Popstars
Sonntag, 20. Juli 2008
Massen jubeln ihm zu. Wenn er mit seinem dünnen Stimmchen freimütig trällert, hängen seine Anhänger ihm an den Lippen, stimmen gelegentlich in den Text mit ein. Seine Bühnenshow wird genau wahrgenommen und jede außerordentliche Regung von euphorischem Jubel begleitet. Sein Publikum ist gemischt: Männer wie Frauen wohnen seiner Show bei. Diesmal waren es vornehmlich junge Menschen, die sich mittels seines Programmes beglücken ließen. Er hat es geschafft - er ist ein Star; ein wahrhafter Popstar. Als solcher kann er sich Vieles erlauben, ohne mit Abstrafung seitens des Publikums rechnen zu müssen. So verbreitet er ungeniert seine "Sichtweisen aus einer anderen Welt", die sowieso nur beiläufig wahrgenommen werden. Und wenn sie doch einmal den Weg in eine individuelle Wahrnehmung finden, dann tut man es mit einem gütigen Lächeln ab. Die Hauptsache bleibt doch, dass er ein Star ist, dass er mit seinen jugendlichen Anhängern feiert, kurz: dass er durch seine Präsenz glänzt. Nichts verwundert die jungen Massen dabei: Nicht das gigantische Aufgebot an Leibwächtern und an Polizisten; nicht seine außergewöhnliche Robe; nicht seine verbitterte Hartnäckigkeit in "seiner Lebensphilosophie". Sie nehmen ihn so wie er ist - wie er zu sein scheint.
Es ist ein Wunder unserer Zeit, gleich einem jener Wunder aus dem berühmten Buch der Bücher, welches dieser Popstar vorgibt bevorzugt zu lesen. Und verwundert reibt man sich auch die Augen, wenn man diesem Pop-Wunder, dieser Ausgeburt der Medienlandschaft, nur ein wenig Beachtung schenkt. Junge Menschen, sie nennen sich Katholiken, strömen zusammen, um dem selbsterklärten Oberhaupt - das Primat des römischen Bischofs ist auf das "Recht des Stärkeren" oder besser: "Recht des Hinterlistigeren" zurückzuführen und in vielen christlichen Gruppierungen noch heute etwas, was auf Ablehnung stößt - ihrer Kirche zu begegnen und mit ihm Gottesdienste zu begehen. Das Papsttum, spätestens sein Johannes Paul II., weiß sich mit Hilfe der Medien recht in Szene zu setzen. Ratzinger, als guter Diener und Schüler seines verstorbenen Herrn, hat sich dabei viel abgeschaut und ist nun der Pop-Papst, der Held einer jungen Generation, die zwar jubelt und meint, durch diesen alten Herrn, dem Göttlichen etwas näher zu sein, aber im gleichen Atemzug wenig bis gar keine Ahnung davon hat, was der lächelnde Graukopf aus dem Vatikan eigentlich predigt; welchem Weltbild er frönt. Sie erheben das Oberhaupt des göttlichen Bodenpersonals zur Gottheit, machen aus dem Stellvertreter einen göttlichen Pop-Heros, den man um seiner selbst willen feiert.
Die Welt muß mit einer frommen Jugend gesegnet sein - eine asketische und geradezu ethisch einwandfreie Jugend. Denn sie läßt jenen Greisen hochleben, der ihr Maßhaltung in sexuellen Dingen predigt, der Verhütung - außer der Knaus-Ogino-Methode - verdammt und als Folge eine vielleicht notwendig gewordene Abtreibung ächtet. Nebenher reichert er dieses weltfremde Paket an verantwortungslosen Ratschlägen um die üblichen Ressentiments der katholischen Kirche an: Nein zur Homosexualität; Nein zur Gleichheit der Geschlechter, die sich im Ordinationsverbot für Frauen äußert; Nein zum oftmals humanen Akt der Sterbehilfe! Dazu kommt die Aufwertung der eigenen Kirche, die er selbst als Ausdruck der Einzigartigkeit versteht, während er den Protestantismus nicht als "eigentliche Kirche" bezeichnet, sondern als Ansammlung "kirchlicher Gemeinschaften", letztendlich als Sekte. Den orthodoxen Kirchen läßt er freilich den Kirchenstatus, aber mitleidig blickt er nach Osten, denn sie leiden unter einem Mangel, der sich am Fehlen eines Papstes zeigt, oder besser: des Papstes! Denn die orthodoxen Kirchen sollten, so empfiehlt er dringend, die Nähe zur katholischen Kirche und damit zum Papst suchen. Da kocht diese uralte römisch-machiavellistische Brühe aus Machtgier und Hinterlist hoch, und der Hintergedanke, das große Schisma zugunsten der päpstlichen Oberhoheit zu beseitigen.
