#Aufschrei der Dummheit
Dienstag, 24. November 2015
Es sind gute Tage des Anti-Merkelismus und der Kanzlerinnenabneigung. Oberflächlich betrachtet sieht es zumindest so aus. Wenn ich bei Facebook mal gucke, was man mir alles auf meiner Chronik hierzu anbietet und wie viele meiner »Freunde« was zu diesem Thema teilen, dann müsste ich mich eigentlich diebisch freuen. Schließlich kommt die scharfe Kritik, das »Treten Sie zurück, Frau Merkel!« und »Diese Frau ist alternativlos!« ja seit Jahren von links. Merkel war bislang der feuchte Traum von Damen und Herren, deren erogene Zonen eher politisch rechts lagen. Also klickt und gefälltmirt man als jemand, der sich links stimuliert, halt mal auf das Rücktrittsgerede und die Anti-Merkel-Polemik, die man dieser Tage so präsentiert bekommt. Aus Reflex vielleicht. Oder auch, weil man seine Abneigung unter jedes Statement setzen will, das auch nur in jene Richtung tendiert. Sieht man dann aber mal genauer hin, wundert man sich. Denn der jetzt überall aufkeimende Anti-Merkelismus stammt zu großen Teilen aus der rechten Ecke.
Man fällt ja jetzt nicht von Merkel ab, weil sie Großfrauspolitik in Europa betreibt, Sozialabbau begeht, NSU-Aufklärung lahmlegt oder NSA-Aufklärung bagatellisiert. Das ist alles Schnee von gestern. Schnee, mit denen die, die heute kritisieren und zum Rücktritt ermuntern, noch ganz zufrieden waren. Gerade das hat die Frau ja ausgezeichnet, sie entschleunigte überall dort, wo sich das Unrecht beschleunigte. Und dergleichen schätzt man rechts als gutes Brauchtum. Aber dass sie jetzt Flüchtlinge ins Land lässt, Willkommenskultur anrät – das füllt denen das Faß voll. Das war nicht nur der letzte Tropfen zum Überlaufen, es waren ganze Eimer hin zur Flutung. Gut, bei Tageslicht betrachtet, ist ihre Flüchtlingspolitik ein ziemlich oberflächliches Konzept, mehr so was für das deutsche Gemüt und zur europäischen Präsentation. Nach Griechenland im Austeritätskoma braucht das Deutsche wieder ein hübsches Gesicht für den Kontinent. Deutschland hat ja auch schöne Seiten. Wir schaffen das. Also Deutschland aufzuhübschen, den häßlichen Deutschen imagefördernd vergessen zu machen. Die Kommunen müssen dann aber weitestgehend selbst schauen, wie sie es schaffen. Finanzielle Mittel gibt es für sie nur in homöopathischen Dosen. Und genau aus dem Milieu, in dem man Flüchtlinge beleidigt, bespuckt, sie kriminalisiert und pathologisiert, stammen nun die Anti-Merkel-Buttons, die Anti-Merkel-Schautafeln, die Anti-Merkel-Klick-mich-Beiträge.
