Aus fremder Feder

Dienstag, 21. April 2015

»Gerade an der Geistesgeschichte Europas lässt sich der Unsinn von einem etwaigen Reinheitsgebot fast schon bildhaft nachzeichnen. Das heutige Europa wäre ohne arabische Einflussnahme und Wissensübermittlung gar nicht denkbar; unter anderem Aristoteles' Werke, die dazu führen sollten, dem abergläubischen Europa des Mittelalters philosophische Grundlagen zu erteilen, auf denen später Humanismus und Aufklärung gedeihen konnten, gelangten über arabische Kontakte zurück nach Europa, oder wie es Sigrid Hunke formulierte: »Folgendschwer und verhängnisvoll wurden die verkehrsmäßige Absperrung und die geistige Selbstisolierung gegenüber der islamischen Welt, die Europa wirtschaftlich und kulturell um Jahrhunderte zurückwarfen. In dem Augenblick erst, als trotz ... offizieller Feindschaft das Abendland sich dem arabischen Orient und Orienthandel öffnete, begann sein wirtschaftlicher Aufschwung. Indem es ... nach und nach sein großes geistiges Erbe übernahm, erwachte der abendländische Geist aus jahrhundertelanger Erstarrung und Lethargie ...«
Die allgemeine Stimmung des Kulturkampfes aber leugnet die Koexistenz, tut so, als habe stets eine strikte Trennung geherrscht. Die Koexistenz der Kulturen war natürlich nicht immer friedlich, aber nichtsdestotrotz fand sie statt. Leitkulturen sind Hirngespinste; zu lange lebte man neben- und miteinander, um noch fein säuberlich in christliche oder jüdische oder islamische Reinheiten unterteilen zu können - mit den Worten Goethes gesprochen: »Wer sich selbst und andre kennt, / Wird auch hier erkennen: / Orient und Okzident / Sind nicht mehr zu trennen.«
- Roberto J. De Lapuente, »Auf die faule Haut« -

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