Dieses mal hell-, mal dunkelbraune Süppchen an Vorurteilen und Engstirnigkeiten findet bei Weltjugendtagen aber kaum Wortentfaltung. Man darf Zweifel hegen, ob die jugendlichen Gottesdienstler überhaupt wissen, was der lächelnde Despot aus Rom so alles an antidemokratischen, anachronistischen und menschenverachtenden Botschaften herunterleiert, wenn er mal wieder den großen Weltmoralisten mimt. Oder dürfen wir davon ausgehen, dass diese Jugendlichen asketisch leben, sich des sexuellen Kontaktes vor der Ehe enthalten und fröhlich beischlafen ohne sich darum zu kümmern, eines Tages - durch Gottes Gnade - Eltern von fünfzehn Kindern zu sein?
Aber freilich, soviel muß man schon zugestehen, der amtierende Papst hat Charme, weiß liebenswert zu lächeln, verteilt gelegentlich Worte mit liberalen Anstrich und tätschelt gelegentlich Kinderköpfe (und Kindsköpfe sowieso). Da paßt es außerordentlich gut ins Bild, wenn dieser klerikale Charmebolzen mitsamt seiner piepsigen Fistelstimme - die Stimme des gütigen Theologen - den naiven Kern seiner jungen Jüngerschar anspricht, sie zu Botschaftern des Katholizismus machen will. Unbedarfte, Blinde und Nichtsehenwollende werden dieser Bitte mit Freude nachgehen und fortan jedem Wehrlosen die Bibel unter die Nase schieben.
Ratzingers direkter Vorgänger gestaltete sich vorteilhafter für seine Kritiker. Es war ein Vorteil, den man ihm eigentlich oftmals als Nachteil nachsagte: Er stand zu seinem strengen "Wertkonservatismus". Man wußte bei Johannes Paul II. immer wes Geistes Kind er war. Beim Ratzinger-Papst ist das anders, weil schwerer an die Oberfläche transportierbar. Er verströmt nach Außen einen feinen Duft von Liberalismus, von charmantem Weltbürgertum, von Güte und Weitsicht. Im Inneren aber stinkt die gleiche alte Borniertheit, die gleiche Art von Menschenhass, die schon vor Jahrhunderten stank und mehr und mehr - durch die eigene, längst gewonnene Erkenntnis, eigentlich historisch überholt zu sein; "bald" auf dem Müllhaufen der Geschichte zu landen - zur Kompensation der eigenen Existenzangst modifiziert wird. Man hat in den letzten Jahrzehnten freilich gelernt, dass die Unfehlbarkeit des Papstes nicht zu rigide in die Welt hinausgetragen werden darf, sondern in einer distanzierten Form der Kumpelhaftigkeit und Freundschaftlichkeit. Lächelnd zeigt man der Welt, wer das Sagen hat, wer unfehlbar und demnach unkorrigierbar ist; lächelnd verurteilt man Homosexuelle und allzu selbstbewußte Frauen. Man verurteilt sie nicht mehr in scharfen Tönen, stößt sie stattdessen zag- und kumpelhaft an und macht auf deren Fehlverhalten aufmerksam. Der Kritiker am Lebensentwurf kommt als lieber Freund um die Ecke - eine traditionelle Mafiamethode, als Mörder einen guten Freund zu schicken. Ratzinger mimt diese Fratze der Freundschaft, die eigentlich die Feindschaft des Menschen mit sich selbst heraufbeschwört; das autonome Leben und Verwalten des Ich verunmöglicht und aus jeder banalen Entscheidung, gerade in geschlechtlichen Fragen, ein quälendes Gewissensbändigen und -verdrängen macht.
