Küsst die Postfaktischen, wo ihr sie trefft ...
Freitag, 11. November 2016
Die Abgehängten des herrschenden ökonomischen Kurses werden in den westlichen Industrieländern immer mehr zum Faktor. Sie sprechen skurrilen Personen ihr politisches Vertrauen aus und taumeln zwischen Klamauk und der Hoffnung, da würde jemand für sie sprechen. Der baldige US-Präsident, vormals Star einer Scripted Reality, wird jedoch den ökonomischen Kurs halten. Auf dem ist er zum Milliardär geworden. Das ist ihm Beweis genug für die Richtigkeit neoklassischer Konzepte. Er wird nicht mal wissen, dass man es auch anders, dass man es antizyklischer gestalten könnte. Nicht mal die Begriffe wird er kennen. Ein gerechteres Steuersystem wird es mit ihm nicht geben. Er ist der Vertreter der Abgehängten, der mit ziemlicher Sicherheit alles dafür tun wird, damit der Abstand, den diese Leute zwischen sich und ihren Hoffnungen auf ein besseres Leben sehen, noch ein wenig größer wird. Bei uns verrichtet diese Rolle die AfD. Man könnte nun in Deutschland von dieser Zäsur über dem Teich lernen: Und zwar, wie man verhindert, dass Leute dieses Schlages zu groß werden.
Vor einigen Tagen erschien im Feuilleton der »Frankfurter Allgemeinen« ein recht ordentlicher Artikel. Sowas kommt vor. Selten zwar, aber ... Er stammt von Quynh Tran. Sie behauptet, dass »viele Film- und Medienleute in Amerika« Trump verhindern wollten. Der kam daher nur im »schlechten Licht« in den Medien vor. Potenzielle Trump-Wähler ebenfalls. Sie wurden geächtet wie er selbst. Das steigerte natürlich deren Hass und band sie noch stärker an diesen Kandidaten. Dass eigentlich so gut wie alle Presseerzeugnisse ihre Wahlempfehlungen für Clinton aussprachen, habe die Wähler eher noch in der Einsicht bestärkt, dass da das System alle Hebel in Bewegung setzt, um sich erhalten zu können.
Diese Tendenz erkenne ich auch in Deutschland. Der eher liberalere Teil der Gesellschaft pflegt nach wie vor einen bildungsbürgerlichen Snobismus im Umgang mit Menschen, die sich als AfD-Wähler outen oder wenigstens damit kokettieren. Man stempelt sie als Idioten ab, als Gehirnlose, die nicht wüssten, wie man Demokratie macht und die uns jetzt alle mit in die Scheiße reiten wollen. Stephan Hebel hat in seinem Brandbrief kurz und prägnant herausgearbeitet, dass nicht jeder »sehr geehrte AfD-Wähler« ein Rassist ist, der mit absoluter Überzeugung diese Partei wählt. Sie sind Abgehängte des Systems, Parias einer volkswirtschaftlichen Vorstellung, die auf die Probleme der Zeit bloß mit kontraproduktiven Schlagworten wie »Steuern runter!«, »Niedriglohnsektor ausbauen!« oder »Dem Markt vertrauen!« zu antworten weiß. Deshalb bat er den »sehr geehrten AfD-Wähler« um kurze Aufmerksamkeit, er sehe nämlich sehr wohl, woher der seinen Ärger nehme, aber die AfD sei eben keine Antwort auf seine Fragen. Sie sei ökonomisch gesehen gewissermaßen »der gleiche alte Mist mit einer neuen Frisur«, um es mit einer griffigen Sentenz aus der Serie »Black Mirror« zu umschreiben.
