Die neue Öffentlichkeit
Samstag, 19. Juli 2008
Da wird in einem Teil der Republik - auch wenn sich dieser Freistaat nicht immer als Teil derselbigen sieht - die Öffentlichkeit unzugänglich gemacht, indem man Demonstrationen nur noch dann als legitim erachtet, wenn sich auch wirklich kein Anwohner gestört fühlt und die Veranstaltung nicht allzu spontan in die Wege geleitet wird. Während auf der anderen Seite, in einem anderen Teil dieser Republik, ein Ereignis aus dem Schattendasein halböffentlicher Feierlichkeit herausgeholt wird, um es einer makaberen öffentlichen Zurschaustellung neuen deutschen Stolzes zu überantworten. Hier: das in Bayern kürzlich verabschiedete Versammlungsgesetz; dort: die öffentliche Inszenierung des feierlichen Gelöbnisses von 500 Bundeswehrsoldaten vor dem Reichstag in Berlin.
Es ist schon ein widerlich abgestandener Geruch - ein Leichengeruch aus längst vergangener Zeit -, der aus den Parlamenten dieses Landes herausströmt!
Die "einzige Öffentlichkeit die für Andersdenkende bleibt, nämlich die der Straße" (Meinhof), soll eingeschränkt werden. Jeder linien- und damit regierungstreue Christsoziale, der dann zufällig am Ort der Demonstration wohnt, kann somit zum Unterbinder basisdemokratischer Aktion werden, kann sich gestört fühlen und die Veranstaltung abblasen lassen. Was sich die bayerische Regierung hier ersonnen hat, ist ein Instrument, welches Hilfspolizisten schafft, die sich, gestört an ihrer seligen Ruhe, ihren demonstrierenden Mitbürgern in den Weg stellen können. Dazu reicht man ihnen großzügigst längere Vorbereitungszeit, damit diverse Schnellverfahren zur Unterbindung der öffentlichen Proklamation mit etwas mehr Ruhe über die Bühne gehen können. Die Meinung des Andersdenkenden wird aus der Öffentlichkeit zwar nicht verbannt, aber doch Schritt für Schritt "hinausgezüchtet". Wenn man bei den betreffenden Meldestellen fortwährend wie ein räudiger Bittsteller behandelt wird, erspart man sich früher oder später diese Schmach und die Enttäuschung, die bei einer ausbleibenden Erlaubnis ins Haus steht. Sie - die Öffentlichkeit - ist dann keine Selbstverständlichkeit mehr, kein offener Raum für alle, sondern ein wohlbehütetes Gehege, dessen Hüter in den staatlichen Institutionen und Polizeidienststellen sitzen. Die Öffentlichkeit wird zum Luxus, zum geschützten Areal derer, die die notwendige Macht besitzen und die finanziellen Mittel dazu aufbringen können, um sich frei darauf zu bewegen.
Wo der Bürger mit eigener Meinung vertrieben wird, dort soll der Bürger, der keine eigene Meinung vertritt, seinen Platz finden. Der demonstrierende Mensch verschwindet, um den treuen Geck mit Gewehr Raum zu verschaffen, der sein Gelöbnis kritiklos herunterbetet. Dies um einer Normalisierung Vorschub zu leisten, die in Augen konservativ-militaristischer Kreise schon lange hätte vollzogen werden müssen. Die Bundeswehr soll salonfähig werden, soll einen öffentlichen Raum einnehmen und - auch dies ist noch nicht vom Tisch - ein innenpolitischer Machtfaktor werden, der nicht nur in Zeiten des Notstandes (grundgesetzlich legitimiert) eingesetzt werden darf. Die Normalisierung begründet sich im Denken, die Gesellschaft mit einer sanften Remilitarisierung zu "bereichern". Ein Deutschland der öffentlichen Bundeswehr, in dem man stolz auf seine Armee sein darf, vielleicht sogar sein muß, ist ein Deutschland, in dem aus einem Fließbandarbeiter ein Industriesoldat wird und in dem man Ärzte und Krankenschwestern als eine Art Gesundheitsarmee, Arbeitsgruppen als Bataillone, den Arbeitsmarkt als Arbeitsfront bezeichnet.
