Ein §130-Button, aber schnell!
Dienstag, 8. November 2016
Was einige Facebook-Nutzer mit Meinungsfreiheit verwechseln, hat die Grenzen der geschmacklichen Verträglichkeit längst gesprengt. Es ist keine Seltenheit, dass Kommentatoren beispielsweise die Wiedereröffnung von Konzentrationslagern fordern – für Flüchtlinge und Ausländer, damit »wir« vor »Massenvergewaltigungen« sicher seien. Als mich kürzlich wieder ein derartiger Text erreichte, versuchte ich, diese Attacke bei Facebook zu melden.
Dies erwies sich allerdings als schier unmöglich. Ich klickte mich durch etliche Fenster, ohne am Ende genau zu wissen, ob ich überhaupt den richtigen Beschwerdegrund ausgewählt hatte. Denn das standardisierte Verfahren erlaubt es nicht, jeden Einzelfall spezifisch zu beschreiben und die Bedenken mit eigenen Worten zu flankieren. Etwas explizit als Volksverhetzung zu deklarieren, ist leider auch nicht vorgesehen.
Dies erwies sich allerdings als schier unmöglich. Ich klickte mich durch etliche Fenster, ohne am Ende genau zu wissen, ob ich überhaupt den richtigen Beschwerdegrund ausgewählt hatte. Denn das standardisierte Verfahren erlaubt es nicht, jeden Einzelfall spezifisch zu beschreiben und die Bedenken mit eigenen Worten zu flankieren. Etwas explizit als Volksverhetzung zu deklarieren, ist leider auch nicht vorgesehen.
9 Kommentare:
Lieber Roberto, hier muss ich Dir leider widersprechen. Ein aufgeklärter und demokratischer Rechtsstaat muss solche "Meinungen" aushalten können. Auch wenn gelebter Faschismus natürlich keine "Meinung", sondern ein Verbrechen ist.
Klarnamen-Pflicht und die quasi öffentliche Denunziation via FB-Button ("Seht her, dem zeigen wirs mal Leute, und drücken alle mal den §130-Button") öffnen einem repressiven Überwachungsstaat Tür und Tor. Wer sagt Dir denn, dass genau diese Methoden einige Jahre später nicht gegen Gewerkschafter, Linke und NATO-Kritiker angewendet werden?
Hinzu kommt, dass man faschistisches Denken nicht "verbieten" kann, damit es verschwindet. Auch wenn Du es "gut meinst", das alles klingt für mich ein wenig nach orwellscher Gedankenpolizei. Wir müssen die Ursachen von menschenverachtenden Einstellungen bekämpfen und angehen (Armut, soziale Ungleichheit, Ohnmachts-Gefühle, Ausgrenzung, Ausbeutung, Vereinsamung etc.) und nicht die Folgen mit einem Button "wegdrücken".
Hallo lieber Roberto!
Ich verstehe durchaus, dass Dich dieses Thema umtreibt. Wen nicht? Aber die Forderung nach Klarnamen und Paragraphen Button fühlt sich für mich ehrlich gesagt so an, als würde die Reichskanzlei 1933 sich Gedanken über die Internetnutzung machen.
Wie soll das auch funktionieren? Muss ich, wenn ich mich bei Facebook anmelde, einen Google Account erstelle oder sonstwo im Netz aktiv werde erst zum nächsten Postamt gehen um mich via Personalausweis zu verifizieren? Oder willst Du den maschinenlesbaren Personalausweis und Fingerprint dazu benutzen. Habe ich bei der Ausstellung meines neuen Persers abgelehnt. Darf ich dann in Zukunft kein Netz mehr nutzen?
Das wirkliche Problem sehe ich wenn Personen an Leib und Leben bedroht oder sonstwie geschädigt (z.B. üble Nachrede) werden. Da muss es die Möglichkeit geben den Täter zu ermitteln ähnlich wie bei anderen Straftaten, z.B. Kinderpornographie oder Drogen- und Waffenhandel übers Netz. Ich denke das ist aber bereits mit heutigen Mitteln möglich.
Beleidigungen und Ehrverletzungen sehe ich nicht als Problem. Solche Paragraphen gehören wie der Blasphemieparagraph (StGB 166) abgeschafft. Wer mich beschimpft zeigt ja zu genüge was für ein Mensch er ist.
Und zur Volksverhetzung. Mal ehrlich. Wer meint der Holocaust hätte nicht statt gefunden oder man müsse Asylbewerber ins KZ stecken ist sicher durch ein Strafverfahren nicht davon ab zu bringen. Und das das "Volk" dadurch aufgehetzt werden könnte sehe ich auch nicht. Es ist viel mehr sinnvoll hier eine klare, sachliche Gegenposition ein zu nehmen um die Menschen zu überzeugen und nicht wie der verärgerte Papi die Aufmüpfigen mit einer Backpfeife mundtot zu machen.
Kurz: ich sehe den Weg nicht in immer mehr Kontrolle, Einschränkung und Bestrafung sondern in einem sachlichen Umgang in einer offenen Gesellschaft. Selbst mit perversen, niederträchtigen Meinungen.
Law and Order verstärkt nur immer weiter den Druck im Kessel. Siehe das Strafrecht in den USA.
Hier kurz noch vielen dank für Deine Arbeit, die ich sehr schätze auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.
Und: ich benutze meinen Klarnamen. Wenn andere das nicht tun ist es in Ordnung, denn auch ich überlege mir manchmal ob eine Meinung von mir an der einen oder anderen Stelle nicht z.B. meinem beruflichen Fortkommen schaden könnte... das ist nur zu menschlich.