Hierzulande wird die Unbedarftheit im Umgang mit dem Zwergenstaat-Diktator aus der Tatsache heraus erzielt, dass der gute Mann einst - und vielleicht immer noch - einen deutschen Personalausweis besitzt und damit quasi zum "Personal für die deutsche Sache" gehört. Wenn er doch einer von uns ist, wenn wir allesamt im April 2005 zum theologischen Menschenquäler aufstiegen, wie es uns Dieckmann in großen Lettern via seines Blattes doch mitteilte, dann dürfen wir ihn nicht mit seinen eigenen Verirrungen und Frechheiten brüskieren, sondern sie weit von uns schieben, ihn nicht mehr wegen seiner Inhalte - oder leeren Worthülsen - feiern, sondern einfach nur, weil er da ist, weil es ihn gibt und weil er aus unserer Mitte entsprang. Bevor man sich Ärger mit diesem rechthaberischen Vorstandsvorsitzenden der katholischen Kirche einhandelt, schweigt man lieber und lächelt über seine Verschrobenheit, die er in solchen fundamentalen Fragen des menschlichen Daseins an den Tag legt.
Trotz aller Oberflächlichkeit im Miteinander von Staaten und Papsttum, bleibt es rätselhaft, was junge Menschen - mit all ihrer Energie, feststehende Dogmatik hinterfragen zu wollen, ja geradezu aus ihrer Jugendlichkeit heraus: hinterfragen zu müssen! - an diesen Greis bindet. Reicht denn der Anschein, dass er es doch ach so gut mit ihnen meine, um ihm ein solches Hochleben zuteil werden zu lassen? Es gab Zeiten - in den Jahren des Risorgimentos -, da verließ dieser selbstgerechte Herr der Katholiken seinen Kirchenstaat und das, was nachher davon übrigblieb - dieses etwa 50 Fußballfelder kleine Areal -, überhaupt nicht mehr. Erst der Vertrag mit den Faschisten - Patti lateranensi - holte ihn wieder aus seinen Räumlichkeiten heraus in die Welt, in der er natürlich zunächst einmal weiterhin schweigen, sich zurückziehen mußte, damit die Faschisten jenseits, nördlich der Alpen ihm seinen Frieden und seine Stellung ließen. Wenn auch die Zeit zwischen der Staatsgründung Italiens und der Ära Mussolini wenig Erfreuliches zu bieten hatte - der sich selbst weggesperrte Papst ist eine der wenigen Freuden, die die menschliche Historie uns zu übermitteln weiß.
Es ist ein Wunder unserer Zeit, gleich einem jener Wunder aus dem berühmten Buch der Bücher, welches dieser Popstar vorgibt bevorzugt zu lesen. Und verwundert reibt man sich auch die Augen, wenn man diesem Pop-Wunder, dieser Ausgeburt der Medienlandschaft, nur ein wenig Beachtung schenkt. Junge Menschen, sie nennen sich Katholiken, strömen zusammen, um dem selbsterklärten Oberhaupt - das Primat des römischen Bischofs ist auf das "Recht des Stärkeren" oder besser: "Recht des Hinterlistigeren" zurückzuführen und in vielen christlichen Gruppierungen noch heute etwas, was auf Ablehnung stößt - ihrer Kirche zu begegnen und mit ihm Gottesdienste zu begehen. Das Papsttum, spätestens sein Johannes Paul II., weiß sich mit Hilfe der Medien recht in Szene zu setzen. Ratzinger, als guter Diener und Schüler seines verstorbenen Herrn, hat sich dabei viel abgeschaut und ist nun der Pop-Papst, der Held einer jungen Generation, die zwar jubelt und meint, durch diesen alten Herrn, dem Göttlichen etwas näher zu sein, aber im gleichen Atemzug wenig bis gar keine Ahnung davon hat, was der lächelnde Graukopf aus dem Vatikan eigentlich predigt; welchem Weltbild er frönt. Sie erheben das Oberhaupt des göttlichen Bodenpersonals zur Gottheit, machen aus dem Stellvertreter einen göttlichen Pop-Heros, den man um seiner selbst willen feiert.
