Der Schrott, der unsere Zukunft ist

Montag, 5. Januar 2015

oder Die obsolete Ökonomie.

Und nun sollte es um die »geplante Obsoleszenz« gehen. Die Radioansagerin war ganz stolz, weil sie dieses schwere Wort so schön ausgesprochen hatte und weil sie sogar wusste, was es bedeutet. Es lebe »Wikipedia«! Gemeint sei nämlich der »geplante Verschleiß«, sagte sie. Dem wolle jetzt der »Deutsche Naturschutzring« ein Ende bereiten und er bat daher die Bundesregierung zu handeln.

Dazu schaltete hr1 einen Typen vom Naturschutzring zu, der los werden durfte, was sein Verein der Bundesregierung rate. Ein Gesetz sollte her, dass es verbiete, die Lebensdauer zu begrenzen. Das sei ja auch vernünftig, sagte die Moderatorin. Wegen Umweltschutz und so. Und unfair gegenüber dem Kunden sei es ja auch. Der Naturschutzringler machte immer »Mhm, Mhm«, bei allem, was die Frau so erzählte. Das war fast wie ein störendes Rauschen im Hintergrund. Als habe hr1 eben die geplante Obsoleszenz erreicht und krächzte sich jetzt auf den Schrottplatz. »Aber warum handelt die Politik denn dann eigentlich nicht?«, fragte sie den Experten. »Ja, warum handelt sie nicht?«, wiederholte er brav und sagte dann, dass sich die Politik eben mit der Wirtschaft nicht anlegen wolle.

Logisch irgendwie. Aber exakt diese Antwort halte ich für viel zu kurz gedacht. Klar, die Bundesregierungen der letzten Jahre sind nicht gerade bekannt dafür geworden, sich mit der Wirtschaft zanken zu wollen. Aber der Begrenzung der Lebensdauer von (Elektro-)Geräten will man nicht ans Leder, weil das die Quelle der Wertschöpfung ist. Wenn nichts mehr kaputt geht, wenn plötzlich nachhaltige Produkte entstehen, die ewig halten, dann versündigt man sich am heiligen Wachstum, am Motor der kapitalistischen Wertschöpfungskette. Man kann ja heute keine Volkswirtschaft mehr erobern und folglich mit Geräten fluten. Die Weltkarte des Kapitalismus hat keine weißen Flecken mehr. Aber man kann die Volkswirtschaft, die man zufällig gerade hat, im Rahmen des Ablaufs gesetzlicher Garantiefristen mit Produkten fluten, die man sich neu zulegen muss, weil die alten Teile den Geist aufgegeben haben.

Eine Gesetzesinitiative, die die Dauer der Unverwüstlichkeit verdoppelt und die über die Erhöhung der gesetzlichen Gewährleistungsfristen erwirkt wird, wäre aus vielen vernünftigen Aspekten sinnvoll und wäre durchaus ein Fortschritt - aber die Forderung geht an die Substanz des gesamten Systems. Denn sie legt Unternehmen nahe, das eigene Aufblähen, Anwachsen, Expandieren, Maximieren, »immer höher, immer weiter« als systemischen, als immanenten Leitgedanken der Wirtschaftstretmühle abzulegen. Das wäre ja der Anfang vom Ende einer Wirtschaft, die als einzigen Zweck nur die Profitmaximierung, die beständige Bedürfniserzeugung und die Sicherstellung von Folgeaufträge kennt. Wenn Waren für den Massenabsatz nicht mehr fragil sind, dann kommt der ganze Mechanismus ins Ungleichgewicht und die Ordnung gerät aus den Fugen. Naturschutzring, du alter Sozialist!

Als mit Jahresanfang 2002 die Gewährleistungsfristen verlängert wurde, hat sich die Wirtschaft im Vorfeld nicht etwa aufgeregt, weil sie keine Produkte herstellen könnte, die längerfristig haltbar wären. Man hat ihr einen Markt genommen. Hat den Geldhahn zugedreht. Das perfekte Elektroteil ist doch eines, das kurz nach der Garantiefrist den Geist aufgibt. Und das war der Wirtschaft vor 2002 nach einem Jahr natürlich lieber als jetzt, wo man ganze zwei Jahre warten muss. Eine weitere Erhöhung auf vier Jahre, das würde die Wirtschaft nicht überstehen. Nein, sie ginge nicht pleite. Sie würde sich nur derart ärgern, dass sie einen Herzinfarkt erleiden würde. Mit Kurzlebigkeit verdient die Schrottökonomie ihr Geld. Nicht mit Langfristigkeit. Kurzfristigkeit ist systemkonform. Nachhaltigkeit ist kein systemimmanenter Wert. Ist nur ein Fremdkörper. Kurzfristig verdient man sein Geld. Langfristig sind wir alle tot.

Deshalb hat die Politik kein Interesse an einer nachhaltigen Ausrichtung des Konsums. Da geht es ans Eingemachte. An den Stoff, der dieses System ausmacht. Der Schrottplatz ist in dieser Ökonomie kein Ort, der Sorgen bereitet, weil sich dort die Berge immer höher türmen, sondern der Ort der Hoffnung, die Kirche des »Weiter so!«, in der Lieder auf den Wohlstand gesungen werden. Gebirge von Elektroschrott bringen das System zum Singen. Am Schrott wachsen wir. Nicht als Menschen. Nicht als Gesellschaft. Als Konsumenten. Als Einnahmequelle für Konzerne. Der Schrottplatz - das ist die Zukunft. Das System ist Schrott, macht Schrott, verschrottet Demokratie, Teilhabe und jeden guten Ansatz.

