Wenn zwei sich nicht streiten ...
Mittwoch, 23. November 2016
Nun wird also auch das Amt des Bundespräsidenten in trauter Einigkeit vergeben. Die Christ- und Sozialdemokraten sind sich auch da einig. Wie bei so vielem. Wie eigentlich bei allen Angelegenheiten. Sie scheuen die Konfrontation. Einen Kanzlerkandidaten werden die Sozis aber sicher ins Rennen schicken. Aber Vorschläge, es gleich ganz sein zu lassen, die gab es auch schon in ihren Reihen. Allerdings so ganz ohne, das kommt wahrscheinlich auch nicht so gut an. Außerdem freuen sich Druckereien schon auf Aufträge. So ein Wahlkampf, wenn er sonst schon nichts ist: Ein kleines Konjunkturprogramm für PR-Agenturen, Werbedesigner und Hersteller von Druckerzeugnissen ist er dann doch. Die K-Frage ist insofern eine A-Frage: Wer wird Alibikandidat? Politischer Kampf ist abgemeldet. Dabei kann man sich sicher sein: Die Menschen möchten erleben, wie sich Parteien fetzen und lauthals um Positionen streiten. Gerne auch mit derben Worten und ordentlich Pfeffer.
Dass das nicht so ist, das dürfte auch ein gewichtiger Grund sein, warum die Leute ins Lager solcher abwandern, die Konfrontation versprechen. Auch wenn sie ihre Abwanderung auf falsche Prämissen aufbauen. Viele Menschen haben genug von dieser kantenlosen Demokratie. Sie haben den Eindruck, dass Demokratie nur noch eine stille Verwaltung ist, die Interessen kanalisiert und nicht mehr vertritt. Die Bundeskanzlerin hat den Stillstand freilich perfektioniert. Ihr System war stets als Narkosemittel angelegt; hat wie ein Barbiturat die Atmung verschleppt und uns weismachen wollen, dass wir jetzt erst so richtig freie Atemwege erlangt haben. Und so ist es uns gelungen, dass über politische Positionen, über Grundwerte und Ideale nicht mehr gestritten wird. Man arrangiert sich leise oder passt sich gegenseitig an. Final hat man es sogar geschafft, das eigentlich recht unbedeutende Amt des Bundespräsidenten von politischen Kämpfen zu befreien. Nach dem Gauckkonsens jetzt ein Steinmeierkompromiss. Nur keine Kampfentscheidung. Alles ganz leise und ohne Geschepper.
Wer das weiter so betreibt, obgleich die Leute zu einer Gruppierung abwandern, die Geschepper verspricht, zeigt eigentlich nur, wie weit man sich von der demokratischen Normalität verabschiedet hat. Die ist nämlich zu guten Stücken Streit und Auseinandersetzung. Na sicher braucht man da auch mal Kompromissbereitschaft und die Einsicht, dass bestimmte Vorstellungen momentan vielleicht nicht umsetzbar sind. Aber dass man so gar kein Aufeinanderstoßen mehr sucht, gleich im Hinterzimmer schon deichselt, was parlamentarisch ausgefochten werden sollte, sich in der Haltung eines vorauseilendem Anpassungszwanges schon aufeinander einstellt, das ist nicht vernünftig. Das treibt die Bürger weg von diesem System, das sicher nicht einwandfrei tickt, aber eben doch die beste Regierungsform ist, die wir uns vorstellen können. Diese von Harmoniesüchtigen verwaltete Demokratie kommt diesen Bürgern vor wie ein Komplott gegen ihre Interessen. Wie die Absprache besserer Damen und Herren. Wie eine abgemachte Sache.