Neulich hat einer auf einen Artikel verwiesen. Bei Facebook gefiel er vielen. Auch Leuten, denen manchmal das gefällt was ich schreibe. Es ging darum, dass so ein »Experte« nun belegt sah, dass die Bundeskanzlerin durchgeknallt ist. Sie spreche nämlich von sich in der dritten Person. Ein eindeutiges Indiz dafür, dass sie verrückt sei, was er mit halbseidener Medinzinalsprache begründete. In einem Interview habe sie gesagt, dass »die Kanzlerin es im Griff [habe]«. Die Aussage mag eine Lüge sein. Inhaltlich betrachtet. Was hat sie denn im Griff? Der Inhalt ist in jedem Falle verrückter als die Aufmachung der Formulierung. Das müssen die »Linken« doch gut finden, so eine Analyse des geistigen Gesundheitszustandes, oder nicht? Schließlich sind es genau die Stimmen aus jenem politischen Milieu, die mehr oder weniger immer so gegen Merkel geschossen haben. In der dritten Person! Wie ulkig! Und wie irre! Ja definitiv, da muss man geisteskrank sein, wenn man von sich selbst so spricht. Roberto De Lapuente hat jedenfalls im ersten Moment auch sehr gelacht, dann hat er gesehen, um was es eigentlich ging und sich gedacht, dass er mit dieser »Opposition« nicht oppunieren kann. Denn man pathologisierte diese Frau nicht wegen der Form, sondern weil sie Ausländer ins Land lässt und keine Zäune befürwortet. Also suchte man nach Indizien, um sie zu diskreditieren, sie zum Zäuneziehen und Mauerbau zu bewegen. Sie ist für diese Leute bloß irre, weil sie ihr Vaterland verrät. Aber für mich sind Leute irre, die ihr Vaterland abschotten und sich den Weltsorgen verschließen wollen.
Solche Statements kann man natürlich dennoch machen. Jeder hat Senf, den er dazugeben möchte. Meist ist der Senf Käse. Falsch deklarierte Lebensmittel halt. Ein ganz üblicher Betrug in unserer Zeit. Und genau so (be-)trügerisch ist es, solchen Stimmen Likes zu verleihen. Aber letztere kommen tatsächlich häufig auch aus dem Lager derer, die wie die Leute aus meiner »Freundesliste« bevorzugt »Spiegelfechter«, »NachDenkSeiten« oder »ad sinistram« lesen; die »Die Anstalt« gucken und mit Rether, Pispers oder Schramm lachen; die »BILDblog« schätzen und vielleicht schon mal ein Buch von Naomi Klein oder Jean Ziegler gelesen haben. Das irritiert. Nicht alles was gut nach Opposition klingt, ist ja gute Opposition. Mag sein, dass es jetzt Schnittmengen zwischen Rechten und Linken gibt. In der Konsequenz der Sache quasi. Also, dass man die Kanzlerschaft jener Frau beendet sehen will. Aber auch wenn man so konsequent sein möchte, so sind das doch zwei verschiedene Ligen. Nicht jeder Aufschrei, der da draußen verhashtagt wird, ist ja eines Beifalles wert. Das wollte ich gesagt haben, denn nach Social Stalinism ist mir nicht. Ich will die mit mir »befreundeten« Klicker solcher Botschaften nicht entliken und einer großen Säuberung zuführen. Das tun andere dort in meisterschaftlicher Manier. Auch Linke. Unliebsame aus dem Sandkasten werfen: Das mache ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr.
Man fällt ja jetzt nicht von Merkel ab, weil sie Großfrauspolitik in Europa betreibt, Sozialabbau begeht, NSU-Aufklärung lahmlegt oder NSA-Aufklärung bagatellisiert. Das ist alles Schnee von gestern. Schnee, mit denen die, die heute kritisieren und zum Rücktritt ermuntern, noch ganz zufrieden waren. Gerade das hat die Frau ja ausgezeichnet, sie entschleunigte überall dort, wo sich das Unrecht beschleunigte. Und dergleichen schätzt man rechts als gutes Brauchtum. Aber dass sie jetzt Flüchtlinge ins Land lässt, Willkommenskultur anrät – das füllt denen das Faß voll. Das war nicht nur der letzte Tropfen zum Überlaufen, es waren ganze Eimer hin zur Flutung. Gut, bei Tageslicht betrachtet, ist ihre Flüchtlingspolitik ein ziemlich oberflächliches Konzept, mehr so was für das deutsche Gemüt und zur europäischen Präsentation. Nach Griechenland im Austeritätskoma braucht das Deutsche wieder ein hübsches Gesicht für den Kontinent. Deutschland hat ja auch schöne Seiten. Wir schaffen das. Also Deutschland aufzuhübschen, den häßlichen Deutschen imagefördernd vergessen zu machen. Die Kommunen müssen dann aber weitestgehend selbst schauen, wie sie es schaffen. Finanzielle Mittel gibt es für sie nur in homöopathischen Dosen. Und genau aus dem Milieu, in dem man Flüchtlinge beleidigt, bespuckt, sie kriminalisiert und pathologisiert, stammen nun die Anti-Merkel-Buttons, die Anti-Merkel-Schautafeln, die Anti-Merkel-Klick-mich-Beiträge.
