Unser Verantwortlicher vor Ort

Dienstag, 29. April 2014

Die Deutschen müssen mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Als Volk. Und jeder dort, wo er gerade steht. Oder wo er zu Gast ist. Das gehört dazu. Leitkultur im Inneren und Anleitung außerhalb des Landes.

Unser Verantwortlicher vor Ort ist jetzt mal Joachim Gauck. Er übernahm mal wieder rhetorische Verantwortung, wagte sich in die Höhle des Löwen und erklärte den Türken, wie sie ihre Türkei zu bestellen haben. Er habe der türkische Regierung »die Leviten gelesen«, »mit Erdoğan abgerechnet«, die dortige Politik »verurteilt«. Die Beschreibung seines Auftritts pendelt zwischen strengen Floskeln aus dem Pädagogischen und brachialen Lehnwörtern aus dem Militärischen. Genau aus diesen Metiers zusammengebastelt stellen sich die Verantwortlichen der These von der »Verantwortung der Deutschen in der Welt« auch ihr »neues Deutschland in der Welt« vor. Der Oberlehrer soll als Feldwebel dienen können.

Klar läuft in der Türkei vieles nicht rund. Aber warum glaubt dieses neue Deutschland, es müsste immer wieder erklären, wie man es richtig macht? Welcher Teufel reitet es? Welche Befähigung war es denn genau, die dieses Sendungsbewusstsein auslöste? So eine Psychose tritt doch nicht einfach so auf. Und warum vertraut man eigentlich den türkischen Verfassungsorganen nicht zu, dass sie sich gegen einen demokratisch gewählten Autokraten alleine durchsetzen können? Das türkische Verfassungsgericht hat doch Erdoğans Twitter-Sperre kassiert. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Kontrolle des Internets durch diverse Geheimdienste noch nicht gesprochen.

Ja wundert sich Gauck eigentlich nicht, dass die Partei Erdoğans bei den kürzlich abgehaltenen Kommunalwahlen als Sieger hervorging? Glaubt er echt, er spricht in einem Land, in dem Menschen kurz davor stehen, von einer Diktatur unterdrückt zu werden? Und warum ist er dann eigentlich nicht wegen Aufwiegelei festgenommen worden? Wieso haben ihn die Schergen nicht von seinem Pult gezogen und aus dem Land bugsiert?

Nein, die Türkei unter Erdoğan ist kein Land in demokratischer Blüte. Aber so kaputt scheint die Demokratie dort dann doch nicht, als dass sie mit einem Typen wie ihm nicht wenigstens langfristig fertig würde. Und im Gegenzug ist unsere Demokratie ja auch nicht so intakt, wie das die, die die »Verantwortung der Deutschen in der Welt« predigen, immer mal so durchschimmern lassen.

Ich erinnere mich, dass Erdoğan vor Jahren mal Staatsgast in Deutschland war. Damals sagte er, dass er sich türkische Schulen in Deutschland wünsche. Der Aufschrei war ohrenbetäubend. Wie kann es dieser Gast wagen, hier auf deutschem Boden solche Angriffe auf die Leitkultur zu fahren? Dreist sei das! Frech! Er leiste dem Islamismus Vorschub! Was immer dieser letzte Satz bedeuten mochte. Wenn aber Gauck den Türken in der Türkei erklärt, wie sie ihre Türkei zu halten haben, dann nennt man das Courage, dann ist das lobenswert und zollt man ihm Respekt.

Das sei schließlich verantwortungsbewusst - das Verantwortungsbewusstsein, dass die Deutschen in der Welt jetzt bräuchten. Aber im Inland übernimmt von diesen Verantwortlichen keiner die Verantwortung und sagt mal ganz offen, dass die Demokratie auch hier in Gefahr ist, von Lobbyvertretern gelähmt und von Partikularinteressen aufgefressen wird. Da ist natürlich alles ordnungsgemäß. Und das zu verschweigen, dass nennen die, die die »Verantwortung der Deutschen in der Welt« loben, dann natürlich auch verantwortungsvoll. Denn nach Innen sind Typen gefordert, die die Verantwortung nicht übernehmen oder gar tragen wollen. Sie sollen sie in die Welt outsourcen und nicht das Innenleben unnötig stören.


11 Kommentare:

Anonym 29. April 2014 um 06:12  

als ich gestern las wie arrogant gauck in der türkei aufgetreten ist, musste ich mich mal wieder für den mann schämen. glaubt er denn wirklich, das man auf der welt auf seine ratschläge wartet??

