Ich betrüge, also bin ich

Samstag, 15. Februar 2014

Ich habe mich mal erkundigt. Ein Konto in der Schweiz kostet rund 300 Euro im Jahr. Wird ein Kraftakt mir eines anzulegen. Und dann will es ja auch mal gefüllt sein. Von was, weiß ich noch nicht. Aber da in Deutschland mittlerweile jeder Maurer oder jede Lagerfachkraft eines hat, möchte ich nicht nachstehen.

Wie ich auf so einen Gedanken komme? Na ja, ich habe neulich mal eines dieser gut gelaunten Morgenmagazine gesehen. Als das mit der Schwarzer noch aktueller war. Die haben da in einem Einspieler explizit unterstrichen, dass Steuerbetrug kein Reichensport sei, sondern in allen Gesellschaftsschichten vorkomme. Unterlegt haben sie diese Botschaft mit Bildern eines mit Kelle und Mörtel arbeitenden Kerls; kurzer Schwenk und plötzlich befand sich der Zuseher in einem riesigen Hochregallager, in dem sich schemenhaft einige menschliche Gestalten abzeichneten. Ich nehme an, das sollte mir sagen: Hey, Kumpel, Maurer und Lagerist haben so ein Schwarzgeldkonto - und du?

Oder man wollte damit ausdrücken, dass die Reichen ihr Geld über die Grenze bringen und die, die auch schwitzen, wenn sie sich Geld in ihrer täglichen Tretmühle beschaffen müssen, tricksen halt bei der Steuererklärung. Als ob beides dasselbe ist. Und welche Möglichkeiten hat man denn schon, wenn man mit einem jährlichen Brutto von 23.000 oder 28.000 Euro auskommen muss? Da gibt es ja kaum Spielräume für nen netten Zuverdienst. Und welcher normale Kerl weiß schon, wie er seine Steuererklärung so konjugiert, dass dabei was rumkommt?

Aber egal wo man guckt, nach der Schwarzer las mal überall, dass man heute kein Mitleid mehr mit Steuerbetrügern kenne. Der moralische Druck steige. Und selbst die Straffreiheit für Selbstanzeiger sei nun auf dem Prüfstand. Gleichzeitig konnte man aber lesen, dass jeder Bürger mehr oder weniger bescheißt. Im Personalraum lag letzte Woche eine Bildzeitung herum, die mit Leuten titelte, die Bekenntnis ablegten: Auch wir haben betrogen. Selbst ein Pfarrer war abgelichtet. Wir sind halt alle keine Engel. Kaum ein Medium, dass nicht vom neuen Volkssport schreibt und berichtet. Das ist der neue Volkssport vom neuen Volkssport zu berichten. Schwarzer ist nur eine von uns. In uns allen steckt ein Hoeneß. Dieses ganze Herunterspielen zeigt mir nur eines: Von wegen kein Kavaliersdelikt mehr! Von wegen härtere Gangart! Ganz im Gegenteil, die stricken an der Legende vom menschlichen Makel der Steuerunlust, der an uns allen - ob arm oder reich - haftet.

Nee, wenn ich es mir so recht überlege, dann lasse ich das mal mit dem Konto in der Schweiz. Ich weiß ja nicht mal, ob die mich da noch reinlassen. Am Ende habe ich da 121,29 Euro vom deutschen Fiskus gerettet und die lassen mich nicht mehr einreisen, weil die Quoten für deutsche Steuerbetrüger für das Jahr schon erfüllt sind. Und als deutscher Maurer will ich mich nicht fälschlicherweise ausgeben, nur weil die noch unter Quote liegen. Am Ende wollen die noch, dass ich ihnen ihre Mauer hochziehe. Nee, ich lass es lieber sein. Bin ich halt mal wieder hintendran. So wie damals, als alle Welt ein Handy hatte, jeder Maurer, jede Fachkraft für Lagerlogistik und sogar die alte Schachtel von gegenüber - nur ich nicht.

