Zu Ohren gekommen
Mittwoch, 14. Januar 2015
Letzte Woche berichtete wieder irgendeine Radioanstalt von der »islamkritischen Bewegung«. Gemeint war diese Veranstaltung, die unter dieser lächerlichen Abkürzung durch Dresdens Straßen stiefelt. Islamkritisch? Es war schon immer ärgerlich, als man die verbitterten alten Männer und ihre Bücher dem Label der Islamkritik unterstellte. Ich werde an dieser Stelle keine Namen nennen. Man weiß wohl eh, wer hier gemeint ist. Ist jemand Islamkritiker, wenn er den islamischen Kulturkreis, dessen historische Interpunktionen, grundsätzlich Moslems und alles, was so damit zu tun hat, als dumm, gewaltbereit und rückständig bezeichnet, ohne die Gesamtheit und Komplexität dieser Religion berücksichtigt zu haben?
Das Wort »Kritik« ist dem Griechischen entlehnt. Es bedeutet in seiner Urform so viel wie »unterscheiden« oder »trennen«. Diese beiden Verben meinen in diesem Falle aber mehr als ein bloßes Zerteilen. Sie lassen erahnen, dass jemand, der dem ursprünglichen Wortsinn nach Kritik übt, einen gewissen Gegenstand gründlich aus seiner Umwelt heraus löst, ihn von der Gesamtheit trennt, um ihn beleuchten zu können. Kritik ist also ein umfassender Prozess. Ein Beleuchten von allen Seiten. Für und Wider. Etwas, was man mit Akkuratesse macht, um den Gegenstand gerecht zu werden. Im alltäglichen Gebrauch haftet dem Wort »Kritik« mittlerweile etwas Negatives an. Allumfassende Beleuchtung nennt man heute eher »Check«. Die »Kritik« wird aber nach wie vor in der Philosophie benutzt und meint dort die »Fähigkeit der Beurteilung«. Wer aber etwas beurteilt, der muss vollumfänglich betrachten. Gutes von Schlechtem scheiden. Einzelne Komponenten des zu betrachtenden Gegenstandes voneinander abheben. Wer das nicht tut, kann gar nicht zu einer Beurteilung gelangen.
Islamkritisch also. Eine Wahrnehmung, die den Islam in seiner ganzen Komplexität aufgreift, pflegen die patriotischen Bürger des Abendlandes ganz sicher nicht. So wie die alten Herren in ihren neuen Büchern ja auch nicht in Gänze bei der Sache waren. Sie pickten sich nur das heraus, was das vorherige Bauchgefühl, mit dem sie vor dem Schreiben schwanger gingen, nochmals bestätigte. Vorurteile, die sie aufgrund begrenzter Wahrnehmung schon pflegten, vertieften sie, indem sie nicht den Islam nochmals begutachteten, sondern die Vorurteile, die sie über den Islam hatten. Sie waren also nie Islamkritiker sondern Vorurteile-gegenüber-dem-Islam-Kritiker.
Islamkritik bedeutet sicher auch, die negativen Erscheinungen, die es in jeder Religion gibt, zu erwähnen. Aber eben auch Vorzüge und Ideale. Man muss begreifen, wie der Islam wurde, was er ist. Woher kommt er? Und dann ist da noch ein Problem: Islam ist nicht Islam. Vielehe? In Nigeria haben auch Christen mehrere Frauen. Türkische Moslems nicht. So islamspezifisch scheint dieser Aspekt also nicht zu sein. Die Sharia macht Leute zu Steinewerfern und erteilt Zins- und Spekulationsverbote für Geldhäuser. Frauen haben in vielen islamischen Ländern keine Lobby. Die Sharia regelt aber immerhin das Erbrecht im Sinne der Frauen. Gutes, Schlechtes, Durchwachsenes. Mit einigen Worten kann man diesem Gegenstand doch gar nicht gerecht werden. Sich einige Aspekte aus der Masse zu stochern, hat nichts mit Kritik zu tun. Man kann natürlich einen jeweiligen Aspekt der Kritik unterziehen. Aber dann ist es keine Islamkritik mehr, sondern zum Beispiel eine Kritik an der Verschleierung.