Die Öffentlichkeit wird dem Oppositionellen aus den Händen gerissen. Er findet keine Vertretung in den Parlamenten, keine in Gewerkschaften, keine in Verbänden. Alle sind sie gefestigt in einer kapitalistischen Welt, nehmen deren Logiken und Sichtweisen als unumstößliche Gewißheiten an und unterscheiden sich - wie in Orwells Farm Schweine und Menschen - nicht (mehr) von ihrem gesellschaftlichen Widerpart. Die Straße als letzte Bastion, schon seit Jahren stückchenweise aus der Hand Andersdenkender gerissen, immer wieder mit Steinen verunziert, die man in den Weg zu rollen gewillt war, soll nun in drastischen Schritten gänzlich verscherbelt werden, um sie der gleichgeschalteten Presse als Organ von Wirtschaft und Politik zu überschreiben. Wundert es da, dass ausgerechnet die Springerpresse als ein solches Hauptorgan, sich für die Salonfähigkeit eines öffentlichen Gelöbnisses von Bundeswehrsoldaten stark machte? - Denen soll ja fortan die Straße gehören, den quietschenden Stiefeln und jenen Schwachköpfen, die die Stiefel rechtfertigen!
Während potenzielle Mörder in Uniform als Stolz des Landes gelten, die brav und fromm ihr Nationalgebet herunterleiern, in dem sie davon sprechen, ihrem Vaterlande treu zu dienen, werden Andersdenkende, die fern von solchen Gebeten positioniert sind, in die Illegalität getrieben. Die Kraftmeierei soll zuungunsten demokratischer Willenskundgebung installiert werden. Macht das bayerische Versammlungsgesetz Schule, so ist zugeteilte Öffentlichkeit für uns Irgendwers lediglich noch ein staatlicher Gnadenakt - keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern eine Eventualität, mir der wir nicht zu rechnen haben.
Es ist schon ein widerlich abgestandener Geruch - ein Leichengeruch aus längst vergangener Zeit -, der aus den Parlamenten dieses Landes herausströmt!
Die "einzige Öffentlichkeit die für Andersdenkende bleibt, nämlich die der Straße" (Meinhof), soll eingeschränkt werden. Jeder linien- und damit regierungstreue Christsoziale, der dann zufällig am Ort der Demonstration wohnt, kann somit zum Unterbinder basisdemokratischer Aktion werden, kann sich gestört fühlen und die Veranstaltung abblasen lassen. Was sich die bayerische Regierung hier ersonnen hat, ist ein Instrument, welches Hilfspolizisten schafft, die sich, gestört an ihrer seligen Ruhe, ihren demonstrierenden Mitbürgern in den Weg stellen können. Dazu reicht man ihnen großzügigst längere Vorbereitungszeit, damit diverse Schnellverfahren zur Unterbindung der öffentlichen Proklamation mit etwas mehr Ruhe über die Bühne gehen können. Die Meinung des Andersdenkenden wird aus der Öffentlichkeit zwar nicht verbannt, aber doch Schritt für Schritt "hinausgezüchtet". Wenn man bei den betreffenden Meldestellen fortwährend wie ein räudiger Bittsteller behandelt wird, erspart man sich früher oder später diese Schmach und die Enttäuschung, die bei einer ausbleibenden Erlaubnis ins Haus steht. Sie - die Öffentlichkeit - ist dann keine Selbstverständlichkeit mehr, kein offener Raum für alle, sondern ein wohlbehütetes Gehege, dessen Hüter in den staatlichen Institutionen und Polizeidienststellen sitzen. Die Öffentlichkeit wird zum Luxus, zum geschützten Areal derer, die die notwendige Macht besitzen und die finanziellen Mittel dazu aufbringen können, um sich frei darauf zu bewegen.