Ob wohl alte Schachteln auch Kontos in der Schweiz haben? Bestimmt beim nächsten prominenten Hehler. Da wird irgendein Morgenmagazin einen Maurer und einen siechen Greis im Rollstuhl zeigen und behaupten, dass alle Welt betrügt. Im Grunde sei das menschlich. Und daher eigentlich kein schlimmes Vergehen. Lasst uns alle Mensch bleiben und dieses menschliche Bedürfnis nach Kontos bei den Eidgenossen nicht dramatisieren. Gegen die Conditio humana kann man doch nicht rebellieren. Gegen die Metaphysik nicht revoltieren. Die Bedingungen des Menschseins muss man akzeptieren. Ich betrüge, also bin ich.


11 Kommentare:

Anonym 15. Februar 2014 um 12:56  

„Die Deutschen sparen zu viel.“

Ich weiß dieser schwachsinnige Satz, der immer mal wieder die Runde macht gehört eigentlich nicht zum Thema.
Aber irgendwie kam der mir gerade mal wieder hoch.

Sledgehammer 15. Februar 2014 um 12:56  

Im Neoliberalismus ist es Wirtschaftsverbrechern à la Hoeneß und Schwarzer mittels geschickter Inszenierung (man erweckt medial den Eindruck von Bagatelldelikt und Komplizenschaft), Chuzpe und/oder einem Minimum an Karitas leicht möglich, maximale Aufmerksamkeit, Akzeptanz und Wohlwollen auch von denen zu erhalten, die direkt oder indirekt deren Opfer sind und denen die dahinterstehende Kränkung nicht offensichtlich wird.

Hartmut B. 15. Februar 2014 um 12:58  

Ja, so ist das im Ländle - nach dem Motto, wer nicht betrügt, ist selber Schuld !!!

Anonym 15. Februar 2014 um 14:07  

Da spreche noch einer davon, dass immer nur die Ausländer den deutschen Staat betrügen wollen.
Wenn alle plötzlich wieder ihre Steuern hier lassen würden, dann wäre es nichts mehr mit Hartz IV, sondern man hätte Sozialhilfe wieder wie sie in den 90er Jahren war. Inklusive der öffentliche Sektor hätte wieder für soziale Strukturen etwas übrig.

maguscarolus 15. Februar 2014 um 20:33  

Ja freilich! Karneval! Das ist das Niveau, dem sich alles unterordnen muss. Das ist Deutschland!

Braman 15. Februar 2014 um 21:37  

Ja, es werden dem Bürger wieder Taschenspielertricks geboten, Kleinkriminalität wird dem Organisierten Verbrechen gleich gestellt. Ein beliebte Verharmlosungsmasche unserer "Eliten". Und (zu) viele fallen drauf rein.
Vergessen bei diesen 'Vergleichen' wird dann praktischerweise noch, das die meisten dieser "Kleinkriminellen" gar keine Steuern hinterzieht weil sie entweder keine Lohnsteuern zahlen oder, falls doch, keinen Lohnsteuer-Jahresausgleich machen, also dem Fiskus noch zu viel bezahlte Steuern schenken. Das wird aber in der BLÖD und ihren Ablegern (FAZ, Zeit, Spiegel usw.) 'vergessen' zu erwähnen.

Anonym 15. Februar 2014 um 22:44  

"[...]Ich betrüge, also bin ich[...]"

Yep, dazu paßt, dass es in Merkels .de keine unseriösen Berufe mehr gibt.

Vor Jahren hatte ich, als damals schon verzweifelt arbeitsuchender Mensch, mal ein Vorstellungsgespräch, in meinem Elternhaus, mit einem Versicherungsangestellten.

Mein Vater, der danach hinzukam, meinte las die Finger davon, denn so ein Betrüger bzw. Klinckenputzer willst du doch wohl nicht werden - wie der.

Tja, nun ist 2014 - mein Vater lebt nicht mehr, und ich habe einen Schwager, der ganz stolz einen auf Maschmeyer macht, und jedem die neusten Rentenprodukte aufdrückt, der nicht bei drei auf dem Baum ist.

