Das Armutszeugnis mit dem Armutszeugnis

Donnerstag, 29. Januar 2015

Kann man von Hartz IV leben? Das fragen sich hin und wieder einige Medien und starten Selbstversuche. Sie schicken dann einen Journalisten in Armut auf Zeit und glauben so, sie könnten einordnen, was Armut wirklich bedeutet. Doch temporäre Armutszeugnisse haben keinen Erkenntniswert.

Jetzt berichtet mal wieder das »Handelsblatt« von einem Selbstversuch in Hartz IV und weiß: »Verhungern muss man nicht«. Es nimmt die Leser mit in das Land der Armut, erklärt wie es so läuft und man erfährt quasi am eigenen Leib, wie sich der Habenichts so fühlen muss. Seit Einführung von Hartz IV hat es vieler solcher Selbstversuche von Zeitungen und Magazinen gegeben. Es lief stets so, dass man einen investigativen Kollegen auf Regelsatzniveau schickte, damit der mal wenig zu kauen hat und aus eigener Körpererfahrung heraus berichten kann. Wer mal einen oder zwei Monate so zubrachte, müsse ja schließlich wissen, wovon er da schreibt. Augenzeugenberichte sind immer die, denen man am meisten glaubt. Und wenn dann die Erfahrung auch noch durch den leeren Magen ging, wächst die Glaubwürdigkeit gleich noch etwas an.

5 Kommentare:

Anonym 29. Januar 2015 um 20:38  

Hartz-IV zu spielen ist ungefähr so zynisch, als würde man Krebskranker spielen. Welchen Wert hat es zu wissen wie sich eine Chemo anfühlt, wenn man die Todesangst nicht spürt weil man die Gewissheit hat, nicht sterben zu müssen?

Was ich persönlich an Hartz-IV so brutal finde, sind die Sanktionen. Ich habe noch nie von Hartz-IV gelebt, aber ich glaube, dass man vermutlich irgendwie damit überleben kann. Die angebliche Teilhabe ist natürlich hohles Geschwätz. Es geht ums rein physische Überleben. Das angeblich soziokulturelle Existenzminimum ist ein schlechter perverser Witz auf Kosten der Hartz-IV-Empfänger. Was für mich wirklich furchtbar wäre, wäre die Angst davor, dass man mir das bisschen Geld auch noch kürzt. Ich glaube, es geht nur mit absoluter Disziplin, sich das bisschen Geld einzuteilen und es in in meinen Augen nicht möglich, eine Sanktion auf legale Weise abzufedern.

Ich halte es für hochgradig pervers und kriminell und in keinster Weise mit der Menschenwürde vereinbar, dass man das ExistenzMINIMUM in diesem Land kürzen kann. Damit wird doch nicht anderes ausgesagt, als dass es wieder mal unwertes Leben in Deutschland gibt.

Aber immer schön an Auschwitz-Gedenktagen ein paar Krokodilstränen verdrücken!

Anonym 29. Januar 2015 um 23:55  

@Roberto J. de Lapuente

Dazu paßt auch, dass die hiesige Regionalzeitung über einen Kindsmord berichtet, der so nie passiert wäre würde man auf das hiesige Landratsamt gehört haben - Ein "Experte" meinte dazu, dass die Jugendwohlfahrt seit 2005 mit derartigen Fällen vermehrt zu kämpfen hätte.

Ohne rot zu werden, denn andernorts wird 10 Jahre Hartz IV gefeiert - Seh eigentlich nur ich hier die Zusammenhänge? Oder nur wir hier im Blog?

Die örtliche Regionalzeitung frägt gar nicht erst nach solchen Zusammenhängen.....ist ja klar, man hat auch Hartz IV jahrelang hochgelobt, und verteidigt....es darf nicht sein was eben ist:

Hartz IV tötet - auch 3jährige Kleinkinder...in Lenzkirch....

Frägt sich
Bernie

Anonym 30. Januar 2015 um 10:28  

Und die Alten?

Vielleicht kann der dümmliche Journalist dann auch gleich einmal probieren, wie es sich - mit haargenau dem gleichen Regelsatz wie H4 - als Armutsrentner mit "aufgestockter" Rente und allerdings sogar bis ans Lebensende lebt? Angeblich wurde der H4-Regelsatz in seiner völlig unzureichenden Niedrigkeit doch "nur für begrenzte Zeit" erstellt, da man spaßigerweise davon ausging, dass die Erwerbslosen schnell wieder gut bezahlte Arbeit finden. Was für ein Irrtum und bisher leider nicht korrigiert...

Bei den alten Aufstocker-Rentnern nun zu akzeptieren und vorauszusetzen, dass diese nun ganz selbstverständlich bis ins Grab von der schandbaren Grundsicherung leben sollen, ist an Zynismus und Menschenfeindlichkeit nicht zu überbieten.

Ein alter Mensch KANN mit diesem Geld NICHT leben, er hat wesentlich größere Ausgaben als ein Jüngerer, sei es an orthopädischen Hilfsmitteln, Medizin, Nahrungsergänzung, Therapien, massive Zusatzkosten beim Arzt, Pflege und Transport, spezieller Nahrung und Kleidung und vieles mehr.

Wenn all diese zusätzlichen Ausgaben wegfallen müssen, weil der Staat/wir Alle das anscheinend so wollen, wird damit den alten Mitbürgern - ganz vorsätzlich - das Leben unmöglich gemacht, sind die letzten Jahre nicht mehr lebens-wert und es ist besser gleich zu STERBEN.

Was für eine Schande für ein reiches Land mitten in Europa!

kevin_sondermueller 30. Januar 2015 um 15:44  

Besonders zynisch hats neulich »mag´s« in SB getrieben: eine Journalistin hat EINE Woche von H IV gelebt. Fazit: geht doch, wenn man mal zur Tafel geht, die ja so üppig bevorratet ist (in Saarbrücken mag das ja u.U. saisonal bedingt der Fall
sein – aber Zweifel sind m.E. berechtigt).

Es ist eben die Dauer des Bezugs, die diese Situation zur Folter werden lässt: der Zahn der Zeit nagt am Habitat samt Zubehör und an Einem selbst. Ist man dann auch noch chronisch krank und muss einen beträchtlichen Teil der Medikationen und u.U. der Therapien selbst finanzieren, kommt man erst recht in die Bredouille. Und alles, was man in soziokulturelle Teilhabe investiert, spart man sich wortwörtlich vom Munde ab. Dann heißts ab Monatsmiete: ab auf den Pfandgutstrich – im Vergleich zur Tafel das kleinere Übel, aber eben doch. übel …

Pesgro 5. Februar 2015 um 03:54  

LKW-Fahrer in Osteuropa wie Polen, Tschechien oder Litauen verdienen pro Stunde 2 bis 4 Euro. Während der Fahrt durch Deutschland muss ihnen nun der neue deutsche Mindestlohn gezahlt werden. Es gibt keine Übergangsfrist, Anfragen von Regierungen dieser Länder an die Deutsche Regierung wurden abgekappt.
Osteuropäische Speditionen sind damit in großem Stil aus dem Markt gedrängt zugunsten deutscher Speditionen.
Niemand berichtet darüber, über diesen aktuellen Auswuchs deutscher Großmannssucht.

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