7 Kommentare:

Anonym 5. Januar 2015 um 10:00  

Was hab ich für ein Glück, noch einen alten Drucker zu haben, den ich mit meinem ersten PC zusammen gekauft habe. Ein einfacher robuster Drucker.

Später habe ich mir mal ein "Multigerät" zugelegt. Drucker + Scanner + Fax + Lesegerät für "Speicherchips" und USB ...

Das hat inzwischen den Geist aufgegeben. Und Bekannte, die gleich mir so ein Gerät (anderer Hersteller) gekauft haben ...

3 Jahre ... länger haben die bei KEINEM meiner Bekannten gehalten. Und ich grinse nun, weil ich wieder meinen Uraltdrucker angeschlossen habe. Und zum Glück funktioniert dort das "Nachtanken" der Patronen ohne Probleme.

Denn das ist auch so eine Sache. Fast jeder Drucker eines Herstellers braucht eine andere Patrone. Keine Norm ... im eigenen Haus.

Ach eine Lösung - drucken nicht mehr selber - sondern im Fotoladen per USB-Stick. Funktioniert hier am Ort, den Weg haben Bekannte nun beschritten, weil sie keinen "Wegwerfdrucker" mehr neu kaufen wollten. -,20 € pro Din-A4-Seite. Als Stammkunde -,10 €!

maguscarolus 5. Januar 2015 um 17:16  

Im neoliberalen Kosmos heißt der Lebenssinn für die Austauschbaren "Arbeit und Konsum"! Alles andere ist Ketzerei wider die große Astarte der Märkte!

Lutz Hausstein 5. Januar 2015 um 19:12  

Tja. Und funktioniert ein Gerät trotz allem mal für eine längere Zeit, dann gibt es irgendwann nach einem Wechsel oder Update des Betriebssystems einfach keinen funktionstüchtigen Treiber mehr. Ich zumindest kaufe mir keinen Scanner mehr. Zweimal musste ich sie ausrangieren, weil sie nicht mehr mit dem Computer zusammengearbeitet haben.

Heinz 6. Januar 2015 um 08:53  

@Lutz Hausstein:
Vielleicht schaffst Du es ja noch, die Geräte mit VueScan (www.hamrick.com) wieder in Betrieb zu nehmen.
Die Möglichkeiten, den Scanner an einem extra Rechner zu betreiben, auf dem das alte Betriebssystem läuft, oder das alte Betriebssystem in einer VirtualBox laufen zu lassen, gibt es natürlich auch noch.

Anonym 6. Januar 2015 um 13:39  

Ach Lutz - mein alter Drucker HP 816 C am 23.11.2000 für 199,- DM gekauft und mein auch so alter Scanner HP ScanJet 4200 C ebenfalls an dem Tag für 199,- DM bei Aldi gekauft funktionierten mit Windows 98, XP, 7 und nun 8.

Mein Multigerät (Epson) das von Bekannten (HP, Brother) nur knapp 3 Jahre.

Rainer N.

R@iner 7. Januar 2015 um 08:13  

@Lutz: Eine Möglichkeit auch ältere Geräte zu betreiben, wäre z.B. Dualboot und Linux auf der zweiten Partition einzurichten.
Wenn Du nix mit Grafik (Photoshop, Lightroom, Autocad) machst oder den Rechner zum Spielen benutzt, dann brauchst Du eh kein Windows.
Wenn Du dann für die Erstellung deiner Texte/Bücher noch TeX verwendest, dann wirst Du nach einem Jahr gar nicht mehr verstehen, wozu dieses Windows überhaupt gut war. Sage ich jedenfalls mal so nach 33 Jahren Erfahrung.

Eulenspiegel 15. Januar 2015 um 12:02  

Länger haltbare Produkte gab es schon immer. Einige Qualitätswaschmaschinen einiger deutscher Hersteller haben (hatten) auch eine längere Lebenszeit. O-Ton meines Englischlehrers ca. 1997 "Eine Miele hält 15 Jahre." Das kannte er damals. Auch ein paar Leute aus der Ex-DDR haben mir erzählt, dass DDR-Waschmaschinen VERERBT wurden, weil die Dinger 20 Jahre hielten.
Wie war das mit russischen Glühbirnen und 10.000 Stunden Brenndauer? Europäische Birnen nur halb soviel.

Kurz: längere Haltbarkeiten für Elektrogeräte, einheitlichere Standards für Druckertreiber und ähnliches, oder auch bessere Qualitätsangaben für bestimmte Produkte wären sehr wünschenswert. Ein Beispiel: ägyptische Baumwolle ist die beste der Welt, weil ihre Fasern dreimal so lang sind wie die der amerikanischen Baumwolle und ägyptische eben mit weniger Chemikalien angebaut werden kann. Nur wird Ägypten bei der Baumwolle vom Welthandel ausgeschlossen.
Warum erfahre ich als Kunde aber nicht, wie die Qualität der Fasern in den Textilien ist? Es hat sich doch bestimmt jeder schon mal über eingelaufene und damit zu kurze T-Shirts geärgert, oder?

Einfach ein paar Qualitätsklassen einführen und das klappt. Auch was die Verarbeitung und das Färben angeht, könnte man ein paar Qualitätsmaßstäbe angeben.

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