Anonym 29. April 2014 um 09:32  

ANMERKER MEINT:

Ja, für ein solches "Staatsoberhaupt"
kann man sich wirklich schämen als deutscher Bürger. Allerdings ist das fast schon wieder zu viel Identifikation mit dieser Repräsentanzfigur. Vom Standpunkt der Regierenden in unserm Land aus macht er seine Sache allerdings hervorragend. Er lenkt formidabel von der innenpolitischen Gehirnwäsche, die er ja beständig mitgestaltet, ab und zeigt "seinem Volk", dass Deutschland wieder wer ist. Es ist zum Kotzen. Leider besteht die Gefahr, dass diese Marionette der Herrschenden in unserem Land nochmal gewählt werden wird. Gut dass Du dran bleibst, Roberto, und immer wieder aufzeigst, was dieser Präsident für eine Pappnase ist.

MEINT ANMERKER

Sledgehammer 29. April 2014 um 11:38  

Gauck, der sendungsbewußte "Großmeister der leeren Worthülsen" gibt den osmanischen Zuchtmeister.
Dieses unsägliche, überbordende Missionierungsgewese ist fataler Ausdruck von namensverwandter Narretei und Pfaffenmentalität.

Anonym 29. April 2014 um 11:48  

....da weiss man nicht, wann man mehr kotzen muss:...wenn man diesen Pfaffen oder das Pfaffentöchterlein sieht...

Anonym 29. April 2014 um 12:12  

Nomen est Omen!

Ein Ahne von ihm muss wohl seinen Namen gekürzt haben, "ler" fehlt.

Im weitesten Sinne war ein Gaukler ein Artist, der Kunststücke beherrschte und mit diesen die Menschen meistens auf offenen Plätzen wie der Straße unterhielt.

Anonym 29. April 2014 um 19:04  

Heute Morgen, vor der Arbeit, wurde mir dank dieses Themas dann auch die neuste Wortkreation Präsentiert.
Im News-Ticker bei N24 hiess es dann "Demokratiedefizit".
Irgendwie schmerzt das.

maguscarolus 29. April 2014 um 19:23  

Und doch will mir scheinen, als sei dieser Gauck genau das "Staatsoberhaupt" das dieser Staat verdient.

Anonym 30. April 2014 um 19:52  

Dieser an Peinlichkeit kaum noch zu übertreffende Luftblasenproduzent trampelt in seinem Missionierungswahn von einem Fettnapf in den nächsten.
Dass sich ein Gockel wie Erdogan von einem drittklassigen Provinzpfaffen von zudem auch noch überaus zweifelhafter Reputation nicht die Leviten lesen lassen KANN, hätte dem Grüßaugust klar sein können. Was an Gaucks Geseier jetzt auch noch "mutig" sein soll, ist mir rätselhaft. Statt sich in Dinge einzumischen, die den bedächtig daherschwafelnden Pseudopfaffen aber auch nicht das Geringste angehen, sollte sich für seine arroganten und menschenverachtenden Definitionen seines Lieblingswortes "Freiheit" kräftig schämen.
Anton Chigurh

Ichmeinemal 1. Mai 2014 um 21:46  

Diese deutsche Psychose, wie Sie sie nennen, ist eine Kombination aus einem autoritären Charakter und einer narzisstischen Persönlichkeit, das Ergebnis ist dann eine "inquisitorische Herrschsucht", wie ich es einmal nennen will. Das haben die Deutschen schon lange so an sich, auch wenn sich die konkrete Form nach außen ändern kann. Extrem ist dabei, dass Deutsche nicht nur bestimmen wollen, was andere zu tun und zu denken haben, nein - auch Emotionen möchten sie anderen vorschreiben. Obwohl sie selbst bei letzteren sehr gehemmt sind.

Ichmeinemal 2. Mai 2014 um 09:27  

Zur "emotionalen Inquisition" möchte ich noch ein Beispiel anfügen: Während der olympischen Spiele mockierten sich deutsche Kommentatoren darüber, dass die Russen ihrem Präsidenten Applaus spendeten. Das Spenden des Applauses mag einem bei dieser Person ungerechtfertigt erscheinen, aber dieser deutsche Tonfall, als hätten die Russen ihre spontanen Emotionen erst bei den Deutschen genehmigen zu lassen, ist doch schon als krankhaft zu bezeichnen.

klaus baum 4. Mai 2014 um 17:13  

was gauck von sich gibt, hat asdorno bereits in den 60ern in seinem essay JARGON DER EIGENTLICHKEIT analysiert bzw. charakterisiert. jeder soll verantwortung übernehmen - in dieser art der formulierung bleibt der inhalt abstrakt, beliebig und viel zu allgemein.
wenn ich verantwortungsvoll in bestimmten situationen handeln würde, würde ich mich mit ner menge leute anlegen. die ranküne und den hass, die dann auf mich zurückwirkten, müsste ich dann alleine austragen. gauck würde mir dabei nicht helfen.

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