Es riecht nach Bohnerwachs und Spießigkeit
Mittwoch, 10. September 2014
Als Jan Delay vor einigen Monaten Heino einen Nazi nannte, gab Uli Hannemann in der »taz« zu bedenken, dass das Wort bei Heino gar nicht passe. Schließlich sei er ja kein Nationalsozialist und auch kein »Hitler-Verehrer«. Es gäbe passendere Bezeichnungen: »reaktionär. Ewiggestriger. Blockwart. Rassist. Sexist. Faschist. Arschloch.« Ich sehe das ähnlich, wenn ich jetzt von vielen Linken höre, dass es sich bei der AfD um Nazis handle. Leute, es gibt passendere Begriffe. Siehe drei Sätze vorher.
Diese »Alternative für Deutschland« ist in erster Linie ein Sammelbecken für kleinbürgerliche Spießer und Biedermänner, ein Pool schulmeisterlicher Pedanten. Insofern ist sie wirklich eine richtig deutsche Partei, denn sie formiert den Typus, der immer brav den Gehsteig kehrt und beim Nachbarn schielt, ob er es ja auch tut. Die AfD will vorschreiben, erklären was in Deutschland moralisch zu sein hat und was nicht, ruft nach Ordnung in einer pluralistischen Welt, die sie »Chaos« nennt. Dieser spießige Reglementierungswahn endet nicht etwa in Wirtschaftsfragen. Dort ist sie ja sogar eher für Laissez Faire. Sie will zum Beispiel auch (und vor allem) den Musikgeschmack und die sexuelle Präferenz neu strukturieren. Ganz nach Philisterart. Toleranz gilt für diese Leute nicht als Tugend, sondern als gesellschaftliche Schwäche, als Blöße und Traditionsverrat.
Bei der AfD haben sich ganz einfach Heile-Welt-Fünfzigerjahre-Fans um Parteigründer geschart, die in Aussicht gestellt haben, Deutschland wieder in untadelige Bahnen zu lenken. Und das nicht etwa in entscheidenden Punkten, sondern auf jener Ebene, die dem Spießer immer schon besonders zugesagt hat: Er will erziehen, seinem Umfeld seinen Duktus aufzwingen, die Leute so haben, wie er sie gerne hätte. Der Lobbyismus, ganz klar ein unordentliches Arrangement in dieser Demokratie, das man mal zurechtrücken müsste, ist für ihn weniger Gegenstand seines Ordnungssinnes. Er will deutsche Musik verordnen und kategorisieren, was sexuelle akzeptabel ist und was man unter der Gürtellinie aus Gründen der Ästhetik nicht haben möchte.
Aber da ist doch noch der Euro, den die AfD aufkündigen wollte? Oder etwa nicht? Ach, seien wir doch mal ehrlich, das ist doch bloß noch der Gründungsmythos dieser Partei, die Folklore dieser akkuraten Damen und Herren. Anderes ist ihnen doch viel wichtiger. Den Leuten Vorschriften für ihre Lebensweise zu machen ist halt auch viel anregender.
Ich gebe ja durchaus zu, dass man die AfD ganz schnell mit Nazis verwechseln könnte. Nicht umsonst haben manche jene Jahre unter Hitler, jedenfalls die erste Phase jener Zeit, als die Diktatur der kleinbürgerlichen Spießer bezeichnet. Und wahrscheinlich sind viele in der AfD auch ganz offen für Ansichten, die auch einen Nazi erfüllen. Aber es gibt einfach viel passendere Bezeichnungen für diese Klientel. Sie träumen ja nicht vom Lebensraum im Osten, sondern von gesäuberten deutschen Lebenräumen in städtischen Vororten, in denen Frauen Bohnerwachs auftragen und wieder langen Schürzen um haben und Türken sich nicht als Jäger dieser Schürzen austoben dürfen. In denen Sex-Shops verboten gehören und man nur noch heimlich in den Puff schleicht. Und all das unter den Augen schmucker Gartenzwerge und mit den Klängen hübscher deutscher Melodeien unterlegt. Aber nicht mit Bushido. Denn der ist nicht richtig Deutsch. Wenn es nach ihnen geht, soll eine neue Eisenhower-Ära in Deutsch ausbrechen - und kein weiterer Weltkrieg.
Gleichwohl muss man natürlich festhalten, dass diese Leute wesentlich gefährlicher sind als jene Parteien der Neonazis, die jetzt nach und nach politische Relevanz verlieren. Die Neonazis waren trotz allem relativ isoliert, diskreditierten sich selbst mit ihren Auftritten. Aber die für manches Laienauge professorale Vorstellung dieser etablierten Bürger mit Blockwartsinn, der findet überall Anknüpfungspunkte im New Victorianism, im Zeitalter neuer Spießigkeit und Enge und Prüderie. Neonazis konnten diese Gesellschaft nicht nach ihren Idealbildern formen. Wer will sich denn von Leuten, die ihren Hass in aller Widerlichkeit darboten und sich von Glatzköpfen begleiten ließen, die Welt erklären lassen? Aber der spröde Spießer hat das Zeug dazu. Sein Deutschland soll ein abgeschlossenes, in sich gekehrtes, provinzielles sein. Das macht ihn nicht zum Nazi, wohl aber zur Gefahr für Toleranz, Kosmopolitismus und Gleichstellung.