Die potenziellen Wähler dieser Partei am rechten Rand grundsätzlich als Dummköpfe einzuordnen, wie das zum Beispiel die »heute-show« Sendung für Sendung für Sendung tut, schafft weder Aufklärung noch missioniert es die Wählerschaft. Das Gegenteil ist der Fall. Sie fühlen sich von solchen Angriffen nur bestätigt und votieren erst recht für diese Leute, von denen sie sicherlich auch denken, dass sie unter Umständen nicht die sind, die sie vorgeben zu sein. Aber dieser Arroganz von Menschen, die eben nicht abgehängt wurden und aus ihrer Stellung im Medienbetrieb bequem moralisieren können, wollen sie sich nicht beugen. Es ist ein Trotzverhalten von falschem Stolz. Und auf diesem Trotzverhalten basiert mit ziemlicher Sicherheit ein ganzes Segment von Wählern, die sich für autoritäre Optionen entscheiden, die sich kalkuliert als Alternativen zum alten Kurs anbiedern, es aber im Kern gar nicht sind und sein wollen.
Im Übrigen ist es doch hier nicht auch nicht so viel anders. Jede Zeitung distanziert sich von der AfD. Sogar solche Zeitungen, die noch vor einigen Jahren Sarrazin, Merz und Henkel als potenzielle Gründerväter einer neuen rechten Partei hofierten, die aber heute so tun, als haben sie keine politische Nähe zur AfD. Aber genau die hatten und haben sie. Die vier großen Buchstaben haben jedenfalls selten das Gegenteil von dem geschrieben, was die AfD nun als alternativen Weg in Aussicht stellt. Und das ist sowohl idealistisch wie ökonomisch gemeint. Wenn die potenziellen Wähler selbst in Medien, die grundsätzlich die Richtung dieser neuen rechten Partei teilen, Ablehnung herauslesen, dann bestärkt man sie. Simpel gesagt: Wahrscheinlich würde man die postfaktische Bewegung ausbremsen, wenn so genannte »Systemmedien« nicht grundsätzlich die AfD ablehnten. Denn das ist ja zu großen Teilen der Grund, warum man diese Partei wählt: Weil man dem System mittels solcher Phänomene einen Schraubenschlüssel ins Räderwerk werfen will.
Von vielen Wählern Donald Trumps hat man nämlich vernommen, sie hätten den Mann nur gewählt, weil sie denen da oben mal eines auswischen wollten. Die Taktik des Milliardärs so zu tun, als ob, die ging auf. Von etlichen AfD-Wählern bei Landtagswahlen hat man ähnliche Motive vernommen. Das sind Proteste an der Urne. Einige mögen auch Überzeugte sein. Die kann man eh nicht erreichen, die kann man nicht überzeugen, dass sie sich keinen Gefallen tun, wenn man sich Ordoautoritäre vor die Nase setzt. Einen Großteil von Protestwählern allerdings schon. Wenn man sie aber immer wieder als provinzielle Idioten oder Kriminelle bagatellisiert und so dem Spott aussetzt, dann bindet man sie an die falsche Option. Und wenn dann dieselbe »heute-show«, die AfD-Wähler idiotisiert, dann auch noch Sarah Wagenknecht abwatscht, weil die als Linke begriffen habe, dass man der AfD ökonomische Themen entreißen muss, dann ist das eine bildungsbürgerlicher Dünkel, der vielleicht Quote zeitigt, aber die AfD nicht schwächt, sondern das Gegenteil bewirkt.
Vielleicht könnten wir an dieser Stelle, zehn Wochen bevor Herr Trump als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird, ein bisschen was aus dieser Geschichte lernen. Am 9. November wurde der Mann gewählt, haben die postdemokratischen Auflösungserscheinungen das nächste Level erreicht. Dieser 9. November, der Tag der Deutschen, wie man mit Blick auf die Historie zuweilen sagt: Vielleicht sollte man den Tag mit in die Galerie bedeutsamer Zäsuren aufnehmen. Als Tag, da man einsah, dass man die über Jahre Abgehängten jetzt wieder wirtschaftlich einbinden muss, um die liberale Gesellschaft zu retten. Die Medien sollten AfD-Wähler ernster nehmen und sie nicht gleich glattbügeln.
