Die Schlepper und die Marktmoral

Mittwoch, 29. April 2015

Die Schuldigen sind benannt. Es sind die Schlepper. Die, die für Geld Flüchtlinge durch Wüsten geleiten und über Meere schicken. Sie sind die Verursacher des Massensterbens. Auf sie kann man die Misere abwälzen.

In Wirklichkeit sind auch sie nur ein Symptom der Ausbeutung und insofern nur ein Rädchen im globalen Getriebe. Sie bieten eine Dienstleistung an und liefern. In jeder Markttheorie würde man diese Leute loben, weil sie Engagement und Einsatzwillen mit dem Umstand verbinden, eine Marktlücke erschlossen zu haben. Zynisch gesagt jedenfalls. Tatsache ist aber, dass Schlepperbanden entstehen, weil es einen Markt für diese Form der Dienstleistung gibt. Die Frage ist nun, ob nach der allgemeinen Theorie des Marktes derjenige schuldig ist, der die Lücke für sich geschäftlich ausnutzt oder derjenige, der die Lücke klaffen lässt. Anders gefragt: Kann man Schlepper moralisch verurteilen, wo man doch weiß, dass Angebot und Nachfrage keine moralischen Basics aufweisen? Oder sind sie nicht eine logische Entität, die es in einem solchen Gefüge geben muss?

Schlepper sind sicher keine Waisenknaben. Sie nehmen den Tod ihrer menschlichen Fracht in Kauf. Sie tun es ebenso wie jene, die diese Fracht nicht annehmen wollen. So gesehen sind Schlepper nur ein Wirkungsfaktor in einer Ökonomie der Verweigerung und der Ignoranz. Sie wirken, weil die gängige Politik der reichen Industrieländer auf Abschottung und Selbstgefälligkeit ausgelegt ist. Weil ihr »Angebot« verlockender ist, als die Aussicht, weiterhin nicht wirtschaften können und verhungern zu müssen.

Nein, es ist wieder mal zu einfach, Moralin mit dem Zerstäuber zu versprühen. Keiner muss diese Banden lieben. Aber sie sind nicht in der Welt, weil sie sich einfach bloß aufdrängen, sondern weil die Zustände in der Welt ihnen eine Nische geben. Eine morallose Berechtigung. Wir können viel über Moral sprechen. Aber Marktmoral gibt es nicht. Der Markt ist ein Apparat, der immer weiter mäht und mäht. Das ist nichts Unbekanntes. Er werkt ohne Rücksicht auf ethische Normen. Wenn die Europäische Union einen Markt für Schlepperkriminalität entstehen lässt, dann muss man moralisch betrachtet die, die diesen Markt erschaffen haben, mindestens genauso ächten, wie die, die die Lücke ausnutzen.

9 Kommentare:

Anonym 29. April 2015 um 09:09  

Danke für diesen Text ;-)

Weiter unten schrieb ja jemand - in völliger Unkenntnis über die finanzielle Lage vieler Flüchtlinge - dass nur "Reiche" aus den gescheiterten Staaten fliehen würden.

Tja, man kann es nicht oft genug erwähnen, es sind immer noch sehr Arme, die genau diesen Schlepperbanden - mit dem Risiko der Verschuldung - ihr gesamtes Vermögen, und darüber hinaus, geben, nur damit die aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Libyen usw. usf. fliehen können.

Gruß
Bernie

Anonym 29. April 2015 um 09:59  

Um mal in dieser Markttheorie zu bleiben, ist die Frage, ob die Schlepper nicht sich ihren Markt selbst schufen oder eine Fraktion derer sind, die diese Verhältnisse in einigen Ländern herstellten, sodass eine "Nachfrage" nach Schleusung entstand.

Wer sich auf Schleuser einläßt, weiß was er tut und tun will, nämlich sich nach Europa einschleusen zu lassen.

