Das Kopftuch ist auch nur so ein Hut

Freitag, 10. April 2015

Schreib doch was über dieses Kopftuch-Urteil und die Folgen, sagte mir neulich eine liebe Freundin. Aber ich lehnte ab. Denn das Kopftuch ist auch nur so ein Hut. So ein alter Hut. Sich über die Auswürfe aufzuregen, die von konservativ-ewiggestriger Seite immer und immer und immer wieder kommen, lohnt sich doch nicht mehr.

Kanakentussi aus
der Bibel
Vor einigen Jahren war das noch ein Thema. Wenn ich mich nicht täusche, habe ich mich auch mehrmals dazu geäußert und gegen die Anti-Kopftuch-Bewegten was ausformuliert. Damals hatte jeder so seine Ansichten. Als es mal wieder um die gemeingefährlichen Bestrebungen Bekopftuchter ging, krochen ganz viele Gegner aus dem Quark. Vieles was man so hörte war irgendwie wirr, falsch oder einfach nur hetzerisch. Frauenrechtlerinnen zum Beispiel wollten es vom Kopf gerissen sehen, weil sie es als Zeichen der Unterdrückung ansahen. Xenophobe hatten Angst um das Bild auf Deutschlands Straßen. Sie hatten mal wieder vergessen, dass ihre Omas noch vor einigen Jahrzehnten selbst oft mit Kopftuch über den Kartoffelacker hoppelten. Und sie haben verdrängt, dass die heilige Jungfrau auf Abbildungen so aussieht, wie eine dieser - O-Ton - »Kanakentussis«, über die sie sich aufregen. Dann gab es natürlich noch die Konservativen, die ein bisschen vernünftelten und sagten, dass man halt moderner sein oder sich anpassen müsse. Man müsse prüfen, ob man das Kopftuch noch mit in die neue Zeit hinübernimmt.

Meine Großmutter landete mal in einer Bibelstunde, die ein seltsam motivierter älterer Herr leitete. Er war kein Geistlicher, aber er sah es als seine Erfüllung an, alte Leute wöchentlich zum gemeinsamen Lobpreisen um sich zu scharen. Die Alten drückten auch was für die Kollekte ab und der Kerl tat immer so, als wollte er die Kohle gar nicht. Aber in diesem Kreis saßen viele Banater Schwäbinnen. Die trugen immer Kopftuch. Als fromme Christinnen gehöre sich das schließlich so. Sie konnten nicht ganz verstehen, wieso die Christinnen anderer Herkunft in der Runde kein Läppchen um den Scheitel trugen. Die Frauen trugen es freiwillig, als Zeichen der Demut und wer weiß wieso noch. Keiner hat es ihnen aufgesetzt. Und genau das war ein Ansatzpunkt, den viele liberale Zeitgenossen damals anbrachten.

Die Muslimas selbst hat bei der damaligen Debatte keiner gefragt. Oder eher selten. Und die liberale Ansicht, die meinte, dass man in erster Linie davon ausgehen müsse, dass die Frauen das Tüchlein ja vielleicht auch gerne tragen könnten, wurden niedergeplärrt. Dem Zeitgeist stand der Sinn nicht nach Liberalismus in solchen Dingen. Nicht auf dieser Ebene. In der Ökonomie gerne. Dass etwaige Kopftuchverbote verfassungswidrig sein könnten, eben exakt aus dem Grund, haben Kritiker damals bereits orakelt. Es hat lange gedauert, bis mal wieder Klarheit geschaffen wurde.

Und prompt kriecht das Klientel von Pegida und AfD auf denselben Holzwegen herum, wie noch vor Jahren, als man sich noch nicht unter den Lettern netter Kürzel versammelte. Wieder dieselben Scheinargumente. Wieder derselbe Unsinn, der damals schon ungefähr die Orginalität von Lanz von Liebenfels oder Alfred Rosenberg hatte. Muss es da sein, dieses Ewiggestrige erneut zu thematisieren? Wieder entkräften, wo Karlsruhe jetzt schon entkräftet hat? Lohnt sich das alles noch? Den alten Hut wieder aufsetzen? Den ollen Fummel wieder um den Kopf binden? Irgendwann hat man genug von der Scheiße.

Klar, all diese Kerle haben jetzt wieder ein Argument dafür, dass die Islamisierung voranschreitet. Dass ihre Kinder zum Kopftuchtragen erzogen werden. Dass Beeinflussung stattfindet. Dass der Islam in die Kinderköpfe einsickert. Langsam. Unkontrolliert. Und im Namen des Grundgesetzes. Und wir können wieder entgegenhalten, dass das Quatsch ist, dass es hehre Werte gibt, die man vertreten muss. Freiheit des Willens und all sowas eben. Dann ist die Sau durchs Dorf, bis wieder einer anfängt zu hetzen. Und so geht es weiter und weiter. Für nichts. Während wir über ein Stück Stoff auf dem Kopf von Frauen quatschen, geschehen wichtigere Dinge. Freihandelszone, europäische Armee und weiß der Teufel was.

Und das ist der Hauptgrund, liebe Freundin, weshalb ich zu diesem Thema nichts Ausführliches mehr sagen will. Denn über Kopftücher zu sprechen, wo sie Leichentücher bereitlegen: Auch so ein alter Hut. Um abzulenken. Um die Agenda zu manipulieren. Man sollte manchmal nichts sagen, damit man das Wichtige hören kann.

1 Kommentare:

Ich 19. April 2015 um 22:29  

Ich will nun wirklich niemandem in die private Entscheidung für ein Kopftuch reinreden.

Es ist nun mal aber auch ein Vehikel des politischen Islamismus. Und da gibt es imho eine kritische Masse, ab der eine Art sozialer Zwang entsteht, das Kopftuch zu tragen, der sich auch hier in der Community entfaltet. Wie man an entsprechenden Ländern sieht, ist das auch beabsichtigt.

Deshalb bin ich tatsächlich der Ansicht, dass das Tragen des Kopftuchs im Staatsdienst, zumindest für Lehrerinnen, nicht erlaubt sein sollte. In laizistischer Konsequenz, wie auch beim Kreuz am Hals und an der Wand. Privat kann natürlich jeder tragen, was er will. Da geht es "uns" nichts an.

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