Hoffentlich ziehen die Gauchos den Kürzeren
Samstag, 12. Juli 2014
oder Brasilien hatte sagenhaftes Glück.
Bei hr1 brachten sie am Dienstag gegen die Mittagszeit ein kurzes Feature über ein brasilianisches Paar, dass beim Spiel zwischen der Seleção und der DFB-Elf nicht für die »eigenen Jungs« sein würde. Gibts das auch?, fragte sich der Hörer da. Erklärung folgte natürlich. Die beiden argumentierten, dass ein Erfolg der brasilianischen Kicker die sozialen Ungerechtigkeiten noch stärker verdecken würde. Tja, der Abend war dann ein voller Erfolg. Nach dem Auftritt der Spieler hat wohl keiner mehr Lust auf einen Kick. Endlich wieder mehr Aufmerksamkeit für Wichtiges.
Caros amigos, euer Motiv ist exakt der Grund, warum ich will, dass das Team aus dem Land, in dem ich lebe, sportlich auch das Zeitliche segnet. So wie jeder anständige Mensch heute wollen muss, dass die Auswahl »seines« Landes scheitert.
Denn jedes Land leidet auf seine Weise unter der herrschenden Ökonomie. Alle bluten sie aus. Die einen mehr, die anderen weniger. An die Ressourcen geht es allen. Jeder Sieg der deutschen Nationalmannschaft verkappt den Niedriglohnsektor und kommunale Haushalte, die so verstümmelt sind, dass Freibäder und Büchereien nicht mehr finanzierbar bleiben. Jeder Titel macht die Menschen blind für ein System, dass unser komplettes Zusammenleben zu einem Geschäft macht, von dem nur wenige profitieren. Der WM-Titel ist ein Vollstreckungstitel. Überall. Wo man diese Nebensache zur Hauptsache emporjubelt, da wird die Hauptsache zur Nebensache.
Brasilien, Deutschland, Argentinien oder Niederlande: In den Ländern aller Halbfinalisten gibt es wohl personifizierte »Kuriositäten« wie dieses Paar oder mich. Leute, von denen Grönemeyer vor acht Jahren nuschelte: »Bei wem jetzt nichts geht / bei dem geht was verkehrt.« Das sind dichterische Worte, die »Nestbeschmutzer« oder »Spielverderber« ausdrücken wollen. »Spielverderber« hat man womöglich schon jene kritischen Römer genannt, die panem et circenses für etwas hielten, was die Wirklichkeit vernebelt. Heute werden diese mahnenden Figuren der Geschichte als Hoffnungsträger in einer ansonsten blutgetränkten Zeit angesehen.
Die kritischen Geister aller Länder sind jedoch auch Egoisten. Das brasilianische Paar, weil es Deutschland weiter im Wettbewerb sehen wollte, um Brasilien vom Taumel zu erlösen. Ich, weil ich es gerne andersrum gesehen hätte. Gewisse Niederländer, weil sie für Argentinien sind und Argentinier, weil sie Oranje tragen. Sollen doch die anderen in Blindheit verweilen, sagen wir uns. Das ist die Ellenbogenweltgesellschaft derer, die den neoliberalen Zeitgeist verabscheuen. Sollen doch die anderen den bitteren Preis nationaler Schönfärberei bezahlen und die Verdeckung sozialer Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten ausbaden. Einer muss ja den Kürzeren ziehen. Brasilien hatte da sagenhaftes Dusel. Eine solche Niederlage kuriert.
Und nun? Deutschland oder Argentien? Einer muss in die Scheiße greifen. Hoffentlich die Gauchos. Sollen sie doch gewinnen und unter dem Titel leiden. Besser die als »wir«.
Caros amigos, euer Motiv ist exakt der Grund, warum ich will, dass das Team aus dem Land, in dem ich lebe, sportlich auch das Zeitliche segnet. So wie jeder anständige Mensch heute wollen muss, dass die Auswahl »seines« Landes scheitert.
