, dass Hitler sich schon in frühen Jahren dazu äußerte, Kolonien in Übersee seien wertlos, im Osten liege die Zukunft.“ Nichts desto trotz hat man sich dort präsentiert und ganz sicherlich auch eine gewisse Nützlichkeit damit verbunden. Zumindest ließ er das so verkünden. Es ist immer eine Frage, wenn jemand derart widersprüchlich seine Absichten niederschreibt, schon anders propagandiert, dann das Gegenteil behauptet und initiiert, wann wirklich sein wahrer Beweggrund ein echter sei (den man als einzig wahren festmachen könnte), so dieser denn auch stabil wäre. Wenn Sie versuchen, das rein rational-logisch und linear zu betrachten, werden Sie das übersehen .. und früher oder später höchstwahrscheinlich daran scheitern, davon gehe ich zumindest aus.

„Das Szenario Weltherrschaft stammt aus den USA, vielleicht sogar von Roosevelt selbst, der sein Land eigentlich viel früher hätte in den Krieg weisen wollen. Der isolationistische Geist, der in den USA noch herrschte, ließ eine Intervention aber nicht zu. Was sagt das aus? Hitler hatte keinerlei Ambitionen, weil schon für Roosevelt reserviert, der hatte ein © drauf? Gut, das dieser Kelch an uns vorüber gegangen ist? Hhhm, dann hätte Mussolini auch nicht mehr daran denken dürfen …Dabei hätten das längst andere, vor den USA, eigentlich schon für sich reserviert haben müssen … aber da gab es noch keine Patentämter? (Das konnte ich mir jetzt nicht verkneifen ;)). Weltherrschaft ist generell eine sehr relative Begrifflichkeit, die auf einer unrealistischen und ungenauen Einschätzung/Deklaration basiert (das setzte ich voraus; ein Fehler, dachte, andere tun das ebenso).

ff.

Anonym 22. März 2012 um 16:21  

Teil 4

„Diese Haltung schwappte nach dem Krieg auch nach Europa - tatsächlich war die Herrschaft über die Welt aber nie Absicht.“ Weltherrschaft ist für mich ein relativer Begriff, da von Hause aus m.E. nicht durchführbar, durch eine Nation. Der Slogan (na eigentlich ist es ja ein Song):

„Erst gehört uns Deutschland und dann die ganze Welt“

war demzufolge als ein solcher zu verstehen; damit ist niemals wirklich die «ganze» Welt völlig vereinnahmt gemeint. Es reicht auch schon, eine «Welt»-macht zu sein, zu den oder der größten «Welt»-Macht zu gehören. Zu letzterem meint auch niemand wirklich die ganze Welt, doch sie beherrschen, beeinflussen steuernd zu einem großen Teil die Geschicke auf dem Globus.

„Zeitzeugen erzählen viel. Es ist wie vor Gericht, wo eine Zeugenaussage nach Monaten oder gar Jahren kaum mehr Relevanz hat. Man vergisst, legt sich im Geist die Ereignisse so an, wie man sie glaubte, einordnen zu können. Die Dimension der Zeitverschiebung trifft auf die in den Tagebüchern eingeklebte Schriftenausschnitte der Informationsverbreitungsmedien der Nationalsozialisten wohl eher nicht zu. Die persönlichen Eintragungen und Stellungnahmen Kellners sind sehr zeitnah. Er lebt in dieser Zeit, er liest in dieser Zeit, er sieht in dieser Zeit und schreibt seine Gedanken in der Regel unmittelbar auf; nicht nach Monaten oder gar Jahren.

Die Buchstaben der Ausschnitte verblassen möglicherweise, verändern jedoch nicht ihren Inhalt. Es spricht nichts dagegen, dass auch ein „Zeitzeuge“ mit tagesaktuellen Niederschriften und Ausschnitten dabei ebenso „viel erzählt“ und einordnet, keine Frage, das ist stets ein subjektiver Prozess. Doch Sie brauchen sich davon nicht auszunehmen (wie alle – inkl. aller Historiker – die sich damit beschäftigt haben), zumal Sie nicht einmal dabei waren, wie meiner einer ebenso nicht. Doch wenn ich die Wahl habe, zwischen den Tagebüchern von Kellner in Kombination mit den von den Nationalsozialisten selbst verbreiteten Schriften … hhhhm, wem würden Sie vor Gericht mehr Glauben schenken? Ihnen?

„ Ohne Zeitzeugen zu nahe treten zu wollen: nur weil einer, der das vage Gefühl hatte, da geht die Welt zugrunde, dann daraus einen Satz schmiedet, der etwas von Weltherrschaft kündet: nur deshalb, muß es nicht wahrer sein...“ Das ist richtig, nur Friedrich Kellner hat diesen Satz nicht geschmiedet, er wurde über die Nationalsozialisten verbreitet, Propaganda halt. Und jeder, der Propaganda verbreitet, verfolgt damit ein Ziel. Dieses Ziel dürfte zumindest klar sein, das Volk bei Kriegslaune halten, sonst hätte man sich auch das Verkünden über Blitzsiege und Endsiege glatt sparen können.

http://www.youtube.com/watch?v=E3c2lg1odvw

Dass der Slogan hin und wieder umformuliert wurde, versteht sich von alleine, denn dem war nun auch so, egal, ob man in Skandinavien doch nur auf's Meer schauen wollte, Frankreich, Holland und Belgien als eine rein „militärische Notwendigkeit“ gewertet wurde und man sich in Afrika eigentlich sinnlos langweilte und Ressourcen in Griechenland verschwendete.

Gruss
rosi

PS: Letztlich denke ich ... dieses Medium ist nicht wirklich geeignet ... um solche Dinge linear-schriftlich auszudiskutieren ... wenn überhaupt gewollt ... wir könnten es ja verschieben ...

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