Vorzüge sichern, Ungünstigkeiten abwenden

Dienstag, 12. März 2013

oder Osteuropa soll in Deutschland aufgehen.

Wie Deutschland Europa begreift, läßt sich an der Debatte um die Einreise-Sperre für Einwanderer aus dem europäischen Osten ablesen. Die Europäische Union wird nicht als Wertegemeinschaft verstanden, sondern als Selbstbedienungsladen der deutschen Exportwirtschaft.

Wie hat man doch damals die Osterweiterung angepriesen, gegen jede Kritik verteidigt! Sie berge große Chancen für die deutsche Wirtschaft, hieß es. Sie sei unbedingt notwendig, deutsche Unternehmen bräuchten einen Wirtschaftsraum im Osten, unkten die Jünger der Alternativlosigkeit theatralisch.

Kein europäische Wirtschaft hat dermaßen vom Euro und der Eurozone und von der Osterweiterung profitiert, wie die deutsche. Auch ein Aspekt der Krise im Euroraum - ein Aspekt allerdings, der hierzulande kaum thematisiert wird. Die Stärke der deutschen Volkswirtschaft wird nicht als Ursache der gegenüberliegenden Schwäche innerhalb einer Zone verstanden, die auf Gleichgewichtung konzipiert sein müsste, sondern als Musterbeispiel für alle Länder. So als könnte es ein Hausse für alle gleichzeitig geben.

Die Freizügigkeit deutscher Unternehmen im Osten des Kontinents war die elementare Basis einer florierenden deutschen Wirtschaft, die überdies die Früchte dieser sprießenden Flora nur zögerlich bis gar nicht an die Arbeitnehmer hier wie dort verteilte. Diese Freizügigkeit versteht die Deutschland AG nun allerdings als eine Autobahn mit Verkehr nur in eine Richtung. Die Freizügigkeit der EU-Bürger aus Bulgarien und Rumänien, besonders derer, die Romanes sprechen, soll nämlich nun beschnitten werden. Diese Freizügigkeit galt mitunter als Bestandteil der europäischen Idee.

Sie - die europäische Idee - soll aber nur noch einseitig funktionieren. Man hat freizügig Profite erwirtschaftet und tut es noch immer. In Rumänien und Bulgarien produzieren deutsche Unternehmen günstig, Personalkosten sind niedrig, Nebenkosten kaum vorhanden. Die notwendige Infrastruktur bringt entweder der jeweilige überforderte Staat auf oder die Europäische Union. Für die Sicherheit sorgt die dortige Polizei auf Kosten der rumänischen oder bulgarischen Allgemeinheit. Aber die Freizügigkeit von Osteuropäern sei es nun, die unser aller mitteleuropäische Existenz bedrohe! Hätten nicht die Osteuropäer diesselben Vorurteile aufbringen können, als reiche europäische Industrieländer, allen voran Deutschland, in die osteuropäische Hemisphäre hineinstießen, ohne sich dort einzupassen, sondern um dort in einer Parallelgesellschaft des Profitmaximierens zu leben?

Wie verstehen die politischen Marionetten der deutschen Wirtschaft diese europäische Idee eigentlich? Ist sie für sie wirklich nur ein Freifahrtschein für Profite? Oder war sie nie eine europäische, wohl aber eine profitmaximierende Idee?
Muss die liberale Gegenseitigkeit aufgegeben werden, wenn ein Vorteil vielleicht auch Nachteile mit sich bringt? Freizügigkeit für Firmen und Residenzpflicht für EU-Bürger, die man qua ihrer Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit zu EU-Bürgern zweiter Klasse herabmindert?
Welchen europäischen Gedanken meinen diese Damen und Herren eigentlich, wenn sie langatmig in Sonntagsreden von ihm sprechen? Er ist wohl nur das Feigenblatt ihrer Klientelpolitik, die sie als europäische Errungenschaft anmoderieren. Als sie die Freizügigkeit anpriesen, die nun von Ost nach West und West nach Ost möglich würde, da meinten sie die Freizügigkeit der Unternehmen und hofften, die Freizügigkeit von privaten EU-Bürgern würde sich bis dahin irgendwie erledigt haben.
Vielleicht meinte man, die Hungerlöhne, die deutsche Unternehmen dort bezahlten, würden Strukturen schaffen, die die Ausreise und das Verlassen der Heimat unattraktiv machten. So benebelt kann man im Rausch der Gewinnsucht zuweilen sein!