Die Welt muß mit einer frommen Jugend gesegnet sein - eine asketische und geradezu ethisch einwandfreie Jugend. Denn sie läßt jenen Greisen hochleben, der ihr Maßhaltung in sexuellen Dingen predigt, der Verhütung - außer der Knaus-Ogino-Methode - verdammt und als Folge eine vielleicht notwendig gewordene Abtreibung ächtet. Nebenher reichert er dieses weltfremde Paket an verantwortungslosen Ratschlägen um die üblichen Ressentiments der katholischen Kirche an: Nein zur Homosexualität; Nein zur Gleichheit der Geschlechter, die sich im Ordinationsverbot für Frauen äußert; Nein zum oftmals humanen Akt der Sterbehilfe! Dazu kommt die Aufwertung der eigenen Kirche, die er selbst als Ausdruck der Einzigartigkeit versteht, während er den Protestantismus nicht als "eigentliche Kirche" bezeichnet, sondern als Ansammlung "kirchlicher Gemeinschaften", letztendlich als Sekte. Den orthodoxen Kirchen läßt er freilich den Kirchenstatus, aber mitleidig blickt er nach Osten, denn sie leiden unter einem Mangel, der sich am Fehlen eines Papstes zeigt, oder besser: des Papstes! Denn die orthodoxen Kirchen sollten, so empfiehlt er dringend, die Nähe zur katholischen Kirche und damit zum Papst suchen. Da kocht diese uralte römisch-machiavellistische Brühe aus Machtgier und Hinterlist hoch, und der Hintergedanke, das große Schisma zugunsten der päpstlichen Oberhoheit zu beseitigen.
Dieses mal hell-, mal dunkelbraune Süppchen an Vorurteilen und Engstirnigkeiten findet bei Weltjugendtagen aber kaum Wortentfaltung. Man darf Zweifel hegen, ob die jugendlichen Gottesdienstler überhaupt wissen, was der lächelnde Despot aus Rom so alles an antidemokratischen, anachronistischen und menschenverachtenden Botschaften herunterleiert, wenn er mal wieder den großen Weltmoralisten mimt. Oder dürfen wir davon ausgehen, dass diese Jugendlichen asketisch leben, sich des sexuellen Kontaktes vor der Ehe enthalten und fröhlich beischlafen ohne sich darum zu kümmern, eines Tages - durch Gottes Gnade - Eltern von fünfzehn Kindern zu sein?
Aber freilich, soviel muß man schon zugestehen, der amtierende Papst hat Charme, weiß liebenswert zu lächeln, verteilt gelegentlich Worte mit liberalen Anstrich und tätschelt gelegentlich Kinderköpfe (und Kindsköpfe sowieso). Da paßt es außerordentlich gut ins Bild, wenn dieser klerikale Charmebolzen mitsamt seiner piepsigen Fistelstimme - die Stimme des gütigen Theologen - den naiven Kern seiner jungen Jüngerschar anspricht, sie zu Botschaftern des Katholizismus machen will. Unbedarfte, Blinde und Nichtsehenwollende werden dieser Bitte mit Freude nachgehen und fortan jedem Wehrlosen die Bibel unter die Nase schieben.
Ratzingers direkter Vorgänger gestaltete sich vorteilhafter für seine Kritiker. Es war ein Vorteil, den man ihm eigentlich oftmals als Nachteil nachsagte: Er stand zu seinem strengen "Wertkonservatismus". Man wußte bei Johannes Paul II. immer wes Geistes Kind er war. Beim Ratzinger-Papst ist das anders, weil schwerer an die Oberfläche transportierbar. Er verströmt nach Außen einen feinen Duft von Liberalismus, von charmantem Weltbürgertum, von Güte und Weitsicht. Im Inneren aber stinkt die gleiche alte Borniertheit, die gleiche Art von Menschenhass, die schon vor Jahrhunderten stank und mehr und mehr - durch die eigene, längst gewonnene Erkenntnis, eigentlich historisch überholt zu sein; "bald" auf dem Müllhaufen der Geschichte zu landen - zur Kompensation der eigenen Existenzangst modifiziert wird. Man hat in den letzten Jahrzehnten freilich gelernt, dass die Unfehlbarkeit des Papstes nicht zu rigide in die Welt hinausgetragen werden darf, sondern in einer distanzierten Form der Kumpelhaftigkeit und Freundschaftlichkeit. Lächelnd zeigt man der Welt, wer das Sagen hat, wer unfehlbar und demnach unkorrigierbar ist; lächelnd verurteilt man Homosexuelle und allzu selbstbewußte Frauen. Man verurteilt sie nicht mehr in scharfen Tönen, stößt sie stattdessen zag- und kumpelhaft an und macht auf deren Fehlverhalten aufmerksam. Der Kritiker am Lebensentwurf kommt als lieber Freund um die Ecke - eine traditionelle Mafiamethode, als Mörder einen guten Freund zu schicken. Ratzinger mimt diese Fratze der Freundschaft, die eigentlich die Feindschaft des Menschen mit sich selbst heraufbeschwört; das autonome Leben und Verwalten des Ich verunmöglicht und aus jeder banalen Entscheidung, gerade in geschlechtlichen Fragen, ein quälendes Gewissensbändigen und -verdrängen macht.
