Lasst die Mörder meines Mannes nicht frei!

Mittwoch, 26. Juni 2013

Liest man diesen Satz, den die Witwe Schleyer mal als Appell an die Öffentlichkeit richtete, vielleicht auch in vielen Jahren von den Kindern der NSU-Opfer?

Wie ernst es diesem Lande mit der Aufarbeitung des rechten Terrors ist, wird man erst in vielen Jahren bewerten können. Sollten da noch die Angehörigen der Opfer ihre Geschichte erzählen dürfen, wie es heute noch im regelmäßigem Turnus die Angehörigen der RAF-Opfer tun, dann kann man von gewahrtem Andenken sprechen.

Bildzeitung vom 30. Januar 2033?
Die Bubacks erzählen uns nun schon seit Jahrzehnten, wie es ist, eine Familie zu sein, die ein Familienmitglied durch einen politisch motivierten Mord verloren hat. Mit den Bubacks geht das zeitungslesende Volk dieses Landes regelmäßig auf die Jagd nach dem Mörder. Die Schleyers gelten in bestimmten Teilen des deutschen Journalismus ohnehin als Opferfamilie. Neulich erst fragte man einen Sohn der Familie, was er von der "umstrittenen RAF-Ausstellung" halte und wie es wohl sei, den Mord an seinem Vater nochmals sehen zu müssen. Man ist einfühlsam und sorgt sich noch immer um posttraumatische Folgen. Terroropfer bleiben nicht alleine.

Im Archiv der Onlineausgabe der Frankfurter Allgemeine finden sich 169 Einträge zwischen 1997 und 2012, die sich mit Buback befassen. Zu Schleyer sind es sogar 263, die zwischen 1996 und 2013 angesiedelt sind. Focus Online kennt 529 Artikel mit dem Namen Buback und 634 mit dem Namen Schleyer. Bei Bild.de finden sich 222 Artikel zu Buback und 207 zu Schleyer. Darunter finden sich Titel wie "Schleyers Söhne verzeihen Schmidt", "Die Kinder der RAF-Opfer klagen an" oder "Bubacks Sohn schreibt an seinen toten Vater".

Wenn wir im Jahr 2043 noch immer über die Sorgen und Nöte der Hinterbliebenen der NSU-Ermordeten lesen können, dann hat die Aufarbeitung erst geklappt. Wenn uns die Empörung der in die Jahre gekommenen Kinder der Opfer in publizierter Form begleitet, weil Wohlleben und Zschäpe (beide mittlerweile 68 Jahre alt) Gnadengesuche aus ihrer Sicherheitsverwahrung heraus an den Bundespräsidenten Mißfelder richteten, dann ist es diesem Land erst gelungen, die Erinnerung wachzuhalten.

Als sich der Brandanschlag in Solingen neulich jährte, rückte man die Familie der Opfer kurz in den Mittelpunkt. Man lobte sie, weil sie es geschafft hatten, dass sich ihr Opferstatus verflüchtigte. Das hat man den Schleyers oder Bubacks nie empfohlen. Wird man das den noch lebenden Opfern der NSU auch irgendwann empfehlen wollen? Man konnte die Geschichte der Schleyers gar nicht oft genug hören, die Frage der Bubacks, wer nun genau ihr Familienoberhaupt ermordet hat, nicht ausreichend genug thematisieren. Erleben wir das in Zukunft ähnlich mit anderen Namen und unter anderen Vorzeichen?

Das was im Rahmen des NSU-Prozesses an "Aufarbeitung" geschieht ist noch Tagesgeschäft. Wenn man noch in Jahren immer wieder darüber berichtet, dann geht das Tagesgeschäft in Aufarbeitung über. Sollte es noch in Jahren die Frage, wer genau dieses oder jenes Opfer erschossen hat, ins Agenda Setting schaffen, so kann man von Aufrichtigkeit sprechen. Mal sehen, ob die Yozgats oder Taşköprüs irgendwann die Schleyers oder Bubacks oder Pontos der Zukunft sein werden.

Bis dorthin ist es noch ein langer Weg. Die Presse, die nun das Geschehen rund um den NSU-Prozess verfolgt, um Schadensbegrenzung zu üben, nicht schon vorher erkannt zu haben, was da in Deutschland geschah, braucht sich im Moment nichts einbilden. Sie arbeitet nichts auf, sie rennt nur den eigenen Ansprüchen hinterher. Sprechen wir mal 2023 und 2033 darüber - und danach mal sehen, wer sich 2043 noch an die NSU erinnern kann und falls ja, wie man sich ihrer erinnert.


9 Kommentare:

Anonym 26. Juni 2013 um 07:08  

exakt erkannt....

es wird genauso ablaufen wie beschrieben...

Millionen Opfer von Juden, Andersdenkenden, Schwerbehinderten, Szinti, Roma und viele mehr, die man hingerichtet hat im 3. Reich - da kräht kein Hahn nach.... aber die Täter allesamt heute noch literarisch aufgearbeitet , zum Teil bejubelt ... und ....es ist einfach zum kotzen......

... Dieses Land wird regiert von der Mafia... (transatlantischen) - wohlgemerkt...

