Blair Witch für die Geschworenen

Donnerstag, 30. April 2015

US-Amerikanische Bürgerrechtler bringen die Body-Cam als Weg gegen die eskalierende Polizeigewalt ins Spiel. Das ist ein verzweifeltes Begehren. Denn Kameraüberwachung hat noch nie Gewalt vereitelt. Und die auf der Schulter sitzende Kamera verschleiert mehr als sie offenbart.

Manchmal ist man verzweifelt und dann glaubt man an Dinge, die man unter rationalen Aspekten ablehnen würde. Angesichts der Polizeigewalt gegenüber Schwarzen in den Vereinigten Staaten kann man natürlich verzweifeln. Und dann kommen Ideen auf, die kontraproduktiv sein können. So wie die Body-Cam, die Bürgerrechtler jetzt als Chance sehen, um tödliche Schüsse auf schwarze Bürger zu vereiteln. Denn wenn der Polizist einen kleinen Überwachungsapparat auf der Schulter montiert hat, dann wird er sich ja sicherlich überlegen, was er da mit seiner in Uniform ausgestatteten Macht anstellt. Wer lässt sich schon dabei filmen, wie er einen unbewaffneten Teenager in den Rücken schießt? Oder einen wehrlosen Alten drangsaliert? So jedenfalls der Ansatz und die Theorie, die die Bürgerrechtler da haben.

Die Schlepper und die Marktmoral

Mittwoch, 29. April 2015

Die Schuldigen sind benannt. Es sind die Schlepper. Die, die für Geld Flüchtlinge durch Wüsten geleiten und über Meere schicken. Sie sind die Verursacher des Massensterbens. Auf sie kann man die Misere abwälzen.

In Wirklichkeit sind auch sie nur ein Symptom der Ausbeutung und insofern nur ein Rädchen im globalen Getriebe. Sie bieten eine Dienstleistung an und liefern. In jeder Markttheorie würde man diese Leute loben, weil sie Engagement und Einsatzwillen mit dem Umstand verbinden, eine Marktlücke erschlossen zu haben. Zynisch gesagt jedenfalls. Tatsache ist aber, dass Schlepperbanden entstehen, weil es einen Markt für diese Form der Dienstleistung gibt. Die Frage ist nun, ob nach der allgemeinen Theorie des Marktes derjenige schuldig ist, der die Lücke für sich geschäftlich ausnutzt oder derjenige, der die Lücke klaffen lässt. Anders gefragt: Kann man Schlepper moralisch verurteilen, wo man doch weiß, dass Angebot und Nachfrage keine moralischen Basics aufweisen? Oder sind sie nicht eine logische Entität, die es in einem solchen Gefüge geben muss?

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 28. April 2015

»Wenn ich nach Deutschland gehe, gucke ich mir doch mal an, wie in Deutschland gebettelt wird. Man macht einen schönen Stand in der Fußgängerzone. Ordentlich angemeldet beim Ordnungsamt, ganz wichtig. Dann richtet man den ein bisschen nett her. Nicht so zerlumpt in der Ecke sitzen. Sie wollen doch die Leute anlocken, nicht abstossen. Ein bisschen Glitzer hier, ein paar Lampions da, eine kleine Folkloregruppe ist hilfreich, muss aber nicht sein.
Wichtig ist: Man geht in den Supermarkt, kauft billiges Bier und billigen Wein, füllt das Ganze um in Gläser oder Pappbecher und verkauft die für zehn Mark das Stück. Das ist die Art von Bettelei, an die der Deutsche gewöhnt ist.
Irgendeinem wildfremden Menschen auf der Straße eine Mark in die Finger drücken, das findet der Deutsche Scheiße. Aber für zehn Mark Scheiße kaufen, jederzeut ...!«

Der Wahnsinn von Weimar

Montag, 27. April 2015

Immer häufiger hört man, dass linke Politiker mit dem Tode bedroht werden in diesem Land. Sie haben Glück. Wären sie Ausländer oder Asylbewerber, bliebe es nicht nur bei Drohungen. Die bekommen Gewalt nämlich ohne Ankündigung zu spüren. Entweder bei brauner Hatz oder man zündelt mal wieder an Häusern herum.

