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Montag, 7. Juli 2014

Seit einiger Zeit wird viel über den Dispo-Wucher gesprochen und vor allem auch darüber, dass man gegen ihn etwas unternehmen müsse. Die Große Koalition hat dann auch ganz zu Anfang ihrer Existenz durchschimmern lassen, dass sie sich dieses Themas annehmen möchte. Man sollte Menschen, die im Minus leben, nett beraten und gegebenenfalls Alternativen anbieten. Mehr traute man sich nicht zu.

Vor gut zwei Monaten schrieb ich an dieser Stelle: »Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik unter neoliberaler Kuratel kennt das Verbot fadenscheiniger Praxen nicht. Was Geld abwirft, kann nicht einfach unterbunden werden. Dann gibt man biedere Empfehlungen oder liberalisiert das, was eigentlich einen Ordnungsrahmen benötigte, einfach nochmal nach.« So ist es auch mit dem Dispositionskredit. Dass man den Wucher zuallererst verbietet, bevor man die Banken zum Beraten verpflichtet, um aus der täglichen Schuldenspirale herauszukommen, ist in der »marktkonformen Demokratie« offensichtlich gar nicht mehr denkbar. Denn das wäre ja dann ein Eingriff in den Markt. Und wenn es so hohe Zinsen gibt, dann hat sich der Markt doch was dabei gedacht, dann haben sich der Kredithai und der Kreditempfänger auf dieses Zinsniveau »geeinigt« und da kann man nicht grundsätzlich hineinpfuschen. So würde man ja den freien Willen der Marktteilnehmer unterwandern, nicht wahr?

Neulich las man, dass besonders Hartz-IV-Empfänger verschuldet sind. Vermutlich auch über den Dispo. Wenn es vorne und hinten nicht mehr reicht, reitet man sich ganz leicht in diesen Kredit, der kaum einer Bonitätsprüfung bedarf. Ist man dann mal tief im Minus, gibt es kein Entkommen mehr. Wie kann eine Beratungspflicht bei solchen Kunden aussehen? Jemanden der am Existenzminimum krebst, dem kann man ja kaum Optionen anbieten. Gelänge es einem solchen Kunden dann doch plötzlich, Ausgaben und Einnahmen in Waage zu halten, bleibt immer noch der Zins, der im Regelfall vierteljährlich abgeht.

Ein Zinsmoratorium für solche Dispo-Gläubiger täte dringend Not. Beratung kann für sie erst der zweite Schritt sein, wenn nämlich die Rahmenbedingungen, die in diese Schuldenfalle hineinreiten, abgestellt sind. Wem die Bude abbrennt, der löscht sie doch auch erst, bevor er sich von einem Architekten über einen Wiederaufbau beraten lässt.

Als es mich noch betraf, fragte ich mal bei der Sparkasse nach, ob ich nicht eine Umschuldung machen könne. Ich wollte einen günstigeren Kredit aufnehmen und damit meinen Kontostand ausgleichen. Das Ansinnen war natürlich naiv. Denn vom Regelsatz kann man solche Abschlagszahlungen kaum leisten. Die Antwort der Bank fiel ziemlich knapp aus, sie lautete, dass ein Hauskredit, der für mich in Frage käme, in etwa dieselben Zinsen hätte wie der Dispo. Das läge daran, dass jemand ohne festes Einkommen keinen günstigeren Kredit von den so genannten »Kreditpartnern« bekäme. Die Schufa würde da nicht mitspielen. Ein Hauskredit sei leichter realisierbar, aber halt nicht günstiger. Und so wäre die Umschuldung nur ein reines Verlagern des Problems, keine langfristige Lösung. Also ließ ich den Plan fallen und ergab mich in mein Schicksal.

Die öffentliche Scheindebatte zur »Dispoproblematik« ist ein Paradebeispiel für einen neoliberalen Aktionismus, der vorgibt viel zu sein, der aber eigentlich so überhaupt nichts ist. Außer vielleicht heiße Luft. Man will das Problem zwar angehen, aber ja nicht irgendwelche Rahmenbedingungen antasten. Nur nicht anecken. Bloß nicht substanziell werden. Niemanden auf die Füße treten. Beraten statt Taten. Auch wenn es keinen Beratungsspielraum gibt. Aber er sieht ja trotzdem gut aus. Wirkt so entschlossen. So anpackend. Wer jetzt noch immer nicht seine Überziehungsmöglichkeiten im Griff hat, der ist selbst schuld. Die Regierung steht mit Rat und Rat zur Seite.

