In nuce

Freitag, 29. Februar 2008

Aus der dümmlichen BILD-Kampagne gegen die LINKE scheint mehr und mehr eine quasi-kriminelle Agitation zu werden. Es kommt einem journalistischem Verbrechen gleich, wie man mit spärlichen Kommentaren und aufgebauschten Angstszenarien, die einzig und alleine durch unbegründete Behauptungen genährt werden, den Bürgern erklärt, wie nahe die DDR bereits sei. BILD-Kommentator Georg Gafron malt des Deutschen ewiges Schreckgespenst an die Wand: Den Arbeitsplatzverlust. "Besonders Investoren aus dem In- und Ausland wird das vom Standort Deutschland abschrecken." Kein seriöser Investor läßt sich lediglich von den Steuerabgaben leiten, wenn er einen neuen Standort eröffnen möchte, denn mehrere Faktoren begründen solcherlei Entscheidungen. Dazu gehört auch - Eigenheit eines starken Staates - eine annehmbare Infrastruktur und ein gut ausgestattetes Verkehrsnetz; ebenso ist die Kundschaft, die vor Ort - also am neuen Standort - zu erwarten ist, von großem Interesse. Investoren, die nur auf Steuerabgaben achten, pflegen es demnach sicherlich nicht mit langfristiger und ernsthafter Planung. Wenn die LINKE also wirklich höhere Unternehmenssteuern verwirklichen würde, werden Investoren noch lange keinen "weiten Bogen um Deutschland machen". Nebenbei vergißt die BILD nicht, dem Steuerzahler klarzumachen, daß der Einzug der LINKEN in den Hamburger Senat, fast 50.000 Euro kostet. Dass es sich dabei nicht um eine ergaunerte Geldsumme aus dem Topf der Steuerzahler handelt, erwähnt die Springer-Zeitung natürlich nicht; der BILD-Leser muß ja nicht erfahren, daß es sich um eine Geldleistung nach § 2, Absatz 3, Fraktionsgesetz handelt, die jeder Fraktion zusteht. Demokratie ist teuer, zumal die anderen Fraktionen ebenso kassieren - sogar mehr als 50.000 Euro. Aber dennoch ist die BILD-Welt in Ordnung, denn zwischen aller Hetze gegen die sogenannten Kommunisten, bleibt immer noch Raum und Zeit, sich ein wenig als PR-Kampfblatt anzubiedern. So ist es brav, Diekmann! Auf der einen Seite gegen die raffgierigen Kommunisten hetzen, auf der anderen Seite großen Konzernen unter die Arme greifen und mittendrin sogar noch die Steuerhinterziehung der eigenen Klientel entschuldigen! Löblicher vorauseilender Gehorsam, Genosse Diekmann!

"Während die Grünen sich von der Steuerersparnis eine Solaranlage zulegen, muss die SPD wegen ihrer Konkurrenz zur Linken darauf hoffen, dass die Reichen ihr die Zuwendung irgendwie danken. Aber das tun die nicht, und selbst wenn sie ihre Steuern pünktlich zahlen würden, bekämen Arme nichts. Der usbekische Diktator wurde hierzulande medizinisch versorgt, aber arme Familien bekamen zu Weihnachten keine zwei Euro, obwohl die Steuereinnahmen um 25 Milliarden gestiegen waren." - Indem man die aus Not vollzogene Schwarzarbeit sogenannter sozial Schwacher mit den hinterzogenen Steuern diverser Millionäre gleichsetzt, nihiliert man das Antriebsmotiv und macht sich damit eines geistigen Verbrechens schuldig. Man zündelt, indem man die Gier der herrschenden Klassen, mit der Not der Hilfsbedürftigen gleichsetzt; man zündelt, weil man gegen "neue Asoziale" wettert, zwischen denen kein Unterschied mehr zu machen sei. Ob hinterzogene Millionen oder ein Paar hinzuverdiente Euros, die man durch "schwarze Hilfsdienste" erworben hat: Asozial sind ja alle, die Zumwinkels genauso, wie die Bezieher eines Regelsatzes, der den Hunger zum steten Gast macht. Indem behauptet wird, daß wir doch alle keine Engel sind, spottet man der Nöte vieler Menschen, die auf diese Paar Euros aus der Schwarzarbeit, aus Diebstählen und Familienhilfen angewiesen sind. Und indem die BILD-Zeitung sich heute darüber mokiert, daß Fußball-Nationalspieler Jermaine Jones seiner Mutter - die ALG2 bezieht - nicht unter die Arme greift, versucht sie indirekt erneut, die Familienhilfe salonfähig zu machen, um dem Staatsrückzug Vorschub zu leisten. Natürlich ist man in so einem prominenten Fall auf die skandalträchtige Schlagzeile aus, immerhin macht es ja Millionen von Lesern glücklich, sich als moralische Instanz artikulieren zu dürfen, indem sie Jones' Egoismus bitterlich verurteilen, aber eine unterschwellige Botschaft läßt sich bei BILD eben nie ganz ausschließen: Wenn in Zukunft Eltern für ihre arbeitslosen Kinder zahlen (was sie sowieso schon tun müssen) und Kinder für ihre arbeitslosen oder pflegebedürftigen Eltern, dann könnte man sich weitere Sozialabgaben sparen. Der Jones-Bericht - eingeordnet im Kontext aktueller Rechtfertigungsversuche der Steuerhinterziehung, auch eingeordnet in den Beschwichtigungsmechanismen, die Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung gleichzusetzen versuchen - offenbart das Selbstverständnis dieser Gesellschaft, die sich vom solidarischen Gedanken verabschiedet hat.

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