Das letzte Vanilleeis der Liberalen
Freitag, 26. September 2014
Morgen wird es fünf Jahre her sein, dass die FDP knapp an 15 Prozent bei einer Bundestagswahl heranreichte. Nur fünf Jahre liegen zwischen diesem größten Parteierfolg aller Zeiten und dem Jetzt. Mittlerweile ist sie aus allerlei Parlamenten geflogen, krebst zwischen zwei und vier Prozent auf Landes- und Bundesebene herum und findet als Partei nur noch als grässlich blasse Erinnerung statt.
Vor fünf Jahren feierte man den Durchbruch. Endlich sei man eine kleine Volkspartei. Nach dem Möllemann-Tief sei man wieder aufgeblüht. Es gehe aufwärts. Ging es natürlich auch vorher immer. Rhetorisch. Wahlverlierer gibt es doch nie. Das Wort kommt zwar in Wörterbüchern vor, aber in Realität gibt es sie nicht. Jedes Los gewinnt. Und sei es nur einen Anstecker fürs Revers. Aber nun hatte man Zahlen. Schwarz auf weiß. Für jeden sichtbar. Das beste Resultat aller Zeiten bei einer Bundestagswahl. 14,6 Prozent. Das waren 93 Abgeordnete, die auf Steuersenkungskurs für Vermögende einlenken sollten. Es war ein Märchen. Westerwelle, jahrelang vom politischen Kabarett und der Comedy verspottet, hatte seine Partei ganz nach oben geführt. Und in die Regierung. Ein wirtschaftsliberaler Messias, der aus der Wüste kam. Die FDP war über den Berg. Sie war das blühende Politikerleben. Keiner wusste so richtig warum. Aber manchmal muss man Entwicklungen hinnehmen - auch wenn sie einem stinken.
Wie gesagt, das alles ist erst fünf Jahre her. Seither ist viel geschehen. Oder sagen: Es ist nicht mehr viel geschehen. Für die Partei ist die Regierung futsch. Das Parlament auch. Kein einziger »liberaler« Abgeordneter ist mehr im Bundestag zu finden. Bei jeder Landtagswahl geht es nur um eine Frage: 1,2 oder doch 1,4 Prozent? Wahlen sind eine Schlachtbank geworden. Was für ein Abstieg für jemanden, der vorher als triumphierender Metzger auftrat!
Was damals wohl keiner ahnte: Die Krise der FDP war nicht überwunden. Die 14,6 Prozent täuschten. Man kennt das aus Palliativabteilungen und aus Hospizen. Manche Schwerstkranke blühen einige Tage vor ihrem Ende nochmal kurz auf. Dann steigen sie aus dem Bett, gehen einige Schritte oder haben plötzlich Lust auf einen Apfelstrudel mit Vanilleeis. Das kommt recht häufig vor. Das Pflegepersonal kennt das und weiß, dass man es nicht überbewerten sollte. Da bündeln sich wahrscheinlich nur die letzten Kräfte, formieren sich zum finalen Akt des Widerstandes und plötzlich sieht man besser aus, wird geschwätzig, hat Farbe im Gesicht. Angehörige atmen auf. Sie glauben, jetzt gehe es aufwärts. Wahrscheinlich ist doch noch nicht alles verloren. Geschieht hier gerade ein Wunder? Aber es ist lediglich ein Aufblühen, das dem Erblühen zuvorkommt. Ein Aufschwung, der ein Abschwung ist. Ein Augenblick der Lebensfreude vor dem Aus.
Diese sonderbaren Liberalen haben vor fünf Jahren geglaubt, dass sie genesen seien. Sie haben reagiert wie Angehörige, die voller Hoffnung sind. Verständlich. Das ist menschlich. Aber sie haben sich getäuscht. Ihre Partei ist nochmal kurz aufgeblüht, hat sich aufgebäumt. Letzte Zuckungen, nochmal ein Vanilleeis - 14,6 Prozent als endgültiger Beweis, dass diese Partei zu ihren Lebzeiten doch wer war. Aber das Pflegepersonal wusste was los war. Es schaute hin und versuchte die Angehörigen zu erden. Klar, sagte es, die Partei habe nochmal den Zeitgeist getroffen. »Steuern runter« klingt auch super. Mit Stimmung für das Gemeinwohl gewinnt man schwerlich etwas in dieser Zeit. Aber es ging ja nie um die Entlastung kleiner Einkommen. Dieses Steuersparprogramm war ja nur zahnarztkompatibel und rechtsanwaltsverträglich. Daher ist dieses Hoch nur als ein Aufblühen vor dem Ende zu werten.
