Wer hat keine Koordinaten?
Mittwoch, 17. Juni 2015
Die europäische Sozialdemokratie ist richtig verhunzt. Nicht nur die, die wir hier haben. Alle rudern sie im Morast, den New Labour über diese gute alte Einrichtung auslud. »Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten« hieß dann auch der Name des berühmten Modernisierungskonzepts. So richtig nach vorne stürmen Österreichs Sozis jetzt auch. Das ist ein Mut, den hiesige Sozis noch nicht hegen. Aber ausgeschlossen dürfte auch hier nichts mehr sein.
Im Burgenland koalieren Sozialdemokraten und die netten Damen und Herren der FPÖ. Jener Partei, deren ehemaliger Parteichef ehemalige SS-Mitglieder für ihren ehemaligen Einsatz lobte und als brave Staatsbürger hinstellte. Zum Glück ist alles im letzten Satz ehemalig. Aber die Bereitschaft der Sozialdemokraten des Kontinents, sich mit allerlei reaktionären, kryptofaschistischen, homophoben, rassistischen, sozialdarwinistischen, korrupten und/oder islamophoben Koalitionspartnern einzulassen, scheint nicht ehemalig zu sein, sondern eher so ein neuer Trend. Die Burgenländer Sozis machen einem jedenfalls nichts mehr vor. Sie zeigen uns allen den nächsten Modernisierungsschub der Sozialdemokratie auf. Die deutsche Variante experimentiert noch mit der Vorstufe. Traut sich noch nicht an Rechtspopulisten heran.
Aber genau das muss eine moderne Partei, die keine Konturen mehr außer die eigene Machtbesessenheit hat, heute tun. Man darf nicht wählerisch sein. In der SPÖ waren auch Stimmen zu hören, die den Schritt so rechtfertigten: »Mit uns geht’s immer mehr bergab, da bleibt uns ja gar nichts anderes übrig, als vom klaren Nein zur FPÖ abzugehen.« Tja, so geht die Sache aus, wenn man über Jahre seine Ideale streicht, Kernwählerschaften verprellt, sich Liebkind bei den Bossen macht und in neoliberale Fußstapfen tritt. Dann schwinden die Prozente und man japst von Wahl zu Wahl, verliert den Anschluss, kommt meist nur noch als kleiner Koalitionspartner in Frage und muss Alternativen in dieser alternativlosen Zeit schaffen. Und dann geht man eben mit Parteien zusammen, die nicht alle Latten am Zaun haben.
Schon vor hundert Jahren fragte man: Wer hat keine Koordinaten? Sozialdemokraten! Sozialdemokraten! So oder so ähnlich hat der Spruch doch geheißen, oder? Falls nicht, so hätte er so lauten sollen. Er traf schon so oft zu. Aber so evident war er wohl nie. Die Genossen aus dem Burgenland sollten auch ein »Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten« schreiben und nach Brüssel, in den Hauptsitz der europäischen Sozis, schicken. Die Fortsetzung dieses Bestsellers an den Wühltischen des politischen Niedergangs wäre nur der nächste Schritt. Und er wäre konsequent.
Und ich werde indes den Eindruck nicht los, dass die Genossen aus dem Burgenland nur zynischer und aufrichtiger sind, als die Genossen anderswo. Sie machen einem wenigstens nicht vor, dass sie mehr oder besser sind, als sie es letztlich sind. Und mal ehrlich, von New Labour bis zur Querfront mit Rechtspopulisten, ist es eigentlich kein besonders großer Schritt. Aber er muss halt gemacht werden. Also nicht verzagen, lieber Gabi, sollte die Union rechtsrücken, kannst du immer noch den Hofnarren in deiner Koalition spielen. Die neuen Sozialdemokraten Europas machen das eben so. Oh Zeiten, oh Sitten.
Im Burgenland koalieren Sozialdemokraten und die netten Damen und Herren der FPÖ. Jener Partei, deren ehemaliger Parteichef ehemalige SS-Mitglieder für ihren ehemaligen Einsatz lobte und als brave Staatsbürger hinstellte. Zum Glück ist alles im letzten Satz ehemalig. Aber die Bereitschaft der Sozialdemokraten des Kontinents, sich mit allerlei reaktionären, kryptofaschistischen, homophoben, rassistischen, sozialdarwinistischen, korrupten und/oder islamophoben Koalitionspartnern einzulassen, scheint nicht ehemalig zu sein, sondern eher so ein neuer Trend. Die Burgenländer Sozis machen einem jedenfalls nichts mehr vor. Sie zeigen uns allen den nächsten Modernisierungsschub der Sozialdemokratie auf. Die deutsche Variante experimentiert noch mit der Vorstufe. Traut sich noch nicht an Rechtspopulisten heran.
Aber genau das muss eine moderne Partei, die keine Konturen mehr außer die eigene Machtbesessenheit hat, heute tun. Man darf nicht wählerisch sein. In der SPÖ waren auch Stimmen zu hören, die den Schritt so rechtfertigten: »Mit uns geht’s immer mehr bergab, da bleibt uns ja gar nichts anderes übrig, als vom klaren Nein zur FPÖ abzugehen.« Tja, so geht die Sache aus, wenn man über Jahre seine Ideale streicht, Kernwählerschaften verprellt, sich Liebkind bei den Bossen macht und in neoliberale Fußstapfen tritt. Dann schwinden die Prozente und man japst von Wahl zu Wahl, verliert den Anschluss, kommt meist nur noch als kleiner Koalitionspartner in Frage und muss Alternativen in dieser alternativlosen Zeit schaffen. Und dann geht man eben mit Parteien zusammen, die nicht alle Latten am Zaun haben.