Und verdammt, jetzt empfehle ich gleich noch etwas, was sicher in den falschen Hals gekriegt wird: Rechtskonservative Zeitungen des Mainstreams sollen zu dieser Partei stehen und sich nicht, aus Angst vor der Schmuddelecke, zurückhalten. Das ist mir lieber, als diese verlogene Front gegen die AfD, die mehr Wähler generiert, als Einsichten, sie nicht zu wählen. Dieser Rechtsruck, der überall zu spüren und ökonomisch verifizierbar ist und den der Mainstream, der inhaltlich zur AfD passt, einfach galant umschifft, indem er diese Partei exkludiert, hängt mir zum Hals raus. Genau das ist es, was die Leute spüren und was sie ins Lager der Rattenfänger treibt. Leitmedien, steht doch zum Rechtsruck, den ihr mit eurer Hilfe mitverursacht habt. Wenn die Leute merken, dass die Wahl dieser Partei keine rebellische Tat ist, sondern von bestimmten Eliten sogar gern gesehen würde, dann glaube ich wirklich, geht ihnen ihr billiges Urnenheldentum gleich verloren.
Vor einigen Tagen erschien im Feuilleton der »Frankfurter Allgemeinen« ein recht ordentlicher Artikel. Sowas kommt vor. Selten zwar, aber ... Er stammt von Quynh Tran. Sie behauptet, dass »viele Film- und Medienleute in Amerika« Trump verhindern wollten. Der kam daher nur im »schlechten Licht« in den Medien vor. Potenzielle Trump-Wähler ebenfalls. Sie wurden geächtet wie er selbst. Das steigerte natürlich deren Hass und band sie noch stärker an diesen Kandidaten. Dass eigentlich so gut wie alle Presseerzeugnisse ihre Wahlempfehlungen für Clinton aussprachen, habe die Wähler eher noch in der Einsicht bestärkt, dass da das System alle Hebel in Bewegung setzt, um sich erhalten zu können.
Diese Tendenz erkenne ich auch in Deutschland. Der eher liberalere Teil der Gesellschaft pflegt nach wie vor einen bildungsbürgerlichen Snobismus im Umgang mit Menschen, die sich als AfD-Wähler outen oder wenigstens damit kokettieren. Man stempelt sie als Idioten ab, als Gehirnlose, die nicht wüssten, wie man Demokratie macht und die uns jetzt alle mit in die Scheiße reiten wollen. Stephan Hebel hat in seinem Brandbrief kurz und prägnant herausgearbeitet, dass nicht jeder »sehr geehrte AfD-Wähler« ein Rassist ist, der mit absoluter Überzeugung diese Partei wählt. Sie sind Abgehängte des Systems, Parias einer volkswirtschaftlichen Vorstellung, die auf die Probleme der Zeit bloß mit kontraproduktiven Schlagworten wie »Steuern runter!«, »Niedriglohnsektor ausbauen!« oder »Dem Markt vertrauen!« zu antworten weiß. Deshalb bat er den »sehr geehrten AfD-Wähler« um kurze Aufmerksamkeit, er sehe nämlich sehr wohl, woher der seinen Ärger nehme, aber die AfD sei eben keine Antwort auf seine Fragen. Sie sei ökonomisch gesehen gewissermaßen »der gleiche alte Mist mit einer neuen Frisur«, um es mit einer griffigen Sentenz aus der Serie »Black Mirror« zu umschreiben.
Die potenziellen Wähler dieser Partei am rechten Rand grundsätzlich als Dummköpfe einzuordnen, wie das zum Beispiel die »heute-show« Sendung für Sendung für Sendung tut, schafft weder Aufklärung noch missioniert es die Wählerschaft. Das Gegenteil ist der Fall. Sie fühlen sich von solchen Angriffen nur bestätigt und votieren erst recht für diese Leute, von denen sie sicherlich auch denken, dass sie unter Umständen nicht die sind, die sie vorgeben zu sein. Aber dieser Arroganz von Menschen, die eben nicht abgehängt wurden und aus ihrer Stellung im Medienbetrieb bequem moralisieren können, wollen sie sich nicht beugen. Es ist ein Trotzverhalten von falschem Stolz. Und auf diesem Trotzverhalten basiert mit ziemlicher Sicherheit ein ganzes Segment von Wählern, die sich für autoritäre Optionen entscheiden, die sich kalkuliert als Alternativen zum alten Kurs anbiedern, es aber im Kern gar nicht sind und sein wollen.
