Sit venia verbo

Sonntag, 29. November 2009

„Süß war das, sich über die einfachen Menschen aufzuregen, und was war die Welt noch in Ordnung, als ich Schopenhauer las ... und er wie ich noch an die Lernfähigkeit glaubte. Schopenhauer in seinem gelinden Größenwahn und ich, in meiner Unbedarftheit, liefen mit Büchern in der Hand durch die Straßen und beklagten die intellektuelle Mattheit der Bevölkerung. Das sind die, die man sieht. In Büros und Supermärkten, in Monteurskleidern und mit Fleischermützen. Heute weiß ich, viel schlimmer als die harmlosen Zerstreuungen der Menschen, die man sieht, ist die geistige Trägheit derer, die man nicht sieht. Weil sie den ganzen Tag arbeiten. Mit Dienstwagen in Tiefgaragen gleiten und diese in der Nacht wieder verlassen, um in ein Gym zum stratzen, um die überflüssige Arbeitskraft und die geistig nicht genutzte Kapazität zu regenerieren ... Wir werden vom Mittelmaß regiert. Eine Rotte Dummköpfe, die sich jeden Morgen im Spiegel ansieht, mit farblosen Augen in ein farbloses Antlitz, die Faust geballt und ruft: Ja, Welt, heute werde ich dich wieder ein bisschen dümmer machen ... sie lassen ihr Hirn auf Sparflamme laufen.“
- Sibylle Berg -

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