Cap74 26. Juni 2013 um 07:32  

"Millionen Opfer von Juden [...] da kräht kein Hahn nach"

Das kann man so nicht einmal ansatzweise stehen lassen. Der Schutz des jüdischen Lebens spielt medial und gesellschaftlich immer noch eine tragende Rolle, abgesehen von den wenigen wirklich antisemitischen Ausfällen, die auf den Alltag beschränkt sind. Nur gegen Sinti und Roma wird wieder fröhlich gehetzt, da diese das zynisch formulierte "Pech" haben, dass die Deutschen nicht genug von ihnen ermordet haben, um einen ähnlichen Status innezuhaben. So sind sie in der Wahrnehmung das Nebenprodukt eines Völkermordes, das man gerne unter den Tisch fallen lässt.

Anonym 26. Juni 2013 um 08:54  

ANMERKER MEINT:

Gute Analyse, Roberto. Der Hinweis von "Anonym 7:08" auf die "transatlantische Mafia" ist mir zu pauschal. In Sachen Erinnerung und Vergessen kommt es auch auf jeden Einzelnen in unserem Land an. Nicht wegsehen beim alltäglichen Rassimus in unserer Umgebung ist zum Beispiel auch eine Form des Erinnerns. Ob die Mainstreammedien, die zum Teil bewusst, zum Teil gedankenlos den Ereignissen hinterlaufen, die Erinnerung wach halten werden, darf bezweifelt werden. "Kopftuchfrauen" machen in deren Sicht nicht so viel her, wie die herrschenden Schleyers dieser Republik. Aber vielleicht finden ja im Rahmen der "Integration" politisch bewusste Menschen der nächsten Generationen der "Menschen mit Migrationshintergrund" - dieser Begriff sagt ja schon alles - Einzug in das Mediengeschäft. Eine ihrer Aufgaben wäre gegen das Vergessen zu kämpfen. Ich will damit die "EigentlichDeutschen" nicht entlasten, aber manchmal muss das Kind zum Bade getragen werden. Schau mer mal!

MEINT ANMERKER

Volker Birk 26. Juni 2013 um 16:53  

Es ist eine PR-Katastrophe, die die RAF verantwortet, dass ausgerechnet SS-Untersturmführer Hanns-Martin Schleyer, befasst u.a. mit der “Entjudung” des “Reichsprotektorats Böhmen und Mähren”, als “Opfer” in die Geschichte eingegangen ist.

Heute ist nicht nur möglich, dass man nach diesem Mittäter beim Massenmord eine Halle in Stuttgart benennt, sondern es wird zynischerweise sogar ein Preis in seinem Namen verliehen, für “Verdienste um die Festigung und Förderung der Grundlagen eines freiheitlichen Gemeinwesens”.

So legt man also die Grundlagen für ein freiheitliches Gemeinwesen: indem man sich bei der Hehlerei des Vermögens der Ermordeten hervortut.

Nach den Opfern der NSU dagegen wird genauso wenig ein Hahn krähen in ein paar Jahren, wie zur Verfolgung der NSU auch nicht derselbe Aufwand getrieben wurde wie zur Verfolgung der RAF.

Denn in Deutschland besteht kein übermässiges Interesse, Nazi-Verbrechen aufzuklären. Im Gegenteil. Viel lieber werden Nazis dann für ihre “grossen Leistungen” für die Gesellschaft ausgezeichnet, oder dienen gleich als Namensgeber für solche Preise.

Wäre ein Beate-Zschäpe-Preis für die Förderung des Rechtsstaates nicht gefällig?

maguscarolus 26. Juni 2013 um 17:10  

Terror gegen "systemische" Eliten oder Symbole.

Das ist wie ein Stich in ein Wespennest: Überall Polizei etc.

Terror gegen Gemüsehändler oder Asylbewerber.

Das reicht gerade mal für ein paar Sonntagsreden und beschwichtigende Kommentare.

So war, ist und bleibt es.

Heiko 26. Juni 2013 um 20:24  

Zum ersten Kommentar: Wieso vergisst man eigentlich immer die über 20 Mio. toten Russen des 2 Weltkriegs? Kann mich gar nicht mehr erinnern so eine politische Brechreiz-Sendung gesehen zu haben, wo man auch mal über diese Menschen spricht. Liegt wohl an der geopolitischen Neuausrichtung...

Lazarus09 26. Juni 2013 um 21:23  

*hust* war das der Ausspruch der Frau des Bankdirektors Emil Waigner..?

Die Geschichtsklitterung ist schon im Gange ..Die Suchergebnisse zu "Villa Waigner" werden immer dünner und lapidarer ... Die Mär vom Gutmenschen tritt in den Vordergrund.

Ja, Mord ist nicht i.O aber das Gelaber was da für ein edler guter Mensch aus unserer Mitte gerissen wurde ödet auch an .. * falls die Grenzen der freien Meinungsaeusserung überschritten bitte löschen *

Ramones 27. Juni 2013 um 17:54  

http://www.focus.de/politik/deutschland/raf/tid-32080/report-der-mann-der-die-raf-besiegte_aid_1023263.html

Und die Propagandamachinerie läuft wiedereinmal auf Hochtouren.

Lazarus09 28. Juni 2013 um 11:29  

Ramones ...

OOoooH neeein das Ministerium für Wahrheit gibt bekannt ->
Heute steht fest: Bad Kleinen war der erfolgreichste, weil folgenreichste Polizeieinsatz in der Geschichte der Republik.
..und die Herde ..Mäh !1!

Ich will auch von dem Zeugs ... :D

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