Im Übrigen ist es doch hier nicht auch nicht so viel anders. Jede Zeitung distanziert sich von der AfD. Sogar solche Zeitungen, die noch vor einigen Jahren Sarrazin, Merz und Henkel als potenzielle Gründerväter einer neuen rechten Partei hofierten, die aber heute so tun, als haben sie keine politische Nähe zur AfD. Aber genau die hatten und haben sie. Die vier großen Buchstaben haben jedenfalls selten das Gegenteil von dem geschrieben, was die AfD nun als alternativen Weg in Aussicht stellt. Und das ist sowohl idealistisch wie ökonomisch gemeint. Wenn die potenziellen Wähler selbst in Medien, die grundsätzlich die Richtung dieser neuen rechten Partei teilen, Ablehnung herauslesen, dann bestärkt man sie. Simpel gesagt: Wahrscheinlich würde man die postfaktische Bewegung ausbremsen, wenn so genannte »Systemmedien« nicht grundsätzlich die AfD ablehnten. Denn das ist ja zu großen Teilen der Grund, warum man diese Partei wählt: Weil man dem System mittels solcher Phänomene einen Schraubenschlüssel ins Räderwerk werfen will.
Von vielen Wählern Donald Trumps hat man nämlich vernommen, sie hätten den Mann nur gewählt, weil sie denen da oben mal eines auswischen wollten. Die Taktik des Milliardärs so zu tun, als ob, die ging auf. Von etlichen AfD-Wählern bei Landtagswahlen hat man ähnliche Motive vernommen. Das sind Proteste an der Urne. Einige mögen auch Überzeugte sein. Die kann man eh nicht erreichen, die kann man nicht überzeugen, dass sie sich keinen Gefallen tun, wenn man sich Ordoautoritäre vor die Nase setzt. Einen Großteil von Protestwählern allerdings schon. Wenn man sie aber immer wieder als provinzielle Idioten oder Kriminelle bagatellisiert und so dem Spott aussetzt, dann bindet man sie an die falsche Option. Und wenn dann dieselbe »heute-show«, die AfD-Wähler idiotisiert, dann auch noch Sarah Wagenknecht abwatscht, weil die als Linke begriffen habe, dass man der AfD ökonomische Themen entreißen muss, dann ist das eine bildungsbürgerlicher Dünkel, der vielleicht Quote zeitigt, aber die AfD nicht schwächt, sondern das Gegenteil bewirkt.
Vielleicht könnten wir an dieser Stelle, zehn Wochen bevor Herr Trump als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird, ein bisschen was aus dieser Geschichte lernen. Am 9. November wurde der Mann gewählt, haben die postdemokratischen Auflösungserscheinungen das nächste Level erreicht. Dieser 9. November, der Tag der Deutschen, wie man mit Blick auf die Historie zuweilen sagt: Vielleicht sollte man den Tag mit in die Galerie bedeutsamer Zäsuren aufnehmen. Als Tag, da man einsah, dass man die über Jahre Abgehängten jetzt wieder wirtschaftlich einbinden muss, um die liberale Gesellschaft zu retten. Die Medien sollten AfD-Wähler ernster nehmen und sie nicht gleich glattbügeln.
Und verdammt, jetzt empfehle ich gleich noch etwas, was sicher in den falschen Hals gekriegt wird: Rechtskonservative Zeitungen des Mainstreams sollen zu dieser Partei stehen und sich nicht, aus Angst vor der Schmuddelecke, zurückhalten. Das ist mir lieber, als diese verlogene Front gegen die AfD, die mehr Wähler generiert, als Einsichten, sie nicht zu wählen. Dieser Rechtsruck, der überall zu spüren und ökonomisch verifizierbar ist und den der Mainstream, der inhaltlich zur AfD passt, einfach galant umschifft, indem er diese Partei exkludiert, hängt mir zum Hals raus. Genau das ist es, was die Leute spüren und was sie ins Lager der Rattenfänger treibt. Leitmedien, steht doch zum Rechtsruck, den ihr mit eurer Hilfe mitverursacht habt. Wenn die Leute merken, dass die Wahl dieser Partei keine rebellische Tat ist, sondern von bestimmten Eliten sogar gern gesehen würde, dann glaube ich wirklich, geht ihnen ihr billiges Urnenheldentum gleich verloren.