Literaturkritik bedeutet ja auch nicht, dass man seine persönliche Abneigung gegenüber einem Autoren walten lässt, wenn man sein Buch vor sich liegen hat. Man muss das Werk für sich sehen. Dazu die Rahmenbedingungen. Ich weiß, viele machen Literaturkritik aber genau so. Sie üben Rache und nicht Kritik. Und so ist es bei den Demonstranten zu Dresden. Sie kritisieren nicht im eigentlichen Sinne - sie üben sich in der Verkürzung des gesamten Phänomens. So hielten es ebenfalls diese Sachbuchautoren. Wer nicht ergebnisoffen an die Sache herangeht, ist kein Kritiker. Er ist Trommler, Propagandist und Ideologe. Jemand eben, der mit einem kurzsichtigen Auge erklären will, was Dreidimensionalität ist.
Das Wort »Kritik« ist dem Griechischen entlehnt. Es bedeutet in seiner Urform so viel wie »unterscheiden« oder »trennen«. Diese beiden Verben meinen in diesem Falle aber mehr als ein bloßes Zerteilen. Sie lassen erahnen, dass jemand, der dem ursprünglichen Wortsinn nach Kritik übt, einen gewissen Gegenstand gründlich aus seiner Umwelt heraus löst, ihn von der Gesamtheit trennt, um ihn beleuchten zu können. Kritik ist also ein umfassender Prozess. Ein Beleuchten von allen Seiten. Für und Wider. Etwas, was man mit Akkuratesse macht, um den Gegenstand gerecht zu werden. Im alltäglichen Gebrauch haftet dem Wort »Kritik« mittlerweile etwas Negatives an. Allumfassende Beleuchtung nennt man heute eher »Check«. Die »Kritik« wird aber nach wie vor in der Philosophie benutzt und meint dort die »Fähigkeit der Beurteilung«. Wer aber etwas beurteilt, der muss vollumfänglich betrachten. Gutes von Schlechtem scheiden. Einzelne Komponenten des zu betrachtenden Gegenstandes voneinander abheben. Wer das nicht tut, kann gar nicht zu einer Beurteilung gelangen.
Islamkritisch also. Eine Wahrnehmung, die den Islam in seiner ganzen Komplexität aufgreift, pflegen die patriotischen Bürger des Abendlandes ganz sicher nicht. So wie die alten Herren in ihren neuen Büchern ja auch nicht in Gänze bei der Sache waren. Sie pickten sich nur das heraus, was das vorherige Bauchgefühl, mit dem sie vor dem Schreiben schwanger gingen, nochmals bestätigte. Vorurteile, die sie aufgrund begrenzter Wahrnehmung schon pflegten, vertieften sie, indem sie nicht den Islam nochmals begutachteten, sondern die Vorurteile, die sie über den Islam hatten. Sie waren also nie Islamkritiker sondern Vorurteile-gegenüber-dem-Islam-Kritiker.
Islamkritik bedeutet sicher auch, die negativen Erscheinungen, die es in jeder Religion gibt, zu erwähnen. Aber eben auch Vorzüge und Ideale. Man muss begreifen, wie der Islam wurde, was er ist. Woher kommt er? Und dann ist da noch ein Problem: Islam ist nicht Islam. Vielehe? In Nigeria haben auch Christen mehrere Frauen. Türkische Moslems nicht. So islamspezifisch scheint dieser Aspekt also nicht zu sein. Die Sharia macht Leute zu Steinewerfern und erteilt Zins- und Spekulationsverbote für Geldhäuser. Frauen haben in vielen islamischen Ländern keine Lobby. Die Sharia regelt aber immerhin das Erbrecht im Sinne der Frauen. Gutes, Schlechtes, Durchwachsenes. Mit einigen Worten kann man diesem Gegenstand doch gar nicht gerecht werden. Sich einige Aspekte aus der Masse zu stochern, hat nichts mit Kritik zu tun. Man kann natürlich einen jeweiligen Aspekt der Kritik unterziehen. Aber dann ist es keine Islamkritik mehr, sondern zum Beispiel eine Kritik an der Verschleierung.
Literaturkritik bedeutet ja auch nicht, dass man seine persönliche Abneigung gegenüber einem Autoren walten lässt, wenn man sein Buch vor sich liegen hat. Man muss das Werk für sich sehen. Dazu die Rahmenbedingungen. Ich weiß, viele machen Literaturkritik aber genau so. Sie üben Rache und nicht Kritik. Und so ist es bei den Demonstranten zu Dresden. Sie kritisieren nicht im eigentlichen Sinne - sie üben sich in der Verkürzung des gesamten Phänomens. So hielten es ebenfalls diese Sachbuchautoren. Wer nicht ergebnisoffen an die Sache herangeht, ist kein Kritiker. Er ist Trommler, Propagandist und Ideologe. Jemand eben, der mit einem kurzsichtigen Auge erklären will, was Dreidimensionalität ist.
