Zu Ohren gekommen

Mittwoch, 15. April 2015

Nicht erst seit gestern liest man Schlagzeilen, die in etwa so loslegen: »Griechen errechnen ...«, »Griechen wollen ...« oder »Griechen sind wütend ...«. Diese Ausformulierung der politischen Geschehnisse ist nervig. Es ist eine Sprache, die die Wirklichkeit nicht abbildet, sondern eine neue Sicht von Wirklichkeit in die Köpfe derer pflanzt, die sich dieser Sprachregelung unterwerfen.

Zuletzt las man, dass die Griechen noch höhere Reparationen errechnet haben. Die Griechen? Wer genau? Das griechische Finanzministerium oder Panagiotis, der arbeitslose Müllmann? Irgendwelche Erbsenzähler im Gefolge von Varoufakis oder Stavroula, die langbeinige Hure, die es günstig macht? Waren griechische Schulklassen, die in ihrem unterfinanzierten Schulkomplex unter der Fuchtel von fast mittellosen Lehrern pauken, an der Berechnung beteiligt? Was hat eigentlich Eleftheria mit der Sache zu tun? Sie war am Tag der Berechnung gar nicht zugegen, wechselte ihren alten Vater die vollen Windeln. Und der Typ, der drüben in Darmstadt in einem griechischen Restaurant Teller jongliert - hat der auch mitgerechnet? Das wäre schon kurios, denn der Mann schafft es nicht mal, die 18, die 27 und die 38 richtig zu addieren, weil er die Speisekarte nicht richtig im Kopf behält.

Das Nationalkollektiv ist eine alte Erfindung. Es macht die Sache so herrlich einfach. Da kommt gleich Ordnung ist weltliche Chaos. Da sind die, die so sind - und dort sind die anderen, die anders sind. Und so wird aus einigen Vertretern einer Nation gleich die ganze Nation. Ein ganzes Volk. Damit kann man praktisch generalverurteilen und gleich alle in die Pfanne hauen, ohne sich die Mühe machen zu müssen, vielleicht doch ein wenig tiefgründiger an die Sache heranzugehen. Man kann so tun, als sei das Attribut keine subjektive Charaktersache, sondern ein Umstand, der sich aus der Nationalität errechnet. So wird es übersichtlicher.

Die Deutschen, das waren doch die, die alle Hitler nachliefen und Nazis waren, nicht wahr? Alle. »Deutsche wählen Hitler«, hätte eine griechische »Bildzeitung« damals schreiben können. Sie hätte in etwa so richtig gelegen, wie die Zeitungen, die heute den Griechen alles Mögliche nachsagen.

1 Kommentare:

aebby 16. April 2015 um 06:23  

Das wahrhaft Erschreckende ist, dass die genannten potentielle Schlagzeile in einer "Bild-Zeitung in Griechenland" mehr Wahrheit enthielte als die "Griechen-Schlagzeilen" hierzulande.

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