Aber natürlich wollten das die FDP nicht hören. Warum auch? So einen letzten Aufschwung falsch zu verstehen, ihn überzubewerten, ihn als Umschwung zu deklarieren - das gehört zum Konzept. Denn es ist eine »anthropologische Masche« oder ein evolutionärer Trick: Hoffnung wird gepflanzt, um das Ende erträglicher zu machen. Solange man hofft, läßt es sich leben. Und stirbt sie sprichwörtlich nicht zuletzt? Aber es ändert nichts daran. Nach dem Eis ist man guter Stimmung, man quatscht, erzählt und verabschiedet sich voller Kraft. Am nächsten Tag ist alles anders. Schlimmer als vorher. Das Ende naht.
Diese 14,6 Prozent, die erst fünf Jahre her sind, sie waren der finale Akt. Morgen vor fünf Jahren ging die FDP ihren letzten Gang. Ging in den parlamentarischen Tod. Dieses Wahlergebnis vom September 2009 war ihr Vanilleeis, an dem sie nochmal genüsslich leckten.
Vor fünf Jahren feierte man den Durchbruch. Endlich sei man eine kleine Volkspartei. Nach dem Möllemann-Tief sei man wieder aufgeblüht. Es gehe aufwärts. Ging es natürlich auch vorher immer. Rhetorisch. Wahlverlierer gibt es doch nie. Das Wort kommt zwar in Wörterbüchern vor, aber in Realität gibt es sie nicht. Jedes Los gewinnt. Und sei es nur einen Anstecker fürs Revers. Aber nun hatte man Zahlen. Schwarz auf weiß. Für jeden sichtbar. Das beste Resultat aller Zeiten bei einer Bundestagswahl. 14,6 Prozent. Das waren 93 Abgeordnete, die auf Steuersenkungskurs für Vermögende einlenken sollten. Es war ein Märchen. Westerwelle, jahrelang vom politischen Kabarett und der Comedy verspottet, hatte seine Partei ganz nach oben geführt. Und in die Regierung. Ein wirtschaftsliberaler Messias, der aus der Wüste kam. Die FDP war über den Berg. Sie war das blühende Politikerleben. Keiner wusste so richtig warum. Aber manchmal muss man Entwicklungen hinnehmen - auch wenn sie einem stinken.
Wie gesagt, das alles ist erst fünf Jahre her. Seither ist viel geschehen. Oder sagen: Es ist nicht mehr viel geschehen. Für die Partei ist die Regierung futsch. Das Parlament auch. Kein einziger »liberaler« Abgeordneter ist mehr im Bundestag zu finden. Bei jeder Landtagswahl geht es nur um eine Frage: 1,2 oder doch 1,4 Prozent? Wahlen sind eine Schlachtbank geworden. Was für ein Abstieg für jemanden, der vorher als triumphierender Metzger auftrat!
Was damals wohl keiner ahnte: Die Krise der FDP war nicht überwunden. Die 14,6 Prozent täuschten. Man kennt das aus Palliativabteilungen und aus Hospizen. Manche Schwerstkranke blühen einige Tage vor ihrem Ende nochmal kurz auf. Dann steigen sie aus dem Bett, gehen einige Schritte oder haben plötzlich Lust auf einen Apfelstrudel mit Vanilleeis. Das kommt recht häufig vor. Das Pflegepersonal kennt das und weiß, dass man es nicht überbewerten sollte. Da bündeln sich wahrscheinlich nur die letzten Kräfte, formieren sich zum finalen Akt des Widerstandes und plötzlich sieht man besser aus, wird geschwätzig, hat Farbe im Gesicht. Angehörige atmen auf. Sie glauben, jetzt gehe es aufwärts. Wahrscheinlich ist doch noch nicht alles verloren. Geschieht hier gerade ein Wunder? Aber es ist lediglich ein Aufblühen, das dem Erblühen zuvorkommt. Ein Aufschwung, der ein Abschwung ist. Ein Augenblick der Lebensfreude vor dem Aus.