9 Kommentare:
Volle Zustimmung!
Leider ist es häufig so, daß sich das "Bildungsbürgertum" auf die faule Haut legt und sagt "Wieso? Das sind doch Idioten! Wieso sollte ich mit denen reden?" und sich damit im Endeffekt als genauso "clever" herausstellt. Traurige Zeiten zurzeit...
Zustimmung. Wer noch einen gewichtigen Unterschied zwischen Realität und dem halluzinieren der Medien sucht findet ihn in den reel Abgehängten, die in den Medien praktisch nur als die "gefühlt Abgehängten" vorkommen. Feel the difference!
wenn gorbatschow das geahnt hätte, dass der kapitalismus nach dem sieg über dem sozialismus, alle sozialen errungenschaften der europäischen und amerikanischen mittelschicht, schrittweise wieder rückgängig macht, hätte er sich sicherlich für den erhalt des ostblockes eingesetzt nur um den grund/ursache für die damaligen arbeitnehmerfreundlichen sozialgesetze, zumindest in europa, aufrechtzuerhalten---jetzt geht alles den bach runter und der wessi ahnt langsam was er alles nur der reinen existenz der damaligen DDR/Ostblock zu verdanken hat
Ich versteh's ehrlich gesagt nicht. Was ist denn jetzt mit dem Narrativ, dass die Medienkonzerne die Meinung der meisten Leute prägen und im Griff haben? Das hat sich jetzt also überholt - ist das nun der neue Status Quo? Nicht nur Rudi Dutschke würde im Grabe jubeln...
Hurra! "Nach der Wahl von Donald Trump zum künftigen US-Präsidenten legt die EU das Freihandelsabkommen TTIP "in den Gefrierschrank". Ob die Verhandlungen jemals wieder aufgenommen werden, ist laut EU-Kommission völlig unklar."
Erste gewichtige gute Nachricht auch für alle Linke in Folge des Trump-Siegs.
@anonym von 18:29: Dieses Paradoxe ist vielleicht gar keines. Denn die, die sich jetzt reflexartig vom Mainstream abwenden, die lassen sich ja auch wieder nur von den Medien treiben, wenngleich halt nur unter umgekehrten Vorzeichen. Es ist in gewisser Weise als negative Mediengläubigkeit, die wir hier beobachten. Eine Ganz-oder-gar-nicht-Mentalität auf dem Kopf gestellt. Insofern finde ich, dass es so ein richtiges paradoxes Phänomen gar nicht ist.
@anonym von 19:07: Den Zynismus liest man natürlich raus. Auch wenn das ein Produkt seiner Präsidentschaft werden soll (Schauen wir mal!), so ist der Mann kein Grund zur Freude. Ein wenig erinnert sein Aufstieg an den dritten Napoleon. Der stützte sich auf das Bürgertum und gewährte denen Vorteile und verlangte dafür Unterordnung. Trumpismus ist Bonapartismus unserer Zeit. Dort ein wenig Fürsorge und Volkstribun, auf der anderen Seite aber Staatsrückzug und Ausgrenzung. Wer versucht, den gesellschaftlichen Wohlstand durch Exklusion zu erhalten, der erledigt sich selbst. Nach Trump müssen wir TTIP vielleicht wieder fürchten. Insofern: Warum jetzt als Linker freuen?