Hierzulande wird die Unbedarftheit im Umgang mit dem Zwergenstaat-Diktator aus der Tatsache heraus erzielt, dass der gute Mann einst - und vielleicht immer noch - einen deutschen Personalausweis besitzt und damit quasi zum "Personal für die deutsche Sache" gehört. Wenn er doch einer von uns ist, wenn wir allesamt im April 2005 zum theologischen Menschenquäler aufstiegen, wie es uns Dieckmann in großen Lettern via seines Blattes doch mitteilte, dann dürfen wir ihn nicht mit seinen eigenen Verirrungen und Frechheiten brüskieren, sondern sie weit von uns schieben, ihn nicht mehr wegen seiner Inhalte - oder leeren Worthülsen - feiern, sondern einfach nur, weil er da ist, weil es ihn gibt und weil er aus unserer Mitte entsprang. Bevor man sich Ärger mit diesem rechthaberischen Vorstandsvorsitzenden der katholischen Kirche einhandelt, schweigt man lieber und lächelt über seine Verschrobenheit, die er in solchen fundamentalen Fragen des menschlichen Daseins an den Tag legt.
Trotz aller Oberflächlichkeit im Miteinander von Staaten und Papsttum, bleibt es rätselhaft, was junge Menschen - mit all ihrer Energie, feststehende Dogmatik hinterfragen zu wollen, ja geradezu aus ihrer Jugendlichkeit heraus: hinterfragen zu müssen! - an diesen Greis bindet. Reicht denn der Anschein, dass er es doch ach so gut mit ihnen meine, um ihm ein solches Hochleben zuteil werden zu lassen? Es gab Zeiten - in den Jahren des Risorgimentos -, da verließ dieser selbstgerechte Herr der Katholiken seinen Kirchenstaat und das, was nachher davon übrigblieb - dieses etwa 50 Fußballfelder kleine Areal -, überhaupt nicht mehr. Erst der Vertrag mit den Faschisten - Patti lateranensi - holte ihn wieder aus seinen Räumlichkeiten heraus in die Welt, in der er natürlich zunächst einmal weiterhin schweigen, sich zurückziehen mußte, damit die Faschisten jenseits, nördlich der Alpen ihm seinen Frieden und seine Stellung ließen. Wenn auch die Zeit zwischen der Staatsgründung Italiens und der Ära Mussolini wenig Erfreuliches zu bieten hatte - der sich selbst weggesperrte Papst ist eine der wenigen Freuden, die die menschliche Historie uns zu übermitteln weiß.
11 Kommentare:
Das mediale Ereignis "Weltjugendtag" wird dazu verwendet den einen oder anderen Missstand zu überdecken ;) - keine Frage. Ein Stück weit feiert sich der offiziellste Teil der Kirche selbst obwohl es nichts mehr zu feiern gibt.
Zumindest was Deutschland betrifft sehe ich jedoch keinen voranschreitenden Katholizismus im Fahrwasser des Medienpapstes. Die Teilnehmer des Weltjugendtages sind auf der Suche - unter anderem nach "solidarischer Gemeinschaft" - eine derartige Veranstaltung liefert eine Ahnung davon was eigentlich die Familie, die Gesellschaft oder die Kirche vor Ort leisten können müsste. Sie als dumme Herde zu qualifizieren wird ihnen m.E. nicht gerecht, sie sind ein Stück weit missbrauchtes Jubelvolk, nicht unähnlich denen die DSDS schauen, sich auf der Love Parade oder beim Rave treffen. Die Situation vor Ort in den Kirchengemeinden ist eine andere, es wird um Mittel für Jugendarbeit gerungen, Armenspeisung, Sozialkaufhäuser, Nachbarschaftshilfe und vieles mehr was von Ehrenamtlichen geleistet wird ... das ist auch Kirche - die argumentative Position gegen Rom gibt Rom viel mehr Gewicht als nötig oder angemessen.
Es gibt zudem andere Ecken der Kirchen, die ich viel kritscher sehe als dieses Happening. Die evangelische Kirche hat kürzlich ein Dokument veröffentlicht "Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive" lautet der Titel, ein Papier das soweit ich es bisher gelesen habe auf die These hinarbeitet "Dem Leistungsträger ist das Himmelsreich" ... das halte ich für viel gefährlicher.