Rechte Gruppierungen mit pathetischen Namen vom »Abendland« und der dazugehörigen Rettung fischen in der gesellschaftlichen Mitte. Sie schüren Ängste. Sie und diverse Gazetten, die vom vollen Boot orakeln. Esoterische Grüppchen komplettieren dieses Bild des blanken Wahnsinns. Chem Trails und wer weiß welche Phantasien sie sich noch aus den Rippen juckeln. Sie sorgen sich um eine Regierung, die ihre Bürger vermeintlich mit Substanzen narkotisiert, während Asylbewerberheime brennen oder Wohnungen, in denen zufällig Ausländer leben und von deren Tod man sagt, es sei ein Unfall gewesen. Rassistische Motive sieht man in erster Linie - nie. Hat man auch nicht, als die organisierten Untergrundnazis reihenweise Türken ermordeten. Kein Zusammenhang, hieß es. Milieuspezifische Tötungsdelikte. Dönermorde halt. Man blinzelte zynisch. Lustig, wenn sich die Bagage selbst abschlachtet, nicht wahr?

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Die Routine und der Streik

Freitag, 24. April 2015

Kindertagesstätten streiken. Jetzt auch mal wieder die Lokführer. Die Piloten legen sicher bald nach. Und was ist mit der Müllabfuhr? Der moderne Mensch hat es wirklich schwer. Wenn ihn einer in seine Pläne pfuscht, bröckelt das Fundament seiner Alltagsgewissheiten.
 
»Was tun, wenn die Kita streikt«, fragte der »Stern« in seiner Onlineausgabe. Womöglich sind wir jetzt also schon so weit, dass Eltern die Lebensberatung eines Magazins in Anspruch nehmen müssen, um ihre Alltagsplanung in den Griff zu kriegen, wenn die mal nicht einwandfrei funktioniert. Dabei sollten doch gerade Eltern einen gesunden Pragmatismus haben, denn das Leben mit Kindern birgt ständig Überraschungen und Unvorhersehbares. Man kann das gar nicht ausschließen. So eine Kita, die mal die Tore schließt, muss doch auch verkraftbar sein. Aber irgendwie scheint die Katastrophe auszubrechen, wenn Erzieherinnen mal nicht folgsam ihren Dienst an der Allgemeinheit verrichten und auch was vom Kuchen haben wollen.

§ 140 SGB III, Zumutbare Beschäftigungen

Mittwoch, 22. April 2015

Da suchte ein Herr J. von einem Hausmeister-Service einen Mitarbeiter. Zur Ergänzung des Teams, wie es hieß. Ich hatte keine Ahnung von der Hausmeisterei, rief allerdings trotzdem an und bekam prompt einen Vorstellungstermin.

Mir saß ein Mann gegenüber, dem aus der Nase Härchen wie schwarze Brummerbeine lugten.
   »Schon mal einen Rasen gemäht?«, fragte er und stütze seine Ellenbogen auf den wackeligen Schreibtisch vor ihm.
   »Nein, so richtig eigentlich noch nie.«
   »Was meinen Sie mit eigentlich noch nie?«
   »Manchmal habe ich als Kind Grashalme aus der Erde gerissen.«
   »Das ist nicht dasselbe. Für einen Arbeitsantritt ist das sogar ein bisschen wenig, finden Sie nicht?«
   »Ich weiß nicht, ich bin bisher auch ohne Rasenmähen durchs Leben gekommen. Besitze ja keinen Rasen.«
   Er überlegte eine Weile und blätterte dabei in einem Taschenkalender.
   »Kommen Sie am Montag vorbei. Ich schicke Sie mal mit einem Kollegen mit. Wir haben mehrere Objekte und Sie schauen sich mal an, ob das was für Sie ist.«
   »Können wir so machen.«
   »Können wir so machen? Wollen Sie nun oder nicht? Sie sind doch zu mir gekommen, also nehme ich an, Sie wollen die Stelle haben. Ist doch so, oder?«
   Ich grinste nur dumm. Arschlöcher sollte man immer angrinsen, wenn man nicht gleich was findet, was man ihnen an die Stirn donnern kann. Das hat auch den Nebeneffekt, dass es billiger und ohne eine Zelle abgeht.
   »Da lassen wir Sie mal einen Rasen mähen. Ich sage es Ihnen gleich: Bei uns müssen sie richtig klotzen und leiden.«
   »Leiden? Haben Sie leiden gesagt?«
   »Haben Sie ein Problem damit?«
   »Mit Leiden schon. Ich wollte Arbeit, kein Leid.«
   Er lachte. Kapos von Strafkolonnen lachten in schlechten Filmen immer, wenn sie ihre Leute bluten lassen.
   »Wir hatten hier mal einen Kollegen, der war schon lange dabei. Aber irgendwann ging ihm die Kraft aus und wir können es uns hier nicht leisten, jemanden mitzuziehen, der nicht die volle Leistung bringen kann.«
   Er nickte mir verschwörerisch zu und ich schüttelte nur ratlos den Kopf, stand auf und vertagte mich auf Montag.