Schon vor hundert Jahren fragte man: Wer hat keine Koordinaten? Sozialdemokraten! Sozialdemokraten! So oder so ähnlich hat der Spruch doch geheißen, oder? Falls nicht, so hätte er so lauten sollen. Er traf schon so oft zu. Aber so evident war er wohl nie. Die Genossen aus dem Burgenland sollten auch ein »Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten« schreiben und nach Brüssel, in den Hauptsitz der europäischen Sozis, schicken. Die Fortsetzung dieses Bestsellers an den Wühltischen des politischen Niedergangs wäre nur der nächste Schritt. Und er wäre konsequent.
Und ich werde indes den Eindruck nicht los, dass die Genossen aus dem Burgenland nur zynischer und aufrichtiger sind, als die Genossen anderswo. Sie machen einem wenigstens nicht vor, dass sie mehr oder besser sind, als sie es letztlich sind. Und mal ehrlich, von New Labour bis zur Querfront mit Rechtspopulisten, ist es eigentlich kein besonders großer Schritt. Aber er muss halt gemacht werden. Also nicht verzagen, lieber Gabi, sollte die Union rechtsrücken, kannst du immer noch den Hofnarren in deiner Koalition spielen. Die neuen Sozialdemokraten Europas machen das eben so. Oh Zeiten, oh Sitten.
6 Kommentare:
Passt doch: Eine ehemalige "Arbeiterpartei" und andere Ehemalige; es findet zusammen, was schon lange zusammen gehört. Und: Hauptsache keine Linken...
Ach, diese Entwicklung im österreichischen Burgenland ist doch nur ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der Sozialdemokratie in die Bedeutungslosigkeit. Das, was da in Österreich passiert ist doch eigentlich nichts Neues. Spätestens mit der Akzeptanz des kapitalistischen Wirtschaft-und Gesellschaftssystems nach 1945 war doch dieser Weg vorgezeichnet. Erst ganz langsam, indem man das neoliberale Gedankengut auch in die Programmatik der sozialdemokratischen Parteien übernahm, um dann später immer schneller, Markt und Wettbewerb über alles, Privatisierung der Daseinsvorsorge, Sozialabbau, Hartz IV, den Weg des Niedergangs zu beschreiten. Spätestens mit dem abfassen des sogenannten Schröder-Blair-Papiers war dieser Weg vorgezeichnet. Das was die beiden dort verschafft haben, wurde ja gern als Beschreibung eines „dritten Weges“ bezeichnet. Nun, der Begriff „der dritte Weg“ sollte Ihnen, lieber Roberto, ja durchaus ein Begriff sein. Vielleicht fällt Ihnen es leichter, wenn man den italienischen Begriff für den dritten Weg verwendet: „terzia via“. Das war doch auch die Bezeichnung der wirtschaftlich-gesellschaftlichen Ideologie des italienischen Faschismus. Man lese nur das Schröder Blair Papier und parallel dazu Alfredo Roccos „Die politische Theorie des Faschismus“. Oder man vergleiche doch einmal so einige Gesetze während der Herrschaft der italienischen Faschisten und solcher, die heute unter tatkräftiger Mitwirkung von Sozialdemokraten in der Bundesrepublik Deutschland diskutiert und verabschiedet werden. Mir fällt dabei spontan die Carta del Lavoro, die faschistische Neuordnung der Wirtschaftsordnung in Italien -einschließlich eines Streikverbots für die Gewerkschaften - und die Umgestaltung unserer gesellschaftlichen Ordnung zu einer „wirtschaftskonformen Demokratie“ inklusive des neuen Tarifeinheitsgesetzes oder TTIP ein. Also, so what?
Die CDU wird die SPD nicht mehr rechts überholen können, da ist einfach kein Platz mehr. Herr Gabriel hat, nach TTIP und anderen Glanzleistungen, gestern in dem Interview zu Griechenland mit der Zeitung von und für geistige Tiefflieger, einmal mehr bewiesen, das der Abstand, was Fremdenfeindlichkeit anbetrifft, zur NPD nicht mehr vorhanden ist.
(Von der ökonomischen Dummheit der Aussagen mal ganz abgesehen.)
Diese Aussagen zu Griechenland und seine Bevölkerung sind nicht nur fremdenfeindlich, sie übertreffen auch die dümmlichen Bemerkungen des "Man-spricht-wieder-Deutsch-in-Europa" -Herrenmenschen aus VS.
MfG: M.B.
Und ich nehme mal an, dass die Ösi-Spezial"demokraten" auch zu denen gehören, die der Syriza ihr Zusammengehen mit den "Unabhängigen Griechen" vorwerfen.
Es sollte mich allerdings wundern, wenn in einer Koalition SPÖ-FPÖ der rechtere Partner auch so unsichtbar ist und so wenig reden von sich macht wie in der griechischen Koalition.
Tja, die SPD versucht, die Union rechts zu überholen, während die Union sich daran macht, die SPD links zu überholen (was momentan, zugegebenermaßen, nicht so schwer ist).
Am einfachsten wäre es, die beiden Parteien würden mal ihre Logos tauschen. Austauschbar sind sie ja allemal.
Der Herr Gabriel steht für die inhaltslose Beliebigkeit einer Partei, die zwecks Machterhalt und -teilhabe jegliche sozialdemokraischen Koordinaten über Bord geworfen hat. Traurig!
Nach TTIP nun abermals Vorratsdatenspeicherung (VDS).
Der Genosse der Bosse (Chefin) ist sich wirklich für nichts zu schade.
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