Denn jedes Land leidet auf seine Weise unter der herrschenden Ökonomie. Alle bluten sie aus. Die einen mehr, die anderen weniger. An die Ressourcen geht es allen. Jeder Sieg der deutschen Nationalmannschaft verkappt den Niedriglohnsektor und kommunale Haushalte, die so verstümmelt sind, dass Freibäder und Büchereien nicht mehr finanzierbar bleiben. Jeder Titel macht die Menschen blind für ein System, dass unser komplettes Zusammenleben zu einem Geschäft macht, von dem nur wenige profitieren. Der WM-Titel ist ein Vollstreckungstitel. Überall. Wo man diese Nebensache zur Hauptsache emporjubelt, da wird die Hauptsache zur Nebensache.
Brasilien, Deutschland, Argentinien oder Niederlande: In den Ländern aller Halbfinalisten gibt es wohl personifizierte »Kuriositäten« wie dieses Paar oder mich. Leute, von denen Grönemeyer vor acht Jahren nuschelte: »Bei wem jetzt nichts geht / bei dem geht was verkehrt.« Das sind dichterische Worte, die »Nestbeschmutzer« oder »Spielverderber« ausdrücken wollen. »Spielverderber« hat man womöglich schon jene kritischen Römer genannt, die panem et circenses für etwas hielten, was die Wirklichkeit vernebelt. Heute werden diese mahnenden Figuren der Geschichte als Hoffnungsträger in einer ansonsten blutgetränkten Zeit angesehen.
Die kritischen Geister aller Länder sind jedoch auch Egoisten. Das brasilianische Paar, weil es Deutschland weiter im Wettbewerb sehen wollte, um Brasilien vom Taumel zu erlösen. Ich, weil ich es gerne andersrum gesehen hätte. Gewisse Niederländer, weil sie für Argentinien sind und Argentinier, weil sie Oranje tragen. Sollen doch die anderen in Blindheit verweilen, sagen wir uns. Das ist die Ellenbogenweltgesellschaft derer, die den neoliberalen Zeitgeist verabscheuen. Sollen doch die anderen den bitteren Preis nationaler Schönfärberei bezahlen und die Verdeckung sozialer Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten ausbaden. Einer muss ja den Kürzeren ziehen. Brasilien hatte da sagenhaftes Dusel. Eine solche Niederlage kuriert.
Und nun? Deutschland oder Argentien? Einer muss in die Scheiße greifen. Hoffentlich die Gauchos. Sollen sie doch gewinnen und unter dem Titel leiden. Besser die als »wir«.
12 Kommentare:
caros amigos ist genau der wahlspruch.....
ich bin ein Liebhaber des portugiesischen fado und glaube, dass diese WM nicht zu einem Sieg der D Mannschaft führt - ich hoffe auf eine Niederlage - ansonsten ist der Größenwahn wieder geschürt.....
Tja, auch ich bin so ein Pechvogel. Wie hatte ich gewettet,
1. Niederlande 2. Brasilien 3. Argentinien 4. Frankreich.
Ich wollte keine Merkel und Gauck als "Selfie" aus der Kabine nach dem Spiel ... so wie einige der "dummen deutschen Spieler" es draufhaben.
Ja, ich werde den Argentiniern die Daumen drücken, da dann die WM-Feier in Berlin mit Merkel ausfällt ...
Und den Brasilianern nachher ... wegen Robben ...
Ob Sieg oder Niederlage, am neoliberalen Zeitgeist wird das nichts ändern. Die Brasilianer werden vielleicht jetzt kritischer auf ihren durch und durch verrotteten Fussballverband schauen, aber das war's dann auch schon. Gegen diese Korruption, die im Fussball weltweit unglaubliche Ausmaße angenommen hat, wird man aber nicht ankommen. Der Fussball ist verseucht vom großen Geld. Erst wenn diese Quelle versiegt, ist ein Neuanfang zu machen. So wie in der Politik auch. Es ist lächerlich, wenn man Fussballer anfeuert, die finanziell in einer völlig anderen Welt leben, als das Volk, egal ob National oder im Verein. Das trifft übrigens auch die Poltik. Diese ist ebenso verseucht vom großen Geld und die Politiker haben ebenso wenig noch etwas mit dem gemeinen Volk zu tun. Allerdings ist die Höhe da eine andere, aber die allgemeine Kritik an Politikern ist ungleich härter, obwohl beim Fussball mittlerweile allenthalben durchaus auch kritische Töne zu hören sind. Den Fussballern "verzeiht" man nur eher, weil die schließlich nichts dafür können, wenn sie mit Geld zugeschissen werden. Schließlich würde das jeder nehmen, wenn er könnte. Beim Fussball offenbart sich nur viel deutlicher, dass am gesamten System etwas gewaltig aus dem Ruder gelaufen ist. Und das spüren die Leute, trotz aller Euphorie durchaus. So meine Erfahrung.