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Aus fremder Feder

Dienstag, 21. April 2015

»Gerade an der Geistesgeschichte Europas lässt sich der Unsinn von einem etwaigen Reinheitsgebot fast schon bildhaft nachzeichnen. Das heutige Europa wäre ohne arabische Einflussnahme und Wissensübermittlung gar nicht denkbar; unter anderem Aristoteles' Werke, die dazu führen sollten, dem abergläubischen Europa des Mittelalters philosophische Grundlagen zu erteilen, auf denen später Humanismus und Aufklärung gedeihen konnten, gelangten über arabische Kontakte zurück nach Europa, oder wie es Sigrid Hunke formulierte: »Folgendschwer und verhängnisvoll wurden die verkehrsmäßige Absperrung und die geistige Selbstisolierung gegenüber der islamischen Welt, die Europa wirtschaftlich und kulturell um Jahrhunderte zurückwarfen. In dem Augenblick erst, als trotz ... offizieller Feindschaft das Abendland sich dem arabischen Orient und Orienthandel öffnete, begann sein wirtschaftlicher Aufschwung. Indem es ... nach und nach sein großes geistiges Erbe übernahm, erwachte der abendländische Geist aus jahrhundertelanger Erstarrung und Lethargie ...«
Die allgemeine Stimmung des Kulturkampfes aber leugnet die Koexistenz, tut so, als habe stets eine strikte Trennung geherrscht. Die Koexistenz der Kulturen war natürlich nicht immer friedlich, aber nichtsdestotrotz fand sie statt. Leitkulturen sind Hirngespinste; zu lange lebte man neben- und miteinander, um noch fein säuberlich in christliche oder jüdische oder islamische Reinheiten unterteilen zu können - mit den Worten Goethes gesprochen: »Wer sich selbst und andre kennt, / Wird auch hier erkennen: / Orient und Okzident / Sind nicht mehr zu trennen.«
- Roberto J. De Lapuente, »Auf die faule Haut« -

Das höllische Paradies

Montag, 20. April 2015

Urlaub am Mittelmeer. Man kann ihn buchen. Via Internet oder wenn man mal an den Schaufenstern von Reisebüros vorbeigeht. Das Binnenmeer lockt wie eh und je. Adria, Côte d’Azur, Playa del Sol. Schön ist es dort ja auch. Es gibt wenige Friedhöfe, die so attraktiv angelegt sind.

Es werden immer mehr, die im Mittelmeer ertrinken. Die Europäische Union, faktisch ein Friedensnobelpreisträger, sieht dabei zu, wie ihre Abschottungspolitik Menschen über Bord wirft. Sie nimmt es mehr oder weniger hin. Achselzucken. Schließlich verlangt von diesen Afrikanern und Arabern keiner, dass sie übersetzen. Sie hatten doch die freie Wahl, oder etwa nicht? Jeder ist seines Glückes Schmied - und seines Ersaufens Initiator. Die Europäer machen weitestgehend weiter wie immer. Arbeit, Familie und Urlaub planen. Gerne auch im mediterranen Raum. Bis zu den Knöcheln ins Wasser. Das Nass genießen. Ein Nass, das einige Kilometer weiter draußen Flüchtlinge verschlingt. Dieselbe Brühe, in der europäische Kinder schwimmen lernen, lässt guten afrikanischen Schwimmern keine Chance. Selten war der Begriff von der »Insel der Seligen« zutreffender. Nur dass Elysion jetzt keine Insel mehr ist, sondern ein ganzer Kontinent.