Was de letzten Punkt Deiner Ausführungen betrifft, lieber Aebby, gebe ich Dir vollkommen recht. Mir ist die Quintessenz dieser Papiere bekannt und die protestantische Ethik, die den Geist des Kapitalismus arg befruchtete, scheint nun wiederum einen umgekehrten Verlauf zu nehmen. Es soll darin eben das berühmte Nadelöhr gedehnt werden, damit es auch dem letzten reichen Fettsack ein Durchkommen bietet.
Die attestierte Dummheit ist weniger ein moralischer Wink, denn eine tatsachenbasierende Feststellung. Es kann leider nicht anders bezeichnet werden, wenn Menschen einem Führer zujubeln, der so differente Ansichten vertritt, dass sie mit den Lebensentwürfen heutiger Jugendlicher überhaupt nicht mehr zu vereinbaren sind. Ich esse doch auch keinen Spinat, weil er mir nicht schmeckt...
Freilich verführt, freilich ein Stück weit mißbraucht. Aber all das entschuldigt doch nicht, dass es möglich sein muß, die Kernthesen des Papsttums aufzugreifen und zu kritisieren. Aber genau dies folgt ja nicht. Sie werden totgeschwiegen und eine Art Heiligenverehrung betrieben, die die Kirche dann als Anwachsen des Katholizismus bezeichnet. Denn auch da gehe ich mit Dir konform: Es gibt kein Voranschreiten des Katholizismus, auch wenn es manchmal - oberflächlich betrachtet - so aussieht.
Das sich dehnende Nadelöhr ;-) sehr gut!
Nochmal zum Weltjugendtag ... manchmal sollte ich noch eine Runde nachdenken bevor ich zu schreiben beginne ;) Ich habe einige Erfahrungen Revue passieren lassen. Wir hatten beim letzten Weltjugendtal und auch bei einem Welt Taize Treffen Jugendliche bei uns im Hause zu Gast. Unsere Gäste aus Italien sprachen uns voller Freude auf unseren Papst an. Da ich diese freude nicht teilen konnte, begann ich ihnen darzulegen welche Thesen der Kollege Ratzinger vertritt unter anderem bzgl. der Moraltheologie. In der "Diskussion" stellte sich dann heraus, dass die Jugendlichen päpstlicher als der Papst waren - weiha. Ergo es gibt einen gewissen Anteil der Teilnehmer, die die Überzeugungen des Führers tatsächlich teilen. Und ich bestätige es gibt auch jene, die nicht erkennen (wollen?) was vorne gepredigt wird.
Etliches insbesondere auch im Bereich der Moraltheologie ist scharf zu kritisieren, auf dem Weltjugendtag findet das in der Tat nicht statt.
der papst ist eben unfehlbar. was erdreistest du dich, ihn zu kritisieren? ;-)
Es scheint so zu sein, daß Roberto ein scharfzüngiger Kritiker ist, der dem katholischen Popstar seinen Erfolg bei den Massen nicht gönnt, und zudem den verirrten Schafen, die dem Oberhirten im Schafspelz arglos folgen (oder auch nicht), in atheistischer Intoleranz begegnet.
;-)
Weltjugendtag - welch ein grosser Begriff. Ja, gerade hier, wo ich lebe, prallen Welten aufeinander: Einerseits die fast dicht gemachte, in sich verriegelte der jungen Leute aus den sehr fundamentalistischen Gemeinden - evangele - und andererseits einige aus den Schulen und Studienplätzen hier, die wieder total anders drauf sind.
Okay, die Fundis sind anständig, machen nicht so viel Lärm, ausser sie predigen, und werfen keine Kondome herum... Auch saufen sie nicht ganz so viel wie die anderen. Wenn das aber alles ist, was an Substanz ist, dann ist das auch sehr wenig.
Ich habe heute in meinem Space, unabhängig von Papst und anderen Einflüssen, gepostet, warum ich in keiner Kirche bin - Gründe, zum Teil wenigstens. Es gibt so viele Gründe. Ich sehne mich nicht zurück. Und mein Mann will auch austreten, obwohl ich ihn in keiner Weise beeinflusst habe. Er will austreten, weil er die Scheinheiligkeiten nicht mehr erträgt - und er mag den Benedikt nicht...