Diese »Alternative für Deutschland« ist in erster Linie ein Sammelbecken für kleinbürgerliche Spießer und Biedermänner, ein Pool schulmeisterlicher Pedanten. Insofern ist sie wirklich eine richtig deutsche Partei, denn sie formiert den Typus, der immer brav den Gehsteig kehrt und beim Nachbarn schielt, ob er es ja auch tut. Die AfD will vorschreiben, erklären was in Deutschland moralisch zu sein hat und was nicht, ruft nach Ordnung in einer pluralistischen Welt, die sie »Chaos« nennt. Dieser spießige Reglementierungswahn endet nicht etwa in Wirtschaftsfragen. Dort ist sie ja sogar eher für Laissez Faire. Sie will zum Beispiel auch (und vor allem) den Musikgeschmack und die sexuelle Präferenz neu strukturieren. Ganz nach Philisterart. Toleranz gilt für diese Leute nicht als Tugend, sondern als gesellschaftliche Schwäche, als Blöße und Traditionsverrat.
Bei der AfD haben sich ganz einfach Heile-Welt-Fünfzigerjahre-Fans um Parteigründer geschart, die in Aussicht gestellt haben, Deutschland wieder in untadelige Bahnen zu lenken. Und das nicht etwa in entscheidenden Punkten, sondern auf jener Ebene, die dem Spießer immer schon besonders zugesagt hat: Er will erziehen, seinem Umfeld seinen Duktus aufzwingen, die Leute so haben, wie er sie gerne hätte. Der Lobbyismus, ganz klar ein unordentliches Arrangement in dieser Demokratie, das man mal zurechtrücken müsste, ist für ihn weniger Gegenstand seines Ordnungssinnes. Er will deutsche Musik verordnen und kategorisieren, was sexuelle akzeptabel ist und was man unter der Gürtellinie aus Gründen der Ästhetik nicht haben möchte.
Aber da ist doch noch der Euro, den die AfD aufkündigen wollte? Oder etwa nicht? Ach, seien wir doch mal ehrlich, das ist doch bloß noch der Gründungsmythos dieser Partei, die Folklore dieser akkuraten Damen und Herren. Anderes ist ihnen doch viel wichtiger. Den Leuten Vorschriften für ihre Lebensweise zu machen ist halt auch viel anregender.
Ich gebe ja durchaus zu, dass man die AfD ganz schnell mit Nazis verwechseln könnte. Nicht umsonst haben manche jene Jahre unter Hitler, jedenfalls die erste Phase jener Zeit, als die Diktatur der kleinbürgerlichen Spießer bezeichnet. Und wahrscheinlich sind viele in der AfD auch ganz offen für Ansichten, die auch einen Nazi erfüllen. Aber es gibt einfach viel passendere Bezeichnungen für diese Klientel. Sie träumen ja nicht vom Lebensraum im Osten, sondern von gesäuberten deutschen Lebenräumen in städtischen Vororten, in denen Frauen Bohnerwachs auftragen und wieder langen Schürzen um haben und Türken sich nicht als Jäger dieser Schürzen austoben dürfen. In denen Sex-Shops verboten gehören und man nur noch heimlich in den Puff schleicht. Und all das unter den Augen schmucker Gartenzwerge und mit den Klängen hübscher deutscher Melodeien unterlegt. Aber nicht mit Bushido. Denn der ist nicht richtig Deutsch. Wenn es nach ihnen geht, soll eine neue Eisenhower-Ära in Deutsch ausbrechen - und kein weiterer Weltkrieg.
Gleichwohl muss man natürlich festhalten, dass diese Leute wesentlich gefährlicher sind als jene Parteien der Neonazis, die jetzt nach und nach politische Relevanz verlieren. Die Neonazis waren trotz allem relativ isoliert, diskreditierten sich selbst mit ihren Auftritten. Aber die für manches Laienauge professorale Vorstellung dieser etablierten Bürger mit Blockwartsinn, der findet überall Anknüpfungspunkte im New Victorianism, im Zeitalter neuer Spießigkeit und Enge und Prüderie. Neonazis konnten diese Gesellschaft nicht nach ihren Idealbildern formen. Wer will sich denn von Leuten, die ihren Hass in aller Widerlichkeit darboten und sich von Glatzköpfen begleiten ließen, die Welt erklären lassen? Aber der spröde Spießer hat das Zeug dazu. Sein Deutschland soll ein abgeschlossenes, in sich gekehrtes, provinzielles sein. Das macht ihn nicht zum Nazi, wohl aber zur Gefahr für Toleranz, Kosmopolitismus und Gleichstellung.