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Der Vater des lateinamerikanischen Linksrucks

Freitag, 17. April 2015

Am Montag ist ein großer Literat verstorben. Ein wortgewaltiger Mann. Seine Themen waren der Kolonialismus und sein Kontinent. Und die Einsicht, dass der Reichtum Südamerikas die Armut beflügelt. Er war nicht ganz so berühmt wie der, der am selben Tag wie er starb. Schade eigentlich.

Der am Montag verstorbene Günter Grass habe die Bundesrepublik geprägt, las man in den Nachrufen. Stimmt wohl. Der Mann war tatsächlich der Chronist von Krieg, Wiederaufbau und Wiedervereinigung. Ein Kollege von Grass dürfte seiner Heimat aber weitaus mehr seinen Stempel aufgedrückt haben. Und wie es ein trauriger Zufall wollte, starb der Mann am selben Tag wie sein deutscher Kollege. Sein Name: Eduardo Galeano – Autor von »Die offenen Adern Lateinamerikas«, einem monumentalem Werk, das die Kolonialgeschichte seines Kontinents zum Gegenstand hatte. Seine paradox klingende Theorie bringt die ganze Misere von Schwellen- und Entwicklungsländern in der modernen Welt auf den Punkt. 

Zu Ohren gekommen

Mittwoch, 15. April 2015

Nicht erst seit gestern liest man Schlagzeilen, die in etwa so loslegen: »Griechen errechnen ...«, »Griechen wollen ...« oder »Griechen sind wütend ...«. Diese Ausformulierung der politischen Geschehnisse ist nervig. Es ist eine Sprache, die die Wirklichkeit nicht abbildet, sondern eine neue Sicht von Wirklichkeit in die Köpfe derer pflanzt, die sich dieser Sprachregelung unterwerfen.

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Ich mochte Günter Grass nicht

Dienstag, 14. April 2015

Ich mochte Günter Grass nicht. Das heißt: Sein Werk. Als Mensch kannte ich ihn zu wenig. Sein Stil sprach mich nicht an. Er war schwerfällig und hatte einen eigenartigen Rhythmus. Ein bisschen so wie ein Rasenmäher, dessen Surren mehr verspricht, als es dann leistet. Die Inhalte machten seine Schreibart nicht besser. Ständig geschah Phantastisches, verwebte sich Realität mit Luftschlössern und man fragte sich, warum Nazis flashmoben und Kinder einfach nicht erwachsen wurden.

Nun gut, man muss wenigstens diesen Aspekt gelten lassen. Schließlich war Grass Vertreter des magischen Realismus. Und vielleicht bin ich da als Europäer unfähig - ganz nach den Worten von Carpentier -, das »Erleben des wunderbar Wirklichen« zu akzeptieren, weil mir die Aufklärung dazwischenkam. Jedenfalls denke ich an das Vorwort, welches Bukowski mal für Fantes »Ich - Arturo Bandini« schrieb. Darin erzählte er, wie er als junger Mann durch die Bibliotheken lief und viele große Autoren las. Alle langweilten sie ihn. Sie erzählten Stories aus einer anderen Welt. Sie nannten die Dinge nicht beim Namen oder schrieben erst gar nicht über das, was er als armer Schlucker so auszubaden hatte. Dann fand er Fante und erstmals schrieb da einer so, wie auch Bukowski das Leben empfand. So ähnlich habe ich Grass konsumiert. Ich fand ihn auf der Suche nach Lektüre, die mir entsprach. Und so las ich ihn und wusste nicht, wo er mich treffen wollte. Und tatsächlich traf er mich nur äußerst selten. Es berührte mich nicht, was er mitteilte. Oft langweilte es mich. Und bei aller Literaturbeflissenheit. Wenn einer nicht unterhält, dann hilft alles nichts. Da bin ich ganz bei Reich-Ranicki. Aber ich habe natürlich auch keine Ahnung von Kunst.

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An Tagen wie diesen

Montag, 13. April 2015

oder Ein großer Tag in der Geschichte des deutschen Journalismus.