Die oft fiesen Angriffe eines Wehner gegen Strauß und andersherum, das waren tatsächlich nicht die schlechtesten Momente der hiesigen Demokratie. Da trafen Welten aufeinander. Gesellschaftsbilder fochten um Deutungshoheit. Was geschieht in der Form heute noch? In den Parteiprogrammen gibt es tatsächlich noch verschiedene Weltbilder und Vorstellungen. In Nuancen manchmal nur, aber hin und wieder auch in wichtigen Punkten. Im Alltagsbetrieb ist davon nichts mehr zu finden. Man harmoniert mehr oder weniger. Und wenn man es nicht tut, macht man es, wie es Hausfrauen in den Fünfzigerjahren gegenüber ihren Gatten getan haben: Man schweigt und lächelt und schluckt den Ärger herunter. Die Bürger hätten aber vielleicht gerne, dass man genau so nicht auftritt, dass man den Ärger rauslässt. So haben sie nämlich auch den Eindruck, dass es ihren Vertretern ein Anliegen ist und nicht nur ein Verwaltungsakt ohne Herzblut.
Man kann fürwahr nicht sagen, dass die Massenbasis, in der sich die in der Masse der Deklassierten fischenden Elitepartei AfD suhlt, nur aus diesem Grund in das rechte Lager abwandert. Es gibt so viele Agenzien, die man erwähnen müsste. Aber diese sedierte Demokratie, die keinen Parteienstreit mehr kennt, die gehört dazu. Zumal in Zeiten, da ein Kampf um Positionen und Vorstellungen so nötig wäre. wie lange nicht mehr. Da möchten sie Lautstärke und nicht diese Einhelligkeit, die noch aus der Zeit stammt, da der Reformgeist geweckt wurde und man den Parlamentariern nachsagte, sie würden durch ihre Streiterei nur die notwendigen Reformen behindern. Seinerzeit machte man Druck auf sie, dass sie sich künftig schneller einigen sollten. Man schuf den Streit ab. Und damit, man sieht es nach und nach klarer, die Loyalität der Bürger mit dem parlamentarischen System.
Wenn sich die etablierten Parteien wieder zu streiten beginnen, ich vermute mal etwas zu optimistisch, dann zieht es manche wieder weg von den Rattenfängern. Denn die streiten ja auch nicht, die tun nur so, indem sie verbal gegen Minderheiten vorgehen. Das kann man in seiner Aussichtslosigkeit schon mal mit Streit verwechseln. Es ist aber Volksverhetzung. Kein demokratisches Ideal.
Dass das nicht so ist, das dürfte auch ein gewichtiger Grund sein, warum die Leute ins Lager solcher abwandern, die Konfrontation versprechen. Auch wenn sie ihre Abwanderung auf falsche Prämissen aufbauen. Viele Menschen haben genug von dieser kantenlosen Demokratie. Sie haben den Eindruck, dass Demokratie nur noch eine stille Verwaltung ist, die Interessen kanalisiert und nicht mehr vertritt. Die Bundeskanzlerin hat den Stillstand freilich perfektioniert. Ihr System war stets als Narkosemittel angelegt; hat wie ein Barbiturat die Atmung verschleppt und uns weismachen wollen, dass wir jetzt erst so richtig freie Atemwege erlangt haben. Und so ist es uns gelungen, dass über politische Positionen, über Grundwerte und Ideale nicht mehr gestritten wird. Man arrangiert sich leise oder passt sich gegenseitig an. Final hat man es sogar geschafft, das eigentlich recht unbedeutende Amt des Bundespräsidenten von politischen Kämpfen zu befreien. Nach dem Gauckkonsens jetzt ein Steinmeierkompromiss. Nur keine Kampfentscheidung. Alles ganz leise und ohne Geschepper.