5 Kommentare:

ninjaturkey 7. Juli 2014 um 06:38  

BTW - welches Interesse sollte eine Bank überhaupt haben, jemanden dahin gehend zu beraten, dass er keine teuren Zinsen mehr an sie bezahlt?

epikur 7. Juli 2014 um 07:44  

Auch das ist für mich ein zweischneidiges Schwert.

Dass die Banken einen abzocken wollen und ihnen das menschliche Wohlergehen herzlich egal ist, sollte eigentlich jedem bekannt sein.

Leider kenne ich auch so einige, die mit Geld einfach nicht umgehen können. Wenn man wenig Geld hat, sollte man seine Bedürfnisse auch mal zurückstellen können. Dann gibt es halt kein Auto in der Großstadt, nicht jede Woche eine neue DVD oder jedes Wochenende Sauftouren. Damit will ich keine notleidenden Menschen relativieren, die nicht anders können, als auf den Dispo zuzugreifen, aber Menschen die ihr (nicht vorhandenes) Geld verprassen, gibt es leider auch nicht wenige.

Anonym 7. Juli 2014 um 10:50  

Typisch für deutsche Poltiker - bloß niemanden vergraulen, der ein paar Steuern hier lässt.

Wolfgang Buck 7. Juli 2014 um 23:11  

Man kann das kapitalistische System gut finden oder nicht. Ich finde es verwerflich und zutiefst ungerecht. Fakt ist: wir leben darin also sollte man die Spielregeln kennen. Nur so ist es zu bekämpfen.

Geld kann man so lange ausgeben bis seine Menge auf Null gesunken ist. Ein Dispokredit verschiebt diese Grenze auf einen Betrag X ins Minus. Dann ist ebenso Schluss.

Egal ob gut verdienend oder auf ALG II angewiesen. Was hindert uns daran die Grenze einfach bei Null zu ziehen? Ich habe keinen Dispokredit. Ich weis, dass bei Null Schluss ist und damit gut. Soll der Überziehungszins doch bei 80% sein. Wer sich abhängig macht dem bleibt nichts anderes übrig als über die Ungerechtigkeit zu jammern.

Umdenker 8. Juli 2014 um 17:41  

@epikur
Natürlich gibt es beide Seiten. Ich bin aber allgemein der Auffassung, dass man zuerst an Punkten eingreift, wo die Macht und Ressourcen (somit Verantwortung und Schadenspotential für die Gesellschaft) grösser sind und das ist in dem Fall die Bank. Was Grundbedürfnisse, was Luxus und was "irgendwas zwischendrin" ist, sind natürlich ewige Themen und immer wieder auch im Wandel. Zudem natürlich von Produktivität, durchschnittlichem Wohlstand, natürlichen Ressourcen, usw. abhängig. Hier muss man immer und immer wieder diskutieren. Wollte man das aber möglichst fair hinkriegen, kommt man quasi um einzelne Aspekte aus der Planwirtschaft nicht herum.

Auf die untersten in der Nahrungskette, also einzelne Bürger, würde ich immer erst als letztes einschlagen, wenn es um Reglementierung geht. Wir haben es irgendwie zum Extremsport gemacht uns wochenlang mit "Kleinigkeiten" (Causa Wulff oder Plagiat von Gutti) auseinanderzusetzen, aber die wirklich dringenden Themen kommen kaum und wenn dann meist ideologisch getrieben zur Diskussion.

@Buck
Wir leben in einer parlamentarischen Republik/Demokratie, welche aktuell Kapitalismus als Wirtschaftsform hat. Letzteres ist aber a) nicht in unserer Verfassung verankert und b) kein Naturgesetz, sondern von Menschen gemacht. Wenn das Spiel kaputt ist, also selbst die Verfechter sich schon nicht an die Regeln halten und für den Grossteil eh nicht funktioniert, dann bringt es auch nix weiterzuspielen, sondern es gehört in den Müll.

Und selbst wenn wir weiter "im Kapitalismus" argumentieren wollen, dann müsste der Dispozins sich genauso am "Markt" orientieren und durch Konkurenz auch entsprechend niedrig sein. Es wirkt jedoch eher so, als gäbe es einen stillschweigenden Konsens unter den Geldhäusern über dessen Höhe, da sie zufälligerweise alle einen ähnlich hohen (bis auf wenige Ausnahmen, aber die gehen eher noch höher als nach unten) Dispozins haben. Wie aber auch schon bei den Benzin/Dieselpreisen erweist sich unser Kartellamt als zahnloser Tiger.

Ich hoffe auch, dass ihr Abschnitt ab "Geld kann man ..." nur rein für Privatpersonen und Dispokredit gemeint war. Falls nicht, so empfehle ich das Einlesen in Geldschöpfung, Makroökonomie und allgemeine volkswirtschaftliche Zusammenhänge.

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