Neulich hat einer auf einen Artikel verwiesen. Bei Facebook gefiel er vielen. Auch Leuten, denen manchmal das gefällt was ich schreibe. Es ging darum, dass so ein »Experte« nun belegt sah, dass die Bundeskanzlerin durchgeknallt ist. Sie spreche nämlich von sich in der dritten Person. Ein eindeutiges Indiz dafür, dass sie verrückt sei, was er mit halbseidener Medinzinalsprache begründete. In einem Interview habe sie gesagt, dass »die Kanzlerin es im Griff [habe]«. Die Aussage mag eine Lüge sein. Inhaltlich betrachtet. Was hat sie denn im Griff? Der Inhalt ist in jedem Falle verrückter als die Aufmachung der Formulierung. Das müssen die »Linken« doch gut finden, so eine Analyse des geistigen Gesundheitszustandes, oder nicht? Schließlich sind es genau die Stimmen aus jenem politischen Milieu, die mehr oder weniger immer so gegen Merkel geschossen haben. In der dritten Person! Wie ulkig! Und wie irre! Ja definitiv, da muss man geisteskrank sein, wenn man von sich selbst so spricht. Roberto De Lapuente hat jedenfalls im ersten Moment auch sehr gelacht, dann hat er gesehen, um was es eigentlich ging und sich gedacht, dass er mit dieser »Opposition« nicht oppunieren kann. Denn man pathologisierte diese Frau nicht wegen der Form, sondern weil sie Ausländer ins Land lässt und keine Zäune befürwortet. Also suchte man nach Indizien, um sie zu diskreditieren, sie zum Zäuneziehen und Mauerbau zu bewegen. Sie ist für diese Leute bloß irre, weil sie ihr Vaterland verrät. Aber für mich sind Leute irre, die ihr Vaterland abschotten und sich den Weltsorgen verschließen wollen.
Solche Statements kann man natürlich dennoch machen. Jeder hat Senf, den er dazugeben möchte. Meist ist der Senf Käse. Falsch deklarierte Lebensmittel halt. Ein ganz üblicher Betrug in unserer Zeit. Und genau so (be-)trügerisch ist es, solchen Stimmen Likes zu verleihen. Aber letztere kommen tatsächlich häufig auch aus dem Lager derer, die wie die Leute aus meiner »Freundesliste« bevorzugt »Spiegelfechter«, »NachDenkSeiten« oder »ad sinistram« lesen; die »Die Anstalt« gucken und mit Rether, Pispers oder Schramm lachen; die »BILDblog« schätzen und vielleicht schon mal ein Buch von Naomi Klein oder Jean Ziegler gelesen haben. Das irritiert. Nicht alles was gut nach Opposition klingt, ist ja gute Opposition. Mag sein, dass es jetzt Schnittmengen zwischen Rechten und Linken gibt. In der Konsequenz der Sache quasi. Also, dass man die Kanzlerschaft jener Frau beendet sehen will. Aber auch wenn man so konsequent sein möchte, so sind das doch zwei verschiedene Ligen. Nicht jeder Aufschrei, der da draußen verhashtagt wird, ist ja eines Beifalles wert. Das wollte ich gesagt haben, denn nach Social Stalinism ist mir nicht. Ich will die mit mir »befreundeten« Klicker solcher Botschaften nicht entliken und einer großen Säuberung zuführen. Das tun andere dort in meisterschaftlicher Manier. Auch Linke. Unliebsame aus dem Sandkasten werfen: Das mache ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr.