Eine Binsenweisheit erklimmt die öffentliche Optik. Worin besteht sie? Dass der Wähler mittelfristig nicht dauerhaft jene wählt, die ihm das Leben verschlechtern. Man könnte meinen, der Politberaterzirkel hätte die entsprechenden Dioptrien auf, dies wenigstens dann zu erkennen, wenn es schon fast offensichtlich ist. Aber auch dem ist nicht so, so wie es schon gar rein im Denken als Option ins Spiel je kam. Man ging und geht solide und festen Trittes davon aus, dass der Wähler weiterhin jene wählt, die ihm das Leben verschlechtern. Warum? Der erste Clou bestand darin, diese Politik als Naturzwang zu verkaufen. Die Parteien taten eigentlich gar nichts. Sie ließen nur dem natürlichen Gang der Dinge ihren Lauf. Ende des 20. Jahrhunderts überkam die Menschheit plötzlich ein Naturgesetz. Überall forderte es seine Redmodulation ein. Die Jahrhunderte zuvor waren von allerei Herrschaft und Gestreite gekennzeichnet, nun war man befreit in den natürlichen Lauf der Dinge gemündet. Die unsichtbare Hand ergriff nun das Zepter. Bald schaffte man es, das ganze als Luftschloss zu entpuppen. Aber es ging gleich weiter. Dann, weil es lange Zeit auch gar keine Alternative gab. Das komplette Parteienspektrum setzte sich für eine Politik der Lebensverschlechterung für eine breite Masse der Bevölkerung ein. Ein Linkspartei gab es nicht und gibt es nicht (bis auf Deutschland, wo es eine gibt, welche aber vermutlich auch dann noch nicht in die Gänge kommt, wenn niemand mehr die anderen Parteien wählen würde und die Wahlbeteiligung auf Null sinken würde. Wie das geht, kann man kaum ersinnen, die Linkspartei jedoch zöge dies mit großer Innovation durch.) Dann kamen die anderen Alternativen. Alsbald war klar, dass diese auch nicht an der Lebensverschlechterung viel ändern würden. Dem einen mehr, dem anderen weniger. Le Pen, Bossi, Grillo, Strache, Wilders und Trump und wie sie alle heißen, ob sie etwas ändern sieht kaum einer ihrer Wähler als gegeben. Was habt ihr zu verlieren? Das ist das Motto. Ob die einen oder die anderen einem ins Gesicht kacken, was macht es schon. Alle konnten ihre Reden richtig heiß laufen lassen. Ärmel zurück, Hals strecken und ab mit der Sprachbombe auf die Parteien der Politik der Lebensverschlechterung. Es war und ist ein leichtes. Frontalkritik geht heute mit minimalem Aufwand. Dazu werden einige Happen Sündenböcke gemischt und die politische Rakete ist gezündet. Dennoch vertritt man bei den Restparteien weiterhin die Ansicht, man habe die Parteien der Lebensverschlechterung zu wählen. Als Naturgesetz konnte man es nicht mehr verkaufen, die Alternative ist auch irgendwie da. Nun holt man aus den untersten Kammern der politischen Rhetorik einen eingemotteten Geist heraus: den Klassenhass. Wurden die Klassen vormals alle abgeschafft, es gab ja nur mehr Individuen, schlagen einem nun gigantische Klassen entgegen. Von unten kommen sie.
Das alte, ja älteste Teilungsskript des Sozialen wird bis in seine archaischen Relikte hinein reaktiviert. White trash, dummes Pack, Ungebildete, Gröhler und Miserable aller Arten betreten nun den politischen Rederahmen. Derb kropfen sie in die Wahl hinein und heraus kommt dann ein Trump. Wer von der Politik der Lebensverschlechterung profitieren und wenigstens nicht allzu viel verloren hat und noch hofft, einmal doch mehr gewonnen zu haben, wird nun getunt. Obwohl nur am Bankkonto besser gestellt, wird ihm nun ein feines Ornament einer verdelten Gesellschaftsschicht diskursiv angedichtet. Er vertrete eine höhere Moral, sei allgemein der Vernunft näher, der Wissenschaft und dem geordneten Leben, er erkenne daher das Notwendige und trete ihm mit Disziplin, Elan und Großmut entgegen. Und das mit Erfolg. Eine Gesellschaft aus Individuen hatte er erbauen wollen. Für alle. Und nun? Der Indivudualstatus wird nun zu einer Medaille, die nicht alle tragen können. Von unten her steht der Gesellschaft der Individuen nun eine monströse Klasse entgegen. Ohne Moral, grob und lüstern, ohne Verantwortungsgefühl und Weitlick, nur auf das nächstbeste Fressen aus, faul und derb. Diese Masse, ja pfui, diese Klasse da.
Kommentar veröffentlichen