Wo der Bürger mit eigener Meinung vertrieben wird, dort soll der Bürger, der keine eigene Meinung vertritt, seinen Platz finden. Der demonstrierende Mensch verschwindet, um den treuen Geck mit Gewehr Raum zu verschaffen, der sein Gelöbnis kritiklos herunterbetet. Dies um einer Normalisierung Vorschub zu leisten, die in Augen konservativ-militaristischer Kreise schon lange hätte vollzogen werden müssen. Die Bundeswehr soll salonfähig werden, soll einen öffentlichen Raum einnehmen und - auch dies ist noch nicht vom Tisch - ein innenpolitischer Machtfaktor werden, der nicht nur in Zeiten des Notstandes (grundgesetzlich legitimiert) eingesetzt werden darf. Die Normalisierung begründet sich im Denken, die Gesellschaft mit einer sanften Remilitarisierung zu "bereichern". Ein Deutschland der öffentlichen Bundeswehr, in dem man stolz auf seine Armee sein darf, vielleicht sogar sein muß, ist ein Deutschland, in dem aus einem Fließbandarbeiter ein Industriesoldat wird und in dem man Ärzte und Krankenschwestern als eine Art Gesundheitsarmee, Arbeitsgruppen als Bataillone, den Arbeitsmarkt als Arbeitsfront bezeichnet.
Die Öffentlichkeit wird dem Oppositionellen aus den Händen gerissen. Er findet keine Vertretung in den Parlamenten, keine in Gewerkschaften, keine in Verbänden. Alle sind sie gefestigt in einer kapitalistischen Welt, nehmen deren Logiken und Sichtweisen als unumstößliche Gewißheiten an und unterscheiden sich - wie in Orwells Farm Schweine und Menschen - nicht (mehr) von ihrem gesellschaftlichen Widerpart. Die Straße als letzte Bastion, schon seit Jahren stückchenweise aus der Hand Andersdenkender gerissen, immer wieder mit Steinen verunziert, die man in den Weg zu rollen gewillt war, soll nun in drastischen Schritten gänzlich verscherbelt werden, um sie der gleichgeschalteten Presse als Organ von Wirtschaft und Politik zu überschreiben. Wundert es da, dass ausgerechnet die Springerpresse als ein solches Hauptorgan, sich für die Salonfähigkeit eines öffentlichen Gelöbnisses von Bundeswehrsoldaten stark machte? - Denen soll ja fortan die Straße gehören, den quietschenden Stiefeln und jenen Schwachköpfen, die die Stiefel rechtfertigen!
Während potenzielle Mörder in Uniform als Stolz des Landes gelten, die brav und fromm ihr Nationalgebet herunterleiern, in dem sie davon sprechen, ihrem Vaterlande treu zu dienen, werden Andersdenkende, die fern von solchen Gebeten positioniert sind, in die Illegalität getrieben. Die Kraftmeierei soll zuungunsten demokratischer Willenskundgebung installiert werden. Macht das bayerische Versammlungsgesetz Schule, so ist zugeteilte Öffentlichkeit für uns Irgendwers lediglich noch ein staatlicher Gnadenakt - keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern eine Eventualität, mir der wir nicht zu rechnen haben.
3 Kommentare:
Daß in Bayern die Uhren andersgehen, ist ein geflügeltes Wort, das auch auf das aktuelle Versammlungsgesetz im Freistaat zutreffen könnte. Freilich könnten die wackeren Bayern mit ihrem den öffentlichen Raum neu vermessenden gesetzgeberischen Vorstoß auch eine Pilotfunktion für andere Bundesländern abgeben.
Allerdings sollte man auch fragen, wovor man sich in Bayern und möglicherweise auch anderswo denn eigentlich so fürchtet. Vor den vielen Demonstranten etwa? Ja, wo sind die aber geblieben in den letzten Jahren, wenn man z.B. nur einmal an die Ostermärsche der Friedens- und Umweltbewegung denkt. Und allzu viele Protestierer gegen die neoliberale Politik haben sich hierzulande leider auch noch nicht angefunden. Vor wem haben die CSU-Granden in "ihrem" Bayern also Angst und Bange?
Ich möchte etwas anfügen. In den Artikeln 17 (Befriedeter Bezirk) und 18 (Schutz des Landtags)wird rund um den Bayrischen Landtag die Versammlungsfreiheit vollständig aufgehoben. Mit anderen Worten ein Parlament in dem die Volksvertreter sitzen, schützt sich in dem es eines der wichtigsten Grundrechte außer Kraft setzt.
Ich möchte in dem Zusammenhang auf ein Treffen zur Vorbereitung einer Demonstration und weiteren Protesten in Stuttgart hinweisen.
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