Hehre Motive, aber nicht zielführend... Eine Klarnamenspflicht schafft mehr Probleme als sie löst. Die einzige Methode, bei Facebook halbwegs Privatsphäre zu haben, ist eben ein Pseudonym oder gar mehrere Accounts.
Im Gegensatz zeigt ja auch die Abmahnindustrie, dass zur Verfolgung von Rechtsverletzungen gar kein Klarname erforderlich sein muss. Es ist doch eher so, dass der politische Wille fehlt, gegen Online-Volksverhetzung vorzugehen. Da hilft es am Ende nur den Falschen, wenn der volle Name im Netz steht, gerade wenn man nicht Müller oder Meier heißt.
Ich spreche von einer Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken. Und wenn man den Namen nicht für jedermann nennen will, gibt es immer noch die Möglichkeit, dass man den Namen zwar nennen muss, aber unter Pseudonym das Netzwerk nutzen kann. Mündigkeit setzt voraus, dass man sich stellt. Jedenfalls in Netzwerken, in denen kommuniziert wird. Dort kann es keine Anonymität geben, weil das Hemmungslosigkeit fördert.
Lieber Roberto, es gibt genug Erhebungen die zeigen, dass gerade diejenigen, die unter dem eigenen Namen unterwegs sind, besonders vom Leder ziehen. Mir fallen aus dem Stand mehrere Situationen ein, in denen ich eine Klarnamenpflicht für mich nicht für vorteilhaft halte -ohne etwas illegales zu sagen. Kontroverse Aussagen reichen in einer Zeit des "Du bist entweder für oder gegen und" schon für Repressionen. Führ die Sache zuende. Was ist dann letztlich mit Künstlernamen.
Muss deinem Plädoyer leider auch vehement widersprechen, Roberto. Es passt für mich absolut nicht mit linker Freiheitlichkeit zusammen, dass Wortäußerungen juristisch bestraft werden können. Jeder soll sagen dürfen, was er will, auch anonym. Inklusive Widerspruch gegen faktische Tatsachen und auch "Beleidigungen" - denn diese sind ja erst dann welche, wenn man sich den Schuh anzieht und dem Redner Deutungsgewalt zubilligt. Ich hoffe, es wird niemals Konsens, schon gar nicht unter Linken, was du da forderst.
Klar, diese "linke Freiheitlichkeit" klingt paradiesisch, wenn jeder so verbal wüten darf wie er will und dafür keine Konsequenzen zu tragen hat. Die wehrhafte Demokratie als Veranstaltung sanfter Lämmer? Ach du liebe Zeit, wie uns die Wölfe zerreißen werden.
Überhaupt ist das, was ich links oft höre, nämlich dass man Beleidigung einfach ignorieren könnte, weil der Beleidigende ja quasi beweist, was er für ein Typ ist, völlig dem menschlichen Wesen widersprechend. Natürlich nimmt sich der Mensch das Verbale zu Herzen, weil er eben nicht nur ein physisches Wesen ist, sondern auch ein psychisches.
Man könnte mit der Haltung auch sagen, dass Foltermethoden wie jene, Menschen in Angst zu versetzen, weil man ihnen die Lüge vorsetzt, man würde gleich den Kindern etwas antun, gar keine Gewalt sei, sondern halt nur das, was man sagen dürfen soll. Und wie sieht es mit der Androhung von Gewalt an? Mit "Ich bring dich um!" als Drohung in einer anonym verfassten Mail? Sind ja nur Worte, nicht wahr?
Sorry, das ist kein Argument. Das fettarmer ideologischer Weichkäse. Damit kann ich nichts anfangen. Und ich muss sagen, kein Gemeinwesen kann mit dergleichen etwas anfangen, weil es nicht praktikable Ansätze sind.
Es stimmt, solche Hetzer sind auch durch ein Strafverfahren nicht von ihrer Ansicht abzubringen. Aber sie sind davon abzubringen, diese Parolen öffentlich zu äußern. Gedanken sind frei. Aber das, was man kommuniziert im öffentlichen Raum ist doch eine andere Liga. Jemand kann sich die Eröffnung der KZs denken, aber es lauthals zu fordern, um damit gezielt Menschenverachtung zum Ausdruck zu bringen und so ins Gemeinwesen einzugreifen, vielleicht andere zu beeinflussen, das ist nicht vertretbar.
Insofern, um zu den Beleidigungen zurückzukehren: Man kann sich denken, dass jemand ein Arschloch ist. Es aber zu sagen, das geht nicht. Darüber muss man auch nicht stehen. Es reicht, wenn man es anzeigt.
Dein Menschenbild in dieser Hinsicht geht mir zu sehr von Mangel eigener Selbstwahrnehmung, Standpunkte, Einordnungs- und Filterfähigkeit aus.
Dieses Menschenbild unterstellt eine derartige Unmündigkeit als im Menschen fest angelegt, dass du damit all dein Schreiben hier per se der Sinnlosigkeit preisgibst.
Genauso wie du sagst, der Mensch sei nicht nur physisches Wesen, sondern auch psychisches, müsste man hinzufügen: und verstandesmäßiges - eben nicht nur ein Leib, der einer Psyche ausgeliefert ist.
Zu dem "Ich bring dich um"-Beispiel: Nur weil das jemand nicht sagen soll, schafft das ja nicht die Realität aus dem Haus, dass es sicherlich da draußen Verwirrte gibt, die einem ihnen unpässlichen Politblogger an den Hals gehen würden. Du weißt jedenfalls nicht, wie real die Absicht ist, wenn jemand anonym droht. Es geht dir mit dem Verbot also darum, von dieser Realität in jedem Fall nichts hören zu wollen. Das kann's doch nicht sein.
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