Vorgestern jährte sich mal wieder was. Nicht rund. Aber das muss ja auch nicht sein. Vorgestern vor 47 Jahren. Fast fünf Jahrzehnte ist es jetzt her. Einer der größeren Tag in der Geschichte des deutschen Journalismus. Eine Sternstunde regelrecht.

Bachmann hatte nachmittags Dutschke niedergeschossen. »Man darf auch nicht die ganze Drecksarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen«, schrieb die »Bildzeitung« einige Wochen zuvor. Bachmann nahms wörtlich. Er war ein frommer Leser. Also übernahm er die Drecksarbeit und schoss dreimal auf den studentischen Aktivisten. Man musste schließlich was tun. Die Aufwiegelung klappte ganz gut. Es findet sich immer ein Würstchen, das den Senf der »Bildzeitung« auftunkt. Es findet sich immer ein Schwachkopf, der es für eine Offenbarung hält, was dort geschrieben steht. Schon damals. Jedenfalls war das eine der schrecklicheren Stunden, die uns diese Art des deutschen Journalismus schenkte. Einige Stunden danach geschah das Gegenteil von Schrecklich. Es wurde richtig gut.

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Das Kopftuch ist auch nur so ein Hut

Freitag, 10. April 2015

Schreib doch was über dieses Kopftuch-Urteil und die Folgen, sagte mir neulich eine liebe Freundin. Aber ich lehnte ab. Denn das Kopftuch ist auch nur so ein Hut. So ein alter Hut. Sich über die Auswürfe aufzuregen, die von konservativ-ewiggestriger Seite immer und immer und immer wieder kommen, lohnt sich doch nicht mehr.

Kanakentussi aus
der Bibel
Vor einigen Jahren war das noch ein Thema. Wenn ich mich nicht täusche, habe ich mich auch mehrmals dazu geäußert und gegen die Anti-Kopftuch-Bewegten was ausformuliert. Damals hatte jeder so seine Ansichten. Als es mal wieder um die gemeingefährlichen Bestrebungen Bekopftuchter ging, krochen ganz viele Gegner aus dem Quark. Vieles was man so hörte war irgendwie wirr, falsch oder einfach nur hetzerisch. Frauenrechtlerinnen zum Beispiel wollten es vom Kopf gerissen sehen, weil sie es als Zeichen der Unterdrückung ansahen. Xenophobe hatten Angst um das Bild auf Deutschlands Straßen. Sie hatten mal wieder vergessen, dass ihre Omas noch vor einigen Jahrzehnten selbst oft mit Kopftuch über den Kartoffelacker hoppelten. Und sie haben verdrängt, dass die heilige Jungfrau auf Abbildungen so aussieht, wie eine dieser - O-Ton - »Kanakentussis«, über die sie sich aufregen. Dann gab es natürlich noch die Konservativen, die ein bisschen vernünftelten und sagten, dass man halt moderner sein oder sich anpassen müsse. Man müsse prüfen, ob man das Kopftuch noch mit in die neue Zeit hinübernimmt.

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Deutschland voll der Gnade

Donnerstag, 9. April 2015

288 Milliarden Euro: So viel Kosten verursachten Wehrmacht und SS aus griechischer Sicht in Griechenland. Die Aufrechnung ist nicht dumm, wie Sigmar Gabriel sagte. Aber es ist wohl auch kein seriöses Mittel, die aktuelle finanzpolitische Situation zu regeln. Trotzdem ist sie sinnvoll.

Man macht es sich zu einfach, die nun in die Waagschale geworfenen Reparationszahlungen als dumm zu titulieren. Wahr ist, dass der Zeitpunkt einer Debatte darüber sehr ungünstig gewählt wurde. Es wirkt ein bisschen so, als zöge sich die griechische Regierung auf den Standpunkt eines schnippischen Kleinkindes zurück, das die Arme verschränkt und sagt: »Du hast aber angefangen!« Es hat was von Ablenkung. Dass sie ausgerechnet dieser Tage zum Sujet werden, kommt sicher nicht von ungefähr. Die deutsche Verantwortung für den letzten Weltkrieg ist nicht zu leugnen. Aber aus reinem Kalkül sollte sie eigentlich nicht missbraucht werden.

Eine Liebeserklärung an den letzten richtigen Sozi

Mittwoch, 8. April 2015

oder From Jan with Love.