Wer sich nach Europa schleusen und einschleusen lassen will, muss sich fragen lassen, ob es nicht ungefährlicher wäre, in einem anderen der 54 afrikanischen Staaten unterzukommen und deshalb eben nicht durch die Sahara zu müssen.

maguscarolus 29. April 2015 um 10:22  

Das ist ein Beispiel dafür, dass wirtschaftliche Kriminalität eine logische Folge kapitalistischer Marktwirtschaft ist, in der keine weiteren Werte außer dem des Geldes anerkannt werden.

maguscarolus 29. April 2015 um 14:49  

>>ob die Schlepper nicht sich ihren Markt selbst schufen<<

Nun muss man ja glücklicherweise nicht raten, wer den Markt der Schleuser geschaffen hat:

1. Diejenige westliche Macht und ihre Verbündeten, deren geopolitisches Interesse es ist, jedes Land der Welt, das nicht die westlichen Werte® unterstützt, durch Umstürze und Bürgerkriege zu destabilisieren und zu ruinieren.

2. Die EU, die mit ihren billigen Agrar-Exporten speziell nach Afrika den dortigen Menschen hilft® und dabei ganz nebenbei denjenigen Teil der Bevölkerung, der dort in der eigenen Agrarwirtschaft tätig war, um die Existenz bringt, was wiederum die Landgrabber freut.

3. Diejenigen Länder, durch deren Waffenexporte in Krisengebiete die dortige Bevölkerung beschützt® wird.

Die Länder, auf welche alle drei Punkte zutreffen, bilden eine erstaunlich große Schnittmenge und erheben das lauteste Geschrei gegen Zuwanderung!

PeWi 29. April 2015 um 15:24  

@anonym: Ich denke schon, dass die Menschen, die sich schleußen lassen wissen, dass es gefährlich ist. Nur, wenn man nichts mehr zu verlieren hat, macht man alles, nur um ein bisschen weniger hungern zu müssen und nur, um vielleicht der Familie ein bisschen Geld zukommen lassen zu können. Vielfach hat die ganze Familie sich verschuldet, damit nur einer der ihren in Europa landen kann und die Familie durchbringen kann. Und in welches afrikanische Land sollte der Flüchtling gehen? Überall ist mehr oder weniger Krieg, besonders heiß oder auch im Verborgenen, wo Fremde besonders gefährdet sind.

Anonym 29. April 2015 um 20:31  

Was ich zum Thema „Markt und Moral“ zu sagen habe:

Auf dem Markt gibt es keine Moral, bzw. man kann sich heute nur wünschen, dass der jeweilige Geschäftspartner über eine solche verfügt und - sie auch tatsächlich praktiziert. - Es gibt allenfalls mehr oder weniger grob gestrickte Gesetzesmaschen, die einen jedoch leider längst nicht immer vor Schaden bewahren, und das ist auch so gewollt, denn daß die Geschichte heute nur allzu oft auf so inhumane Weise abläuft - ist immer wieder Menschenwerk und nicht etwa ein Naturgesetz!

Ursache der vielen heutigen Übel ist dabei meines Erachtens nur allzu oft die Tatsache, daß sich die jeweiligen Profiteure zum einen immer wieder auf angebliche Sachzwänge berufen (deren vielfältige Ursachen wie auch Folgen aber nur allzu oft verschleiern), zum anderen dabei aber auch (und das ist oft ebenfalls von entscheidender Bedeutung) geradezu mit Vorliebe die angebliche Königsdisziplin namens Mathematik zur Kron- bzw. Entlastungszeugin ausrufen. Gerade mathematische Formeln lassen sich für jeden Zweck ganz beliebig konstruieren, und wenn man will, kann man gerade heute in unserer wissenschafts- bzw. expertenhörigen Zeit alles Mögliche, auch Unsinniges, ebenso wie auch Inhumanes mit Hilfe der entsprechenden „Gutachter“ beweisen. Dann muß man nur noch seinen jeweiligen Kontrahenten dazu bringen, das „absolute Primat von Mathematik oder anderweitiger Wissenschaftlichkeit“ möglichst uneingeschränkt zu akzeptieren und schon bald können - wie die gegenwärtige „Entwicklung“ nur allzu oft zeigt – auch die haarsträubendsten und inhumansten Ideen - sogar zur allgemeinen Lebenspraxis werden.