Was soll ich sagen, der ist klickenputzender, auf Provisionen schielender Versicherungsvertreter, und ich beiß mir in den A...., dass ich dem Rat meines alten, weisen Vaters gefolgt bin, und ehrlich geblieben bin....

So ändern sich die Zeiten, und ich denke auch euch fallen so'ne Berufe auf, die einst als unseriös galten, und heute, dank Schröder/Fischer/Westerwelle/Merkel & Konsorten als "normale Berufe" gelten....ja, es gibt ganze Branchen, die einst so geschmähte Zeitarbeit, besser bekannt als Leiharbeit, die heute von unseriös auf "geadelt" machen.....

Auch egal, wollte es nur mal erwähnt haben....

Gar nicht amüsierte Grüße
Bernie

pillo 16. Februar 2014 um 10:34  

Das ist eine mittlerweile gängige Methode, aufkommende Kritik schon im Keim zu ersticken. Man schmeiße einfach ein paar zusätzlich abgerechnete Kilometer eines kleinen Angestellten mit den hunderttausenden hinterzogenen Steuereuros eines Herrn Hoeneß in einen Topf und suggeriere dem Pöbel, er habe gar keinen Grund sich aufzuregen.

Das der Eine froh über jeden Euro ist, den er zurückerstattet bekommt, während der Andere mit seinem ganzen Geld gar nicht mehr weiß wohin damit, läßt man natürlich unter den Tisch fallen. Aber, darum geht es ja auch nicht. Ziel ist einzig und allein, dem Normalo ein schlechtes Gewissen einzureden, auf dass er die Reichen ihr "Werk" tun läßt.

Bezeichnend ist, daß eine solche Diskussion am anderen Ende der Skala nie geführt wird. Wenn mal wieder ein "Sozialbetrüger" durch die Gazetten gejagt wird, fragt niemand nach, ob sich nicht auch Gut-, Besser- und Topverdiener vom Staat alimentieren lassen bzw. an Zuschüssen und Subventionnen abgreifen was nur geht, obwohl sie es monetär überhaupt nicht nötig hätten.

maguscarolus 16. Februar 2014 um 13:46  

@Anonym 15. Februar 2014 22:44

Aber ist denn das nicht einfach nur dem Umstand geschuldet, dass Geld im Bewusstsein einer Mehrheit die letzte verbliebene "echte" Autorität ist? Es ist dabei völlig gleichgültig, wie das Eigentum erlangt wurde. Sobald man es hat wird es vom Staat auf Kosten Aller bestens geschützt und noch der blödeste Depp findet aufmerksame Zuhörer sobald ruchbar wird, dass er Geld hat.

maguscarolus 16. Februar 2014 um 14:00  


@ Anonym, 15. Februar 2014 12:56

„Die Deutschen sparen zu viel.“

Folgendes wird funktionieren:

Nachdem den Deutschen soviel Furcht und Schrecken vor Altersarmut dank "marktkonformer®" Solidarsysteme beigebracht wurde, dass viele jeden ersparten Groschen in eine nebulöse "Altersrücklage" investieren, könnte der merkelistische Staat sich dieses Geld unter einem beliebigen Vorwand mit irgend einer Methode krallen - wenigstens einen beträchtlichen Teil davon - und es den großen Vermögen dazu addieren.
Aber womöglich erleben wir in den nächsten Jahren das Platzen der Geld & Schuldenblase. Bis dahin werden sich die wirklich Reichen allerdings die meisten realen Sachwerte angeeignet haben, sodass sie durch diesen Vorgang wieder kaum betroffen sein werden.

Das wird der größte Raubzug der Wirtschaftsgeschichte.

hm 16. Februar 2014 um 22:06  

Steuerhinterziehung klappt nur mit Hilfe von Wirtschaftsanwälten und die können sich Hinz und Kunz nicht leisten.

Das Märchen, dass Steuerhinterziehung Volkssport sei wird doch von den Medien bei jeder Gelegenheit inszeniert, zumindest verbreitet.

Ja und wem gehören die Medien, einer handvoll Reicher die es als ihre Aufgabe sieht uns alle zu verblöden.

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