7 Kommentare:
Alles richtig, es sollte aber nicht außer Acht gelassen sein, dass es diese Leute sind, die die rechte Gewalt goutieren werden. Ein Blick nach Sachsen reicht, um zu sehen, dass das rechte Auge der Spießbürger etwas zu nachlässig nach unten klappt, wenn es um die Ächtung rechter Gewalt geht. Und da steht die AfD im gleichen Sumpf wie die CDU.
Das eigentliche Problem ist aber nicht nur das blinde Auge, wenn es um Rechts geht, sondern der regelrechte Hass auf alles, was nicht der Spießernorm entspricht. Wer da die "bunten" Kampagnen gegen Rechts organisiert, hat schon verloren. Alternatives Leben? Fehlanzeige: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Wenn's vorher gequiekt hat, dann ist das halt so ... Vegetarier sind sowieso alle verweichlicht. Bio ... ist Alltagsterror. Und Schwulä ... nee, das geht gar nicht ...
Rein geistig sind sich Neonazis und Spießbürger also durchaus ähnlich. Nur der eigene Habitus verbietet, miteinander in die Kiste zu steigen. Es ist eine eigenartige Symbiose, die die einen zum Steigbügelhalter der (anderen, der) "Mohren" werden lässt, bis diese ihre Arbeit getan haben - um dann in den nationalbefreiten Zonen die Schrebergartenidylle blühen zu lassen ...
Super gesehen. Genau so ist das. Als ich gestern in der Stadt bummeln war, mal hier gucken und da, da fiel mir auf, es gibt wieder massenweise Filzpantoffeln für alle Lebensalter.
Die Überschrift dürfte also auch lauten: "Es riecht nach Bohnerwachs und Spießigkeit in Filzpantoffeln."
noch sitzt du da oben,fürs lügen vom Feind bezahlt doch dem Volke zum Spott, doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten-dann richtet das Volk-dann Gnade euch Gott.
Grüße von Nürnberg 2.0 und Theodor Körner
Sehr gute Analyse. Ich selbst würde mich übrigens als Spießer bezeichnen. Auch die Bezeichnung "konservativ" passt zu mir. Dennoch bietet die AfD für mich keine politische Alternative.
Soweit ich konservativ als passene Bezeichnung ansehe, ist damit der Teil meiner Persönlichkeit gemeint, der Werte erhalten will, die erhaltenswert sind. Das, was hinter folgenden Begriffen steht, ist für mich sehr erhaltenswert: Ehrlichkeit, Redlichkeit, Anstand, Toleranz, Solidarität, Mitgefühl.
Gerade die im Text beschriebenen Spießbürger können mit diesen Begriffen in ihrer tatsächlichen Bedeutung nichts anfangen. Das fängt schon damit an, ehrlich mit sich selber zu sein.
Auch wenn ich mich als konservativ bezeichnen würde, so bin ich alles andere als ein Feind von Veränderungen. Ein erbitterte Feind bin ich aber gegenüber denjenigen, die die Demokratie abschaffen wollen. Ich habe einen Eid auf die freiheitlich demokratische Grundordnung geschworen. Das, was aktuell von "den Gewählten" veranstaltet wird, treibt mir die Zornesröte ins Gesicht. Es gibt einen Verfassungsschutz. Aber die wahren Verfassungsfeinde sind dessen Auftraggeber.
Danke, endlich mal eine realistische Einschätzung der AfD!
Das traurige daran ist nur, das ich so etwas in einem Internetblog lese und nicht in den alten Medien.
Sehr gut beschrieben. Ich lebe in einer Großstadt, wenn wir dann entfernte Verwandte in einer Kleinstadt besuchen, dann prallen zwei Welten aufeinander.
Unsere Erfahrung seit Jahrzehnten, um so kleiner die Stadt/Dorf und um so größer die Einfamilienhäuser, um so konservativer sind die Menschen.
Aber genau in diesen ländlichen Gegenden, wird mit den Thesen von Sarrazin, AfD NPD usw. nicht nur sympathisiert, sondern vehement dafür eingetreten. Der Versuch dagegen zu halten, scheitert regelmäßig daran, weil nicht Argumentiert, sondern weil man schlicht und ergreifend niedergeschrien wird.
Wirklich gut zusammen gefasst, auch das mit der Gefährlichkeit. Die Nähe zu Nazis sehe ich allerdings doch, denn es handelt sich um Übergriffe auf das Leben, und da weiß man nie, wie schnell es sehr weit geht. Die AfD stellt (bzw. könnte sie stellen) eine Projektionsfläche für alle Spießer, Pseudodemokraten und Pseudobürger und ihre Unzufriedenheit dar, die gar nicht wissen, woher ihr Missmut kommt, die nur eine vage Ahnung haben, falls überhaupt, und sich dann von Parteiparolen angesprochen fühlen. So wie es eben mit Volksverführer- und Rattenfängerparteien immer ist.
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