Die europäische Idee verstehen die politischen und wirtschaftlichen Eliten Deutschlands als eine Idee deutscher Leitwolfpolitik. Vorzüge sichern, Ungünstigkeiten abwenden! Die Kehrseite zum betriebswirtschaftlichen Profit wird europäisiert - nur der Gewinn darf deutsch bleiben. Die Regierung Merkel sei die Patrona Europea, liest man in der hiesigen Presse. Damit ist aber zweifelsohne kein Europa mit Partnern auf Augenhöhe gemeint.



6 Kommentare:

ninjaturkey 12. März 2013 um 07:49  

Leiwolfpolitik? Der Leitwolf agiert hoch sozial und verantwortungsbewusst. Zum Wohl aller Beteiligter seiner Gruppe scheut er keine persönlichen Mühen und Risiken. Beute wird fair geteilt und der Leitwolf nimmt sich nur so viel mehr als er zu Erfüllung seiner erweiterten Funktionen benötigt.

Insofern hat die Metapher mehr mit Volksmärchen als mit der Realität zu tun und verunglimpft den Wolf.

Nur in einer Hinsicht könnte das Bild passen: Wölfe sind hoch effiziente Raubtiere, die sich in erster Linie von Mäusen und anderem Kleinvieh ernähren. Größere Beute ist extrem schwierig zu bekommen und erfordert Kooperation, Geduld und Kompetenz. Stellt man einem Wolf nun einen Pferch mit einem Haufen blökender Schafe vor die Nase, kann es passieren, dass das Tier mit dieser unnatürlichen Situation komplett überfordert ist und vor dem Überangebot mental und sensorisch kollabiert. Der Wolf kann in einem "Blutrausch" geraten, in dem er alle Schafe tötet.

Vielleicht passiert das auch der deutschen Wirtschaft im Überangebot fetter Beute im Osten.

Anonym 12. März 2013 um 08:45  

Irgentwie wiederholt sich die Geschichte. Früher hieß es 'Neuer Lebensraum im osten für ein Volk ohne Raum'. Heute sichert man sich Märkte im Osten für eine Wirtschaft, die nur Export kennt und deren Regierung ein deutsch-dominantes Europa fördert nach dem Motto: Hegemonie schaffen ohne Waffen'

Reinard 12. März 2013 um 10:59  

Auf den Punkt gebracht.

Anonym 12. März 2013 um 11:12  

Anmerker meint:

Ich empfehle als Ergänzung zu der hervorragenden Analyse Robertos den neuesten Text von Georg Seesslen; hier wird der herrschende Merkelismus ebenfalls exzellent vorgeführt:

http://www.seesslen-blog.de/2013/03/09/was-ist-merkelismus/

MEINT ANMERKER

Anonym 12. März 2013 um 11:16  

....gen Osten wollen wir reiten, gen Osten geht unser Ritt.....

..so hiess es schon immer...

Lazarus09 12. März 2013 um 20:40  

*huestel* nicht zu vergessen die so dringend gebrauchten Armutseinwanderer aus den Ostgebieten,Bulgarien,Rumänien etc. die bewerben mehr und mehr für Niedrighungerlohnjobs in Deutschland. Das läuft alles genau nach Plan. Aus Sicht von Industrie und Wirtschaft ist das perfekt, denn es drückt die Lohnkosten in Deutschland. Genau die GAZ-Gerd Agenda Politik die in Merkel seit vielen Jahren ihre Fortsetzung findet. Und klar drückt das dann in Aufschwungdeutschland die Prekärbeschäftigten Bevölkerungsschichten zusätzlich in Existenzangst und Armut, aber das ist ja so gewollt.

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