Neulich im »Spiegel«. Fleischhauer mal wieder. Er schrieb eine tolle Einleitung zu seinem Text. Es ging um die Sozialdemokraten und deren Konturlosigkeit. Sie wüssten nicht, wie sie sich ein Profil verpassen könnten. Oder wollten es nicht. Beliebig seien sie geworden.

Dann schob er noch nach, dass Merkel kein Schicksal sei, das man nicht abstreifen könnte. Sieh einer an, dachte ich mir. Ein starker Satz für einen, der sonst eher schwache Phrasen drischt. Zurückgefunden auf die Spur wird er nicht haben, schoss es mir durch den Kopf. Dazu ist er zu verbohrt. Aber manchmal schreiben die falschen Leute auch richtige Sachen. Über zwei, drei Absätze wickelte er die Sozialdemokratie ab. Fatalistisch sei der Verein und selbstzufrieden. Wo sind die standhaften Sozis? Die Leute, die nicht danach strebten, eine »innere Unionsmitgliedschaft« einzugehen? Ich wollte Fleischhauer regelrecht zustimmen, denn dass es an Ecken und Kanten fehlt, das ist ja so zutreffend wie nur gerade was. Aber dann rutschte ich einen Absatz weiter und es lohnte sich nicht mehr, ein Wort des Lobes ausschütten zu wollen.

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... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 7. April 2015

»Wissen sie, worauf ich stolz bin? Ich hab' die Atombombe nicht erfunden. Und da bin ich stolz drauf. Und außerdem hab' ich ja noch viel mehr nicht gemacht: Kein Giftgas, keine Landminen. Vielleicht gibt es später mal an meinem Haus außen ein Täfelchen, wo drauf steht: Hier lebte Erwin Pelzig und er entdeckte Nichts.«
- Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig -

Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Schweigepflicht!

Donnerstag, 2. April 2015

Aktivismus ist der Lebensinhalt der Mediokratie. Kaum geschieht etwas, wovon profilierungssüchtige, aber ansonsten idealbefreite Hinterbänkler glauben Aufmerksamkeitsprofit abzwacken zu können, werden sie aktionistisch. Sie entfachen damit oft sinnlose oder sogar gefährliche Diskussionen.

Gibt es Zwischenfälle, so müssen natürlich Konsequenzen gefordert werden. So ist das in einer postdemokratischen Landschaft, in der Politik in erster Linie bedeutet, sich medial hübsch in Szene zu rücken. Deswegen Konsequenzen. Weil es ja einen Anspruch darauf gibt, dass »etwas geschieht« - und man verlangt sie überdies, weil das die großartige Chance auf »15 minutes of fame« für manch abgehalfterten Parteisoldaten aus den hinteren Bänken darstellt. Und was dieses Schielen auf Aufmerksamkeit an Absurdität und Sprengstoff birgt, kann man im aktuellen Fall wieder mal beobachten.

Der Mythos und die Linken

Mittwoch, 1. April 2015

Die Linke spricht nun von einem »Merkel-Plan« und der Medienbetrieb greift dieses Wort aus Kippings Mund nur allzu gerne auf. Genossin, das ist eine fahrlässige Wortwahl. Denn sie arbeitet mit am gängigen Bild, das man von dieser Frau hat.

Kipping hat ja zunächst völlig recht, denn »mittelfristig braucht es für ganz Südeuropa [tatsächlich] einen Investitions- und Aufbauplan nach Vorbild des Marshall-Plans«. Mit Sparpolitik und dem Auswringen der öffentlichen Haushalte saniert man nichts, setzt keine wirtschaftlichen Impulse und treibt die Krisenländer immer tiefer in diesen Status hinein. Wer Austerität verordnet, der treibt zur Verschärfung der Situation an und nimmt Not und Elend in Kauf. Und Entdemokratisierung! Investitionen, setzen von Anreizen, Impulse anleiern - das wäre ein geeigneter Plan. Ein New Marshall- und damit ein Masterplan. So bringt man Geld zur Zirkulation, kurbelt die Rudimente der griechischen Ökonomie wieder an und erlaubt es letztlich somit auch, soziale Sicherheiten zu gewährleisten. Und nicht zuletzt stützt man so demokratische Strukturen. Die Linke und Kipping liegen also vollkommen richtig.

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