6 Kommentare:
Zu überlegen wäre, ob, wie Du schriebst, Frau Merkels Flüchtlingspolitik wirklich ein so
"oberflächliches Konzept" ist.
Man kann mal wieder die unsägliche Mindestlohndebatte neu entfachen, die schwächsten in der
Gesellschaft gegeneinander ausspielen.
Man kann durch die, in Anbetung der "schwarzen Null", chronische und gewollte Unterfinanzierung der Kommunen die Dysfunktionalität des öffentlichen Sektors zeigen etc.
Als bekennendem Klein Leser könnte man dies als Merkels "Schockstrategie" bezeichnen.
Eigentlich möchte man zynisch werden und behaupten: selbst ein irre gewordene "tina"- Kanzlerin ist noch die bessere Alternative als ein nüchterner, geistig völlig gesunder Herr Schäuble oder andere Figuren aus dem Personalreservoir der Union.
Ich vermisse übrigens die Hinweise auf TTIP in den letzten Artikeln. ;)
"Jeder hat Senf, den er dazugeben möchte. Meist ist der Senf Käse."
you made my day
Hallo Roberto,
genau so geht mir das auch. Da hat man nun jahrelang über Merkel gestöhnt und wurde von ihren Fans geteert und gefedert, wenn man es wagte, am Lack der nackten Kaiserin zu kratzen, und plötzlich sieht man sich als linke Socke in der Lage, kaum dass diese Frau mal eine menschliche Regung zeigt (ich will jetzt auch nicht darüber spekulieren, wie durchdacht, hilfreich und ehrlich ihre aktuelle Position in der Flüchtlingsfrage ist), sie gegen ihre eigenen Ex-Fans - muss man wohl sagen - geradezu in Schutz nehmen zu müssen. Ich komme mir auch ganz komisch dabei vor, zumal sie für ihre sonst praktizierte "Wendigkeit" ihre aktuelle Position erstaunlich lange durchhält. Denn sonst hat sie sich doch immer an ihren "Auftraggebern" und ihren Fans ausgerichtet, und nicht etwa daran, was die "Gutmenschen" gerne hätten.
Steuermilliarden für Bankenrettungen, Umverteilungen von unten nach oben, all das haben ihre Ex-Fans sediert abgenickt, aber wehe der Flüchtling nimmt dem deutschen Michel von den 20 Keksen den letzten (nachdem sich der Banker vorher mit 19 bedient hat),da ist Feuer unterm Dach, da revoltiert er sogar gegen das Ausführungsorgan der "Eliten", weil ihm ihre Politik plötzlich zu links ist. Ist das nicht irre?
Glaubt wirklich jemand von den klugen Linken, dass Frau Merkel aus reiner Nächstenliebe die Türen geöffnet hat?
Frau Merkel waren einfache Menschen schon immer egal - und zwar überall - ob in Deutschland, in Griechenland - oder auf der Balkanroute.
Nein, da geht was ganz anderes ab.
Und wenn wir Pech haben, wird das ganz böse enden - und zwar für alle:
die Deutschen, die Flüchtlinge und ganz Europa.
Und wo kann man sich denn jetzt die
neuen bumpersticker "Je suis Merkel"
abholen ?
Was Merkel mit den Flüchtlingen vorhat, welche Instrumentalisierung durch ihre Berater aus der Wirtschaft angedacht sind, weiss ichauch nicht. Vielleicht muss man den 13 Mio Hartz-IV-Gefangenen einen Fussabtreter präsentieren. Weil es vielleicht doch mehr gärt als wir es wissen, bzw. wissen dürfen. Ich bin leider nicht durchtrieben und moralisch abgewichst genug, um zu erkennen, was Muttis Lenker aus BDI, Bertelsmann, Springer und Washington vorhaben. Menschlichkeit ist es aber nicht.
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