Vielleicht, lieber Markus, sollte ich mit Marcuse reden, wenn Du mir mit meiner "atheistischen Intoleranz" vor Augen zu führen versuchst, dass ich das gleiche Geschäft wie der Papst betreibe, nur eben von der anderen Seite. Marcuse also: "Es gibt politische Maßnahmen, Bedingungen und Verhaltensweisen [...], die nicht toleriert werden sollten, weil sie die Chancen, ein Dasein ohne Furcht und Elend herbeizuführen, behindern, wo nicht zerstören. Diese Art von Toleranz stärkt die Tyrannei der Mehrheit.“ - Aber so weit gehe ich gar nicht: Ich lasse die Katholiken sehr wohl ihren Glaubens zelebrieren, erlaube mir aber da direkte Worte, wo auch Katholiken oder deren Hirte direkte Worte anzubringen weiß.
Liebe Inge, Deine Gründe sind ja größtenteils historisch motiviert und zeigen auf, dass die Kirche aufgrund ihrer menschenverachtenden Geschichte keinerlei Berechtigung in Deinem Leben haben kann. Das ist nachvollziehbar, aber ich möchte doch ergänzen, dass mir die historische Komponente zu wenig ist. Alle Institutionen haben ihre Geschichte, meist eine triste und inhumane Geschichte. Das entschuldigt nicht die Kirche, stellt sie aber in einen historischen Kontext, aus dem sie sich nicht hat herauswinden können. Das Anachronistische stellt sie ja auch erst heute dar; dies war ja nicht immer schon so. Ich sehe die katholische Kirche, und alle ihre Ableger in älterer oder jüngerer Zeit, als notwendige Stufe in der Geschichte und damit in der menschlichen Entwicklung.
Ich muß auch noch gleich hinterherschieben, dass ich nach wie vor "Katholik bin". D.h. ich wurde ja dazu gemacht, man hat mich nicht weiter gefragt und einfach getauft. Alles schreien und plärren hat nichts geholfen. Ich wurde als kleines Kind getauft und damit in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen. Nun könnte ich austreten, d.h. laut CIC kann man das nicht. Aber die BRD bietet die Möglichkeit aus der Kirchensteuer auszutreten. Natürlich wäre ein solch rein ökonomischer Austritt auch ein Zeichen, das ja wahrgenommen wird von Seiten des örtlichen Geistlichen, zwischen Meßwein und Anbiederung an die hiesigen Eliten natürlich nur. Bis dato habe ich mich geweigert. Ich bin nie als mündiger Menschn eingetreten und kann deswegen auch meine Mitgliedschaft nicht aufkündigen, zumal es ja nur ein Aufkündigen der Steuerpflicht wäre. Das klingt wie die Sturheit eines Kleinkindes, aber ich stehe dazu: Ich trete nicht aus, wo ich nicht eingetreten bin. Für mich gibt es da keine Kausalität und daher keinen Handlungsbedarf. So bin ich offiziell noch Katholik, was mich sicherlich nicht hindern wird, meine Verachtung für die Praktiken und Ideale der Kirche kundzutun. Ich fühle mich keinem Papst verpflichtet, wie ich mich überhaupt recht wenigen Institutionen verpflichtet fühle - aber das ist eine andere Sache.
Meine Kritik richtet sich also weniger am Historischen aus. Vielmehr ist es ein kleiner Satz, der im Keime trägt, was mir an der Kirche immer schon Bauchschmerzen bereitete: "Homo sum. Humani nil a me alienum puto." (Ich bin ein Mensch. Nichts Menschliches halte ich für mir fremd.) - Die Kirche entfremdet den Menschen vor sich selbst; sie hat die Herabsetzung des Materiellen bewirkt - mit allerlei Unterstützung bzw. Ausbeutung von Platons Lehren - und das Seelische aufgewertet. Kurz: Das Körperliche wurde verdammt und damit der Mensch geleugnet. Die Sexualität, in der Antike mehr oder weniger ein offener und wenig zwielichtiger Teil des menschlichen Lebens, wurde zum teuflichen Akt des Alltags. Bestimmte Sexualpraktiken, ganze Lebensentwürfe, alles was anders war als vorgestellt, wurde verworfen, die Ausführenden verdammt, exkommuniziert und in seltenen Fällen einem Autodafé überstellt - letzteres kam wirklich seltener vor als man annimmt, lange Haftzeiten waren aber die Normalität, weil ein "Ketzer" während seiner Haftzeit von der Kirche materiell enteignet bzw. er mußte seine Haft privat bezahlen (was man möglichst lange auskosten wollte); auf die Familie des Häftlings wurde dabei keine Rücksicht genommen. Meine Kritik richtet sich eben dagegen, dass der Kirche alles Menschliche fremd ist, dass sie aus den Menschen ein schamhaftes Wesen gemacht hat, ein Wesen, dass sich seiner Körperlichkeit schämt und damit hat auch die Kirche - indirekt und über lange historische Zeiträume - dazu beigetragen, der modernen Jagd nach Schönheit - was immer das ist - Grundlage zu geben.