2 Kommentare:
Lieber Roberto J. de Lapuente,
seh ich ganz genauso ;-)
Übrigens, mein Grund aus der Kirche auszutreten war eben die Lektüre der Bibel als Ganzes, und nicht deren Verdammung - ähnlich habe ich es beim Koran gehalten.
Wie die PEGIDA auf die Idee kommt von "Islamkritik" zu reden weiß ich nicht, aber woher die diese Idee gestohlen haben sehr wohl - Ich bin nicht nur eifriger Nachdenkseiten-Leser sondern auch Atheist, der sich ab und an zum "Humanistischen Pressedienst" - im Netz unter http://www.hpd.de zu finden, der IBKA e.V. und der Giordano-Bruno-Stiftung "verirrt" hat, und genau dort spricht man von "Islamkritik".
Im Unterschied zu den von der erwähnten "Islamkritikern" kommen dort aber eben auch Muslimas, Moslems der kritischen Sorte zu Wort, ebenso wie Ex-Muslime und Ex-Muslimas, die sich für immer von dieser Religion verabschiedet haben - eben keine "Islamkritik" der ideologischen Sorte.
Mit Hamed Abdel-Samad sogar der Sohn eines Mullahs, der sich so vom Islamismus verabschiedet hat, dass er darin sogar eine Form des Faschismus sieht - ich weiß eine umstrittene These. Er hat dazu sogar ein Buch mit dem provokanten Titel "Der islamische Faschismus - Eine Analyse" verfasst, und wurde in Ägypten von Islamisten festgehalten, wie man über die Medien erfuhr, weil er "den Islam beleidigt haben soll". Das Buch erschien erst als er wieder sicher in Deutschland war.
Ansonsten geben oben erwähnte Seiten ja auch in nicht-moslemischen Kreisen zu nicht-moslemischen Themen, z.B. dem US-Evangelikalismus ordentlich Kritik ab - Ich denke, dies genau ist der Unterschied zur einseitigen "Islamkritik" - ein echter Religonskritiker gibt eben allen eine Möglichkeit sich kritisch zu ihrer jeweiligen Religion bzw. Ex-Religion zu äußern, und hetzt nicht einseitig gegen eine Religion.
Ich selbst z.B. sehe es mit Karl Marx "Religion ist Opium für das Volk", und zwar ganz egal ob Islam oder nicht.
Die Heuchelei übrigens nach dem Attentat in Paris wird auch daran ersichtlich, dass derzeit in Saudi Arabien ein junger Mensch wegen Atheismus - wöchentlich verteilt - 100 Peitschenhiebe erhält, und die "westliche Welt" dazu schweigt - Auch galt lange Zeit "Gottlosigkeit" in Deutschland nicht als Asylgrund. Erst obige Organisationen sollen das vor kurzem erkämpft haben - eben Heuchlei vom Feinsten....
...es wird Zeit für eine zweite Aufklärung (Aufklärung 2.0), wie damals bei Voltaire, Kant usw. usf., aber diesmal global, und nicht nur beim Islam....oder beim Thema Religon....auch die Heuchelei und Doppelmoral dieser Tage gehört an den Pranger gestellt....auch beim Thema Politik....
Gruß
Bernie
Horkheimer und Adorno hatten in ihrer Dialektik der Aufklärung schonmal gezeigt, wie weit man mit Aufklärung kommt.
Zudem ist die Aufklärung kein Zustand, der einmal erreicht, auf sich beruht. Sondern die Aufklärung ist ein Prozess, den jede Generation für sich erneut durchlaufen muss. Momentan ist es eben nur notwendiger, dass dieser Prozess mal wieder intensiviert wird. Und zwar nicht nur im Hinblick auf Islam und Religion, sondern auch im Hinblick auf die Friedensforschung, die politische Partizipation und politischem Engagement usw.
Es wird momentan halt nur sehr deutlich, woran der Kapitalismus krankt: Ungleichheit und Machtkonzentration. Diese haben auch zur Folge, dass Völker zwecks Ausbeutung unterworfen werden müssen, momentan sind eben die Muslime dran, unter ihren Füßen liegen schließlich die ganzen Rohstoffe. Dann muss das Volk noch dumm gehalten werden, niedrig bezahlt, trotzdem konsumierend und sozialverträglich ablebend (Selbstmord auf Wunsch auch auf Rezept, schlechte Krankenversicherung).
Islamkritik hat nicht soviel mit einer Bedrohung durch den Islam zu tun, sondern eher von der echten Bedrohung durch die Verwerfungen des Kapitalismus, die Schuld wird dem Islam zugeschoben.
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