Wer das weiter so betreibt, obgleich die Leute zu einer Gruppierung abwandern, die Geschepper verspricht, zeigt eigentlich nur, wie weit man sich von der demokratischen Normalität verabschiedet hat. Die ist nämlich zu guten Stücken Streit und Auseinandersetzung. Na sicher braucht man da auch mal Kompromissbereitschaft und die Einsicht, dass bestimmte Vorstellungen momentan vielleicht nicht umsetzbar sind. Aber dass man so gar kein Aufeinanderstoßen mehr sucht, gleich im Hinterzimmer schon deichselt, was parlamentarisch ausgefochten werden sollte, sich in der Haltung eines vorauseilendem Anpassungszwanges schon aufeinander einstellt, das ist nicht vernünftig. Das treibt die Bürger weg von diesem System, das sicher nicht einwandfrei tickt, aber eben doch die beste Regierungsform ist, die wir uns vorstellen können. Diese von Harmoniesüchtigen verwaltete Demokratie kommt diesen Bürgern vor wie ein Komplott gegen ihre Interessen. Wie die Absprache besserer Damen und Herren. Wie eine abgemachte Sache.
Die oft fiesen Angriffe eines Wehner gegen Strauß und andersherum, das waren tatsächlich nicht die schlechtesten Momente der hiesigen Demokratie. Da trafen Welten aufeinander. Gesellschaftsbilder fochten um Deutungshoheit. Was geschieht in der Form heute noch? In den Parteiprogrammen gibt es tatsächlich noch verschiedene Weltbilder und Vorstellungen. In Nuancen manchmal nur, aber hin und wieder auch in wichtigen Punkten. Im Alltagsbetrieb ist davon nichts mehr zu finden. Man harmoniert mehr oder weniger. Und wenn man es nicht tut, macht man es, wie es Hausfrauen in den Fünfzigerjahren gegenüber ihren Gatten getan haben: Man schweigt und lächelt und schluckt den Ärger herunter. Die Bürger hätten aber vielleicht gerne, dass man genau so nicht auftritt, dass man den Ärger rauslässt. So haben sie nämlich auch den Eindruck, dass es ihren Vertretern ein Anliegen ist und nicht nur ein Verwaltungsakt ohne Herzblut.
Man kann fürwahr nicht sagen, dass die Massenbasis, in der sich die in der Masse der Deklassierten fischenden Elitepartei AfD suhlt, nur aus diesem Grund in das rechte Lager abwandert. Es gibt so viele Agenzien, die man erwähnen müsste. Aber diese sedierte Demokratie, die keinen Parteienstreit mehr kennt, die gehört dazu. Zumal in Zeiten, da ein Kampf um Positionen und Vorstellungen so nötig wäre. wie lange nicht mehr. Da möchten sie Lautstärke und nicht diese Einhelligkeit, die noch aus der Zeit stammt, da der Reformgeist geweckt wurde und man den Parlamentariern nachsagte, sie würden durch ihre Streiterei nur die notwendigen Reformen behindern. Seinerzeit machte man Druck auf sie, dass sie sich künftig schneller einigen sollten. Man schuf den Streit ab. Und damit, man sieht es nach und nach klarer, die Loyalität der Bürger mit dem parlamentarischen System.
Wenn sich die etablierten Parteien wieder zu streiten beginnen, ich vermute mal etwas zu optimistisch, dann zieht es manche wieder weg von den Rattenfängern. Denn die streiten ja auch nicht, die tun nur so, indem sie verbal gegen Minderheiten vorgehen. Das kann man in seiner Aussichtslosigkeit schon mal mit Streit verwechseln. Es ist aber Volksverhetzung. Kein demokratisches Ideal.
3 Kommentare:
Brandt konnte auch ziemlich sauer werden:
https://www.youtube.com/watch?v=JxnWGPliFFM
Der letzte interessante Moment in der Politik, an den ich mich erinnere, war die berühmte Elefantenrunde nach der Wahl Merkels. Schröder auf körpereigenen (oder -fremden?) Drogen. Aber das ist ja auch schon ne Weile her. Die bleierne Merkel hat den Bundestag seitdem sediert.
Sehr schöner Text übrigens, der mir voll aus der Seele spricht.
Zitat: "Final hat man es sogar geschafft, das eigentlich recht unbedeutende Amt des Bundespräsidenten von politischen Kämpfen zu befreien."