Diese sonderbaren Liberalen haben vor fünf Jahren geglaubt, dass sie genesen seien. Sie haben reagiert wie Angehörige, die voller Hoffnung sind. Verständlich. Das ist menschlich. Aber sie haben sich getäuscht. Ihre Partei ist nochmal kurz aufgeblüht, hat sich aufgebäumt. Letzte Zuckungen, nochmal ein Vanilleeis - 14,6 Prozent als endgültiger Beweis, dass diese Partei zu ihren Lebzeiten doch wer war. Aber das Pflegepersonal wusste was los war. Es schaute hin und versuchte die Angehörigen zu erden. Klar, sagte es, die Partei habe nochmal den Zeitgeist getroffen. »Steuern runter« klingt auch super. Mit Stimmung für das Gemeinwohl gewinnt man schwerlich etwas in dieser Zeit. Aber es ging ja nie um die Entlastung kleiner Einkommen. Dieses Steuersparprogramm war ja nur zahnarztkompatibel und rechtsanwaltsverträglich. Daher ist dieses Hoch nur als ein Aufblühen vor dem Ende zu werten.
Aber natürlich wollten das die FDP nicht hören. Warum auch? So einen letzten Aufschwung falsch zu verstehen, ihn überzubewerten, ihn als Umschwung zu deklarieren - das gehört zum Konzept. Denn es ist eine »anthropologische Masche« oder ein evolutionärer Trick: Hoffnung wird gepflanzt, um das Ende erträglicher zu machen. Solange man hofft, läßt es sich leben. Und stirbt sie sprichwörtlich nicht zuletzt? Aber es ändert nichts daran. Nach dem Eis ist man guter Stimmung, man quatscht, erzählt und verabschiedet sich voller Kraft. Am nächsten Tag ist alles anders. Schlimmer als vorher. Das Ende naht.
Diese 14,6 Prozent, die erst fünf Jahre her sind, sie waren der finale Akt. Morgen vor fünf Jahren ging die FDP ihren letzten Gang. Ging in den parlamentarischen Tod. Dieses Wahlergebnis vom September 2009 war ihr Vanilleeis, an dem sie nochmal genüsslich leckten.
4 Kommentare:
Fast zuviel Aufmerksamkeit für eine Partei, deren Niedergang schon vor Jahrzehnten begann - als man den Sozen einen Korb gab und sich ans Rockzipfelchen der CDU hängte.
Jan Bauer
Hallo Roberto!
Zwischen all Deinen guten Artikeln gibt es manchmal eben einen, wo man sich fragt: musste das sein? So leider auch hier. Erklärt wird nix und der Vergleich mit einem Sterbenden im Hospiz hinkt schon in so weit, dass die FDP es in der Hand gehabt hätte etwas mit ihren 15% an zu fangen.
So versprach Westerwelle den Koalitionsvertrag nur zu unterschreiben, wenn darin ein "niedrigeres, einfacheres, gerechteres Steuersystem" stünde. Deshalb wurde er gewählt. Und obwohl er das nicht einmal ansatzweise halten konnte, erklärte er direkt nach den Verhandlungen: "versprochen, gehalten!".
Ein Kardinalfehler! Jeder Politiker weis, dass er nach der Wahl seine all zu üppigen Versprechen relativieren muss (der Koalitionspartner will Kompromisse, die Finanzlage ist schlechter als gedacht...).
Der letzte Schlag, der jedoch zum Genickbruch führte ist meiner Meinung nach die "Mövenpicksteuer" gewesen. Sie wurde von fast allen Medien als Lobby-Geschenk verstanden und war praktisch ein Verhöhnung der eigenen Wahlversprechen.
Die FDP hat es selbst versemmelt. So doof dürfen Profipolitiker einfach nicht sein. Ich hoffe ja, dass die Maut für Ausländer eine ähnliche Wirkung auf die CSU entfaltet wie die Mövenpicksteuer auf die FDP. Träumen darf man ja ;-)
Requiem aeternam dona eis, Domine.
Et lux perpetua luceat ei.
Requiescat in pace. Amen!
Die Freude über den Niedergang des organisierten Neoliberalismus in seiner vulgärsten und verabscheuungswürdigsten Form vergeht einem doch sehr schnell, wenn man sich den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der AfD vor Augen führt. In Wahrheit zeigt das Verschwinden der FDP doch nur auf, dass es eine offen marktradikale (und damit untragbare) Partei in diesem Land gar nicht mehr braucht, um den Willen der Konzerne durchzusetzen: Christdemokraten, Sozialdemokraten und Grüne (und natürlich die erzreaktionären "Blauen") reichen hierfür doch völlig aus!
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