PS: Ich werde der deutschen Manschaft die Daumen trotzdem drücken. Ich liebe den Fussball und diese Mannschaft ist über Jahre gereift und gewachsen, spielt den besten Fussball und hat es sich verdient. Den ganzen nationalen Tant, die Idioten mit der Fahne, die sich sonst einen Dreck für Fussball interessieren, lehne ich ab. Ich verachte das, weswegen ich es heutzutage kaum noch ertrage, im öffentlichen Raum die DFB-Elf zu schauen. Warum schminkt sich denn keiner, wenn beispielsweise die Frauenhandball-WM ansteht? HÄ?!! Der Fussball ist euch doch scheissegal! Also warum nicht auch dann?? Ihr seid keine "Patrioten", ihr seid Idioten!
Ja, Ich hab die Befürchtung das Deutschland, wenn es Weltmeister wird, der Welt den KKrieg erklärt
Mit meinem immer wiederholten Wunsch auf ein frühes Ende von morbus Beckenbauer bin ich leider unerhört geblieben. Jetzt kann ich mich nur der Hoffnung anschließen, dass D gegen Argentinien im Beisein unserer obersten Klatschtante und unseres obersten Kriegsaugust wahrhaft katastrophal verlieren möge!
Das Schlimmste ist nun eingetreten:
Ich denke die ganze Zeit an 1936.
Seltsam, nicht wahr?
Lieber Herr Lapuente! Ganz liebevoll stecke ich mit Nachdruck meinen Mittelfinger in Ihren Anus, auf dass es Sie etwas errege - als Ausgleich für den deutschen WM-Titel! Spüren Sie's?
Ach Anonymus von 2:13 Uhr, der mir nicht mehr ganz so anonymus ist, ich freue mich für dich. Endlich hat mal so eine arme Sau wie du auch mal was im Leben. Jetzt kannst du Tastatur-Onan auch mal von was träumen, was mit dir zwar nichts zu tun hat, was dir aber schöne Gefühle außer dem üblichen Gerubbel gibt.
Das DFB-TEAM hat die FIFA-WM gewonnen, obligatorisches Einschleim-Kabinen-Bild mit Angie Alternativlos und dem Pastor Selbstgefällig. Alles "gut".
Bei dieser Gelegenheit, ironielos: Danke für Ihren Blog, Herr De Lapuente!!!
meine Güte, was ist nur eingetreten
in dieser Welt ?
Roberto ich hätte diesen Perversling
- es ist eine Beleidigung ersten Ranges nicht veröffentlicht
eigentlich ist hier ein Straftatbestand erfüllt......
Nun ja, Du hast es gemeistert und wie mir scheint ohne seelische Folgeschäden
nach diesem Sieg - auf in den Krieg
so wird das Weltgeschehen wohl ablaufen....
Die nationale Besoffenheit ist UNERTRÄGLICH. Ist das eigentlich überall so bei einem Weltmeistertitel oder nur bei uns Deutschen? Ich darf jetzt echt keine Kommentare über die Weltmeisterschaft mehr lesen, ich bekomme sonst Herpes vor lauter Ekel.
Lieber Hartmut, ja, der Straftatbestand ist erfüllt. Anzeige wird erstattet. Die Person dahinter ist kein Unbekannter für mich. War recht einfach, die Identität zu checken.
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