Hier möchte ich mal einhaken, da mir in diversen Foren auch oft die Haltung "Schafft das Amt doch einfach ab" begegnet. Ja, es ist richtig, dass das Amt keine (tages-)politische Macht hat. Aber ich finde, als moralische Instanz ist das Amt heute wichtiger denn je. Das Problem: Nach Richard von Weizsäcker, der so eine moralische Instanz war, und der der Regierung unter seinem "Parteifreund" Kohl deutlich die Leviten gelesen hat, wenn es notwendig war, waren alle Präsidenten im Sinne dieser Funktion ein totaler Reinfall. Das Amt verkam zum Ruheposten abgehalfterter Politiker oder anderer Eliten, deren Hauptqualifikation darin bestand, der jeweiligen Regierung möglichst nicht auf die Füße zu treten. Damit aber ist nicht das Amt überflüssig, sondern man "schacherte" es nur unpassenden oder überforderten Personen zu.
Zitat: "Aber dass man so gar kein Aufeinanderstoßen mehr sucht, gleich im Hinterzimmer schon deichselt, was parlamentarisch ausgefochten werden sollte,"
Das "Ausfechten im Parlament" ist allerdings etwas blauäugig - und war es auch zu Zeiten von Strauß und Wehner, denn da es einen Koalitionszwang (nicht) gibt (hahaha), standen die Ergebnisse, nachdem diese Sträuße ausgefochten waren (hihi), fast immer vorher fest. Auch heute hauen oppositionelle Politiker den Regierenden im Bundestag deren Politik um die Ohren - genau so folgenlos wie damals. Aber notwendig ist dieser Streit auf jeden Fall, wenn ihn denn die Medien aufgreifen würden, die aber ebenfalls ihre Rolle als Demokratiewächter längst verloren haben.
Zitat: "Diese von Harmoniesüchtigen verwaltete Demokratie kommt diesen Bürgern vor wie ein Komplott gegen ihre Interessen."
Auch hier wäre ich skeptisch. Schon Volker Pispers sagte nicht zu unrecht, das Volk(!) wolle, "dass die sich nur einig sind, worin, ist völlig egal." Denn Streit mag der Deutsche überhaupt nicht. Ich weiß nicht, ob das zu Brandts Zeiten anders war, aber heute hat diese Harmoniesucht durchaus noch sehr verbreitet ihre Anhänger. Natürlich sorgen die gesellschaftlichen Zustände für Frust. Aber dann haut man sich allenfalls in Foren gegenseitig die Köpfe ein - eine Lösung, die den Regierenden eh am liebsten ist.
Und weil es so gut zum Thema passt, noch einmal Volker Pispers:
"Wenn zwei für ein Amt antreten, sind unsere journalistischen Hirnzwerge ganz aus dem Häuschen: 'Eine Kampfkandidatur, eine Kampfkandidatur!' Töterööö, töteröö. Wenn nur EINER antritt, --- isses 'ne Wahl." Dem ist nichts hinzuzufügen.
Merkel will wieder antreten und wird ohne weiteren Kommentar als zukünftige Kanzlerin gehandelt. Steinmeier wird Bundespräsident und als solcher schon mit Hochachtung gefeiert. Schulz gibt sein ungeliebtes Amt als EU-Parlamemtspräsident (er wäre viel lieber Kommissionschef geworden) ab und rutscht über Platz 1 der Liste definitiv in die Regierung, die natürlich wieder koaliert. Und dann wird er Außenminister, weil der Steinkauz den Russen gegenüber zu wischiwaschi war. Alles ohne Wahl. Na gut, gewählt wird ein bischen, aber egal was man wählt, man hat keinen Einfluss auf irgendwas. Demokratische Werte bei der Arbeit eben.
Wahlen sind wie Babyspielzeug. Man darf überall drücken und drehen, alles ist bunt, knatter und klingelt aufs lustigste, und Baby guckt glücklich. Passieren kann nur etwas, wenn Baby das Teil Mutti an den Kopf wirft. Das nennt man dann Trump, Le Pen oder Petry.
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