Mir scheint das heutige Wirtschaftsgebaren im Großen und Ganzen immer mehr einer Art von Bäckereikette zu gleichen, wobei deren Geschäftsleitung inzwischen fast unisono meint, nun mit Geld, Zins und Zinseszins, - alles in allem also mit sterilen Formeln und „reinem“ ZAHLENWERK auch schon über ein solchermaßen aktivierendes Treibmittel zu verfügen, daß man auf alle anderen Zutaten immer mehr (oder womöglich sogar ganz?!?) verzichten und gerade dadurch obendrein sogar auch noch - „immer größere Brötchen“ backen kann. - Hütchenspieler nenne ich jedoch solche Ökonomie-“Experten“ (wie auch so manche anderweitigen „Wissenschaftler“), die darauf schwören, die Moral hätte „in der reinen Wissenschaft nichts zu suchen“, was sie und ihre Anhänger in Politik und Wirtschaft betreiben, ist nichts anderes als ein zunehmend gigantischer Betrug, vor dem wir, wenn uns unser wahres Leben und unsere Unversehrtheit auch wirklich noch etwas wert ist - schleunigst und auch ganz konsequent - hüten sollten.

Ich hoffe, daß immer mehr Menschen noch rechtzeitig genug erkennen, daß der erbärmlich vereinfachende Denkansatz der meisten unserer gegenwärtigen Ökonomie-“Experten“ nur zu einer zunehmend riesigen Luftnummer führen kann; - einer Luftnummer, die - erstens für den Einzelnen oft immer unbekömmlicher schmeckt und zweitens, noch schlimmer – letztlich für alle Beteiligten auch tatsächlich einen immer geringer werdenden Anteil an echtem Nährwert aufweist!


Anonym 29. April 2015 um 22:20  

@maguscarlos

Seh ich ganz genauso, aber nicht nur "Länder" betreffend sondern auch Menschen die gegen Zuwanderung eingestellt sind, da treffen deine Punkte wohl auch zu und man muss sich schon fragen wo unsere vielgelobten "westlichen Werte" geblieben sind? Sind die nur auf Euro und Dollar begrenzt? Armselige Werte - meint Bernie....

Anonym 30. April 2015 um 09:11  

Bis zum Fall der Mauer hatte der Begriff Fluchthelfer etwas Heroisches an sich. Heute wird damit die organisierte Kriminalität assoziiert.

Dies könnte das Resultat aus der Erfahrung sein, dass Westdeutschland 1989 gefühlte 20 Mio Flüchtlinge (Deutsche mit Migrationshintergrund ohne Ortswechsel) verkraften, ihnen teilweise Renten zahlen und den Soli abdrücken mußte. Auf die "blühenden Landschaften" warten diese Brüder und Schwestern aus der "Zone" bis heute vergebens.

Aber es hat doch auch funktioniert.

dlog 3. Juni 2015 um 14:24  

Der Artikel spricht für sich. Eigentlich überflüssig, dem noch etwas hinzu zu fügen ...

Vielleicht noch ein Vergleich, trotz aller Unterschiede:

Schlepper handeln nun mal nach den selben Kriterien wie Drogenkartelle. Nachfrage ist vorhanden und dann wird sie halt bedient, sich an ihr bereichert und dafür eben auch über Leichen gegangen.

Solange die "System-Frage" aussen vor bleibt - also nicht die wirklichen Ursachen angegangen werden, sondern nur mit Gewalt an den Symptomen herumgefrickelt wird, ist ... kein Land in Sicht, ganz wörtlich. Solange werden weiter Menschen jämmerlich ersaufen oder von Kartell-Killern gefoltert und massakriert.

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