Wenn eine Institution das Menschliche leugnet oder nur einen Teil des Menschlichen, dann kann sie für mich keine Institution sein, die ich nicht verspotten möchte.
Dies alles, liebe Inge, hätte ich Dir in Deinem Blog geschrieben, aber dazu hätte ich bei Windows-Messenger angemeldet sein müssen...
Etwas Passendes zum obigen Einwurf, wonach die evangelische Kirche sich der Unternehmenswelt derart annähert, dass einem das Grausen kommen muß. Siehe hier!
In Anbetracht dessen, dies wollte ich noch angemerkt haben, rechtfertigt sich die papale Überzeugung, wonach der Protestantismus "nur" eine Sekte sei - wobei letztendlich alles auf den Sektenstatus hinausläuft. Aber wer die Wirtschaft derart in seine Vergöttung einbaut, der kann keinerlei Anspruch auf einen Kirchenstatus haben. Die Evangelische Kirche wird mehr und mehr - und ich spreche aus konkreter Erfahrung (meine Tochter besucht einen evangelischen Kindergarten) - zu einer Kirche der Eliten, bietet kein Seelenheil mehr, sondern nur noch Rechtfertigung für das gefüllte Säckel.
Einer solchen "Kirche" kann man nicht mal die freie Praktizierung moralisch legitimieren. Wo ich bei bei Gläubigen ansonsten Toleranz walten lasse, solange sie nicht blind sind und berechtigte Kritik üben, da kann ich in diesem Falle nicht tolerant sein. So eine "Kirche" hat jeglichen Anspruch auf Legitimität verloren, weil sie den Menschen Transzendentes vorgaukelt und in Wahrheit nur ein Rechtfertigungsinstitut der herrschenden Zustände ist.
"Aber wer die Wirtschaft derart in seine Vergöttung einbaut, der kann keinerlei Anspruch auf einen Kirchenstatus haben."
Aber Roberto! Hast Du etwa noch nie etwas von "Tempelwirtschaft" gehoert?
Spass beiseite: Die Verquickung von Religion (Kult) und Wirtschaft ist m. E. alles andere als zufaellig oder eine Ausnahme.
Wie man an Deinen mehrfachen Stellungnahmen bereits ersehen kann, scheinst Du, lieber Roberto, mit dem Kapitel Kirche doch noch nicht ganz abgeschlossen zu haben.
Die von den christlichen Kirchen vertretenen Ideale haben z.T. jedenfalls nach wie vor noch ihre Berechtigung, auch wenn das Gebot der "Nächstenliebe" aktuell besonders eklatant von der EKD mit Füßen getreten wird.(Der Protestantismus hat aber ohnehin ein anderes Verhältnis zum menschlichen Wirtschaften als der Katholizismus, wie Max Weber in seiner berühmten Studie über den "kapitalistischen Geist" in seinem Verhältnis zur protestantischen Ethik herausgestellt hat.)
Zu dem vielleicht sogar besonders von der katholischen Kirche im Laufe der Geschichte begangenen Unrecht und den geschehenen Verbrechen hast Du selbst ausgeführt, daß auch die Kichenmänner in ihre jeweilige Zeit verstrickt waren; und wenn ich mich recht erinnere, hat der damalige Kardinal Ratzinger in einer Fernsehsendung öffentlich zugegeben, daß die Kirche nicht nur "heilig" sei, sondern auch "sündig". Das soll vorkommen, wo fehlbare Menschen am Werk sind.
Man sollte es den Kirchenleuten nicht unbedingt zum Vorwurf machen, sich mit dem Transzendenten und Seelischen mehr zu beschäftigen als mit dem Diesseitigen und Körperlichen. Das Vergängliche ist vor dem Hintergrund des Unvergänglichen eben weniger wichtig und ein - allem abgeklärten Gerede der "Aufgeklärten" zum Trotz - für die verantwortliche menschliche Existenz stets ein virulentes Problem und Rätsel.
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